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{"created":"2022-01-31T14:34:56.867606+00:00","id":"lit29874","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow, Friedr.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 155-157","fulltext":[{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Li it\u00e9ra turbtr\u00efch t.\n1\u00d65\nandere Anschauung nicht gut m\u00f6glich, da Johanna unzweifelhaft halluziniert hat. Andererseits aber haben so t\u00fcchtige Psychiater, wie Hagbn, Brierre db Boishont u. a. m., kein Bedenken getragen, die Jungfrau trotz ihrer Halluzinationen f\u00fcr geistesgesund oder doch wenigstens nicht f\u00fcr geisteskrank zu erkl\u00e4ren.\nDafs Hirsch diese Frage durch seine Brosch\u00fcre der Entscheidung n\u00e4her gebracht habe, l\u00e4fst sich nicht behaupten. Erkrankte Johanna wirklich, wie Hirsch es annimmt, mit 13 Jahren an Wahnideen und Halluzinationen, war sie thats\u00e4chlich in einer so fr\u00fchen Zeit ihres Lebens schon geisteskrank, dann w\u00fcrde eine so fr\u00fchzeitige Erkrankung aller Erfahrung nach ihre weitere geistige Entwickelung gehemmt haben und die Kranke in Schwachsinn versunken sein, w\u00e4hrend sich umgekehrt ihre geistige Kraft mit ihren h\u00f6heren Zielen entwickelt und ihre h\u00f6chste Kraft und Ent\u00e4ufserung in dem Kampfe um ihr Leben erreicht.\nZwei volle Monate dauerte ihr Prozefs, und t\u00e4glich wurde sie von 60 geistlichen Beisitzern verh\u00f6rt. In diesen Verh\u00f6ren entfaltete das einfache M\u00e4dchen, das nicht lesen und schreiben kann, eine solche geistige Kraft und Gewandtheit, dafs sie die Bewunderung ihrer Gegner erweckt, und wenn diese auch Kinder ihrer Zeit, und diese Zeit eine gottserb\u00e4rmliche war, so geht doch das eine klar daraus hervor, dafs Johanna ihren Gegnern zum mindesten gewachsen, wenn nicht gar \u00dcberlegen war.\nSchwachsinnig war sie demnach sicherlich nicht, und wie Hirsch ihr als Verr\u00fccktheit anrechnen will, was ihre ganze Zeit und Umgebung mit ihr glaubte und f\u00fcr wahr hielt, will mir auch nicht recht scheinen. Mit denselben Beweisgr\u00fcnden m\u00fcfste man noch ganz andere Leute f\u00fcr verr\u00fcckt erkl\u00e4ren, die ebenfalls Sinnest\u00e4uschungen gehabt und im Sinne ihrer Zeit gedacht und gehandelt haben.\nWas Hirsch ungel\u00f6st gelassen hat, wird voraussichtlich noch manchen Berufenen und Unberufenen in die Schranken rufen. Schickt sich doch das fromme Frankreich an, die bereits selig Gesprochene in den Beigen der Heiligen einzureihen, was dem Advokaten des Teufels Gelegenheit geben wird, die alte Frage nochmals gr\u00fcndlich zu er\u00f6rtern.\nPel man.\nC. Lombroso. Der Antisemitismus und die Juden im Lichte der modernen Wissenschaft. Autorisirte deutsche \u00dcbersetzung von Dr. H. Kurblla. Leipzig. Georg H. Wigands Verlag. 1894.\t114 S.\nDie Juden sind nicht reine Semiten, sondern aus einer Mischung mit vorwiegend arischen Volkselementen hervorgegangen. Der grofse Prozentsatz von Brachycephalie unter den Juden ist eine Erbschaft des alten Volkes der Hethiter, das bereits etwa 2000 Jahre v. Oh. eine hoch-entwickelte Kultur besafs, die Blondhaarigkeit bei den Juden entstammt zum grofsen Teile der im alten Testamente mehrfach erw\u00e4hnten, in den Nachlassen ihrer Kultur noch heute an der nordafrikanischen K\u00fcste nachweisbaren V\u00f6lkerschaft der Amoriter, die spezifisch j\u00fcdische Nase ist das Produkt einer Kreuzung mit Armeniern. Den reinen alt-semitischen Typus bewahren in Sprache, Sch\u00e4delform, Teint und Nasenbildung nur","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nLitteraturbericht.