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{"created":"2022-01-31T14:59:48.707686+00:00","id":"lit29886","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ziehen","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 256-258","fulltext":[{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nLitteraturberich t.\nIndem Verfasser unter Benutzung einfacher Linien zun\u00e4chst die Wirkung des goldenen Schnittes mit symmetrisch angeordneten Verh\u00e4ltnissen vergleichen liefs, gelangte er zu dem Resultat, dafs bei drei Linien das Verh\u00e4ltnis des goldenen Schnittes, bei vier und f\u00fcnf die Symmetrie und bei seohs und mehr Linien wiederum die erstere Teilung bevorzugt wurde. Verfasser erkl\u00e4rt diese Erscheinung aus dem Umstande, dafs f\u00fcr die \u00e4sthetische Wirkung, neben der Bevorzugung einer Verschiedenheit in der Anordnung der Einzeleindr\u00fccke, vor allen Dingen die M\u00f6glichkeit, dieselben zu einer Gesamtvorstellung zu verkn\u00fcpfen, erhalten bleiben m\u00fcsse. Bei vertikal \u00fcbereinandergelagerten Linien st\u00f6ren assoziative Einfl\u00fcsse die Beurteiluug des Eindrucks. Mit der symmetrischen Anordnung assoziierte sich hier die Vorstellung des Umkippens.\nIn einer zweiten Reihe von Versuchen konnte Verfasser feststellen, dafs auch bei Linien von ungleicher L\u00e4nge die Vorstellung der Symmetrie und des Gleichgewichts erhalten blieb, wenn sich dieselben in ungleichen Abst\u00e4nden von einer gegebenen Mittellinie befanden. So ergab sich z. B., dafs, wenn eine 10 cm lange Linie 8 cm von der einen Seite einer 20 cm langen Mittellinie ger\u00fcckt war, eine Linie von 5 cm L\u00e4nge f\u00fcr diesen Fall durchschnittlich 24 cm von der anderen Seite derselben entfernt werden muiste (Minimalabstand 16,9 cm, Maximalabstand 29,1 cm). Weniger \u00fcbereinstimmende Urteile erzielte Verfasser, wenn er bei diesen Versuchen die L\u00e4ngen der einzelnen Linien konstant liefs und statt dessen die Breite derselben variierte.\nIn einer letzten Versuchsordnung verwandte Verfasser kompliziertere Verh\u00e4ltnisse, indem er einmal verschiedene Formen (Linien von verschiedenen L\u00e4ngen und Breiten, Quadrate, Sterne etc.) kombinierte und dieselben sodann unter mannigfacher Variierung im Einzelnen in sechs verschiedenen Farben beurteilen liefs. Obwohl betreffs der Einzelangaben auf das Original verwiesen werden muis, sei noch hervorgehoben, dafs Verfasser bei diesen Versuchen trotz mancher individueller Differenzen aus den Angaben dennoch gewisse Konstanten gewann. Mit Bezug auf die verwandten Farben konnte z. B. festgestellt werden, dafs die dunkleren (blau, kastanienbraun und gr\u00fcn) von einem gegebenen Zentrum weiter entfernt werden mufsten als die helleren (weifs, rot und orange), um f\u00fcr die symmetrische Anordnung einen Ersatz zu bieten. Soweit nicht assoziative Einfl\u00fcsse nachweisbar sind, sucht Verfasser die erhaltenen Resultate auf die Bewegungsempfindungen der Augen zur\u00fcckzuf\u00fchren. \u201eDas allgemeine Gesetz scheint zu sein, dais dem Gef\u00fchl der Symmetrie Gen\u00fcge gethan ist, wenn beide (Seiten-) Teile Augenbewegungen von gleicher Energie erfordern; diese Energie w\u00e4ohst mit der Entfernung vom Zentrum oder dem Gr\u00f6fsenzuwachs (larger size) des Objekts und mit der gr\u00f6fseren Helligkeit der Farbe.\u201c\nFriedr. Kiesow (Leipzig).\nG. Trumbull Ladd. Philosophy of mind. An Essay in the metaphysics of psychology. New York, Ch. Scribners Sons, 1895. 412 S.