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{"created":"2022-01-31T15:01:06.647118+00:00","id":"lit29961","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"M\u00fcller-Lyer, F. C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 421-431","fulltext":[{"file":"p0421.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Kontrast und Konfluxion.\n(Zweiter Artikel.)\nVon\nF. C. M\u00fcllbb-Ltbb.\n(Mit 26 Figuren im Text.)\nJn dieser Zeitschrift Bd. XI, Heft 8/4 finde ich eine Arbeit von G. Hetmans, in der sich der Verfasser, nach dem Vorg\u00e4nge A. Bdtets,1 die Aufgabe stellt, die quantitativen Verh\u00e4ltnisse der Konfluxionst\u00e4uschung daroh Messung an einer gr\u00f6lseren Anzahl von Individuen festzustellen.\u2019 Die Messungen Binets und Hmtmaus\u2019 beziehen sich auf wohl alle Fragen, die \u00fcber diese quantitativen Verh\u00e4ltnisse der T\u00e4usehung bis jetzt auf* geworfen und, zum Teil wenigstens, von verschiedenen Beob* achtern in nicht ganz gleichlautender Weise beantwortet worden waren, so dais wir jetzt ein Zahlenmaterial besitzen, das auch auf die Theorie ein helleres Licht wirft, als es bisher der JTall war. Hetmans benutzt denn auch die Resultate dieser quantitativen Untersuchungen dazu, die Entstehung der T\u00e4uschung aufzukl\u00e4ren, wobei er u. a. zu dem Schlafs kommt, da\u00df die von mir verteidigte Kontrast- und Konfiuxionstheorie nicht richtig sei. Diesem Teile der Arbeit, der zu Mi\u00dfverst\u00e4ndnissen mehrfach Veranlassung geben k\u00f6nnte, m\u00f6chte ich eine kurze Besprechung widmen.\nEs sind nicht weniger als sieben Einw\u00e4nde, die Hetmans gegen die Konfiuxionstheorie ins Treffen fahrt, deren Anzahl \u00e2eh aber bei n\u00e4herem Zusehen bedeutend vermindert, da vier der Einw\u00e4nde sich \u00fcberhaupt gar nicht auf die Konfluxions\u00ab*\n1 \u00c0. Binet, La mesure des illusions visuelles chez les enfants. Rev. philos. 1805. Juli-Heft. S. 11.\ns G. f! bymans , Quantitative Untersuchungen \u00fcber das \u201eoptische Paradoxon\u201c. Biese ZeUschr. IX. 8. 881. 1895.","page":421},{"file":"p0422.txt","language":"de","ocr_de":"422\nF. C. M\u00fcUer-Lyer.\nth\u00e9orie beziehen, sondern anf eine Modifikation derselben, die mir vollst\u00e4ndig fremd ist, und die ich ebenfalls f\u00fcr leicht zu widerlegen halte.\nMeine Erkl\u00e4rung lautete n\u00e4mlich (Du Bois-Reymonds Arch, f. Physioh 1889. Suppl. S. 266 und diese Ze\u00fcschr. IX. S. 2) : \u201eMan h\u00e4lt die beiden Linien f\u00fcr verschieden grofs, weil man bei der Absch\u00e4tzung nicht nur die beiden Linien, sondern unwillk\u00fcrlich auch einen Teil des zu beiden Seiten derselben abgegrenzten Baumes mit in Anschlag bringt.\u201c\nWas wird nun bei Hetmans aus diesen Worten? (L. c. S. 236):\n\u201eWas zuerst die. \u00e4lteste, von M\u00fclleb-Lteb vorgetragene Hypothese betrifft, nach welcher die \u201eKonfluxion\u201c der Vergleichslinien mit hinzugedachten gr\u00f6fser en und kleineren Nebenlinien der T\u00e4uschung zu Grunde liegen solltet ...\nAlso an die Stelle des wirklich existierenden optischen Reizes, von dem ich spreche, treten nun bei Hetmans pl\u00f6tzlich \u201ehineingedachte Nebenlinien\u201c.