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{"created":"2022-01-31T14:58:51.785766+00:00","id":"lit29884","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ziehen","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 247-252","fulltext":[{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht\n247\nLeben ist. Bas Gute wird also zun\u00e4chst Beruhigung dieses Willens durch Kontemplation sein. Da wir aber durch Erfahrung und \u201ePhan* tasie\u201c auch fremdes Leid zu w\u00fcrdigen verstehen, so wandeln sich alle erkannten Qualen leicht in empfundene. Folglich ist blolse Kon* templation kein gen\u00fcgendes Heilmittel gegen die Welt; das ethische Ziel wird vielmehr eine Linderung fremder Leiden, eine F\u00f6rderung fremden Wohles aus Mitleid sein. Noch besser freilich w\u00e4re es, wenn das Mit* leid durch Beseitigung alles Wollens gegenstandslos w\u00fcrde. Kurz: die Schopenhauers Philosophie im tiefsten Grunde bestimmende Triebfeder ist das Streben nach Befreiung von starken und peinigenden Instinkten. \u00dcber Sch. hinaus ist es aber ferner f\u00fcr das Wesen des metaphysischen Denkens \u00fcberhaupt belehrend, dafs die erkenntnistheoretischen und psychologischen Begriffe und Gedankenz\u00fcge der Vernunftkritik ins Metaphysische hin\u00fcbergezogen und umgedeutet werden, so dais er das kritisch Negative Kants in ein positiv Metaphysisches verwandelt. Als allgemeinsten Trieb daf\u00fcr werden wir die Neigung jedes rechtschaffenen Metaphysikers ansehen m\u00fcssen, das Problem des Wandels und Vergehens, alle Erscheinungen der Welt bis zu einem letzten Grunde zu verfolgen, bei dem wir Anker werfen k\u00f6nnen. Da auch Sch. die Welt aus dem menschlichen Geiste verstehen will und ihm das Selbstbewusstsein Quelle metaphysischer Welterkl\u00e4rung ist, so darf es nicht wunder nehmen, dafs er rein psychologischen Erkenntnissen Geltung \u00fcber die Erfahrung hinaus giebt, und dafs bei ihm Psychologie und Metaphysik ineinander ver-fliefsen. Endlich kommen f\u00fcr Erkl\u00e4rung seiner Philosophie geschichtliche Verh\u00e4ltnisse in Betracht, wie der Kampf zwischen Romantik und Rationalismus. Wer den Willen als das B\u00f6se betrachtet, hat an sich Neigung f\u00fcr den Pessimismus; \u00fcber diese pers\u00f6nliche Anschauung hinaus war aber nach Ansicht des Verfassers der Pessimismus eine geschichtliche Notwendigkeit, eine Reaktion der moralischen gegen die \u00e4sthetische Weltanschauung, ein Widerspruch gegen eine allzu freundliche und einseitig das Helle hervorhebende Betrachtungsweise.\nDie, wie mir scheint, wohldurchdachte und anziehende Darstellung des Verfassers zerf\u00e4llt aufser einer Einf\u00fchrung in die vier Kapitel: 1. Pers\u00f6nlichkeit und Philosophie, 2. Romantik und Rationalismus| 3. Monismus und Ethik, 4. die Methode Schopenhauers, so dafs der erste und vierte Abschnitt haupts\u00e4chlich zur psychologischen Erkl\u00e4rung dieser Metaphysik beitr\u00e4gt. Zu der auch vom Verfasser abgelehnten Behauptung, Sch. habe das Wesen der Musik zu erleuchten gewufst, wie keiner vor ihm, kann man den Verfasser S. 171 f. und den Aufsatz \u201e\u00dcber Schopenhauers Theorie von der Musikw in Gottschalls Zeitschrift Unsere Zeit 1880. S. 730\u2014748, vergleichen.\tK. Bruchmann.\nE. Kraepelin. Psychologische Arbeiten. Bd. 1. Heftl. Leipzig, W. Engelmann. 1805. 208 S.\nDas vorliegende erste Heft enth\u00e4lt einen Aufsatz Kraepelins und zwei Arbeiten seiner Sch\u00fcler. Erster er ist betitelt: \u201eDer psychologische Versuch in der Psychiatrie.