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{"created":"2022-01-31T14:57:13.026362+00:00","id":"lit29956","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 312-314","fulltext":[{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nLitteralurbenchL\nso ist der Versuch des Verfassers neu. Die Gr\u00fcnde daf\u00fcr liegen nicht nur in der Schwierigkeit der Behandlung des Stoffes, sondern vor n\u00fcimm auch in der Abneigung, welche heutzutage gegen alles, was den positiven Wissenschaften fern steht, herrscht. Man sieht hinter der spekulativen Philosophie vielfach noch ein Gedanken system, welches mit verworrenen und geheimnisvollen Begriffen spielt, sich in Spitzfindigkeiten verliert und der exakten Forschung zum mindesten gleichg\u00fcltig gegen\u00fcbersteht. Mag der Psychiater dar\u00fcber denken, wie er will, \u2014 entbehren ^nn er die Philosophie nicht, sofern es ihm Emst um seine Wissenschaft ist* und sei es auch nur in Form der modernen, zwar leicht yfirafinHli^an aber doch recht angreifbaren Assoziationslehre.\nVerfasser hat \u00fcbrigens gethan, was in seiner Macht stand, um dem X#eser das Verst\u00e4ndnis der behandelten Materie zu erleichtern. Jedem Kapitel schickt er als Einleitung eine kurze Betrachtung diesbez\u00fcglicher S&tze der KAwrschen \u201ereinen Vernunft\u201c voraus, so dais die Vorkenntnis Kahts nicht unbedingt erforderlich ist Freilich bleibt die Lekt\u00fcre noch immer schwierig genug, und Verfasser hat recht, wenn er sagt daft man \u201esich nur mit dem Aufgebot all seiner Aufmerksamkeit Kritik in einem so dunklen Gebiete zurechtfinden kann\u201c. Aber das liegt, wie gesagt, an der Wahl des Stoffes, nicht an seiner Behandlung. Klar und einleuchtend ist das Werkchen geschrieben, und wenn es sioh wirklich best\u00e4tigen sollte, dafs Verfasser, wie er \u2014 hoffentlich irrt\u00fcmlicherweise andeutet, auf keinen allzu grofsen Leserkreis rechnen d\u00fcrfe, so mag er sich mit dem Schicksal so manches anderen Philosophen tr\u00f6sten. Unbestreitbar bleibt ibm das Verdienst, der Psychiatrie einen Weg neu erschlossen zu haben, dessen Bedeutung kein Verst\u00e4ndiger untersch\u00e4tzen wird.\tScholz (Bonn).\nEduard Hitzig. Ober den Querulantenwahnsinn, seine nosologisch* Stellung und seine forensische Bedeutung. Eine Abhandlung f\u00fcr \u00c4rzte und Juristen. Leipzig, F. C. W. Vogel. 1895. 146 S.\nVon Querulanten ist in der letzten Zeit so viel die Bede gewesen, und mehr noch haben sie sich in der Tagespresse einen so grofsen Baum erflehrieben, die Welt mit ihren Geistesprodukten derart \u00fcberschwemmt, dais es wohl gerechtfertigt war, dem Querulantentum etwas n\u00e4her auf den Leib zu r\u00fccken und einmal nachzusehen, wie grofis die Bolle sei, welche der Wahnsinn dabei spielt.\nWenn dies alsdann von einer so berufenen Seite geschieht, wie es hier der Fall ist, und wenn der richtige Meister seine Aufgabe in einer so vorz\u00fcglichen Weise l\u00f6st, wie er es in dem vorliegenden Werke gethan, dann wird man am Ende den Herren von der querulierenden Fraktion noch Dank wissen, daft sie, wenn auch unbeabsichtigt, Hitzig die Veranlassung zu seinem Buche gegeben haben.\nUnzweifelhaft ist das Bechtabewufstsein eine der tiefsten Empfindungen im Menschen und Bechtskr\u00e4nkung daher ein wichtiger Antrieb zur Reaktion. Da nun bekanntlich die Ansichten \u00fcber Recht und Unrecht mitunter sehr voneinander abweichen und bei Kl\u00e4ger und Beklagtem nicht selten grundverschieden sind, so kann es nicht fehlen,","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"LitteraturberichtL\n313\ndafs die Partei, die z. B. in einem Prozesse verliert, dies als ein Unrecht empfindet, und nicht gewillt, sich dabei zu beruhigen, daraus Veranlassung zu neuen Klagen, neuen Prozessen sch\u00f6pft.