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{"created":"2022-01-31T14:41:23.248754+00:00","id":"lit29776","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ziehen","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 9: 415-419","fulltext":[{"file":"p0415.txt","language":"de","ocr_de":"Littemturbericht.\n415\nwurden, sowie mit Zahlenreihen hat Verfasser an sich seihst Versuche angestellt und ein grofses Anwachsen der Lernzeit der an zweiter Stelle erlernten Reihe gegen\u00fcber der an erster Stelle erlernten konstatiert, w\u00e4hrend die Lernzeiten f\u00fcr die dritte und vierte Zeitlage nur noch m\u00e4fsig anwuchsen. B. glaubt auch, das von Ebbinghaus schon beobachtete leichtere Erlernen der an ungeradzahliger Zeitlage erlernten Silbenreihen gegen\u00fcber den an geradzahliger Stelle befindlichen Reihen durch Interferenz erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen, eine Annahme, die er durch weitere Versuche, bei denen abwechselnd sinnlose Silben- und Zahlenreihen hintereinander gelernt wurden, und wobei sich wegen fehlender Interferenz der Assoziationen keine Verl\u00e4ngerung der Lernzeit f\u00fcr die geradzahligen Reihenstellen ergab, glaublich zu machen sucht.\nEine letzte Versuchsreihe gilt noch der Beseitigung der Annahme, die Interferenz beruhe auf einer lokalen Assoziation der Zentren f\u00fcr Auge und Hand. Es zeigte sich n\u00e4mlich die Interferenzzeit auch f\u00fcr den Fall, dafs das erste Kartenpaket nicht wirklich von der Veruchs-person sortiert wurde, sondern dieselbe die Karten in sortiertem Zustande nur vorher gezeigt bekam, oder auch die Lage der verschiedenen Kartengruppen ihr einige Male vorgesagt wurde. Verfasser glaubt daher, in der Interferenz der Assoziationen einen mehr zentralen geistigen Prozefs sehen zu m\u00fcssen, dessen Tendenz im Gegensatz zum zeitverk\u00fcrzenden\n\u2022 m\nEinflufs der \u00dcbung auf kurze Zeit hemmend wirkt.\nA. Pilzecker (G\u00f6ttingen).\nC. Wernicke. Grundrifs der Psychiatrie in klinischen Vorlesungen.\nTeil I: Psychophysiologische Einleitung. G. Thieme, Leipzig, 1894. 80 S.\nDer vorliegende I. Teil des Grundrisses der Psychiatrie zerf\u00e4llt in acht Vorlesungen. W. definiert die Geisteskrankheiten als Allgemeinerkrankungen des Gehirns ohne Herdsymptome oder auch als verbreitete Erkrankungen des Assoziationsorgans. Sie sind aufserdem dadurch gekennzeichnet, dafs sie die Assoziationsbahnen in einer durch die Verschiedenheit der Funktion bedingten Auswahl allenthalben befallen. An der Hand des Aphasieschemas gewinnt W. ein Schema f\u00fcr die gesamte Symptomatologie der Geisteskranken. Letztere besteht in letzter Linie nur aus Besonderheiten des motorischen Verhaltens. Die Bewegungen, insoweit sie Funktionen des Bewufstseinsorganes sind, teilt W. in Ausdrucksbewegungen, Reaktivbewegungen und Initiativbewegungen ein. Das Wieder erkennen eines Wortes als solchen bezeichnet W. als prim\u00e4re Identifikation, das Verst\u00e4ndnis des wiedererkannten Wortes als sekund\u00e4re Identifikation. Der letzteren subsumiert er weiterhin auch alle Assoziationen, welche von Vorstellung zu Vorstellung stattfinden, und auch die Assoziation der Reaktivbewegung selbst. Auf Grund seines Schemas gelangt er dann zu der weiteren Einteilung der St\u00f6rungen aller sekund\u00e4ren Identifikationen in psychosensorische (An\u00e4sthesie, Hyper\u00e4sthesie, Par\u00e4sthesie), psychomotorische (Akinese, Hyperkinese,","page":415},{"file":"p0416.txt","language":"de","ocr_de":"416\nLitteraturbe\u00ee'ichi.