\u201c Die Zweckm\u00e4fsigkeit der Einf\u00fchrung des psychologischen Versuches in die Psychiatrie ist unbestreitbar. Dagegen ist","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nLitteraturbericht.\nentschiedener Protest einzulegen, wenn K. im Vollbewufstsein seines Heidelberger Laboratoriums den psychologischen Versuch \u00fcberhaupt und speziell in der Psychiatrie von kostspieligen Laboratoriumseinrichtungen geradezu abh\u00e4ngig macht. Es ist dies nur dazu geeignet, den Psychiater von psychologischen Versuchen abzuschrecken. Grofee Laboratorien sind w\u00fcnschenswert, f\u00fcr manche spezielle Zwecke auch unerl\u00e4fslich, f\u00fcr viele Zwecke* und gerade f\u00fcr diejenigen des Psychiaters gen\u00fcgen zun\u00e4chst viel einfachere Vorrichtungen. K. sollte doch die einseitige, spezielle Beschr\u00e4nkung auf einige wenige zeitmessende, kostspielige Vorrichtungen erfordernde Probleme, welche f\u00fcr seine psychologischen Arbeiten charakteristisch und f\u00fcr seine Richtung so irref\u00fchrend gewesen ist, nicht der ganzen Psychologie und ebensowenig und erst recht nicht der Psychiatrie zumuten. Oder bedurfte es z. B. zu der ausgezeichneten Arbeit von Ebbinghaus \u00fcber das Ged\u00e4chtnis oder zu den Arbeiten von Scripture, M\u00fcnstrRBERG und vielen anderen \u00fcber den Verlauf der Ideenassoziation eines Laboratoriums mit grofsen technischen H\u00fclfsmitteln ? Noch mehr, auch zahlreiche messende Versuche lassen sich mit ausreichender Genauigkeit auch ohne kostspielige Apparate ausftthren. Die Chronoskop-Psychologie Kraepelins ist doch eben nur ein ganz beschr\u00e4nkter Teil der experimentellen Psychologie. Der Hochmut gegen* \u00fcber der solche Apparate nicht verwendenden Psychologie ist also ganz unangebracht.\nK. widerlegt sich \u00fcbrigens im weiteren selbst, indem er Wege an-giebt, welche psychologische Versuche ohne viele Apparate bei Geisteskranken erm\u00f6glichen. Freilich haben andere vor ihm hierzu schon viel exaktere Wege eingeschlagen. K. schl\u00e4gt vor, zu bestimmen :\n1.\tDie geistige Leistungsf\u00e4higkeit, welche \u201edurch die Geschwindigkeit gemessen wird, mit welcher sich die verschiedensten ein* fachen psychischen Vorg\u00e4nge abspielen\u201c.\n2.\tDie \u00dcbungsf\u00e4higkeit, welche durch die Zunahme der Leistungsf\u00e4higkeit unter dem Einflufs der Arbeit gemessen wird.\n3.\tDie \u00dcbungsfestigkeit, welche sich in der Erh\u00f6hung der Leistungsf\u00e4higkeit nach l\u00e4ngerer Arbeitspause ausdr\u00fcckt.\n4.\tDie Leistungsf\u00e4higkeit des Spezialged\u00e4chtnisses.\n5.\tDie Anregbarkeit, welche zu messen ist in der Abnahme der Leistungsf\u00e4higkeit, welche durch das Einschieben einer Pause von mindestens 15\u201430 Minuten gegen\u00fcber dem ununterbrochenen Fortarbeiten herbeigef\u00fchrt wird.\n6.\tDie Erm\u00fcdbarkeit (Abnahme der Leistungsf\u00e4higkeit bei l\u00e4nger fortgesetzter Arbeit).\n7.\tDie Erholungsf\u00e4higkeit, welche sich aus dem Stande der Leistungsf\u00e4higkeit zu einer bestimmten Zeit nach einem Erm\u00fcdungsversuch ergiebt.\n8.\tDie Schlaftiefe.\n9.\tDie Ablenkbarkeit, welche aus der Herabsetzung der Leistungsf\u00e4higkeit unter erstmaliger Einwirkung bestimmter St\u00f6rungen erkennbar ist.\n10.\tDie Gew\u00f6hnungsf\u00e4higkeit, welche sich nach dem Stande","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbei-icht.