\nEs war gerade ein Vorzug meiner Hypothese, dafs sie nicht aus Hineingedachtem heraus erkl\u00e4rte, sondern, wie ich zum \u00dcberflufs mehrfach ausdr\u00fccklich betone (z. B. diese 2Ieit$chr. IX, S. 3, S. 8), sich nur auf die wirklichen optischen Beize bezog, wie sie in der Figur unleugbar vorhanden sind. Auch findet sich an keiner einzigen Stelle meiner beiden Arbeiten auch nur ein Wort von \u201ehineingedachten Nebenlinien\u201c. Das mufs wohl auch Hetmans aufgefallen sein. Denn er zitiert zum Beleg seiner Auffassung nicht etwa eine bestimmte Stelle aus meinen Arbeiten, sondern diese in ihrem vollen Umfang, von der ersten bis zur letzten Seite (1. c. die Fufsnote S. 236).\nUnter Zugrundelegung dieser Verwechselung l\u00e4fst sich nun allerdings manches gegen die Theorie Vorbringen, wie sich bald zeigen wird, wenn wir nun die verschiedenen Einw\u00e4nde Hetmans7 einen nach dem anderen ins Auge fassen.\nDer erste Einwand hat allerdings mit den \u201ehineingedachten Nebenlinien\u201c nichts zu thun; er lautet (S. 247. L c.): Die Konfluxionstheorie kann zwar das \u201eCosinusgesetz\u201c erkl\u00e4ren, aber nicht das \u201eMaximumgesetz\u201c.\nAuf diese beiden, von Hetmans aufgestellten Gesetze mufs ich hier zun\u00e4chst etwas n\u00e4her eingehen.","page":422},{"file":"p0423.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Kontrast und Kon fluxion.\n423\n\u00dcber die Abh\u00e4ngigkeit der Intensit\u00e4t der T\u00e4uschung von der Winkelgr\u00f6fse h\u00e4tte ich in meiner ersten Abhandlung (1. c* S. 263) den Satz aufgestellt: \u201eL\u00e4fst man den einen Schenkel: eines Winkels von 0\u00b0 bis 180\u00b0 wandern, so erscheinen die beiden Schenkel um so l\u00e4nger, je gr\u00f6fser der Winkel wird.\u201c Die Richtigkeit dieses Satzes ist unterdessen mehrfach (von Laska, Brentano, Auerbach) angefochten. worden; Hetmans best\u00e4tigt und pr\u00e4zisiert ihn nun, indem er auf Grundlage seiner quantitativen Untersuchungen findet (1. o. S. 227), \u201edafs die T\u00e4uschung von 90\u00b0 bis 10\u00b0 fortw\u00e4hrend zunimmt\u201c, und zwar so, \u201edafs eine nahezu vollst\u00e4ndige Proportionalit\u00e4t zwischen dem Cosinus des Schenkelwinkels und dem mittleren Betrag der T\u00e4uschung besteht\u201c. Allerdings umfafst das \u201eCosinusgesetz\u201c nicht alle F\u00e4lle der T\u00e4uschung, es gilt nur\n\u00e2\t*\t\u2666\nfur kurze Winkelschenkel, w\u00e4hrend sich bei l\u00e4ngeren Schenkeln eine davon abweichende Funktion ergiebt. Bedenkt man aufserdem, mit welcher Vorsicht derartige mathematische Formulierungen physiologischer Funktionen aufzunehmen sind \u2014 ich erinnere nur an die zahlreichen sich widersprechenden Funktionsgleichungen, die \u00fcber die Abh\u00e4ngigkeit der relativen Unterschiedsempfindlichkeit von der absoluten Reizst\u00e4rke aufgestellt worden sind \u2014, so erscheint es fraglich, ob meine Formulierung durch das \u201eCosinusgesetz\u201c wird ersetzt werden k\u00f6nnen; jedenfalls ergeben, aber die Messungen Hetmans\u2019 eine wohl definitive Best\u00e4tigung, jenes Satzes.\nDas zweite von Hetmans aufgestellte Gesetz, das \u201eMaximum-gesetz\u201c, formuliert die Abh\u00e4ngigkeit der Intensit\u00e4t der T\u00e4uschung von der Schenkell\u00e4nge (1. c. S. 231): \u201eBei fortgesetzter Schenkelverl\u00e4ngerung nimmt allgemein die T\u00e4uschung anfangs zu, erreicht dann ein Maximum und nimmt schliefslich wieder ab.