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{"created":"2022-01-31T14:41:43.974634+00:00","id":"lit29844","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Guillery","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 83-98","fulltext":[{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Augemnafs der seitlichen Netzhautteile.\nVon\nStabsarzt Dr. Guillery in K\u00f6ln.\nBei Gelegenheit einer anderen Untersuchung hatte ich mir die Frage vorznlegen, ob die F\u00e4higkeit der Gr\u00f6\u00dfensch\u00e4tzung auf der Netzhautperipherie eine andere ist, als in dem Zentrum, insbesondere, wie weit das WEBEBsche Gesetz hier G\u00fcltigkeit beansprucht. Um einen solchen Vergleich zwischen Peripherie und Zentram ziehen zu k\u00f6nnen, m\u00fcfste man zun\u00e4chst dar\u00fcber im Klaren sein, wie sich das letztere selbst in dieser Hinsicht verh\u00e4lt. Nur wenn wir hier etwas Gesetzm\u00e4\u00dfiges finden, wird sich ein erspriefslioher Vergleich mit der Peripherie- anstellen lassen. Die Durchsicht der Litteratur ergiebt nun aber, dafs diese Voraussetzung bisher noch sehr wenig erf\u00fcllt ist und bis in die neueste Zeit die verschiedenen Untersucher, namentlich in Bezug auf das WEBEBsche Gesetz, zu gerade entgegengesetzten Ergebnissen gekommen sind. Weber1 selbst behauptete zwar, da\u00df das Gesetz auch f\u00fcr die L\u00e4nge von Linien, die wir mit dem Gesichte unterscheiden k\u00f6nnen, zutrifft, und suchte dies dadurch zu beweisen, da\u00df er den kleinsten Unterschied bestimmte, welcher erforderlich ist, damit zwei nacheinander betrachtete Linien noch als verschieden gro\u00df erkannt werden k\u00f6nnen. Er fand dabei, da\u00df dies noch eben der Fall war, wenn die L\u00e4ngen sich verhielten wie 100:101, und da\u00df dieses Verh\u00e4ltnis f\u00fcr jede beliebige L\u00e4nge dasselbe sein mu\u00df. Sp\u00e4tere Beobachter haben sich dieses Verfahrens im allgemeinen nicht mehr bedient, sondern sind mit H\u00fclfe der Methode der richtigen und falschen F\u00e4lle und besonders der mittleren Fehler an die Frage herangetreten.\n1 Wagner, Handw\u00f6rterb. d. Physiol. UI. 2. Abtl. S. 559.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nGuillery.\nDei; letzteren bediente sich Hegelmayeb,1 welcher auch eine ungef\u00e4hre Best\u00e4tigung des WEBERschen Gesetzes fand, doch waren seine Versuche sowohl ihrer Art, als ihrer geringen Zahl nach nicht geeignet, die Sache zu entscheiden. Die Frage wurde wieder aufgenommen von Fechner und Volkmann, von denen erster er* * einen bis auf die Spitzen verdeckten Zirkel auf eine Spannweite von 10, 20, 30 und 40 halben pariser Dezimallinien einstellte und nunmehr die Spitzen eines zweiten, ebensolchen Zirkels auf dieselbe Entfernung zu bringen suchte, w\u00e4hrend letzterer die Abst\u00e4nde von parallel gespannten F\u00e4den den gegebenen Abst\u00e4nden von 10, 20, 40, 80, 120, 160, 200, 240 mm nach dem Augenmafse gleichmachte. Nach der Methode der mittleren Fehler fanden beide Forscher, dafs das WEBERsche Gesetz zutraf, #d. h. also, dafs der Fehler immer denselben Bruchteil der gegebenen Distanz ausmachte, und zwar bei Fechner 7\u00ab.i, bei Volkmann Vs\u00ab (in sp\u00e4teren Versuchen Vioi.i). \u00c4hnlich wie bei anderen physiologischen Beizen ergab sich aber eine untere Grenze, jenseits welcher das Gesetz nicht mehr zutraf. Bei mikrometrischen Distanzen von 0,2 bis 3,6 mm fanden n\u00e4mlich Volkmann und Appel, dafs diese Proportionalit\u00e4t nicht mehr hervortrat. Fechner sucht dies durch Zerlegung der mittleren Fehler in zwei Komponenten zu erkl\u00e4ren, von denen er die eine als die Volkmann sehe Konstante, die andere als die WEBERsche Variable bezeichnet. Letztere entspricht dem WEBERschen Gesetze, bleibt also den vorgelegten L\u00e4ngen proportional, w\u00e4hrend die erstere sich nicht \u00e4ndert. Als wahrscheinlich nimmt er an, dafs diese auch\nA\nbei den gr\u00f6fseren Distanzen im Spiele sei, aber gegen dieselben wegen ihrer Kleinheit verschwinde. Weiterhin d\u00fcrfte bei den ganz kleinen Abst\u00e4nden der Einflufs der Irradiation, welcher sich hier st\u00e4rker geltend machen mufs, das Ergebnis tr\u00fcben. Die Versuche waren binokular und ohne bestimmte Augenstellung vorgenommen.\nDie Tabelle von Mach* dagegen sprioht nicht zu Gunsten des WEBERschen Gesetzes. Er teilte eine* gegebene horizontale Strecke in ver\u00e4nderlichem Verh\u00e4ltnisse in zwei Abschnitte und verfahr dann nach dem Augenmafse ebenso mit einer zweiten,\n1 Vierordt8 Arch. XI.\n*\tPsychophymk. Bd. I.\n*\tSitzgs.-Ber. d. Wien. Akad. 2. Abtl. XL1IL Jan. 1861.","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"S* *\nUber das Augenma\u00df der seitlichen Netzhautteile,\t85\n\u00ab\ngleich langen. Die mittleren variablen Fehler, welche er fand, zeigen nichts Gesetzm\u00e4fsiges.