\nDie Lust am Querulieren braucht deshalb nicht von vornherein krankhaft zu sein und dies selbst dann nicht, wenn die Denkweise des Querulanten eine gesetzwidrige und sein Handeln je nach Umst\u00e4nden sogar zu einem verbrecherischen geworden ist.\nKrankheit wird sein Thun und Treiben nicht durch das Querulieren an sich, sondern durch die begleitenden Umst\u00e4nde, welche den Charakter und Geist des betreffenden Individuums in seiner Totalit\u00e4t als krankhaft erscheinen* lassen.\nDer Querulant w\u00fcrde nicht in oft so sinnloser Weise gegen seine eigene Existenz w\u00fcten, wenn ihn nicht die ihn stachelnde, der Be* rich\u00fcgung durch das Zeugnis der Sinne und der Vernunft unzug\u00e4ngliche und darum wahnsnnige \u00dcberzeugung, dafs er in seinem Hechte sei und siegen m\u00fcsse, dazu zw\u00e4nge.\nHierin, in dem Mifsverh\u00e4ltnisse, das in der Ausbildung v\u00f6llig unbegr\u00fcndeter Beeintr\u00e4chtigungsideen zu den \u00e4ufseren Vorg\u00e4ngen zu Tage tritt, liegt der Beweis, dafs es nicht die \u00e4ufseren Umst\u00e4nde, sondern die abnorme psychische Beschaffenheit des Querulanten selber ist, die seinem Verhalten zu Grunde liegt, und dafs er sich in seinem gesamten Denken und Thun wesentlich von der Geistesth\u00e4tigkeit eines Gesunden entfernt.\nDie Wahnvorstellungen der Querulanten sind auf den Typus der Verfolgungsideen mit einer Beimischung von \u00dcbersch\u00e4tzungsideen zur\u00fcckzuf\u00fchren. \u2014 Die Krankheit ist demnach der prim\u00e4ren Verr\u00fccktheit zusuz\u00e4hlen und zweckm\u00e4fsigerweise als die querulierende Form der prim\u00e4ren Verr\u00fccktheit zu bezeichnen. Sie ist als solche eine tiefgehende Erkrankung der ganzen psychischen Pers\u00f6nlichkeit, nicht etwa eine Steigerung berechtigter Interessen oder das Gebaren eines nicht geisteskranken Fanatikers, obwohl das charakteristische Symptom in einer scheinbar isoliert bestehenden Beeintr\u00e4chtigungsidee besteht. Dabei kann sich der Kranke vern\u00fcnftig unterhalten und zeitweise normaler Gesch\u00e4fts\u00e4ufserungen f\u00e4hig sein.\nMeist aber erstreckt sich die Idee der Beeintr\u00e4chtigung auch auf andere Kreise, und stets werden im Laufe der Erkrankung neue und immer mehr Personen in den Kreis der Verfolgung hineingezogen, wenn sie auch nur im Gegens\u00e4tze zu den Interessen des Querulanten zu stehen scheinen. Dieser Beziehungswahn wird kaum jemals fehlen, und da er seinen Grund in einer krankhaft bedingten Unlustempfindung hat, so ist ein Zustandekommen der daraus gezogenen Schl\u00fcsse ohne eine tiefgehende St\u00f6rung der Verstandesth\u00e4tigkeit gar nicht denkbar.\nZu diesen Beeintr\u00e4chtigungsideen tritt von vornherein ein ausgesprochener Gr\u00f6fsenwahn und ein eigent\u00fcmlicher Zustand des Ged\u00e4chtnisses, ein Mangel an Beproduktionstreue bei sonst vortrefflichem Ged\u00e4chtnis. Genauigkeit und inhaltliche Richtigkeit fehlen, und dieser Fehler der krankhaft ver\u00e4nderten Apperzeption und Gedankenbildung unterscheidet sich von der bewufsten L\u00fcge, die im \u00fcbrigen nicht ausgeschlossen ist Die Krankheit beschr\u00e4nkt sich daher nichts weniger","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nL\u00fctcratmbenchL\nals auf die Produktion einer isolierten Idee, einer Monomanie:; Geb wohnlich besteht eine Menge derartiger Wahnideen, w\u00e4hrend, zumal im Beginne der Krankheit, solche Assoziationsreihen, die mit den Wahnvorstellungen in keinem Zusammenh\u00e4nge stehen, formell wie inhaltlich normal gebildet werden k\u00f6nnen.