\nL. sucht zun\u00e4chst nachzuweisen, dafs eine Psychologie ohne Metaphysik ein Unding ist, und dafs auch solche Psychologen, welche die","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n257\nMetaphysik ganz aus der Psychologie verbannt wissen wollten, allenthalben metaphysische Hypothesen einmengen. Diejenige provisorische metaphysische Voraussetzung, welche Lajdd selbst die nat\u00fcrlichste scheint, geht dahin, da\u00df ein wirkliches Seelenwesen existiert (S. 55). Der End*, zweck der Psychologie ist, die Natur und Entwickelung dieses Seelenwesens in seinen Beziehungen zu anderen Wesen zu verstehen (S. 64). Damit ist sie zugleich eine \u201eUniversalprop\u00e4deutik\u201c f\u00fcr die Philosophie, indem sie notwendig zu philosophischen Problemen f\u00fchrt. Epistemologie, Metaphysik, Naturphilosophie sind Hauptabschnitte dieser von der Psychologie angeregten Philosophie. L. bezeichnet einen weiteren. Hauptabschnitt als \u201ePhilosophy of mind\u201c und versteht darunter namentlich die philosophische Behandlung derjenigen von der Psychologie angeregten Probleme, welche sich auf das sog. Selbstbewufstsein beziehen (S. 81).\nDie Haupts\u00e4tze dieser LADDSchen Philosophy of mind sind folge nde Alle Be Wulstseinserscheinungen sind nicht nur als verschiedene Inhalte,: sondern auch als verschiedene Funktionsformen aufzufassen. Jeder Bewu\u00dftseinszustand darf nicht nur als ein passiver Bewu\u00dftseinsinhalt, sondern mufs stets auch als ein aktiver, unterscheidender Prozefs auf-gefafst werden. Selbstbewu\u00dftsein ist nur m\u00f6glich als Selbstth\u00e4tigkeit. Die einzige verst\u00e4ndliche, unzweifelhafte Realit\u00e4t der Seele liegt in ihrem \u201eF\u00fcrsichsein\u201c, in dem augenblicklichen Selbstbewu\u00dftsein, in der Erinnerung an fr\u00fcheres Selbstbewu\u00dftsein und in dem Schlu\u00df auf ein kon. tinuierlich bis heute sich erstreckendes Selbstbewu\u00dftsein (S. 147). So erkennt die Seele fortw\u00e4hrend ihre eigene Wirklichkeit. Die wirkliche Identit\u00e4t von irgend Etwas (trotz aller Ver\u00e4nderungen) besteht nach L. darin, da\u00df seine Selbstth\u00e4tigkeit sich in allen seinen Beziehungen zu anderen Dingen \u201eeiner immanenten Idee konform\u201c zeigt. Schon, das Bewu\u00dftsein, \u201eSubjekt von Ver\u00e4nderungen zu sein\u201c, involviert zugleich das Bewu\u00dftsein der Dieselbigkeit. Um auch f\u00fcr die Zust\u00e4nde der Hypnose und namentlich des sog. doppelten oder alternierenden Bewu\u00dftseins seine Lehre der pers\u00f6nlichen Identit\u00e4t aufrechterhalten zu k\u00f6nnen, macht L. ausgiebigen Gebrauch von der Annahme eines psychischen Automatismus und einer Spaltung des Ichs. F\u00fcr letztere wird nat\u00fcrlich Dbssoir zitiert. Aber auch Kants intelligibles Ich mufs Zeugnis zu Gunsten der Ich-Spaltung ablegen. In analoger Weise, wie die Dieselbigkeit, besitzt die Seele auch Einheit. Das Seelenleben des einzelnen stellt die Verwirklichung eines individuellen Planes dar. Die Seelen verschiedener Individuen sind auch dem Grade nach verschieden.\nDas Problem Mind and Body wird in dem Sinne behandelt, in welchem L. bereits seine Psychology, descriptive and explanatory, geschrieben hat. Der Verstand kann die Welt nur als ein System aufeinander wirkender Wesen auffassen. K\u00f6rper und Seele sind zwei verschiedene Wesen. Der Monismus wird verworfen, obwohl Verf. gelegentlich auf die M\u00f6glichkeit einer h\u00f6heren Einheit selbst etwas mystisch anspielt (S. 267. 284 u 318, sowie Kap. 11 u. 12). Zw\u00dfchen den seelischen Vorg\u00e4ngen und den materiellen Prozessen im Gehirn besteht eine kausale Relation. Allerdings hei\u00dft es an anderer Stelle auch wieder: die auto-\nZeltschriA fUr Psychologie X.