\nSp\u00e4terhin wurden diese Versuche von Chodin 1 wieder nachgepr\u00fcft, welcher ebenfalls das WfiBERsche Gesetz nicht g\u00fcltig fand. Er verfuhr in der Weise, dafs binokular und bei uneingeschr\u00e4nkten Augenbewegungen zu beiden Seiten einer ' gegebenen Distanz dieselbe abgetragen wurde. Dabei zeigte sich bei Zunahme der Distanzen zun\u00e4chst eine Abnahme des relativen Fehlers und dann % wiederum eine Zunahme. Im wesentlichen dasselbe Ergebnis wurde beobachtet bei Sch\u00e4tzungen aus dem Ged\u00e4chtnisse, nur trat der Wechsel von Zn- und Abnahme erst bei gr\u00f6fseren Distanzen ein. Es bezieht sich dies auf horizontale L\u00e4ngen. F\u00fcr vertikale dagegen giebt er, abgesehen von den kleinsten, zu, dafs die relative Gr\u00f6fse des Fehlers im allgemeinen dieselbe bleibt, also dem Weber sehen Gesetze nicht widerspricht.\nFischer8 hinwiederum stellt sich auf Seite von Fechner und Volkmann und erkl\u00e4rt Chodins Ergebnisse zum Teil durch einen Bechenfehler, zum Teil h\u00e4lt er sie f\u00fcr zuf\u00e4llige. Da seine Versuche bereits das peripherische Sehen mit ber\u00fccksichtigen, werden wir auf dieselben weiter unten zur\u00fcckkommen.\nNeuerdings hat nun Higher8 in einer sehr ausf\u00fchrlichen Arbeit auf Veranlassung von Prof. Kr\u00e4pelin die Frage nochmals einer eingehenden Pr\u00fcfung unterzogen und hierbei, aufser der Methode der mittleren Fehler, auch die der richtigen und falschen F\u00e4lle, kombiniert mit dem Prinzipe der Minimal\u00e4nderungen, ferner die Methode der doppelten und mehrfachen Beize benutzt. Die Beobachtungen wurden monokular gemacht, und befand sich das Auge in Prim\u00e4rstellung, 50 cm von dem betreffenden Objekte entfernt. Ob das Auge fixiert ist oder sich frei bewegen darf, erwies sich nicht als gleichg\u00fcltig, da der mittlere Fehler im ersteren Falle viel gr\u00f6fsere Werte zeigte* Bei allen Verbuchen ergab sich aber, dafs der Fehler nicht proportional den gegebenen L\u00e4ngen w\u00e4chst, sondern derselbe erreichte ein Maximum zwischen 20 und 100 mm, und ein\n1 Arch. f, Ophthalm. XXIII. 1.\n* Ibid. XXXVII. 1.\n8 Inang.-Dissert. Dorpat 1890.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nGviUery.\nzweites bei 200 mm. Aach unterzieht Hisibb die einschl\u00e4gigen Tabellen M\u00fcnstbbbebgs 1 (welche mir im Original nicht zur Verf\u00fcgung stehen) einer abf\u00e4lligen Kritik, indem er hervorhebt, rla.fa deren mittlere variable Fehler viel zu grofse Schwankungen aufweisen, als dafs sie zu dunsten des WsBBBschen Gesetzes verwertet werden k\u00f6nnten, wie der Autor will.\nDiese Untersuchungen mit fixierter Augenstellung bedeuten offenbar zum Teil schon eine Pr\u00fcfung des Augenmaises der peripheren Teile, indem das Netzhautbild der verglichenen L\u00e4ngen die Stelle des deutlichsten Sehens mehr oder weniger tiberragt und nur exzentrische Stellen von demselben erregt werden. Higieb experimentierte mit einer schmalen leuchtenden Linie, die durch einen herabh\u00e4ngenden Draht in zwei Teile geteilt war. Der Bliok fiel ungef\u00e4hr auf den Ber\u00fchrungspunkt der beiden Teile, und wurden dieselben nunmehr durch seit* * liehe Sohieber gleiohzumachen gesucht. Dafs hierbei die Sch\u00e4tzung schwerer wurde und demgemfifs die Fehler gr\u00f6fser ausfielen, als bei bewegtem Auge, erkl\u00e4rt er duroh den Mangel der Innervationsgef\u00fchle. Es ist aber auoh eine bekannte That-sache,* dafs wir kleine Unterschiede am besten bemerken, wenn wir abwechselnd die Mitte zweier Linien fixieren, wodurch, die zu vergleichenden Gegenst\u00e4nde hintereinander auf dieselben Punkte der Netzhautoberfi\u00e4che fallen, welches Hftlfsmittel bei fixiertem Auge nat\u00fcrlich fehlt. Wir werden auf den Einflufs der Augenbewegungen noch n\u00e4her zur\u00fcokkommen.\nAls \u201eGr\u00f6fsensch\u00e4tzungen im Gesichtsfeld\u201c bezeichnet Fisches (1. c.) seine Versuche, und einzelne von ihnen sind auch solche im strengeren Sinne des Wortes, insofern die gesch\u00e4tzten Objekte ihr Bild vollst\u00e4ndig auf der Peripherie entwerfen und das Zentrum nicht mit beanspruchen. Es sind dies diejenigen, wo von drei Bruchst\u00fccken einer Linie das mittlere fixiert und die beiden \u00e4ufseren miteinander verglichen werden, ferner solche, bei welchen eine Linie, deren einer Endpunkt fixiert wird, halbiert werden soll, so dafs also die eine H\u00e4lfte vollst\u00e4ndig peripher liegt, die andere zum Teil. Eine unmittelbare Vergleichung des zentralen und peripheren Sehens fand aber nur in beschr\u00e4nktem Mafse statt, da die Netzhautbilder der\n1 Beitr. e. experiment. Psychol. 1889. II.\n* ton Helmholtz, Physiol. Optik. 2. Aufl. S. 688.","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Augenma\u00df dar seitlichen Netzhautte\u00fce.