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{"created":"2022-01-31T14:40:21.854476+00:00","id":"lit29879","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Hilbert, Richard","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 240-243","fulltext":[{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber\ndas Irisieren sehr grob ornamentierter Fl\u00e4chen bei gleichzeitigem Aufreten von Simultankontrast.\nVon\nDr. Eichard Hilbkrt\nin Sensburg.\nBekanntlich beruht das Irisieren der Perlmutter und \u00e4hnlicher schillernder Gegenst\u00e4nde, z. B. des bekannten Schillerfalters, Apatura Iris L., der Argynnisarten, der Fl\u00fcgeldecken vieler K\u00e4fer, mancher Vogelfedem, der Fisch- und mancher Beptilienschuppen, des Schillerspats (Katzenauge) und einiger Metalloxyde auf Interferenz der auf solche K\u00f6rper fallenden Lichtstrahlen. Das dabei auftretende Farbenspiel beruht auf folgender Eigent\u00fcmlichkeit der irisierenden K\u00f6rper : jede schillernde Fl\u00e4che ist von nicht gleichm\u00e4fsiger Struktur (im physikalischen Sinne); sie besteht aus Schichten von verschiedenem Lichtbrechungsverm\u00f6gen und verschiedener Transparenz. Weil nun infolge dieser optischen Differenzen das auffallende Licht unter verschiedenen Winkeln reflektiert wird und auch bis in verschiedene Tiefen eindringt, so interferieren die reflektierten Lichtstrahlen und bewirken in dem Auge des Beobachters die Empfindung des Irisierens.1\nDas Irisieren organischer K\u00f6rper wird aufserdem auch noch durch die rauhe Oberfl\u00e4che derselben verst\u00e4rkt: die einzelnen Elemente solcher irisierenden Fl\u00e4chen liegen nicht in einer Ebene und bewirken dadurch das Zustandekommen des Fresnel-schen Spiegelversuches im kleinen.\nBei allen oben beispielsweise angef\u00fchrten irisierenden K\u00f6rpern sind die Dimensionen der optisch verschieden gear-\n1 Vergl. W\u00fcllnkr, Lehrbuch der Experimental-Physik, Leipzig 1875. Bd. H. S. 345.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Irisieren sehr grob ornamentierter Fl\u00e4chen.\n241\nteten Schichten, resp. der unter verschiedenen Winkeln angeordneten Oberfl\u00e4chen elemente von mikroskopischer Kleinheit. Das Schillern des Schillerspats ist sogar um so auffallender, je besser seine Oberfl\u00e4che geschliffen und poliert ist.\nUm so auffallender war mir daher die Beobachtung des Irisierens an einem aus Holzlatten konstruierten Gartenzaun. Die Konstruktion des Zaunes ist folgende: In je 1 m Abstand voneinander sind senkrecht stehende Pf\u00e4hle in die Erde eingegraben, welche auch etwa 1 m hoch \u00fcber die Erdoberfl\u00e4che hinausragen. Diese Pf\u00e4hle sind nun oben und unten durch Querleisten verbunden, so dafs sich zwischen je zweien derselben ein Quadrat befindet. Die so gebildeten Quadrate sind dann in der Weise mit nach innen flachen, nach aufsen abgerundeten Latten (der Querschnitt derselben stellt mithin einen Halbkreis dar) benagelt, dafs ihre L\u00e4ngsrichtung abwechselnd im ersten Quadrat von rechts oben nach links unten, im zweiten von links oben nach rechts unten und so fort verl\u00e4uft. Der Durchmesser dieser Latten betr\u00e4gt etwa 3 cm; ebensoviel ihr Abstand voneinander.\nGeht man nun an einem solchen Zaune bei heller Tagesbeleuchtung seitlich vor\u00fcber, so erscheint derselbe (in spitzem Winkel betrachtet) lebhaft schillernd und gl\u00e4nzend, und man bemerkt neben dem Irisieren noch ein lebhaftes Farbenspiel. Die einzelnen quadratischen Abschnitte des Zaunes sind n\u00e4mlich nicht von gleicher Farbe (obwohl alle schillern), sondern es folgen immer abwechselnd bl\u00e4uliche und gelbliche Quadrate. Diese F\u00e4rbung ist aber nicht f\u00fcr die einzelnen Quadrate konstant, wie die Fortsetzung dieser Betrachtung ergiebt. Geht man n\u00e4mlich an diesem Zaune in entgegengesetzter Richtung vorbei, so erscheinen die vorher bl\u00e4ulich schillernden Quadrate gelblich, die gelblich schillernden bl\u00e4ulich schillernd.