\u201c W\u00e4hrend nun, nach Hetmans, das Cosinusges\u00e8tz in guter \u00dcbereinstimmung mit der Konfluxionstheorie steht, so soll das Maximumgesetz damit durchaus unvereinbar sein. Hetmans giebt an, dafs ich \u201eausdr\u00fccklich die Erwartung ausgesprochen h\u00e4tte, dafs die T\u00e4uschung mit wachsender Schenkell\u00e4nge fortw\u00e4hrend zun\u00e4hme\u201c, und zitiert als Beleg daf\u00fcr eine Stelle aus meiner ersten Arbeit; aber er \u00fcbergeht vollst\u00e4ndig das ganze seohste Kapitel meiner zweiten Arbeit, das von der Komplexit\u00e4t der Trugmotive im allgemeinen und von dem Antagonismus zwischen Kontrast und Konfluxion im besonderen handelt*","page":423},{"file":"p0424.txt","language":"de","ocr_de":"424\nF. G M\u00fclbr-Lytr.\nIck zeigte dort nicht nur, dafs eine Vermehrung der Schenkell\u00e4nge, bei gleicher Winkelgr\u00f6fse, die Mittellinie in Kg. 2 k\u00fcrzer erscheinen l\u00e4jfat, als in Fig. 1, sondern ich versuchte\n\u00ab ---------\u2014<[ \u00ab\nauch diese Th at sache zu erkl\u00e4ren durch den Nachweis, dafs sich in den mit a bezeichneten Stellen ein gegen die Konfluxion antagonistisch wirkender Kontrast erhebt, da ja die beiden Figg. 1 u. 2 sich sehr leicht auf meine sog. Fundamentalkontrastfigur:\n\u2022-1--m\tI--------1---1--------1\nFigg. 3 u. 4.\nzur\u00fcckf\u00fchren lassen u. s. w. (1. c. S. 13\u201415). H\u00e4tte Hktmans auch nur den Titel jener Abhandlung mit einiger Aufmerksamkeit gelesen, so h\u00e4tte er bemerken m\u00fcssen, dale darin keineswegs von Konfluxion allein, sondern von \u201eKontrast und Kon-fluxion\u201c die Hede ist, und h\u00e4tte diese Einwendung \u00fcberhaupt nicht erheben k\u00f6nnen.\nZweiter Einwand. (S. 237. Figg. 6 u. 6.) Hier stolzen wir nun auf die \u201ehineingedachten Nebenlinien44, die nicht weniger als vier Ein w\u00e4nden zum St\u00fctzpunkt dienen (n\u00e4mlich No. 2, 4, 5 u. 6).\nFigg. 1 i*. 2.\nFigg. 5 \u00ab. 6.\nIn Fig. 5 ist der Baum \u00fcber der Linie links durch zwei Schenkel begrenzt, in Fig. 6 nach oben durch amen und nach unten durch einen Schenkel. Da nun in Fig. 5 der Baum nach oben ebensoviel einb\u00fclst, wie in Fig. 6 teik nach oben,","page":424},{"file":"p0425.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Kmtrmt tmd Konjhixion.\n425\nteils nach unten, so ist naoh der Konfluxionstheorie za erwarten, dafs in Pig. 5 dia T\u00e4uschung ungef\u00e4hr ebenso stark sein wird, wie in Fig. 6.\nDae ist nun auch naoh den Messungen Hetmans\u2019 that-s\u00e4chlich der Fall. Aber Hetmans\u2019 Schlafs ist folgender : \u201e ... w\u00e4hrend die Verh\u00e4ltnisse, welche naoh M\u00fclleb-Lyie das Hinzadenken ungleicher Nebenlinien... das Auftreten der T\u00e4usohung bedingen, in Fig. 5 vollst\u00e4ndig gegeben sind, fehlen sie in Fig. 6 durchaus.\" Um \u201emeine\" Theorie zu retten, mfifste ich mir also die schwarzen Parallellinien in Fig. 6 schief denken ; das m\u00fcJbte nun aber wieder einen entschiedenen Unterschied bez\u00fcglich der Intensit\u00e4t der T\u00e4uschung in Figg. 6 u. 6 bewirken, und da dies nicht der Fall ist, so ist die Eon* fluxionstheorie unriohtig. Denselben Schlafs maoht nun Hetmans noch dreimal.\nVierter Einwand. (L. o. S. 238.)\n<------>-------<\nFig 7.\nIn Fig. 7 ist der Raum nach oben und unten derart durch parallele Senkrechte erweitert, dafs nun eine viel gr\u00f6fsere Anzahl von parallelen \u201eNebenlinien hineingedacht\u201c werden k\u00f6nnen. Folglich m\u00fcfsten diese Senkrechten die T\u00e4uschung vermehren, was aber nicht der Fall ist. Also \u2014\nF\u00fcnfter Ein wand (S. 239. Figg. 8\u201410).\nFigg. 8 u. 9.