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{"created":"2022-01-31T14:39:47.906413+00:00","id":"lit29847","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ufer","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 113-116","fulltext":[{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturberichi.\n113\nVererbung der Verbindung von Gef\u00fchlen \u2014 Instinkten \u2014 mit Vor-\u00abStellungen, oder wenigstens die Vererbung der Geneigtheit, der Pr\u00e9disposition zu solchen Assoziationen. Die Furcht vor der Nacht und besonders vor dem Alleinsein in der Nacht ist aus den Erfahrungen der letzten Tausende von Generationen ererbt. \u2014 \u201eDa gab es noch B\u00e4ren und W\u00f6lfe im Walde, die bekanntlich bei Nacht vor dem Menschen in weit geringerem Grade Scheu haben, als bei Tage, wie das bei allen Nachttieren der Fall ist.\u201c \u2014 ! \u2014\nAm weitesten aber von naturwissenschaftlicher Art der Auffassung entfernt sich E. mit der Annahme, dafs in den im wesentlichen auch seiner Meinung nach kausal bedingten Vorstellungsketten Willensakte beteiligt seien, allerdings \u201ein weit geringerem Grade, als man vorauszu-setzen pflegt\u201c. \u201eEin Erregungsvorgang erzeugt naoh den bestehenden Verwandtschaften einen zweiten Erregungsprozefs, und so geht es fort, ohne dafs wir willk\u00fcrlich einen eingreifenden Einflufs auf den Ablauf auszu\u00fcben pflegen\u201c. \u2014 Pflegen! \u2014 \u201eDiese Willensakte spielen aber eine untergeordnete Bolle. Auf ihre Natur kann ich hier noch nicht ein-gehen.\u201c Es geschieht \u2014 sehr begreiflich \u2014 auch sp\u00e4ter nicht.\nGegen den Schlufs wird das Buch immer unverst\u00e4ndlicher. Auf den letzten anderthalb Seiten er\u00f6rtert E. die Natur des Willens und verwechselt dabei die Natur mit der Energie desselben.\nDiese Proben m\u00f6gen gen\u00fcgen.\nE. erw\u00e4hnt in der Einleitung, dafs er seit 25 Jahren der Erkl\u00e4rbarkeit der psychischen Vorg\u00e4nge nachgehe, und dafs sich der Versuch \u2022einer Erkl\u00e4rung derselben mehr und mehr zu seiner Lebensaufgabe gestaltet habe. Diese Lebensaufgabe ist in dem vorliegenden Buche noch nicht gel\u00f6st.\tH. Sachs (Breslau).\nG. Maier. P\u00e4dagogische Psychologie f\u00fcr Schule und Haus. Gotha, F. A.\nPerthes. 1894. 316 S.\n\u201eWozu aber schon wieder eine neue p\u00e4dagogische Psychologie? Wir haben treffliche Werke: Barthls giebt breite Ausf\u00fchrungen nach Lotze, Baumann grofse Ideen, D\u00f6rpfeld mahnt dringend, den Lehrstoff \u2022denkend durchzuarbeiten, Mabtig f\u00fchrt klar und anschaulich in die Elemente ein, Ostermann wehrt \u00dcERBARTSche Einseitigkeiten ab, Pfisterer zeigt eine reiche Bildergalerie p\u00e4dagogischer Meisterwerke, Str\u00fcmpell arbeitet das \u00dcERBABTsche Begriffssystem aufs neue geistvoll durch. Aber es fehlt eine Arbeit, welche den Ertrag der Forschung der letzten Jahrzehnte, namentlich mit R\u00fccksicht auf die Physiologie, zu n\u00fctzen sucht, ohne das Erprobte und gewisse Alte preiszugeben und ohne von der Experimentalpsychologie, insbesondere der franz\u00f6sischen, die sich mehr mit dem kranken Menschen besch\u00e4ftigt, allzuviel zu erwarten.\u201c\nDiese Stelle des Vorworts giebt den Gesichtspunkt an, von dem wir die neue p\u00e4dagogische Psychologie f\u00fcr Schule und Haus zu beurteilen haben.\nMan kann nicht sagen, dafs der Verfasser in seinem Urteile \u00fcber die vorliegende p\u00e4dagogisch-psychologische Litteratur zu strenge sei; andere w\u00fcrden leicht weiter gehen und z. B. Bartels Buch \u00fcber Lotze\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie X.