\nDiese Bef\u00e4higung wird jedoch im Laufe der Zeit in der Erkrankung eine immer gr\u00f6lsere Einbufse erleiden, je mehr cerebrale Systeme, in.den Krank h ei tsprozefs hin ein gezogen werden und bei der gemeinsamen Gedankenarbeit nicht l\u00e4nger mehr zur Verwertung kommen. Die im Anf\u00e4nge nicht immer leichte Diagnose wird alsdann auf keine Schwierigkeiten mehr stofsen, und die angeblichen Opfer psychiatrischer Gewalt-thfttigkeit und richterlicher Ungerechtigkeit werden sich endlich sogar in den Augen der \u201eunabh\u00e4ngigen Laienu als das entpuppen, was sie wirklich sind, d. h. als geisteskrank, wenn es diesen unabh\u00e4ngigen Laien \u00fcberhaupt darum zu thun w\u00e4re, sich \u00fcberzeugen zu lassen.\nAus der bisherigen' Darstellung ergiebt sich die forensische Bedeutung des Querulantenwahnes und die gegen ihn einzuschlagenden Malsnahmen. Insofern, als die psychische Ent\u00e4ufserung der Kranken auf anatomischen Ver\u00e4nderungen des Gehirnes beruhen muls, ist. der geisteskranke Querulant als unfrei anzusehen und f\u00fcr seine Handlungen nicht verantwortlich zu machen.\nAndererseits mufs grade der Querulant als ein vorzugsweise der Gesellschaft gef\u00e4hrlicher, als ein antisozialer Geisteskranker bezeichnet werden, und die gegen ihn in Anwendung zu bringenden Maisnahmen werden nicht durch die Geistesst\u00f6rung an sich, sondern durch einen gewissen Grad derselben oder durch gewisse, mit den Verh\u00e4ltnissen der Geisteskranken verbundenen Umst\u00e4nde begr\u00fcndet.\nHitzios Buch ist vorzugsweise geeignet, auf dem noch vielfach dunklen oder doch zum wenigsten umstrittenen Gebiete des Querulantenwahnes Klarheit zu schaffen, und wenn es ihm gelingt, seine Anschauungen zur allgemeinen Geltung zu bringen, dann werden wir eine ganze Anzahl sog. Sensationsprozesse und ebenso viele M\u00e4rtyrer der heutigen Rechts- und Irrenpflege weniger und eine entsprechende Zahl von Geisteskranken mehr haben. Man w\u00fcrde irren, wenn man hiermit den Inhalt des Buches f\u00fcr ersch\u00f6pft hielte. Vielleicht liegt sogar der Hauptwert in den mannigfaltigen Er\u00f6rterungen mehr allgemeiner Natur und in den weiten Ausblicken, die uns Hitzig nach den verschiedensten Seiten hin er\u00f6ffnet.\nWird man ihnen auch nicht \u00fcberall und unbedingt beistimmen, so folgt man ihnen doch gerne bis zum Schl\u00fcsse, und wir werden ihm unsere Anerkennung f\u00fcr die Anregung nicht, versagen, die wir ihm und seinem vortrefflichen Buche verdanken.\tPblmah.\nC. Bbdusdiki und A. Perugia. Le ftmzioni di relazlone nella demensa.\nBk). di Freniatria. Vol. XXI. S. 120\u2014185. (1895.) s \u25a0\t. i\nAngeregt durch Pbtrazzanis und Vassal cs Arbeit : \u00fcber L\u00e4sionen des; R\u00fcckenmarkes bei Demenz haben die Verfasser im psychiatrischen Institute zu Reggio Untersuchungen \u00fcber den etwaigen Zusammenhang","page":314}],"identifier":"lit29956","issued":"1896","language":"de","pages":"312-314","startpages":"312","title":"Eduard Hitzig: \u00dcber den Querulantenwahnsinn, seine nosologische Stellung und seine forensische Bedeutung. Eine Abhandlung f\u00fcr \u00c4rzte und Juristen. Leipzig, F. C. W. Vogel. 1895. 146 S.","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:57:13.026368+00:00"}