\n249\nder Leistungsf\u00e4higkeit bei l\u00e4ngerer Einwirkung jener St\u00f6rungen bemessen l\u00e2f\u00e7t.\nDie Aufnahme des \u201epsychischen Status praesensu gestaltet sioh nach K. nun folgendermafsen :\n1.\tVersuchstag: Einst\u00fcndiges schriftliches Addieren einstelliger Zahlen\n\u2014\tviertelst\u00fcndige Pause \u2014 viertelst\u00fcndiges Addieren.\n2.\tVersuchstag: Viertelst\u00fcndiges Addieren \u2014 viertelst\u00fcndige Pause \u2014 viertelst\u00fcndiges Addieren \u2014 halbst\u00fcndiges Addieren mit gleichzeitiger Ablenkung durch Vorlesen.\n3.\tVersuchstag: Viertelst\u00fcndiges Addieren \u2014 5 Minuten Pause \u2014 viertelst\u00fcndiges Addieren. \u2014 Je 5 Minuten Aufschreiben: 1. beliebiger Hauptw\u00f6rter, ferner solcher Dinge, welche 2. lebhafte Farben besitzen, 3. Ger\u00e4usche erzeugen, 4. Lust oder 5. Unlust erregen, endlich 6. solcher, welche nicht sinnlich wahrnehmbar sind\n4.\tVersuchstag: Einst\u00fcndiges Auswendiglernen zw\u00f6lfstelliger Zahlen\n\u2014\tviertelst\u00fcndige Pause \u2014 viertelst\u00fcndiges Auswendiglernen.\n6. Versuchstag: Viertelst\u00fcndiges Auswendiglernen \u2014 viertelst\u00fcndige Pause \u2014 viertelst\u00fcndiges Lernen \u2014 Wiederholung des Aufschreibe-ver8uches vom dritten Tage, unter m\u00f6glichster Erneuerung der gleichen Vorstellungen aus dem Ged\u00e4chtnisse.\nUnd damit soll ein \u201epsychischer Status\u201c gegeben sein ! Ich hoffe, dafs m\u00f6glichst wenige Psychologen und Psychiater auf diesen Status hineinfallen. \u00dcbersieht K. denn ganz, dafs sein Grundmals f\u00fcr die intellektuelle Leistungsf\u00e4higkeit ganz unbrauchbar ist? Jeder Kaufmann, welcher viel B\u00fccher zu f\u00fchren und daher zu rechnen gewohnt ist, wird K. durch seine Leistungsf\u00e4higkeit \u00fcberraschen. Auch die Ablenkbarkeit, die Erm\u00fcdbarkeit etc. sind in derselben Weise von der Lebensbesch\u00e4ftigung und den Lebensgewohnheiten abh\u00e4ngig. Solche Feststellungen haben daher in dieser rohen Form weder f\u00fcr die Erkennung des normalen noch des krankhaften Seelenlebens irgendwelchen Zweck. Der Gedanke, die Erm\u00fcdbarkeit etc. festzustellen, ist in keiner Weise neu, die von K. vorgeschlagene Methode herzlich schlecht. Sie ist eine Karrikatur der bekannten Ebbingh Aussehen Versuche. Dabei rede ich noch gar nicht von der Durchf\u00fchrbarkeit- Die meisten \u201eVersuche\u201c werden je nach dem guten Willen, Interesse etc. des Individuums v\u00f6llig verschieden ausfallen. Auch in dieser Beziehung erweist sich das Resultat also von Bedingungen abh\u00e4ngig, deren Messung und Eliminierung unm\u00f6glich, deren Feststellung aber auch ganz ohne Zweck und Interesse ist. Und nun gar bei Geisteskranken ; selbst bei den leichtesten Formen geistiger Erkrankung w\u00fcrden die Nebenbedingungen (guter Wille, Interesse, Geduld, Zwischengedanken etc.) so st\u00f6rend einwirken, dafs keine der vermeintlichen Entwickelungen irgendwie zuverl\u00e4ssig w\u00e4re. Also hatte Referent doch wohl recht, wenn er zur Vorsicht mit solchen Versuchen mahnte. \u00dcbrigens h\u00e4tte K. diese Mahnung zur Vorsicht auch bei seinem Lehrer Wundt finden k\u00f6nnen.\nKein Wunder, dafs bei dieser Methode die seltsamsten Resultate zu Tage treten. So finden Kraepelin und Aschaffenburg, dafs bei der Ideenilacht der Manie gar keine Beschleunigung des Vorstellungsablaufes","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nLi tier a turbericht.