\nnoch die Beduinen S\u00fcdarabiens. Die kurze, kleine Nase dieser V\u00f6lker-St\u00e4mme ist die eigentlich semitische. Den Einfiufs der Bassenkreuzung zeigt das j\u00fcdische Volk ebenso wie denjenigen des Klimawechsels auch im weiteren Verlaufe seiner Geschichte. So erkl\u00e4rt sich das glatte, feine, blonde Haar, das blaue Auge und die hohe Stirn des englischen Juden aus einer Mischung des Volkes mit den Angelsachsen, aus dem gleichen Grunde der Bassenkreuzung sind die Juden in*Piemont rundk\u00f6pfig und blondhaarig, besitzen diejenigen Venetiens einen viereckigen, l\u00e4nglichen Sch\u00e4del und schwarzes Haar, ist die Haut der Juden in der Oase Uaregh schwarz wie die der Neger etc. Die Defekte des j\u00fcdischen Charakters sind eine Besultante der Geschichte; furchtbar und unerbittlich war die Auslese, die gerade dieses Volk im Laufe der Jahrhunderte zu bestehen hatte. \u00dcberall aber, wo man ihm seither Freiheit gew\u00e4hrte und eine Kreuzung desselben mit anderen Kulturv\u00f6lkern zuliefs, hat es am Fortschritte der Kulturentwickelung in hervorragendem Mafse teilgenommen. Der Antisemitismus ist ein \u00dcbel, das nur ein Wiedererwachen primitiver Begungen bedeutet und den niedrigsten menschlichen Leidenschaften entspringt. W\u00fcrde derselbe im Laufe der n\u00e4chsten 5 oder 6 Jahrhunderte aussterben, so w\u00fcrden die Juden, aufeer vielleicht in barbarischen L\u00e4ndern, bis auf Fragmente in den \u00fcbrigen Kulturv\u00f6lkern aufgegangen sein. Das Judentum mufs den \u201e\u00e4ufseren Putz seines Kultus\" abstreifen. Juden und Christen m\u00fcssen ihre gegenseitigen Vorurteile aufgeben und sich zu einer neuen Beligion vereinen, die, die Lehren des Vatikans wie der Propheten preisgebend, unter Anerkennung der wissenschaftlichen Errungenschaften die schon von Christus verk\u00fcndete neue soziale Idee auf ihre Fahne schreibt; nur im sozialen UrChristianismus kann die Frage ihre vollg\u00fcltige L\u00f6sung finden.\nHiermit d\u00fcrften die leitenden Gedanken, die der Verfasser in den 13 Kapiteln der vorliegenden Studie weiter ausgefi\u00e4hrt hat, der Hauptsache nach kurz wiedergegeben sein. Die Besultate einiger weiterer Untersuchungen sind in einem Anh\u00e4nge unter den Titeln: Anthropom\u00e9trie der Turiner Juden, zur Demographie der italienischen Juden, Untersuchung alter Sch\u00e4del von Ph\u00f6niciem und Israeliten zusammengestellt. Eine kephalometrische Tabelle umfafst am Schl\u00fcsse des Werkes die Ergebnisse der an 172 lebenden Einwohnern Turins, worunter 82 j\u00fcdischen Ursprungs, nach Lombrosos Methode angestellten Messungen.\nDer Verfasser hat auch f\u00fcr diese Untersuchung wiederum eine bewundernswerte F\u00fclle von Material verwandt. Die Schrift ist vielseitig anregend, wie alles, was Lombroso geschrieben hat, bietet aber ebenso auch wieder zu mancherlei Einw\u00e4nden Anlafs. Wenn es z.B. dem Verfasser Emst sein konnte mit der Annahme einer ihm von einem gewissen Dr. H. Fosca-lancb aus Bukarest mitgeteilten Beobachtung, nach welcher der Antisemitismus in naher Beziehung zu den Folgeerscheinungen der Syphilis stehen soll, so zwar, dafs er die