\t17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nLitteraturbericht.\nmatische (d. h. hier die zentral entstandene, nicht durch peripherische Reize ausgel\u00f6ste) Th\u00e4tigkeit des Nervensystems ist das besondere physische Korrelat des aktiven Bewufstseins (S. 268). Verf. h\u00e4tte von seinem eigenen Standpunkte statt \u201eKorrelat\u201c wohl \u201eWirkung\u201c sagen m\u00fcssen. Einige Seiten weiter sagt L. ausdr\u00fccklich: die vorstellenden Bewufstseins-zust\u00e4nde (ideating states of consciousness) rufen die entsprechenden Zust\u00e4nde (appropriate conditions) in den Gehirnzentren hervor und bedingen durch Vermittelung der letzteren Bewegungen. Selbst bei den einfachen Nachahmungsbewegungen des Kindes wirkt das Bewufstsein mit. Das affektive Bewufstsein ruft in analoger Weise die Ausdrucksbewegungen im weitesten Sinne hervor. Das wollende Bewufstsein endlich (conative aspect of consciousness) bedingt die Bewegungen des Aufmerkens, die sog. Wahlbewegungen u. s. f.\nDie Kapitel \u201eMaterialism and Spiritualism\u201c und \u201eMonism and Dualism\u201c bringen keine wesentlichen neuen Argumente. L. bleibt bei dem Dualismus zwischen Mind und Body. Die gr\u00f6fsten Erfolge der physiologischen Psychologie verm\u00f6gen diesen Dualismus nur in wissenschaftlicherer Form zum Ausdruck zu bringen, aber nicht zu beseitige n\u00ab S. 286 (The human body is a vast. . etc.) findet sich nochmals eiae sehr bequeme Zusammenstellung der Grundansichten Ladds. Sein gesamter Standpunkt ist demjenigen, welchen Rehmke neuerdings in seiner Psychologie vertreten hat, sehr nahe verwandt. Die Begr\u00fcndung und Ausf\u00fchrung ist nicht im entferntesten so klar, tief und konsequent, wie be1 Rehmke. Einzelne kritische G\u00e4nge sind hingegen Ladd ausgezeichnet gelungen, so z. B. die Kritik der H\u00f6FFDiNGSchen Identit\u00e4tshypothese im 10. Kapitel u. a. m. Leider unterscheidet L. diese und andere monistische Hypothesen nicht immer so scharf von der Hypothese des psyoho-physischen Parallelismus, wie auf S. 815. Oft vermengt er beide in seiner Polemik in ganz ungerechtfertigter Weise. Die f\u00fcr seinen Dualismus unerl\u00e4Miche gegenseitige Einwirkung von Seele auf K\u00f6rper und umgekehrt erscheint Ladd nicht unverst\u00e4ndlicher, als die Einwirkung eines chemischen Elements auf ein anderes. K\u00f6rper und Seele sind wie die Elemente der Chemie fundamentelly different kinds of beings. \u2014 Die Schlufskapitel (\u201eOrigin and Permanence of mind4 und \u201ePlace of man\u2019s mind in nature**) gehen weit \u00fcber alle Psychologie hinaus un k\u00f6nnen daher hier f\u00fcglich unber\u00fccksichtigt bleiben.\nZiehen (Jena).\nContributions from the Psychological Laboratory of Columbia Coll eg e.\nHI. Psychol. Rev. II. S. 125-136.\nHarold Gripping, Experiments on Dermal Sensations.\nDer Artikel ist nur ein Auszug aus der Dissertation des Verfass 3rs \u201eOn Sensations from Pressure and Impact\u201c (Suppl. Monograph. No. 1 to the Psychol. Rev.) und berichtet ganz kurz \u00fcber mannigfaltige Versuche, welche Gewichtssch\u00e4tzungen unter Variation der Intensit\u00e4ten der Reizungs-stellen, der Reizungsfl\u00e4chen, der Fallh\u00f6he, und \u00c4hnliches zum Gegenst\u00e4nde hatten.\nSh. J. Franz, The After-Image Threshold.","page":258}],"identifier":"lit29886","issued":"1896","language":"de","pages":"256-258","startpages":"256","title":"G. Trumbull Ladd: Philosophy of mind. An Essay in the metaphysics of psychology. New York, Ch. Scribners Sons, 1895. 412 S.","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:59:48.707692+00:00"}