\nvorliegt. Nat\u00fcrlich ! Der Mani&kus soll eine Viertelstunde oder eine ganze Stunde rechnen und wird dies vor lauter Zwischenvorstellungen nur langsam zu st\u00e4nde bringen. Aber l\u00e4uft jemand deshalb nicht schnell, weil er in einem aufgezw\u00e4ngten, unbequemen Schuhwerk nicht schnell laufen kann? Der Vorstellungsablauf des Maniakus ist beschleunigt, und nur wenn man ihn zum Durchlaufen einer bestimmten Vorstellungsreihe zwingt, wird diese Beschleunigung verdeckt. Die ganze Widersinnigkeit der Methode tritt hier recht grell zu Tage. Damit f\u00e4llt auch der \u201eEinfall\u201c Kraepklins, dafs die Ideenflucht nur Ausdruck einer Erregbarkeitssteigerung auf dem Gebiete der motorischen Sprachvorstellungen ist. Ganz ebenso verh\u00e4lt es sich mit der Hyperprosexie. Wenn man freilich unter Aufmerksamkeit die auf eine Schreibtafel des Laboratoriumstisches gerichtete \u201eApperzeption\u201c versteht, so hat der Maniakus keine Hyperprosexie. Wenn man aber unter Aufmerksamkeit die elektive Ankn\u00fcpfung von Vorstellungen an einzelne Sinnesempfindungen versteht, so hat er Hyperprosexie. Dafs darunter die Konzentrationsf\u00e4higkeit leidet und ein fortw\u00e4hrendes Abschweifen zu st\u00e4nde kommt, hat Referent selbst betont. K. scheint zu glauben, dafs die Vorsilbe Hyper eine Vervollkommnung der Leistung ausdr\u00fccke. Wie er sich leicht bei anderen W\u00f6rtern \u00fcberzeugen kann, ist dies nicht der Fall.\nDabei ist es gar nicht so sehr schwer, feinere Beobachtungen an Kranken zu machen. Man mufs nur bessere Methoden w\u00e4hlen. So erinnere ich nur an die Beobachtungen Webnick es. So hat Referent schon seit vielen Jahren die Merkf\u00e4higkeit z. B. f\u00fcr Zahlen nach besonderer Methode gepr\u00fcft. Auch motorische Erm\u00fcdungskurven haben andere und ich mit H\u00fclfe besonderer Methoden schon in vielen F\u00e4llen gewonnen. Es hat gar keinen Zweck, dies besonders zu erw\u00e4hnen. Zahlreiche Psychiater stellen solche und \u00e4hnliche Versuche an, welche den rohen Beobachtungen, welche K. f\u00fcr das Laboratorium empfiehlt und auf Grund deren er den psychologischen Versuch monopolisiert zu haben glaubt, weit \u00fcberlegen sind.\nErheblich wertvoller ist der zweite Aufsatz von Okhrn, welcher sich betitelt: \u201eExperimentelle Studien zur Individualpsyctologie.\u201c Um die individuelle Beschaffenheit des WahrnehmungsVorganges zu ermitteln, stellte Verfasser den Versuchspersonen die Aufgabe, Buchstaben in einem gedruckten Buche zu z\u00e4hlen oder bestimmte Buchstaben zu suchen oder Korrekturen zu lesen. Zum Studium des Ged\u00e4chtnisses liefs Verfasser sinnlose Silbenreihen oder auch Zahlenreihen lernen, zum Studium des Assoziationsvorganges einstellige Zahlenreihen addieren, zur Pr\u00fcfung der motorischen Funktionen Diktat schreiben und halblaut lesen. Die Voraussetzung eines ungef\u00e4hr gleichen Grades der \u00dcbung in diesen Funktionen ist allerdings nicht einmal f\u00fcr \u201eIndividuen von gleicher Bildung\u201c zutreffend. Denn wenn man auch zugeben wollte, dafs Individuen von gleicher Bildung gleich viel gelesen haben, so wird doch noch in Betracht kommen, ob das einzelne Individuum gew\u00f6hnt ist, rasch zu lesen. Ich habe mich selbst \u00fcberzeugt, dafs in dieser Richtung enorme Differenzen bestehen. Die einfache Methode der Messung der Geschwindigkeit ist in Original nachzulesen. Die Resultate sind folgende:","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht,\n251\nUm einen Buchstaben zu apperzipieren und durch das Aussprechen einer Zahl darauf zu reagieren, sind im Mittel 406 0 erforderlich (10 Versuchspersonen ; mittlere Abweichung der einzelnen Versuchspersonen von der f\u00fcr s\u00e4mtliche gefundenen Z\u00e4hlzeit 64,2 0, mittlere Variation f\u00fcr die einzelne Versuchsperson 17,1 0). Wurden die Buchstaben in Gruppen zu je 3 gez\u00e4hlt, so ergab sich pro Buchstaben im Mittel nur 323 0. Stets wurde lateinischer Druck verwendet.