\nIn Figg. 8 u. 9 sind die Nebenlinien in Wirklichkeit sogen, trotzdem ist die T\u00e4uschung viel geringer, als y* Winkelschenkel angebracht sind.","page":425},{"file":"p0426.txt","language":"de","ocr_de":"426\nF. C. M\u00fcller ~Lyer.\nSollten vielleicht diese \u2018wirklichen Nebenlinien. m dem Mifsverst\u00e4ndnis von den \u201ehineingedachten Nebenlinien\u201c Veranlassung gegeben haben? Ich wollte doch.damit zeigen (Arch. f. Physiol. 1. c. S. 266), dafs \u201eauch andere Baum-Umgrenzungen um die Linie, ohne Winkelbildung, \u00e4hnliche T\u00e4uschungen herbeizuf\u00fchren verm\u00f6genu ; die parallelen Linien sollten also die Winkeisohenkel ersetzen.\nDais bei dieser Art der Baumumgrenzung die T\u00e4uschung schw\u00e4cher ist, als bei der durch Winkelschenkel bewirkten, l\u00e4fst sich ebenso wie, dafs die Senkrechten in Fig. 7 keine nennenswerte Ver\u00e4nderung hervorrufen, mit der Konfluxions-theorie sehr wohl vereinen, da (diese Zeitschr. IX. S. 15) \u201eenge N\u00e4he der Extensionen (die die T\u00e4uschung konstituieren) f\u00fcr beide Trugmotive (n\u00e4mlich f\u00fcr den Kontrast und die Kon-fluxion) Voraussetzung ist\u201c. \u2014\nSechster Einwand. (S. 240 1. c.)\n*\n\u2666\nFigg. 10 u. 11.\n\u2022\nHier sind die Sohenkel weggelassen und ersetzt durch vier den \u201en\u00e4mlichen Baum\u201c \u00fcberspannende Nebenlinien; diese Nebenlinien \u00fcben keinen wesentlichen Einflufs aus.\nAuch dieser Befund stimmt gut mit der Theorie \u00fcberein. Gerade weil der \u201eBaum\u201c, auf den es hier ankommt, der \u201en\u00e4mliche\u201c bleibt, wie Heymaxs selbst sagt, bleibt es auch die Konfluxion.\nNun folgen noch zwei Einw\u00e4nde, die sich thats\u00e4chlich gegen die Konfluxionstheorie und nicht gegen die Theorie von den \u201ehineingedachten Nebenlinien\u201c richten (No. 3 u. 7). Dritter Ein wand. (S. 237/8.)\nWenn die Konfluxionstheorie richtig w\u00e4re, m\u00fcfste die T\u00e4uschung bei der Vergleichung von Figg. 12 u. 13 ungef\u00e4hr","page":426},{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Kontrast und Konfluxion.\n427\nebenso grofs sein, wie bei der. Vergleichung von Figg. 14 u. 15. Nun zeigt aber die Messung, dafs thats\u00e4chlich die scheinbare Verschiedenheit zwischen den beiden Vergleichslinien in Figg. 12 n. 13 eine geringere ist, als in Figg: 14 n. 15; d. h. die einw\u00e4rtsgekehrten Schenkel in Fig. 12 sind f\u00fcr das Zustandekommen der T\u00e4uschung weniger wichtig, als die nach ausw\u00e4rts gekehrten Schenkel in Fig. 15.\nFigg, 12\u201415.\nA. Bdtet, der \u00fcbrigens diese Thatsache zuerst entdeckt und beschrieben hat (1. c. S. 19), erkl\u00e4rt sie mittelst der Muskeltheorie folgendermafsen : (\u201eS. 20) . . si on fait intervenir les mouvements des yeux, on comprend bien que l\u2019oeil, en suivant la ligne principale de la Fig. 15, d\u00e9passe facilement les extr\u00e9mit\u00e9s de cette ligne pour suivre les obliques, ce qui donne l\u2019impression d\u2019une longueur de ligne plus grande que la r\u00e9alit\u00e9; on comprend aussi que ce mouvement exag\u00e9r\u00e9 de l\u2019oeil se produise beaucoup moins facilement en sens inverse, pour la Fig. 12, parceque dans ce dernier cas le mouvement de l\u2019oeU, pour suivre les obliques, ne continue pas avec l\u2019impulsion acquise, mais doit changer brusquement de direction.44\nDiese Erkl\u00e4rung, so plausibel sie auf den ersten Blick