\n87\nbetreffenden Linien immer noch in die n\u00e4here Umgebung der Macula fielen und \u00fcberhaupt zu nahe aneinandergrenzten, als dafs wesentliche Verschiedenheiten durch die Lage als solche sich h\u00e4tten herausstellen k\u00f6nnen. Im Gegens\u00e4tze zu den vorhergenannten Autoren kommt nun Fischer wieder zu dem Ergebnisse, dafs das Webers che Gesetz f\u00fcr das Augen-mafs zutreffe, was aber aus seinen Zahlen keineswegs \u00fcberall hervorgeht. Ja, er findet, wie schon oben bemerkt, dafs auch Chopins Tabellen mehr f\u00fcr als gegen das Gesetz sprechen. Bei Winkelhalbierungen dagegen hat sich ihm dasselbe wieder nicht best\u00e4tigt.\nGehen wir auf die Versuche etwas n\u00e4her ein, so kommen f\u00fcr die Beurteilung des Augenmaises der Netzhautperipherie am meisten diejenigen in Betracht, bei welchen ein zentrales und ein peripheres St\u00fcck eines Sehfeldsradius unter Fixierung des zentralen Endpunktes des ersteren verglichen werden. Es fand sich hierbei stets ein konstanter Fehler, welcher in doppelter Weise sich geltend machte. Erstens wurde das periphere Ende stets untersch\u00e4tzt, also zu grofs eingestellt, was nicht nur durch die infolge der peripheren Lage stattfindende Verkleinerung des Sehwinkels zu erkl\u00e4ren war, sondern auch unter Anrechnung der hieraus sich ergebenden Differenz blieb immer noch ein konstanter Fehler \u00fcbrig. Zweitens verhielten sich die einzelnen Abschnitte des Sehfeldes verschieden, insofern die Gr\u00f6fse des konstanten Fehlers ganz regelm\u00e4fsig mit der Richtung des gegebenen Radius wechselte. Derselbe war, wenn man den Versuch f\u00fcr die Arme eines senkrecht stehenden, im Durchschnittspunkte fixierten Kreuzes ausf\u00fchrte, am kleinsten f\u00fcr den linken, etwas gr\u00f6fser f\u00fcr den unteren, weit st\u00e4rker f\u00fcr den rechten, am bedeutendsten f\u00fcr den oberen. Es gelten diese letzteren Angaben f\u00fcr das rechte Auge. Im Sehfelde des linken war der konstante Fehler ganz analog, nur dafs der rechte und der linke Arm sich umgekehrt verhielten. Bei diesen Angaben ist am auff\u00e4lligsten, dafs der linke Arm kleiner taxiert wurde, als der untere, also ein horizontaler kleiner, als ein vertikaler, w\u00e4hrend sonst von allen Autoren, welche senkrechte und wagerechte Linien verglichen haben, das Gegenteil angegeben wird. So soll nach Wundt der Unterschied bis zu Vs der horizontalen Strecke betragen k\u00f6nnen, Chopin fand ihn wechselnd nach der L\u00e4nge der Linien","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nGu\u00fciery.\nvon V\u00dfi\u2014V\u00f6\u00f6j vox Helmholtz von Veo\u2014Vso. Fischer selbst hat in anderen Versuchen, bei welchen ein senkrechter und ein wagerechter Kreuzarm verglichen wird, diese Angaben der letzteren Autoren best\u00e4tigt. Der Fehler fand sich bei den wagerechten Armen gr\u00f6fser, wenn zwischen den beiden zu vergleichenden St\u00fccken noch ein Zwischenraum gelassen wurde. Bei dieser Modifikation schien er aber abzunehmen, wenn das zentrale St\u00fcck oder der Zwischenraum gr\u00f6fser, die Lage der verglichenen Teile also peripherischer wurde, jedoch war das letztere nicht immer deutlich, weil das Urteil \u00fcber die Gr\u00f6fsen-verh\u00e4ltnisse dabei \u00fcberhaupt ein sehr unbestimmtes wurde. Zumal f\u00fcr die Messungen am \u00e4uiseren und noch mehr am oberen Arme h\u00e4lt Fischer die Unbestimmtheit der Gr\u00f6fsen-sch\u00e4tzung f\u00fcr noch bedeutender, als sie durch den variablen Fehler ausgedr\u00fcckt wurde, welcher letztere in Bezug auf die Lage der verglichenen Teile im \u00fcbrigen dasselbe Verhalten zeigte, wie der konstante.\nDie Zahl derjenigen Versuche, welche sich mit einer Vergleichung des zentralen und peripheren Augenmaises besch\u00e4ftigen, ist daher, wenn ich nicht andere Arbeiten \u00fcbersehen habe, vorl\u00e4ufig noch eine sehr geringe. Sollten noch sonstig\u00e9 Angaben \u00fcber diese Frage vorliegen, so d\u00fcrften meine Versuche immerhin als weiterer Beitrag ihre Berechtigung haben. Soviel scheint aus dem Bisherigen hervorzugehen, dafs irgend welche auff\u00e4lligen Unterschiede zwischen Peripherie und Zentrum nicht bestehen, und werden die vorhandenen haupts\u00e4chlich auf die gr\u00f6fsere Undeutlichkeit des Bildes und die daraus sich ergebende Unsicherheit zur\u00fcckgef\u00fchrt. \u00dcber diese Unsicherheit selbst, \u00fcber die Grenzen, bei welchen sie anf\u00e4ngt, sich st\u00f6rend bemerkbar zu machen, und \u00fcber ihr Verhalten in verschiedenen Abst\u00e4nden vom Zentrum habe ich in der Litteratur \u00fcberhaupt keine genaueren Angaben vorfinden k\u00f6nnen, von Helmholtz1 vergleicht diese Unsicherheit mit derjenigen, welche entsteht, wenn man die Gr\u00f6fse einer Linie sch\u00e4tzen will, auf welche man nicht scharf akkommodiert hat. Die Breite einer solchen Linie, sagt er, ist gar nicht zu sch\u00e4tzen, ihre L\u00e4nge sehr unvollkommen, dagegen wohl ihre Richtung. Dafs aber \u00fcberhaupt im indirekten Sehen eine gewisse Sch\u00e4tzung m\u00f6glich ist,\n1 Physiol. Optik. 