\t8","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nLitteraturbericht.\noder die Sammlung Pfisterers kaum zu den trefflichen Werken rechnen. Auch der Berichterstatter hat schon fr\u00fcher wiederholt und mit Bedauern hervorgehoben, dafs es an einer p&dagogischen Psychologie fehle, in 4er die neueren Forschungsergebnisse ausgiebig ber\u00fccksichtigt w\u00e4ren.\nDer Grund f\u00fcr diesen Mangel, der vielfach empfunden wird, ist nicht schwer einzusehen. \u201eOhne das gewisse und erprobte Alte preiszugeben\u201c, kann man doch wohl sagen, dais die Psychologie eine recht junge Wissenschaft sei, in der es im einzelnen noch gar sehr der Kl\u00e4rung bed\u00fcrfe. Diese notwendige Kl\u00e4rung setzt aber eine \u00dcbersicht \u00dcber die aufserordentlich zahlreichen gr\u00f6fseren und kleineren, \u00fcberdies noch vielfach verstreuten Untersuchungen voraus, zu deren Gewinnung die Mittel nicht f\u00fcr jeden zu erwerben sind, der den guten Willen dazu hat. Dem Verfasser aber mufs zugestanden werden, dafs er diese \u00dcbersicht in einem Grade besitzt, den man bei P\u00e4dagogen, die auf diesem Gebiete schriftstellerisch th\u00e4tig sind, leider nur selten antrifft, und so darf sein Buch als ein einigerma\u00dfen brauchbares H\u00fclfsmittel zur Orientierung \u00fcber die psychologische Arbeit der letzten Jahrzehnte recht wohl bezeichnet werden.\nNun geht aber des Verfassers Absicht nicht allein dahin, in psychologischer Beziehung zu orientieren, was ihm so ziemlich gelungen ist, sondern sie richtet sich darauf, eine Fortbildung der P\u00e4dagogik auf psychologischer Grundlage zu bieten oder doch wenigstens einzuleiten, was ihm durchaus nicht gelungen ist. \u2014 Es giebt in der Gegenwart nur eine p\u00e4dagogische Richtung, die aus der Psychologie in konsequenter und durchgreifender Weise Nutzen gezogen oder doch Nutzen zu ziehen versucht hat \u2014 die Schule Herbarts. Ihr erkl\u00e4rt der Verfasser den Krieg, indem er sagt: \u201eEs ist keine Frage, dafs der Anspruch, den die sogenannte HE&BARTsche p\u00e4dagogische Schule erhebt, die ausschlie\u00dflich .wissenschaftliche zu sein, und das Ansehen, dessen sie sich fortw\u00e4hrend in der p\u00e4dagogischen Welt erfreut, geeignet ist, die P\u00e4dagogik um allen wissenschaftlichen Kredit zu bringen\u201c (S. 9). Das klingt scharf genug und wird noch versch\u00e4rft durch den Umstand, da\u00df die Worte in Sperrdruck gesetzt sind.\nAngesichts dieser Sch\u00e4rfe ist es in R\u00fccksicht auf Fernerstehende geboten, einem Irrtum zu begegnen, der durch die \u00c4u\u00dferung des Verfassers leicht hervorgerufen werden k\u00f6nnte, wenn sie unbeanstandet bliebe. Man darf durchaus nicht annehmen, da\u00df die p\u00e4dagogische Schule Herb Abts der Ansicht sei, au\u00dfer der von ihr vertretenen Lehre k\u00f6nne es eine wissenschaftliche P\u00e4dagogik \u00fcberhaupt nicht geben; nur das eine behauptet sie, und auch viele ihrer Gegner haben es ausgesprochen, dafs es ein anderes, in gleichem Ma\u00dfe psychologisch durchgebildetes Erziehungssystem bis jetzt nicht gebe. Dem wird auch Maier kaum widersprechen. Der Berichterstatter selbst, obwohl er sich zur p\u00e4dagogischen Schule Herbarts z\u00e4hlt, kann nach seinen Ausf\u00fchrungen in Bd. VIII, S. 104 ff. dieser Zeitschrift nicht in den Verdacht kommen, als sei er mit dem Stande der Dinge in seiner Richtung vollst\u00e4ndig zufrieden und fordere f\u00fcr sie allgemeine Anerkennung und Bescheidung. Er mag aber, mit Maier zu reden, das erprobte Alte nicht preisgeben, bis ihm","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht,\n115\netwas Neues als Ersatz geboten wird, und das bat auch Mai kr nicht ge than, ja er bat an den p\u00e4dagogischen Folgerungen der HERBARTschen Schule nicht einmal eine wirklich einschneidende Kritik ge\u00fcbt, die ge\u00ab wifis nicht ohne jeden Nutzen gewesen w\u00e4re.