\nParakinese) und intrapsy chi sehe (Afunktion, Hyperfunktion, Parafunktion).\nF\u00fcr die Erinnerungsbilder giebt W., \u00e4hnlich wie der Beferent, eine besondere Lokalisation zun\u00e4chst zu. Er findet nur eine besondere Schwierigkeit darin, dafs die gegenseitige Anordnung der erregten Netzhautelemente f\u00fcr den Inhalt des Erinnerungsbildes am wesentlichsten ist, und gelangt daher zu dem Schlufs, dafs nur die Annahme einer erworbenen funktionellen Verkn\u00fcpfung der gleichzeitig erregten empfindenden Elemente mittelst vorhandener Assoziationsbahnen dieses besondere Ged\u00e4chtnis f\u00fcr die gegenseitige Anordnung der gereizten Netzhautpunkte zu erkl\u00e4ren vermag. Das Erinnerungsbild w\u00e4re dann weiter nichts, als eine erworbene Assoziation empfindender Elemente des zentralen Projektionsfeldes. Beferent mufs die Beweiskr\u00e4ftigkeit dieser Argumentation bestreiten. Ich gebe zu, dafs f\u00fcr die optischen Er-rinnerungsbilder aufser der Farbe nat\u00fcrlich auch die Form von wesentlicher Bedeutung ist. Offenbar beruht die Verschiedenheit der Form verschiedener optischer Erinnerungsbilder, wie auch Wernicke sagt, auf der f\u00fcr die verschiedenen Objekte verschiedenen r\u00e4umlichen Anordnung der erregten Netzhautelemente. Hierzu f\u00fcgt nun W. den Nebensatz hinzu: \u201ew\u00e4hrend \u00fcberwiegend die gleichen Netzhautelemente bei ihrer (n\u00e4mlich der verschiedenen Empfindungen) Entstehung mitgewirkt haben k\u00f6nnen\u201c. Dieser Satz erscheint dem Beferenten nicht richtig. Wenn die gleichen Netzhautelemente mitgewirkt haben, so kann die Anordnung der erregten Elemente und daher auch die r\u00e4umliche Form der Empfindung nicht verschieden sein. Ich behaupte vielmehr umgekehrt : Auch wenn ungleiche Netzhautelemente mitgewirkt haben (vergl. Fig. 18 meines Leitfadens), kann die r\u00e4umliche Form der Empfindung gleich ausfallen (bei ungleicher Gesamtlokalisation im Gesichtsfeld). Man nehme z. B. ein bestimmtes stumpfwinkeliges Dreieck, welches der Einfachheit halber einfarbig vorausgesetzt sei. Die Form wird durch die Lage der drei Eckpunkte bestimmt. Man denke sich nun dasselbe Dreieck zun\u00e4chst in der Peripherie des Gesichtsfeldes, dann im Zentrum des Gesichtsfeldes gelegen, und zwar zuerst etwa so, dafs die l\u00e4ngste Seite horizontal liegt und durch das Zentrum hindurchl\u00e4uft. Nun denke man sich das Dreieck parallel mit sich selbst etwas nach rechts und nach links, nach oben und nach unten verschoben und schliefslich um sich selbst gedreht. Offenbar werden hier von demselben Dreieck je nach der Lage die aller verschiedensten Netzhautelemente (auch innerhalb der Macula lutea) erregt, und trotz dieser Verschiedenheit der erregten Netzhautelemente bleibt das Erinnerungsbild in allen F\u00e4llen im wesentlichen, d. h. in seiner Form, v\u00f6llig gleich. Die Lage im Gesamtgesichtsfeld (d. h. zu fixen Punkten desselben) hat sich nat\u00fcrlich ge\u00e4ndert. Aber diese ist f\u00fcr das Wiedererkennen gerade unwesentlich. Unser cerebraler Organismus ist in wunderbarer Weise so organisiert, dafs von der Lage im Gesichtsfeld bei dem Zustandekommen des einzelnen Erinnerungsbildes abstrahiert wird, und offenbar ist diese Organisation zweckm\u00e4fsig. Das Drei\u00ebck wird also trotz Mitwirkung ganz verschiedener Netzhautelemente wiedererkannt. Wie erkl\u00e4rt sich nun diese Gleichheit","page":416},{"file":"p0417.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturberichi.\n417\ndes Erinnerungsbildes bei Verschiedenheit der erregten Elemente? Verkn\u00fcpfung der empfindenden Elemente durch Assoziationsbahnen, wie sie G-oldscheider, Sachs und auch Wernicke annehmen, reicht offenbar nicht aus. Welche Elemente sollten denn funktionell verkn\u00fcpft sein, etwa diejenigen, welche das Dreieck in seiner Lage 1, oder diejenigen, welche es in seiner Lage 100 erregte? Bei dem Zustandekommen desselben Erinnerungsbildes wirken verschiedene Netzhautelemente mit. An dieser Thatsache scheitert die Annahme, dafs das Erinnerungsbild nur eine erworbene Assoziation der kortikalen Em pf indun g s elemente darstellt. Von meinem Standpunkte ergiebt sich die verlangte Erkl\u00e4rung sehr einfach. Jedes Netzhautelement ist mit Bewegungsvorstellungen (als Lokalzeichen) assoziiert. Wenn dasselbe Dreieck immer wieder andere Netzhautelemente reizt, so wechselt zwar f\u00fcr die charakteristischen Punkte (also namentlich die Eckpunkte) der absolute Wert der assoziierten Bewegungsvorstellungen, aber ihr gegenseitiges Verh\u00e4ltnis bleibt dasselbe. Da nun diese Assoziation der Bewegungsvorstellungen \u00fcberhaupt sich nicht auf die absoluten Werte, sondern nur auf die Wertverh\u00e4ltnisse bezieht \u2014 nur diese fungieren als Lokalzeichen \u2014, so deckt sich f\u00fcr meine Erkl\u00e4rung in der That das Erinnerungsbild, einerlei, wie das Objekt im G-esichtsfeld liegt und welche Netzhautelemente daher von ihm erregt werden. \u2014 Die in meinem Leitfaden angenommene Abstimmung ist prinzipiell von der Abstimmung, wie sie auch Wernicke allenthalben annimmt, nicht verschieden. Sowohl Sachs wie Wernicke haben diese meine Einw\u00e4nde zum Teil selbst gef\u00fchlt, aber gerade f\u00fcr den springendsten Fall nicht widerlegt, n\u00e4mlich denjenigen, dafs das Objekt, z. B. das Dreieck, sich in der Macula lutea abbildet, aber in verschiedener H\u00f6he. Die Basis bleibe horizontal, habe aber von dem Mittelpunkte bald einen gr\u00f6fseren, bald einen kleineren Abstand (nach oben oder unten). Auch die SACHssche Hypothese bez\u00fcglich der Lokalzeichen reicht hier nicht aus.\nIch glaube, mancher Leser wird \u00fcber das definitive Besultat der Vorlesung 3 (\u00fcber die Erinnerungsbilder) nicht ganz klar sein. Sind nach W. die Erinnerungsbilder an dieselben anatomischen Elemente gebunden oder nicht? In der vierten Vorlesung m\u00f6chte Deferent bezweifeln, dafs man von einer Form des Beizes (im Sinne einer r\u00e4umlichen Anordnung) auf vielen Sinnesgebieten \u00fcberhaupt f\u00fcr gew\u00f6hnlich reden kann (G-eschmack, G-eruch, G-eh\u00f6r). Die ganze Deduktion Wernickes gr\u00fcndet sich viel zu speziell auf die optischen Erinnerungsbilder.\nBesonders bemerkenswert ist die f\u00fcnfte Vorlesung. Den wesentlichen Unterschied zwischen Empfindung und Erinnerungsbild sieht W. darin, dafs erstere stets von Organempfindungen begleitet und. deshalb an bestimmte Stellen des Baumes projiziert wird, letzteres hingegen nicht. Auf den Organempfindungen beruht das Bewufstsein der K\u00f6rperlichkeit. W. denkt sich, dafs letzeres durch die Perzeptionszellen in den tiefsten Schichten der Hirnrinde repr\u00e4sentiert ist. Das \u201eprim\u00e4re Ich\u201c Meynerts ist mit diesem Bewufstsein der K\u00f6rperlichkeit identisch,\nIn der sechsten Vorlesung wird die Entstehung der sog. spontanen Bewegungen im wesentlichen dm Sinne Meynerts entwickelt.\n27\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie IX.","page":417},{"file":"p0418.txt","language":"de","ocr_de":"418\nLi it\u00e9ra turbericht.