2. Aufl. S. 697.","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"89\n*\u2022\nUber das Augenma\u00df der seitlichen Netzhautteile.\nbeweist ihm die richtige Beurteilung der PuRKiNjEschen Aderfigur.\nWenn es thats\u00e4chlich so schwierig ist, eine Linie zu sch\u00e4tzen, worauf man nicht akkommodiert, wor\u00fcber ich selbst keine Versuche gemacht habe, so m\u00f6chte ich behaupten, dafs der gew\u00e4hlte Vergleich kein sehr gl\u00fccklicher ist, da thats\u00e4chlich noch bis zu betr\u00e4chtlicher Entfernung vom Zentrum ziemlich genaue Sch\u00e4tzungen m\u00f6glich sind. Auf den Grad der Bestimmtheit, welcher sich aus der Gr\u00f6lse des variablen Fehlers ergeben mufs, soll unten n\u00e4her eingegangen werden. Dabei konnte ich nicht einmal finden, dafs erst nach gr\u00f6fserer \u00dcbung sich eine gewisse Sicherheit erlangen l\u00e4fst, insofern meine ersten Versuche von den sp\u00e4teren keine wesentliche Abweichung zeigten. Nach Fischer ist der gegenseitige Abstand der beiden verglichenen L\u00e4ngen (der \u00fcbrigens in seinen Versuchen verh\u00e4ltnis-m\u00e4fsig gering war), nicht von wesentlichem Einfl\u00fcsse, wohl aber die Abweichung ihrer Lage von der geraden Linie. Dieser letztere Einflufs m\u00fcfste sich bei meinen Versuchen sehr be-merklich gemacht haben, da die verglichenen Distanzen stets einander parallel waren. Die Anordnung war n\u00e4mlich die, dafs ein Auge bei Verschlufs des anderen auf eine gegebene senkrechte oder wagerechte Distanz gerichtet war und ich mich nun bem\u00fchte, in verschiedenen Abst\u00e4nden vom Zentrum eine zweite Distanz, welche der ersteren parallel lief, dieser gleich zu machen. Es wurden hierf\u00fcr zwei Abst\u00e4nde gew\u00e4hlt. Zun\u00e4chst derjenige, welcher die \u00e4ufserste Grenze bildete, bei welcher mir \u00fcberhaupt noch ein hinreichend genaues Erkennen der betreffenden Linie m\u00f6glich war. Nach l\u00e4ngerem Pr\u00fcfen fand ich, dafs diese Grenzen f\u00fcr mein Auge nach innen und aufsen bei ca. 50\u00b0, nach oben und unten bei ca. 40\u00b0 lagen. N\u00e4chstdem w\u00e4hlte ich zum V er gleiche noch einen n\u00e4heren Abstand, und zwar 30\u00b0. Der einzige wesentliche Unterschied, der sich hierbei gegen die vorher gew\u00e4hlte Lage ergab, war der, dafs die variablen Fehler wegen der gr\u00f6fseren Deutlichkeit des Objektes etwas weniger schwankten. Nach diesen Vor versuchen wurde alsdann ein mittlerer Abstand von 35\u00b0 gew\u00e4hlt und f\u00fcr diesen eine gr\u00f6fsere Anzahl von Vergleichungen in den vier Hauptmeridianen angestellt. Damit die periphere Linie dieselbe Entfernung vom Auge beibehielt, wie die zentrale,","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nGuilleryr\nwurden sie nicht auf einer ebenen Fl\u00e4che, sondern gleich am Perimeter angebracht, so dafs alle durch Ungleichheit des Sehwinkels entstehenden St\u00f6rungen und erm\u00fcdenden Berechnungen vermieden wurden. Sehr geeignet schien mir f\u00fcr diesen Zweck das ScHWEiOGEBsche Perimeter, teils weil es wegen seiner Handlichkeit immer leicht in die beste Beleuchtung zu bringen war, teils wegen des geringen Radius (15 cm), welcher der Deutlichkeit der Bilder zu statten kam, und endlich, weil die St\u00fccke Karton, auf welchen die betreffenden Linien aufgezeichnet waren, sich bequem auf dem schmalen Metallbogen aufstecken und in jedem beliebigen Abstande befestigen liefsen. Hinter dem Perimeter bot sich dem Blicke eine gleich-mftfsig graue Fl\u00e4che dar.\nIn der Mitte dieses Perimeters wurde also ein St\u00fcck Karton angebracht, welches eine Linie von bestimmter L\u00e4nge zeigte. In dem gew\u00fcnschten Abstande vom Zentrum befand sich ein zweiter Karton mit einer nicht abgemessenen, der ersteren parallelen Linie, welche dem Auge zun\u00e4chst durch einen auf dem vorigen nach Art eines Schiebers angebrachten anderen Karton, der nur eine weifse Fl\u00e4che zeigte, verdeckt war. Nunmehr wurde die in dem Perimeterzentrum befindliche Linie fixiert, wobei dem Auge gestattet war, in der Ausdehnung derselben beliebig hin und her zu gleiten, und der Schieber des zweiten Kartons so weit abgezogen, bis die in der Peripherie sichtbar gewordene Linie der ersteren gleioh erschien. Nach der umgekehrten Anordnung, dafs von einer gr\u00f6fseren L\u00e4nge ausgegangen und diese bis zu einer gegebenen Distanz verkleinert worden w\u00e4re, habe ich keine Versuche angestellt. Zur Messung der Fehldistanz hatte ich eine Mafseinteilung auf ein Gelatineblatt eingeritzt, welche vermittelst einer Transversalen eine Ablesung bis zu 0,01 mm gestattete. Dieselbe wurde unmittelbar auf die zu messende Distanz aufgelegt und war wegen der Durchsichtigkeit des Mafsstabes die gesuchte Gr\u00f6fse sofort abzulesen.