\nZu einer Addition wurden durchschnittlich 1244 0 gebraucht. Die\n\u00bb\nmittlere Schwankungsbreite aller Personen betrug 219,0 0, die mittlere Variation durchschnittlich 58 0.1\nDie Schreibezeit betrug pro Buchstaben 435 0 bei einer mittleren Schwankungsbreite von 68 0 und einer durchschnittlichen mittleren Variation von 11,4 0. Dieselben Werte f\u00fcr die Lesezeit betrugen pro Silbe 138 0, 7.7 0 und 4,7 0 (deutscher Druck!).\nDie mittlere Lernzeit pro Zahl betrug 9,6 Sekunden (mittlere Schwankungsbreite 3,3 Sek., mittlere Variation 1,4 Sek.), die mittlere Lernzeit pro Silbe (sinnlose Beihen) 11,8 Sek. (mittlere Schwankungsbreite 2,99 Sek., mittlere Variation 3,24 Sek.).\nInteressant sind die Ergebnisse bez\u00fcglich des Einflusses der \u00dcbung und der Erm\u00fcdung. So hat 0. den Grad der \u00dcbung bemessen nach der Differenz des Leistungsmaximums mit dem vorausgegangenen Leistungsminimum, den Grad der Erm\u00fcdung nach der Differenz desselben Leistungsmaximums mit dem schlieMichen Leistungsminimum. Beide zeigten, ebenso wie der Zeitpunkt der Maximalleistung, grofse individuelle Schwankungen. Der \u00dcbungsgrad und die mittlere Variation zeigen bei allen Funktionen (ausgenommen das Silbenlernen) einen bemerkenswerten Parallelismus, welchen Verfasser S. 188 in ansprechender Weise zu erkl\u00e4ren sucht, ln mehr als 50% aller Versuche treten initiale Schwankungen der Leistungsf\u00e4higkeit auf, welche auf Adaptation der Aufmerksamkeit zu beziehen sind. Weiter treten meist schon gegen Ende der \u00dcbungsphase, h\u00e4ufig aber auch erst in der Erm\u00fcdungsphase Schwankungen auf, welche mit wachsender Erm\u00fcdung sich zun\u00e4chst vergr\u00f6\u00dfern, bei gen\u00fcgend langer Dauer des Versuches aber schliefslich\nwieder kleiner werden. \u2014 Durch wiederholte \u00dcbung wird der \u00dcbungsgrad (in dem oben angegebenen Sinne) ebenso wie der Erm\u00fcdungsgrad kleiner. Die \u00dcbungsphase wird verk\u00fcrzt, die Maximalleistung tritt fr\u00fcher ein.\nln einer Schlufser\u00f6rterung versucht 0. nachzuweisen, dafs auf dem angegebenen Wege eine einigermafsen zutreffende Vorstellung von der individuellen Leistungsf\u00e4higkeit auf psychischem Gebiete erhalten werden k\u00f6nne.\nDie dritte und letzte Arbeit von S. Bbttmxkk besch\u00e4ftigt sich mit der \u201e Beeinflussung einfacher psychischer Vorg\u00e4nge durch k\u00f6rperliche und\n1 Die Korrektur der Zahlen auf S. 114 h\u00e4lt Beferent, wenn auch Verfasser in der Anmerkung sie selbst angiebt, f\u00fcr ganz ungeh\u00f6rig. Auch \u201enicht hineinpassende Werte\u201c geh\u00f6ren so, wie sie sind, m die Tabelle. Es w\u00e4re h\u00f6chst bedauerlich, wenn die Kkaepeuxsche Schule hier eine Art \u201eMethode der Minimal\u00e4nderungen\u201c einf\u00fchren wollte.","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nLit teraturbei'ich U\ngeistige Arbeit*. Von diskontinuierlichen Messungen wurden nur Wahl-und Wortreaktionen benutzt; als kontinuierliche Arbeit diente das Addieren sowie das Auswendiglernen