ist, scheint mir doch mehr auf eine Umschreibung hinauszulaufen; man k\u00f6nnte in gleicher Weise, fast noch besser, das Gegenteil erkl\u00e4ren. Man w\u00fcrde dann sagen, dafs die Muskelbewegung in Fig. 12 beim Abmessen der Vergleichslinie weit mehr. durch die seitlichen Schenkel gest\u00f6rt werden m\u00fcsse, als in Fig. 15, weil in Fig. 12 diese Schenkel, : in das Gesichtsfeld, auf dem die \u201eAbtastung44 vor sich geht, hineinragen, w\u00e4hrend sie in Fig. 15 jenseits dieses Gesichtsfeldes liegen und deshalb, \u201ewie vorauszusehen war44, weniger st\u00f6rend wirken.\nIch m\u00f6chte lieber die Erscheinung vorl\u00e4ufig unerkl\u00e4rt lassen. Nach meinen Darlegungen \u00fcber die \u201eKomplexit\u00e4t der Trugmotive44 halte ich es, bei der grofsen Verschiedenheit zwischen Figg. 12 u. 15, nicht f\u00fcr unwahrscheinlich, d\u00e4fs hier","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nF. C. M\u00fcUer-Lyer.\nein aoceseorischee Moment ins Spiel tritt, so wie wir dies z. B. bei den folgenden Figg. 16 u. 17, die Hetmahs in genau der\u00ab selben Weise als Ein wand geltend macht, mit vollkommener Klarheit nachweisen k\u00f6nnen, und zwar, weil hier das acoeseo-risehe Moment bereits kekannt ist.\nSiebenter Einwand. (S. 241.)1\nc\td\nFigg. 16 u. 17.\nBei der Vergleichung von a und b ergiebt sioh ein kleinerer scheinbarer Unterschied zwischen den Vergleichsstrecken, als zwischen c und d. Nach der Konfluxionstheorie d\u00fcrfte, wie Heymans meint, dieser Unterschied nicht vorhanden sein.\nHier sind wir nun, wie schon bemerkt, in der Lage, \u201edas accessorische Moment\u201c schon zu kennen ; es tritt hier zur ersten eine zweite T\u00e4uschung hinzu, die ich ebenfalls schon beschrieben (im zweiten Kapitel meiner ersten Abhandlung, S. 267\u2014269) und die ich dort in dem Satze formuliert habe:\n\u201eDafs, wenn die Grenzlinien von Figuren unterbrochen werden, sich dann auch die scheinbare Form der tlbrig-bleibenden Grenzen \u00e4ndert.\u201c\nVergleicht man n\u00e4mlich in der obigen Figur nicht nur a mit b und c mit d, sondern auch a mit c und b mit d, so sieht man auf den ersten Blick, dafs hier noch eine andere T\u00e4uschung mit im Spiel ist: a erscheint l\u00e4nger als c und d l\u00e4nger als b.\nWodurch unterscheidet sich nun a von c? Durch zwei Momente: erstens ist a schwarz und c weife; zweitens hat a alle seine Konturen, w\u00e4hrend bei c die Konturen oben und unten fehlen.\nWelches der beiden Momente verursacht die T\u00e4uchung ? Nun, die Schwarzf\u00e4rbung h\u00e4tte ganz wegbleiben k\u00f6nnen, die\n1 Die wagereehton Linien habe ich als \u00fcberfl\u00fcssig weggelassen.","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Kon trait und Komfluxion,\n429\nT\u00e4usohung ruht ausschliefslich auf dem zweiten Moment, der Konturierung :\nFigg. 18 u. 19.\nDa diese T\u00e4uschungen, die man kurz als Konturt\u00e4uschungen bezeichnen k\u00f6nnte, vielleicht noch wenig bekannt geworden sind, gestatte ioh mir, aus meiner ersten Abhandlung einige der Hauptrepr\u00e4sentanten zu reproduzieren (1. c. Taf. IX. Figg. 8, 9, 10, 11).\nFig. 20.\tFigg. 21 u. 22.\nIn Fig. 20 soheint das Quadrat rechts h\u00f6her und sohm\u00e4ler zu sein als das gleioh grofse Quadrat links; die T\u00e4uschung bleibt auch dann bestehen, wenn man die beiden Quadrate auseinandemimmt. (Figg. 21 u. 22.)