\nDie gegebene Distanz sowie die Fehldistanz standen jedes*' mal zu dem betreffenden Meridiane senkrecht, so dafs sie durch denselben ungef\u00e4hr halbiert wurden, also f\u00fcr den horizontalen Meridian standen die verglichenen Distanzen senkrecht, f\u00fcr den vertikalen wagerecht, und zwar in dem angegebenen Ab-","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Ober das Augenma\u00df der seitlichen Netzhautteile.\n91\nStande von 35\u00b0. Peripherie und Zentrum1 befanden sich demnach unter gleichen Bedingungen, welche einen unmittelbaren Vergleich erm\u00f6glichten, indem f\u00fcr die gegebene L\u00e4nge nur die zentralen Netzhautelemente, fur die verglichene nur die peripheren in Anspruch genommen wurden. Der Einflufs der Augenbewegungen mufste sich, soweit er \u00fcberhaupt in Frage kommt, f\u00fcr beide in gleioher Weise geltend machen. Es wurden gew\u00e4hlt die Distanzen 2, 4, 8, 16, 32, 64 mm und mit jeder einzelnen in den vier Hauptmeridianen je 80 Versuche, also im ganzen 1920 Vergleichungen, angestellt. War das WBBBBsohe Gesetz richtig, so mufsten die relativen mittleren Fehler f\u00fcr alle Distanzen gleich bleiben. Betrachten wir nun die Ergebnisse.\nMittlere Fehldistanz aus je 80 Versuchen.\n2 mm 4 mm 8 mm 16 mm 32 mm 64 mm\nJ........\t2.1119\t4 7215\t8.81\t16.699\t31.9815\t65.131\nA........\t2.0175\t4.5476\t8.4136\t16.3505\t32.0836\t66.381\n0 ....... 2.324\t4.8385\t8.672\t16.981\t32.5425\t65.42J\nTJ.......\t2.270\t4.6995\t8.412\t17.0735\t33.5685\t65.2685.\nDiese Tabelle ergiebt, dafs der konstante Fehler bis auf einige Ausnahme stets positiv war, und zwar fast durchweg auf der inneren H\u00e4lfte des Sehfeldes gr\u00f6fser, als auf der \u00e4uiseren, auf der oberen gr\u00f6fser, als auf der unteren. Die Peripheriew\u00e4rts gelegenen Distanzen werden also den zentralen gegen\u00fcber entschieden untersch\u00e4tzt, was von mehreren Autoren bereits angegeben ist, am deutlichsten aber aus den Versuchen von Fischeb hervorgeht. Wenn er ein Kreuz, dessen Arme auf ein bestimmtes Mafs eingestellt werden sollten, in die untere oder obere Sehfeldh\u00e4lfte brachte, so fiel der dem Zentrum zun\u00e4chst liegende senkrechte Arm am kleinsten aus und der am weitesten peripheriew\u00e4rts reichende am gr\u00f6fsten, w\u00e4hrend die wagerechten nicht nur r\u00e4umlich, sondern auch der Gr\u00f6fse nach zwischen beiden standen. (Die betreffenden Linien erstreckten sich auch hier nicht weit in die Peripherie.) Er glaubt, dafs sich hierin eine scheinbare Zusammenziehung\n1 Nat\u00fcrlich nicht das Zentrum im strengsten Sinne des Wortes, da das Netshautbild einer Linie von nur einiger Ausdehnung immer schon teilweise anfserhalb der Fovea liegt.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nGu\u00fc\u00eeery.\ndes Sehfeldes offenbart, deren G-r\u00f6fse von der Mitte nach dem Rande Hip anscheinend geradlinig, aber in den verschiedenen Richtungen verschieden steil ansteigt. Diese Eigent\u00fcmlichkeit des Sehfeldes w\u00fcrde sich vermutlich bei allen Beobachtern finden, wenn nur in geeigneter Weise daraufhin untersucht w\u00fcrde. Nach dem Ergebnisse der oben erw\u00e4hnten Vorversuche habe ich allerdings auch den Eindruck gewonnen, dafs die Untersch\u00e4tzung einer Distanz nach der Peripherie hin immer mehr das Ergebnis beeinflusst, insofern bei den in 50\u00b0 Abstand angestellten Versuchen die mittlere Fehldistanz gr\u00f6fser ausfiel, als bei den in 30\u00b0. Immerhin scheint aber auch bei Sch\u00e4tzungen, welche mit H\u00fclfe des Netzhautzentrums vorgenommen werden, der konstante Fehler meist positiv zu sein, so dafs eine grunds\u00e4tzliche Verschiedenheit zwischen Zentrum und Peripherie sich hieraus nicht ergiebt.\nFischer findet den Einflufs dieser Sehfeldzusammenziehung so bedeutend, dafs sogar die sonst \u00fcbliche Untersch\u00e4tzung horizontaler Linien gegen\u00fcber den vertikalen durch denselben \u00fcberkompensiert wird, insofern in dem obigen Beispiele der peripheriew\u00e4rts gelegene vertikale Kreuzarm gr\u00f6fser eingestellt wird, als die dem Zentrum n\u00e4heren horizontalen. Im \u00fcbrigen findet sich die Untersch\u00e4tzung von horizontalen Distanzen auch in meiner obigen Tabelle deutlich ausgesprochen. Nach oben und unten fallen die betreffenden L\u00e4ngen, welche nach der Versuchsanordnung eine horizontale Richtung hatten, immer gr\u00f6fser aus, als die vertikalen nach innen und aufsen. Am gr\u00f6fsten ist der konstante Fehler im allgemeinen in der Richtung nach oben, so dafs man nach Fischer annehmen m\u00fcfste, dafs die Sehfeldzusammenziehung hier am meisten zur Geltung kommt. Delboeuf ist, soweit ich \u00fcbersehen