zw\u00f6lfstelliger Zahlenreihen. Als Erm\u00fcdungsarbeit wurde speziell ein zweist\u00fcndiger Marsch oder einst\u00fcndiges Addieren gew\u00e4hlt. N\u00e4heres \u00fcber die Anordnung der Experimente und die Verwertung der Zahlen ist im Original nachzulesen. Als Versuchsperson fungierte nur der Verfasser selbst. Die Hauptergebnisse sind folgende: K\u00f6rperliche Anstrengung sch\u00e4digt die geistige Leistungsf\u00e4higkeit mehr als geistige Arbeit (in der gew\u00e4hlten Dosierung!). Die geistige L\u00e4hmung giebt sich nach beiden Arbeitsformen in der Verl\u00e4ngerung der Erkennungs-, Wahl- und Assoziationszeiten, in der Schw\u00e4chung des Ged\u00e4chtnisses und . der Herabsetzung der \u00dcbungsf\u00e4higkeit kund. Bei dieser Sachlage k\u00f6nnen Turnstunden und Spazierg\u00e4nge nicht als Erholung vor geistiger Arbeit betrachtet werden. Auf motorischem Gebiete ergab sich ein qualitativer Unterschied. Da n\u00e4mlich nach k\u00f6rperlicher Arbeit auff\u00e4llig oft Fehlreaktionen auftraten, nimmt B. an, dafs die motorische k\u00f6rperliche Anstrengung zu einer zentralen motorischen Erregung f\u00fchrt. Nach geistiger Arbeit, die keinen starken motorischen Anreiz bringt, fehlt diese Erregung nicht nur g\u00e4nzlich, sondern die geistige Arbeit ist sogar im st\u00e4nde, auf die schon vorhandene motorische Erregung deutlich hemmend zu wirken. Die motorische Erregung verschwand rascher wieder, als die geistige L\u00e4hmung; ihr Abklingen, konnte durch eine eingeschobene geistige Arbeit wesentlich beschleunigt werden. W\u00e4hrend die genannten Erm\u00fcdungsarbeiten zu keiner nachhaltigen Sch\u00e4digung der geistigen Leistungsf\u00e4higkeit f\u00fchrten, liefs sich der Einflufs einer sehr starken Erm\u00fcdung (Nachtversuch) namentlich auf die Wahlreaktionen noch mehrere Tage hindurch in abnehmender St\u00e4rke verfolgen, obwohl die Nachwirkung nach dem subjektiven Urteil der Versuchsperson l\u00e4ngst \u00fcberwunden war.\tZiehen (Jena).\nHugo M\u00fcnsterberg. Studies from the Harvard Psychological Laboratory (II). Psychol. Bev. I. 5 (1895).\nA. H. M\u00fcnsterberg and W. W. Campbell. The Motor Power of Idea. S. 441\u2014453.\nEin Physiker hatte M\u00fcnsterberg vor zehn Jahren mitgeteilt, dafs, wenn man 20 Sekunden lang in eine helle Flamme blicke, die Augen schliefse und den Kopf um 45\u00b0 wende, das Nachbild der Flamme sodann in der Bichtung der Kopfdrehung erscheine, dafs dasselbe unter gleichen Bedingungen aber in der Bichtung der objektiven Lichtquelle gesehen werde, wenn die Augen nur w\u00e4hrend einer Sekunde dem Lichte ausgesetzt w\u00fcrden. M\u00fcnsterberg konnte die Beobachtung best\u00e4tigen, erkannte aber alsbald, dafs man von dieser Erscheinung nicht, wie der Betreffende wollte, auf einen zentralen Ursprung der Nachbilder schliefsen d\u00fcrfe, sondern dafs dieselbe auf die Beteiligung der Augenbewegungen zur\u00fcckzuf\u00fchren sei. \u00f6ffnete er die Augen nach vollzogener Kopfdrehung, so entsprach die Stellung derselben in beiden F\u00e4llen der Bichtung des vordem gesehenen Nachbildes. M\u00fcnsterberg erkannte aber auch sogleich, dafs der Versuch einen instruktiven Fall f\u00fcr die Mefsbarkeit","page":252}],"identifier":"lit29884","issued":"1896","language":"de","pages":"247-252","startpages":"247","title":"E. Kraepelin: Psychologische Arbeiten. Bd. 1. Heft 1. Leipzig, W. Engelmann. 1895. 208 S.","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:58:51.785771+00:00"}