\nDie Beweise hierf\u00fcr sind nicht schwer zu erbringen. Was den Unterricht anlangt, so brauoht man blofs von dem etwas eigent\u00fcmlichen Zugest\u00e4ndnisse Kenntnis zu nehmen, \u201edafs derselbe bei aller ausschlaggebenden Bedeutung des m\u00e4chtigen Gottes Eros (?) durch den Weg der Vorstellungen geht und so viele M\u00e4nner der Schule Hbrbarts praktisch im Segen arbeiten\u201c (S. 9), sowie von der Thatsache, dafs wirklich neue p\u00e4dagogische Folgerungen aus der vorgetragenen Psychologie gar nicht gezogen werden. Aber auch in der Dehre von der Erziehung im engeren Sinne, der Gef\u00fchls- und Willensbildung, findet man bei genauerem Zusehen nur die Vorstellungen als Hebel aller p\u00e4dagogischen Th\u00e4tigkeit bezeichnet. Wir sagen ausdr\u00fccklich bei genauerem Zusehen, denn der Verfasser liebt bei seinen Ausf\u00fchrungen h\u00e4ufig einen leichten Nebel, den der Blick durchdringen mufs, um zu erkennen, was dahinter steckt\u00bb Wo bleibt da die Veranlassung zu den harten Worten, die der Verfasser \u00fcber die P\u00e4dagogik Herbarts und seiner Schule ausgesprochen hat? Man k\u00f6nnte ihm allenfalls zugestehen, dafs erziehliche Mafsnahmen \u00fcberhaupt nicht die weitreichende Macht haben, welche man ihnen in der HERBARTschen Schule hin und wieder wohl zutraut, aber an ihrer Richtigkeit innerhalb des M\u00f6glichen \u00e4ndert das doch nichts.\nSo sehen wir also, dafs Maier ebensowenig, wie k\u00fcrzlich Burkhardt in seinen \u201ePsychologischen Skizzen\u201c aus der neueren Psychologie einen wesentlichen Vorteil f\u00fcr die Entwickelung der P\u00e4dagogik zu ziehen gewufst hat. Der Grund liegt darin, dafs die neuere Psychologie bei Maier nicht eigentlich verwertet, sondern mehr referierend behandelt ist. Der Verfasser hat zur p\u00e4dagogischen Verwertung auch eine viel zu schwankende eigene Stellung. Das verr\u00e4t er schon im Vorworte, wo er erst erkl\u00e4rt, dafs es an einer Arbeit fehle, \u201edie den Ertrag der letzten Jahrzehnte namentlich mit .R\u00fccksicht auf die Physiologie zu n\u00fctzen sucht\", gleich darauf aber von der Experimentalpsychologie \u201enicht allzuviel\u201c erwartet. Bei dieser Halbheit kann es nur verwunderlich erscheinen, dafs der Verfasser dennoch das Bed\u00fcrfnis gehabt hat, der p\u00e4dagogischen W eit ein neues Buch vorzulegen, das den neueren psychologischen Forschungen entsprechen soll.\nDer Berichterstatter, obwohl Herbartianer, hat von den Forschungsergebnissen der letzten Jahrzehnte, die f\u00fcr ihn (f\u00fcr Maier nicht?) mit denen der Experimentalpsychologie so ziemlich zusammenfallen, doch eine viel g\u00fcnstigere Ansicht bez\u00fcglich ihrer Verwertbarkeit in p\u00e4dagogischer Hinsicht, wenn er auch bis auf weiteres bezweifeln mufs, dafs sich auf sie ein originelles p\u00e4dagogisches System, das dem HERBARTschen \u00fcberlegen w\u00e4re, gr\u00fcnden l\u00e4fst. Er w\u00fcrde es beispielsweise f\u00fcr recht n\u00fctzlich halten, wenn Untersuchungen wie die von Ebbinghaus, Binbt und Henri (L\u2019Ann\u00e9e psychologique. 1894) \u00fcber das Ged\u00e4chtnis, wie ferner die von Mosso, Ssikorskt, Burgerstein, Kraepelin u. a. \u00fcber die Erm\u00fcdung auf die P\u00e4dagogik nach den verschiedensten Richtungen ersch\u00f6pfend\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nLitteraturberich t.