kann, der einzige, der in Bezug auf das Verh\u00e4ltnis der vertikalen Distanzen zu den horizontalen zu dem umgekehrten Ergebnisse kommt, imGegensatze zu Wundt, Helmholtz, Fischer u. a., wobei Fischer allerdings die oben erw\u00e4hnte Einschr\u00e4nkung macht, dafs die mehr oder weniger peripherische Lage das Resultat umkehren kann. \u201eNach den Einstellungen erwiesen sich, gleichviel welche St\u00fccke des nach oben oder unten vom Fixierpunkte liegenden Kreuzes zu vergleichen waren, die wagerechten Arme als zu lang gegen\u00fcber dem zentralen senkrechten, der periphere senkrechte aber nooh l\u00e4nger. So habe ich es in einer grofsen Anzahl von Versuchen","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Augenma\u00df der seitlichen Netzhaut teile.\t93\nregelm\u00e4fsig gefunden; um ein Beispiel zu geben, f\u00fchre ich an, dafs sich nach je 40 Einstellungen in der unteren Sehfeldh\u00e4lfte des rechten Auges der zentrale senkrechte, der \u00e4ufsere wagerechte und der peripherische senkrechte Arm zu einander verhielten wie 100 :106 : lll.a \u2014 Aus meiner Tabelle ergiebt sich indessen, dafs auch bei gleichem Abstande vom Zentrum die horizontalen Distanzen immer zu grofs eingestellt werden.\nF\u00fcr die Beurteilung des Verhaltens zum WEBERschen Gesetze kommen indessen nur die variablen Fehler in Betracht, und ergeben deren Mittelzahlen folgende Tabelle :\n2 mm 4 mm 8 mm 16 mm 32 mm 64 mm\nJ........ 0.2533\t0.4430\t0.677\t0.9973\t1.685\t2.5929\nA........\t0.2901\t0.4525\t0.5731\t0.8298\t1.4956\t2.2287\nO........\t0.3679\t0.5213\t0.871\t0.0987\t1.9022\t2.8503\nU........ 0.2674\t0.3808\t0.6956\t1.026\t2.0836\t2.4537\nDie variablen Fehler zeigen hier im allgemeinen ein vom konstanten ganz unabh\u00e4ngiges Verhalten, was ja auch ihrer Bedeutung entspricht. Nur finden sich ebenfalls in der Richtung nach oben mit nur einer Ausnahme die gr\u00f6fsten Werte, d. h. also: die Sch\u00e4tzung ist in der unteren H\u00e4lfte der Netzhaut am unsichersten. Daraus erkl\u00e4rt sich vielleicht auch das entsprechende Verhalten des konstanten Fehlers, wenn man annimmt, dafs die Neigung zur Untersch\u00e4tzung sich in der Richtung nach oben infolge der gr\u00f6fseren Unsicherheit der Bestimmung am deutlichsten bemerkbar macht. In der oberen Netzhauth\u00e4lfte ist dagegen die Unbestimmtheit nicht gr\u00f6fser, zum Teil sogar kleiner, als in den seitlichen Teilen, was wohl mehr oder weniger auf Rechnung der bekannten Thatsache zu setzen ist, dafs die Vergleichung von horizontalen Distanzen im allgemeinen genauer ist, als die von vertikalen. Jedenfalls ergiebt sich hieraus, dafs selbst bei geringer 3ehsch\u00e4rfe noch ziemlich genaue Sch\u00e4tzungen m\u00f6glich sind, da nach den neuesten Angaben von Wertheim1 die Sehsch\u00e4rfe bei 35\u00b0 Abstand vom Zentrum 0.002\u20140.05 betr\u00e4gt, wenn die zentrale = 1 gesetzt wird. Ein Blick auf diese Tabelle lehrt aber auch, dafs das WEBERsche Gesetz nicht zutrifft. Die mittleren variablen Fehler m\u00fcfsten, wenn sie immer denselben Bruchteil\n1 Diese Zeitschrift Bd. VII. Heft 2 u. 3.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nGuiUcry.\nder gegebenen Distanz darstellten, sieb ebenso verhalten wie diese selbst, d. h. die zu jeder folgenden Distanz geh\u00f6renden m\u00fcisten doppelt so grofs sein wie die vorhergehenden. Das stimmt ann\u00e4hernd f\u00fcr die ersten Distanzen, doch wird das Verh\u00e4ltnis ein immer kleineres mit der Zunahme derselben. Noch deutlicher ist dies, wenn man die relativen mittleren Fehler ausrechnet, d. h. die mittleren variablen Fehler, dividiert durch die Gfr\u00f6fse der Distanz selbst.\n2 Tnm\t4 ratn\t8 nun\t16 mm\t32 mm\t64 mm\nJ......... 0.1266\t0.1122\t0.0846\t0.0623\t0.0626\t0.0406\nA......... 0.146\t0.1131\t0.0716\t0.0618\t0.0467\t0.0348\n0......... 0.1889\t0.1303\t0.109\t0.0686\t0.0594\t0.0446\nU......... 0.1337\t0.145\t0.0889\t0.0641\t0.0661\t0.0383\nDiese Werte m\u00fcfsten dem WEBEBschen Gesetze zufolge untereinander \u00fcbereinstimmen, was, wie wir sehen, aber nur f\u00fcr die beiden ersten L\u00e4ngen in befriedigender Weise zutrifft. Je gr\u00f6fser dieselben werden, um so mehr nehmen die Werte der Tabelle ab. Die Fehler der Sch\u00e4tzung wachsen also durchaus nicht proportional den Distanzen, sondern in viel geringerem Mafse.\nln Bezug auf das Nichteintreffen des WEBEBschen Gesetzes finde ich mich also in \u00dcbereinstimmung mit Chodin und Higier, welche das Augenmafs der zentralen Netzhautelemente pr\u00fcften. Nur kann ich die von ihnen angegebenen Schwankungen nicht konstatieren, indem sich bei mir von Anfang an eine Abnahme der Werte bemerklich machte, w\u00e4hrend die beiden genannten Autoren einen Wechsel von Zu- und Abnahme in bestimmten Grenzen beobachteten.