\nDie siebente Vorlesung behandelt das Bewufstsein der Pers\u00f6nlichkeit. Die Hauptbedingung f\u00fcr sein Zustandekommen ist die Unver\u00e4nderlichkeit der K\u00f6rperlichkeit im G-egensatz zur Ver\u00e4nderlichkeit der Aufsenwelt. Das Bewufstsein der Pers\u00f6nlichkeit ist eine Funktion des Bewufstseins der Aufsenwelt und der K\u00f6rperlichkeit. Gewisse Geisteskrankheiten betreffen ausschliefslich das Bewufstsein der Pers\u00f6nlichkeit, andere fast ausschliefslich das Bewufstsein der Aufsenwelt oder der K\u00f6rperlichkeit, endlich wieder andere stellen bestimmte Kombinationen von Erkrankungen der Pers\u00f6nlichkeit mit solchen der K\u00f6rperlichkeit oder Aufsenwelt dar. Dabei scheint sich der Krankheits-prozefs auf verschiedene Lokalit\u00e4ten zu verteilen. Die Dementia paralytica ergreift nacheinander das Bewufstsein der Pers\u00f6nlichkeit, der Aufsenwelt und der K\u00f6rperlichkeit und scheint dabei ziemlich gesetz-m\u00e4fsig mit einem Faserschwund in der \u00e4ufsersten rein grauen Bindenschicht zu beginnen. \u2014 Das sog. Selbstbewufstsein im Sinne vieler Philosophen ist eine T\u00e4uschung: die geistige Pers\u00f6nlichkeit nimmt nicht sich selber wahr, sondern diejenige Pers\u00f6nlichkeit, welche sie vor wenigen Augenblicken oder vor Stunden, Tagen, Jahren etc. gewesen ist.\nDie Schlufsvorlesung enth\u00e4lt u. a. die Annahme, dafs es verschiedene Grade des Bewufstseins gebe, insofern man gem\u00e4fs dem Sprachgebrauch unter Bewufstsein nicht nur den Inhalt des Bewufstseins, sondern auch dessen Th\u00e4tigkeit, d. h. den in ihm sich abspielenden ErregungsVorgang, versteht. W. konstruiert daraufhin eine Kurve, deren Ordinatenh\u00f6hen den Grad des Bewufstseins ausdr\u00fccken, w\u00e4hrend die Abscissenl\u00e4ngen dem Umfang des Bewufstseins entsprechen. Das Bewufstsein niederen Grades, welches wir fortw\u00e4hrend von unserer K\u00f6rperlichkeit haben, dr\u00fcckt sich in einer flachen Erhebung der Kurve aus. Ein ziemlich steiler Wellengipfel der Kurve bezeichnet den Ort des augenblicklich h\u00f6chsten Erregungszustandes. Wenn W. nun weiterhin von einem Wandern dieses Wellengipfels spricht, so ist offenbar f\u00fcr die graphische Darstellung das zweiachsige Koordinatensystem zu einem dreiachsigen zu erg\u00e4nzen. Die z-Koordinaten w\u00fcrden den Zeitl\u00e4ngen entsprechen. Nur so wird die sinnreiche Veranschaulichung Werxickes jedem Mifs-verst\u00e4ndnis entzogen. Wenn der Wellengipfel den Ort der intensivsten Gedankenth\u00e4tigkeit bezeichnet, so mufs man sich die n\u00e4chst assoziierten Vorstellungen in dem aufsteigenden und absteigenden Schenkel der Kurve (richtiger wohl: der Wellengipfellinie) enthalten vorstellen; so ergiebt sich die Kontinuit\u00e4t des Gedankenablaufes zwischen Ausgangsvorstellung und Zielvorstellung. Das Wandern des Wellengipfels bezeichnen wir bald als Aufmerksamkeit, bald als Wille. Aus der durchg\u00e4ngigen Gleichheit des Schwellenwertes der Empfindung schliefst W., dafs \u201eauch die Aufmerskamkeit oder mit anderen Worten die Ordinaten-h\u00f6he des Wellengipfels bei allen normalen Menschen ungef\u00e4hr gleich ist\u201c. Eine Herabsetzung der Empfindungsschwellenwerte bedeutet daher unter Umst\u00e4nden eine Herabsetzung des Bewufstseinsgrades. Die F\u00e4higkeit, neue Erinnerungsbilder zu erwerben, bezeichnet W. als Merkf\u00e4higkeit im Gegensatz zu dem Ged\u00e4chtnis, welches den erworbenen Besitzstand an Vorstellungen (oder vielmehr dessen Beproduzierf\u00e4higkeit? Bef.)","page":418},{"file":"p0419.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turbericht.