Behauptung seines Korrespondenten nicht unbedingt f\u00fcr die seinige erkl\u00e4rt, aber dieselbe dennoch der Diskussion und der Nachpr\u00fcfung f\u00fcr w\u00fcrdig h\u00e4lt, so darf die Frage erlaubt sein, ob der unparteiische Standpunkt, den er eingangs innehalten zu wollen","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turbericht\n157\nbeabsichtigt, wirklich \u00fcberall in seiner Reinheit gewahrt blieb. Eine gelegentliche \u00c4ufserang des F\u00fcrsten Bismarck, die der Verfasser zu Gunsten der Bassenkreuzung zitiert, konnte nach einer Anmerkung des \u00dcbersetzers in ihrer Authentizit\u00e4t yon diesem nicht kontrolliert werden und musste deshalb aus dem Italienischen r\u00fcck\u00fcbersetzt werden. Es mufste von h\u00f6chstem Interesse sein, zu erfahren, wie sioh diese brennende Frage der Gegenwart, der gegen\u00fcber es dem Einzelnen oft schwer f\u00e4llt, sich die richtige Stellungnahme zu erringen, gerade im Kopfe Lombroso\u2019s gestaltete, aber angesiohts solcher Thatbest\u00e4nde darf sich der Herr Verfasser nicht wundern, wenn man sein Buoh schliefslich doch verstimmt beiseite legt. Von wissenschaftlichem Werte bleibt, dafs der Verfasser die Frage zu einer ethnologischen und v\u00f6lkerpsychologischen gewandelt hat.\nZu bedauern ist ferner der Ton, den der Herr \u00dcbersetzer, der in h\u00f6chst verdienstvoller Weise schon so manches Buch der fremdl\u00e4ndischen Litteratur dem deutschen Leserkreise zu eigen machte, in seiner Vorrede zu dem vorstehend besprochenen Werke anschl\u00e4gt. Kann man in Deutschland wirklich von einem Antilombrosismus in gleichem oder in nur \u00e4hnlichem Sinne wie von einem Antisemitismus reden? Lombrosos Verdienste wird weder die Mit-, noch die Nachwelt verkennen. Wenn aber die deutsche Wissenschaft von ihm vor allen Dingen eine kritische Behandlung des jeweils verwerteten Materials verlangt und je nach der Beachtung dieses Momentes zu seinen Hypothesen Stellung nimmt, so wird man nicht anstehen d\u00fcrfen, hierin nur eine berechtigte Forderung zu erkennen. F\u00fchrt doch gerade Herr Kurblla an einem andern Orte aus {Entartung und Genie VIII), dafs Lombroso, ein Genie, zu messen sei mit dem Mafse, womit er selber dieses gemessen, obwohl K. hierunter den dem Genius konstant anhaftenden Zusatz des Unbegreiflichen versteht und an jener Stelle trotzdem f\u00fcr die Bichtigkeit der Theorie seines Meisters ein tritt. Und kann Herr K prell a doch am Schl\u00fcsse seiner Vorrede selber nicht umhin, zu erkl\u00e4ren, dafs er nicht alle in der vorliegenden Schrift vom Verfasser gezogenen Schlufsfolgerungen imbedingt annehme, \u201eam wenigsten alle seine Urteile \u00fcber deutsche \u00f6ffentliche Zust\u00e4nde\u201c, obwohl er sich \u201ein der Tendenz und dem Gef\u00fchlscharakter\u201c des Werkes mit dem Verfasser einig weifs. Was die \u00dcbersetzung als solohe betrifft, so hat Kurblla durch dieselbe sein Talent wiederum in gl\u00e4nzender Weise beth\u00e4tigt.\nFris\u00f6r. Kibsow (Leipzig).","page":157}],"identifier":"lit29874","issued":"1896","language":"de","pages":"155-157","startpages":"155","title":"C. Lombroso: Der Antisemitismus und die Juden im Lichte der modernen Wissenschaft. Autorisirte deutsche \u00dcbersetzung von Dr. H. Kurella. Leipzig. Georg H. Wigands Verlag. 1894. 114 S.","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:34:56.867611+00:00"}