\nEs ist auff\u00e4llig, dafs im Gegens\u00e4tze zu Fechner und Volkmann, welche das WEBEnsche Gesetz bei Augenmafs-versuchen vollkommen best\u00e4tigt fanden, fast alle sp\u00e4teren Autoren sich nicht davon \u00fcberzeugen konnten. Fechner selbst h\u00e4lt sich \u00fcbrigens zu einem R\u00fcckschl\u00fcsse auf die Empfindungskreise der Netzhaut im Sinne Webers durch seine Resultate nicht fur berechtigt, sondern glaubt, dafs vielmehr die Augenbewegungen die Hauptrolle spielen. Er sagt ausdr\u00fccklich, dafs, da bei den betreffenden Versuchen die Augenbewegungen nicht ausgeschlossen waren, durch dieselben nichts bewiesen werde, da das Muskelgef\u00fchl hierbei das Ausschlaggebende sein","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Augenma\u00df der seitlichen Netzhautte\u00e4e.\t95\nk\u00f6nne. Diesen Einflufs der Augenbewegungen fand anoh Higikb, ohne denselben eingehender su pr\u00fcfen. Er \u00fcberzeugte sich aber, dafs sowohl der konstante wie der variable Fehler bei fixiertem Auge den regelm\u00e4fsigen, bei beweglichem Auge festgestellten Verlauf nicht mehr beibehalten. Er vermutet daher auch, dafs die Gesetzm\u00e4fsigkeit im Verlaufe der Fehler auf einem analogen Verlaufe in der Muskelempfindung beruhe. F\u00e4llt die letztere, wie es bei fixiertem Auge geschieht, aus, oder, was wahrscheinlicher ist, wird die entsprechende Muskelbewegungsempfindung ohne eine thats\u00e4chlich erfolgende Bewegung der mit ihr eng verbundenen Lichtempfindung reflektorisch hinzuassoziiert, so gen\u00fcgt das Erinnerungsbild der fr\u00fcher vollzogenen Bewegung zur Genauigkeit der Sch\u00e4tzung durchaus nicht in dem Mafse, wie die direkte Bewegungswahmehmung. Auf diese Weise k\u00f6nnten durch Muskelanomalien, z. B. Insuffizienz der Intend, konstante Fehler in die Beobachtung hineinkommen, worauf bei derartigen Untersuchungen immer zu achten w\u00e4re. M\u00fcnsterberg macht die Angabe, dafs bei seinen Vergleichungen der variable Fehler 4,3 \u00b0/o betrug, wenn das Auge ruhig gehalten wurde, und nur 2,1 % bei beweglichem.\nTrotz seiner Versuche ist daher Fechner selbst von einer Deutung derselben zu Gunsten des WEBERschen Gesetzes keineswegs \u00fcberzeugt. Er erw\u00e4gt, dafs nach demselben grofse Linien gegen kleine in einem logarithmischen Verh\u00e4ltnisse verk\u00fcrzt erscheinen m\u00fcfsten, aber eine doppelt so lange Linie werde von einem guten Augenmafse auch doppelt so lang taxiert, und dies selbst noch im Nachbilde, wo Bewegungen das Urteil nicht mitbestimmen k\u00f6nnen. W\u00e4hrend er also f\u00fcr die Verwirklichung des WEBERschen Gesetzes geneigt ist, den Augenbewegungen eine Bolle zuzuschreiben, k\u00f6nnte man aus der letzteren Bemerkung schliefsen, dafs beim Fehlen derselben das Augenmafs sich von dem Zwange dieses Gesetzes frei machen kann. Hering1 dagegen h\u00e4lt die Zuh\u00fclfenahme von Innervationsgef\u00fchlen \u00fcberhaupt f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcssig und schliefst dies aus der Art, wie die Vergleichung stattfindet. Wie bereits oben bemerkt, ist dieselbe am sichersten, wenn man abwechselnd die Mitte der zu vergleichenden Strecken fixiert, so dafs die betreffende Netzhautstrecke nacheinander, wie ein Zirkel, bald\n1 Hermann, Handbuch d. Physiol. Bd. III. 1.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nGuillery.\nauf die eine, bald auf die andere Objektstrecke \u00fcbertragen wird (von Helmholtz). Ebenso werde der Parallelismus zweier Linien am besten gepr\u00fcft, indem man den Blick in der Mitte zwisohen beiden hingleiten l\u00e4fst, und die Gleichheit zweier Winkel, wenn ihre Schenkel parallel liegen, so dafs man ihre Bilder nacheinander auf dieselbe Netzhautstelle bringen kann. Indessen, wenn einmal Augenbewegungen stattfinden, so ist doch nicht mit Gewissheit zu sagen, dafs die Innervationsgef\u00fchle gar keine Bolle spielen, namentlich im Hinblick auf die Unterschiede, welche bei Untersuchung mit beweglichem und mit fixiertem Blicke sich herausgestellt haben. Neuerdings hat von Kries 1 versucht, diesen Einilufs der Augenbewegungen f\u00fcr sich allein zu ermitteln. Er verfuhr in der Weise, dafs er einen feinen Zeiger auf einem Schieber befestigte und denselben eine Exkursion von einer gewissen, nach dem Ged\u00e4chtnisse gesch\u00e4tzten Strecke machen liefs, wobei ihm der Blick folgte, so dafs also nur immer der eine Endpunkt der durchlaufenen Strecke sichtbar war. Der variable Fehler betrug im Durchschnitte 3.26 %>, so dafs also mit H\u00fclfe der Augenbewegungen allein schon eine ziemlich genaue Sch\u00e4tzung m\u00f6glich ist, wenngleich der variable Fehler fast den doppelten Wert desjenigen erreichte, der bei Mitwirkung des indirekten Sehens gefunden wurde. Dieser Einflufs des indirekten Sehens ist leioht erkl\u00e4rlich, weil das gleichzeitige \u00dcbersehen der gesamten Strecke eine wesentliche Erleichterung f\u00fcr das Urteil sein mufs.