\n419\nbezeichnet. Die Merkf\u00e4higkeit h\u00e4ngt zum Teil von der Aufmerksamkeit ah. Die Unf\u00e4higkeit der R\u00fcckerinnerung beruht zuweilen, aber keineswegs stets, auf einem Verlust der Merkf\u00e4higkeit in einem gegebenen Zeitraum (Beispiel: Amn\u00e9sie r\u00e9troactive nach Sch\u00e4deltraumen). Die Annahme einer willk\u00fcrlichen Lenkung der Aufmerksamkeit ist auch nach W. eine Selbstt\u00e4uschung, analog derjenigen des Selbstbewufstseins.\nDie Affekte werden zum Schlufs der SchlufsVorlesung etwas gar zu kurz abgehandelt. Von der G-ef\u00fchlsbetonung und der H\u00e4ufigkeit des Auftretens h\u00e4ngt die Erregbarkeit einer Vorstellungsgruppe nach W. ab. Unter Normalwertigkeit der Vorstellungen versteht er eine bestimmte Abstufung von ErregbarkeitsVerh\u00e4ltnissen, welche bei den verschiedenen Individuen innerhalb einer gewissen Breite verschieden ist, dooh bei jedem Individuum einen pr\u00e4formierten Besitz gewiss ermafs en von Ranges -unterschieden unter den Vorstellungen bedingt. Die Verschiedenheit der Charaktere|beruht wesentlich auf der verschiedenen Wertigkeit derjenigen Vorstellungen, von denen ihr Handeln unter bestimmten Verh\u00e4ltnissen abh\u00e4ngt. Auch bei dem G-esunden treten \u00f6fter \u00fcberwertige Vorstellungen auf (Ehrbegriff etc.). Bei Geisteskranken sind sie erheblich h\u00e4ufiger.\nReferent ist schon nach dieser psychophysiologischen Einleitung \u00fcberzeugt, dafs Wernickes Grundrifs die meisten der landl\u00e4ufigen Lehrb\u00fccher der Psychiatrie weit \u00fcberragen wird. Auch der Psycholog findet \u00fcbergenug Belehrung und Anregung.\tZiehen (Jena.)\nC. Bonfigli. Un caso di demonopatia. Biv. di fr en. XX. 3\u20144. S. 341.\nDer Pall von Besessenheit bei einer 29 Jahre alten B\u00e4uerin, die im Mai 1894 in die Irrenanstalt von Rom aufgenommen wurde, ver-aniafst den die Klinik dieser Anstalt leitenden Verfasser schon um deswillen zu einem n\u00e4heren Eingehen, weil es seltsam erscheint, dafs im 19. Jahrhundert ein solcher Fall Vorkommen k\u00f6nne. Allerdings ist der Glaube an Hexen und behext zu sein, wie es in dem fraglichen Falle geschieht, nicht mehr so lebendig, dafs Tausende von Scheiterhaufen Zeugnis davon abgeben, aber er besteht doch, wenn auch abgeschw\u00e4cht, unter allerlei Formen und wird, wie der Glaube an Geister und D\u00e4monen, dem 20. S\u00e4kulum nicht fehlen, so lange der Wunderglaube seine Nahrung den biblischen Vorbildern und neuerdings dem Spiritismus entnimmt.1\nDer Vorgang ist sehr erkl\u00e4rlich, wenn man bedenkt, dafs die erblich belastete, durch f\u00fcnf Kindbetten und Laktation geschw\u00e4chte, unwissende, religi\u00f6s gl\u00e4ubige Frau, durch das Abschiedswort ihres Vaters, den man ins Irrenhaus f\u00fchrt, sie solle sich nicht behexen lassen, erregt, von einer als Hexe verrufenen Alten pl\u00f6fzlich angehalten, von ungewohnten Sensationen in dem ber\u00fchrten Arme befallen wird und in ein krankhaftes Bellen ausbricht, das sie aus dem Zustande einer ihrer hysterischen Verwandten kennt.\nDie Suggestion setzt sich in dem durch die Vorbedingungen ge-\n1 Anm. des Ref. : Vergl. Biv. di fren. Bd. XX. S. 197, wo es heifst: \u201eMan brachte ihn im Mai 1893 nach dem Santuario di Caravaggio, wo man noch jetzt den Exorcismus betreibt und die Besessenen heilt.\u201c\n27*","page":419}],"identifier":"lit29776","issued":"1896","language":"de","pages":"415-419","startpages":"415","title":"C. Wernicke: Grundri\u00df der Psychiatrie in klinischen Vorlesungen. Teil I: Psychophysiologische Einleitung. G. Thieme, Leipzig, 1894. 80 S.","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:41:23.248760+00:00"}