\nangewandt w\u00fcrden. Nicht minder fruchtbar erscheinen ihm die neuer* dings so zahlreichen Beitr\u00e4ge zur Individualpsychologie f\u00fcr die P\u00e4dagogik zu sein, ganz besonders diejenigen, welche psychopathische Grenzzust\u00e4nde behandeln. Man m\u00fcfste sich zu diesem Zwecke allerdings von dem auch bei Maier vorhandenen Vorurteile freimachen, als handle es sich hier um abnorme Zust\u00e4nde, aus denen weder f\u00fcr die Psychologie noch f\u00fcr die P\u00e4dagogik viel zu lernen sei. Unseres Erachtens liegt in der Vernachl\u00e4ssigung dieser Gebiete der haupts\u00e4chlichste Grund daf\u00fcr, dafs ganz besonders die Lehre von der Zucht, d. i. der Erziehung im engeren Sinne, gar nicht von der Stelle r\u00fccken will.\nSoviel zum Inhalte des Maie lisch en Buches. Was nun die Anlage und die Darstellungsform betrifft, so ist es nur f\u00fcr solche lesbar, die in der Psychologie keine Neulinge mehr sind. Wie weit es sich f\u00fcr den Hausgebrauch, d. h. doch wohl f\u00fcr Eltern, eignet, versteht sich hiernach von selbst.\tUfer (Altenburg).\nJ. J. van Bibrvliet. Ober den Einflufs der Geschwindigkeit des Pulses auf die Zeitdauer der Reaktionszeit bei Schalleindr\u00fccken. Philos. Stud. XL S. 126\u2014134. (1894).\nDie sehr zahlreichen, an elf Versuchspersonen angestellten Versuche, deren Pulsfrequenz jedesmal vor Beginn der Versuche genau festgestellt wurde, bestanden in einfachen sensoriellen Reaktionen auf den Ton eines Schallhammers. Das Ergebnis war, dafs bis auf eine Person, die sich umgekehrt verhielt, die Reaktionszeiten mit zunehmender Pulsfrequenz abnahmen.\tA. Pilzecker (G\u00fcttingen).\nHugo M\u00fcnsterberg. Studies from the Harvard Psychological Laboratory.\nPsychol. Bev. VoLI. S. 34\u201460. 1894.\nA. Memory. (With the assistance of Mr. J. Bigham.)\nUm die Beteiligung disparater Sinnesgebiete beim Vorg\u00e4nge der Wiedererinnerung festzustellen, insonderheit, um zu bestimmen, ob dieselben hierbei unabh\u00e4ngig voneinander wirken oder sich gegenseitig hemmen oder einander unterst\u00fctzend beeinflussen, f\u00fchrte M. w\u00e4hrend des Winters 1892\u20141893 an f\u00fcnf Personen in je 60 Arbeitsstunden eine Reihe von Versuchen aus, in welchen kleine, aus verschieden gef\u00e4rbtem Papier gefertigte Quadrate und ebenso weifse, mit schwarzen Ziffern beklebte Kartons von gleicher Form und Gr\u00f6fse vor einem dunklen Hintergr\u00fcnde zu Serien von 10\u201420 Einzel Vorstellungen so verbunden wurden, dafs dieselben unter mannigfacher Variierung des Inhalts simultan oder successiv als Gesichts- oder Geh\u00f6rseindr\u00fccke oder als beides zugleich von den Versuchspersonen innerhalb einer konstant erhaltenen Zeit von zwei Sekunden f\u00fcr jeden Emzelversuch erfafst werden konnten. Um assoziative Faktoren bei der Reproduktion dieser Eindr\u00fccke m\u00f6glichst auszuschalten, hatten die letzteren dieselbe mittelst entsprechender Quadrate von 3V* cm Seitenl\u00e4nge (ob die Gr\u00f6fse des vorhandenen Versuchsobjekte dieselbe war, ist aus den Angaben nicht genau ersichtlich. Ref.) sogleich nach Schlufs jeder Versuchsreihe unter Beobachtung verschiedener Vorsichtsmafsregeln. besonders bei Vermeidung mnemo-","page":116}],"identifier":"lit29847","issued":"1896","language":"de","pages":"113-116","startpages":"113","title":"G. Maier: P\u00e4dagogische Psychologie f\u00fcr Schule und Haus. Gotha, F. A. Perthes. 1894. 316 S.","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:39:47.906418+00:00"}