\nAbgesehen von der Frage, ob das WEBERsche Gesetz zutrifft, ist aber auch die theoretische Erkl\u00e4rung, welche Weber dem Tastmafse wie dem Augenmafse zu Grunde legt, vielfach bestritten worden. Er nahm bekanntlich an, dafs die Distanz zwischen zwei ber\u00fchrten oder vom Lichte getroffenen Punkten auf der Haut oder Netzhaut nach Mafsgabe gr\u00f6fser oder kleiner empfunden wird, als die Anzahl der sog. Empfindungskreise gr\u00f6fser oder kleiner ist, welche zwischen den gereizten Punkten liegen, wobei unter Empfindungskreis jede Stelle der Haut oder Netzhaut verstanden wird, welche mit Zweigen derselben elementaren Nervenfaser versorgt wird, oder jede Vereinigung solcher Zweige selbst. Demgegen\u00fcber hatte schon Panum darauf hingewiesen, dafs die seitlichen Netzhautteile alles ebenso-\n1 Beitr\u00e4ge zur Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane. Festschrift zu v. Helmholtz1 70. Geburtstage. Hamburg 1891,","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Augenma\u00df der seitlichen Netzhautteile.\n97\ngrofs sehen, wie das Zentrum, welehes auf gleichem Fl\u00e4chen-ranme viel mehr empfindende Punkte hat. Ob er sich hiervon thats\u00e4chlich durch Yersuche \u00fcberzeugt hat, findet sich an den betreffenden Stellen, nicht erw\u00e4hnt. Rechner. ist die Richtigkeit dieser Behauptung zweifelhaft; er hat den Eindruck, dafs die Ausdehnung eines hellen Gegenstandes bei Abwendung des Blickes im indirekten Sehen zusammenschwindet und bei Zuwendung in direkter Fixation sich wieder erweitert. Dies erinnert an den bekannten Versuch Webers mit zwei Zirkelspitzen, die man \u00fcber die Haut von einer feiner organisierten zu einer weniger empfindlichen Stelle hingleiten l\u00e4fst, wobei bekanntlich der Eindruck entsteht, als ob sie sich voneinander entfernten. Eine solche Empfindung hat man aber auch nicht ann\u00e4hernd, wenn man das Netzhautbild eines Gegenstandes von der Peripherie nach dem Zentrum wandern l\u00e4fst. Die Zahl der Empfindungskreise allein kann daher nicht das Mafs-gebende sein, wie \u00fcbrigens auch schon daraus folgt, dafs, wenn man die Entfernung eines Gegenstandes vom Auge ver-doppelt, derselbe darum doch nicht halb so grofs erscheint (Fechneb). Das Urteil wird offenbar durch die Erfahrung und unbewufste Schlufsfolgerungen beeinflufst. Auch v. Helmholtz sagt, dafs es eine unzul\u00e4ssige Erweiterung der WEBEBschen Theorie von den Empfindungskreisen ist, wenn man diesen Kreisen \u00fcberall dieselbe Gr\u00f6fse zuschreiben und sie als elementare Mafseinheiten der Raumabmessungen benutzen will. F\u00fcr das Auge w\u00fcrde aus einer solchen Annahme folgen, dafs die ganze Peripherie des Sehfeldes in allen Dimensionen relativ viel kleiner erscheinen m\u00fcfste, als Objekte von gleicher Winkel-gr\u00f6fse in der Mitte des Sehfeldes. Vor allen Dingen ist aber auch f\u00fcr das Tastmafs selbst das Zutreffen des WEBEBschen Gesetzes nicht unbestritten und daher der ganze Vergleich \u00fcberhaupt von zweifelhaftem Werte. Die Versuche, welche Fechneb an der Stirn angestellt hat, ergeben keine auch nur ann\u00e4hernde Proportionalit\u00e4t der reinen Fehler mit den Distanzen. Sie nehmen im allgemeinen viel langsamer und \u00fcber gewisse Grenzen hinaus oder in gr\u00f6fseren Intervallen gar nicht mit den Distanzen zu, so dafs sie auch nicht, wie bei den mikrometrischen Augenmafsversuchen, aus einer den Distanzen proportionalen und aus einer konstanten Komponente zusammengesetzt werden k\u00f6nnen.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie X\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nGuiUery-,\nDer Vorgang ist also jedenfalls ein sehr komplizierter and weder durch die WBBEBschen Voraussetzungen, nooh durch die Augenbewegungen allein zu erkl\u00e4ren. Letzteres ergiebt sich auch aus meinen Versuchen schon dadurch, dafs jene bei allen Sch\u00e4tzungen in gleicher Weise unbehindert waren und doch ganz konstante Verschiedenheiten hervortraten, sowohl nach der Sichtung der Distanzen, als nach ihrer Lage im Sehfelde. Indem ich auf alle Hypothesen verzichte, fasse ich die Ergebnisse dahin zusammen, dafs:\n1.\tdas Augenmafs in den peripheren Teilen des Sehfeldes keine wesentlichen Abweichungen zeigt gegen\u00fcber den mittleren, dafs vielmehr bestimmte Eigent\u00fcmlichkeiten, wie z. B. die Untersch\u00e4tzung horizontaler Distanzen, f\u00fcr die Peripherie ebenfalls gelten;\n2.\tdas WBBERsche Gesetz sich nicht als zutreffend erwiesen hat.","page":98}],"identifier":"lit29844","issued":"1896","language":"de","pages":"83-98","startpages":"83","title":"\u00dcber das Augenma\u00df der seitlichen Netzhautteile","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:41:43.974640+00:00"}