\nDie Sache ist nun wohl in folgender Weise zu erkl\u00e4ren : die konvex-cylindrischen Oberfl\u00e4chen der Zaunlatten dispergieren das auffallende Licht, entsprechend den bekannten katoptrischen Gesetzen, nach allen zur Axe des Cylinders senkrechten Richtungen. Dadurch entstehen Interferenzph\u00e4nomene, die in den Augen des Beobachters den Eindruck des Irisierens hervor-rufen: es bewirken mithin diese doch verh\u00e4ltnism\u00e4fsig sehr groben Reliefs ein dem Irisieren der eingangs genannten K\u00f6rper analoges Ph\u00e4nomen.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie X.\n16","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nBichard\nWas nun die Ursache der verschiedenen, und zwar komplement\u00e4ren, F\u00e4rbung der einzelnen Quadrate und den Wechsel dieser F\u00e4rbung, je nachdem man den Zaun von rechts oder links her betrachtet, betrifft, so glaube ich dieses so erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen: diejenigen Quadrate, deren Latten man mehr von oben her sieht, reflektieren haupts\u00e4chlich das Blau des Himmels und irisieren daher bl\u00e4ulich ; die dazwischenliegenden Quadrate erscheinen nun nach dem bekannten Gesetze vom Antagonismus der Farben infolge von Simultankontrast gelblich. Diese Erkl\u00e4rung erscheint mir um so mehr ausreichend, als bei Betrachtung des Zaunes von der entgegengesetzten Seite her das Ph\u00e4nomen umgekehrt erscheint, und zwar deshalb, weil diejenigen Zaunlatten, welche man, von der einen Seite betrachtet, mehr von oben sieht, von der entgegengesetzten Seite aus gesehen, mehr ihre unteren Fl\u00e4chen zeigen, und umgekehrt.\nAuf diese Weise 7 erkl\u00e4rt sich sowohl die Komplement\u00e4rf\u00e4rbung wie der Wechsel, oder besser : die Umkehrung dieser Erscheinung bei den einzelnen Quadraten, je nachdem man die Sache von der einen oder anderen Seite her betrachtet.\nDie nat\u00fcrliche Farbe des Zaunes (direkt und von vom betrachtet) ist hellgrau, eine Farbe, wie sie Holzwerk, das l\u00e4ngere Zeit den Einfl\u00fcssen der Witterung ausgesetzt ist, anzunehmen pflegt.\nSchliefslich will ich noch bemerken, dafs das beschriebene Ph\u00e4nomen um so sch\u00f6ner und gl\u00e4nzender erscheint, je schneller der Beobachter an dem betreffenden Zaune vorbeigeht.\nEine \u00e4hnliche physiologisch-optische Beobachtung ist mir bisher nicht bekannt geworden; auch findet sich nichts dergleichen in der zweiten Auflage von Helmholtz\u2019 \u201ePhysiologischer Optik*. Daher glaube ich annehmen zu d\u00fcrfen, dafs die soeben beschriebene eigent\u00fcmliche Art des Irisierens einer so grob ornamentierten Fl\u00e4che bisher noch nicht beobachtet worden ist.\nBei \u00dcbersendung der Korrektur dieses Aufsatzes machte mich Herr Prof. K\u00f6nig darauf aufmerksam, dafs in dem oben beschriebenen Versuch wahrscheinlich das sog. farbige Abklingen der Nachbilder in Wirksamkeit trete. Herr Prof. K. schliefst dieses daraus, \u201edafs die Erscheinung nur dann auf-","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"243\n_ _ ____ _\n\u00dcber das Irisieren sehr grob ornamentierter Fl\u00e4chen.\ntritt, wenn man an dem Zaun vorbeigeht, wenn also die optischen Bilder immer auf andere Teile der Netzhaut zu liegen kommen.\u201c Dafs die Bewegung und der durch dieselbe verursachte best\u00e4ndige Wechsel der Netzhauteindr\u00fccke zum Zustandekommen des Irisierens notwendig ist, d\u00fcrfte wohl klar sein; ich kann mir aber nicht vorstellen, dafs bei einer, im hellen Tageslicht durchaus nicht blendenden Erscheinung das Ph\u00e4nomen des Abklingens der Farben eintreten k\u00f6nne. Der allerdings dabei zu st\u00e4nde kommende Simultankontrast scheint mir nicht hinreichend intensiv zu sein, um ein farbiges Abklingen hervorzurufen, da die ganze Erscheinung bei heller, aber durchaus nicht blendender Beleuchtung, bei vollkommener Adaptation und bei permanent offenen Augen zu beobachten ist. Cfr. Hklmholtz, Physiol. Optik, n. Aufl., S. 520ff.\n16*","page":243}],"identifier":"lit29879","issued":"1896","language":"de","pages":"240-243","startpages":"240","title":"\u00dcber das Irisieren sehr grob ornamentierter Fl\u00e4chen bei gleichzeitigem Auftreten von Simultankontrast","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:40:21.854481+00:00"}