\nIn Fig. 23 h\u00e4lt man das Mittelfeld ebenfalls f\u00fcr bedeutend schm\u00e4ler und h\u00f6her, als das gleioh groise, aber ringsum konturierte Mittelfeld in Fig. 24.\nUnterbricht man die Konturen eines Kreises an ~ einer oder mehreren Stellen (Figg. 25 u. 26), so bewirkt man dadurch","page":429},{"file":"p0430.txt","language":"de","ocr_de":"430\nF. C. M\u00fcller-Ly er.\neine scheinbare Abflachung der \u00fcbrigbleibenden Bogenteile; infolgedessen hat man den Eindruck, als ob diese B\u00f6gen nicht demselben, sondern gr\u00f6fseren Kreisen zugeh\u00f6rten, und von ihren\nT\nFigg. 23 u. 24.\nVerl\u00e4ngerungen erwartet man nicht, dafs sie kreisf\u00f6rmig ineinander \u00fcbergehen, sondern dafs sie sich unter stumpfen\nWinkeln schneiden werden u. s. w.\n* \u2022\n;\nFigg. 25 u. 26.\nAus allen diesen T\u00e4uschungen l\u00e4fst sich also thats\u00e4chlich der Satz abstrahieren: \u201edafs, wenn die Grenzlinien einer Figur unterbrochen werden, sich dann auch die scheinbare Form der \u00fcbrigbleibenden Grenzen \u00e4ndert; und zwar (m\u00f6chte ich hier hinzuf\u00fcgen) findet in der Sichtung der Unterbrechung eine scheinbare Verl\u00e4ngerung und in der darauf senkrechten Sichtung eine scheinbare Verk\u00fcrzung statt.\u201c\nBez\u00fcglich der Erkl\u00e4rung dieser T\u00e4uschung mufs ich hier auf die zitierte Abhandlung verweisen, die ich besonders denen,","page":430},{"file":"p0431.txt","language":"de","ocr_de":"fiber Kontrast und Kon fluxion.\n431\ndie \u201eoptische Paradoxa\u201c zu finden, zu erkl\u00e4ren oder \u201eein zuf\u00fchren\u201c w\u00fcnschen, als Fundort bestens empfehlen kann.\nKehren wir nun wieder zu Fig. 16 zur\u00fcck, so ergiebt das Gesagte, dafs das Feld a l\u00e4nger erscheint als c, weil in jener Figur, aufser dem Kontrast und der Konfluxion, ein drittes T\u00e4uschungsprinzip auftritt ; dafs somit der sich auf jene Figur st\u00fctzende Einwand ebensowenig stichhaltig ist, wie die s\u00e4mtlichen vorhergehenden Ein w\u00e4nde, die Hetmans gegen die Konfl\u00fcxionstheorie geltend gemacht hat.\nHetmans allerdings glaubt, durch seine Darlegungen die Unrichtigkeit dieser Theorie \u201ein gen\u00fcgender Weise festgestellt zu haben\u201c, und ist nun in der Lage, die unrichtige Erkl\u00e4rung durch eine bessere z\u00fc ersetzen. Auf diese Erkl\u00e4rung, eine modifizierte Augenmuskeltheorie, will ich hier nicht eingehen, da soeben eine gr\u00f6fsere Arbeit \u00fcber T\u00e4uschungen1 aus dem W\u00fcNDTschen Laboratorium erscheint, die wohl ebenfalls die Muskeltheorie, wenn auch in anderer Form, vertreten d\u00fcrfte, und deren Resultate ich abwarten m\u00f6chte. Aufserdem hat Hetmans die von mir gegen die Muskeltheorie erhobenen Ein-w\u00e4nde nicht zu widerlegen versucht.\nNoch eine Schlufsbemerkung. Hr. Hetmans behauptet, dafs die von mir gefundenen T\u00e4uschungen durch Hm. Bben-tano \u201ein die psychologische Besprechung eingef\u00fchrt\u201c worden\nseien ; aufserdem schreibt Hr. Hetmans, beinahe auf jedem\n\u00ab \u00bb\nBlatt seiner Abhandlung, diese T\u00e4uschungen Hm. Brentano zu.\nBeide Behauptungen sind unrichtig. Den von mir im Jahrgang 1889 des Du Bois-Keymondschen Arch. f. Physiol. beschriebenen und in allen wesentlichen thats\u00e4chlichen Beziehungen genau studierten Erscheinungen hat Hr. Brentano nichts weiter hinzugef\u00fcgt (diese Zeitschr. 1892), als eine Hypothese, die von s\u00e4mtlichen nachfolgenden Bearbeitern, Hx. Hetmans mit eingeschlossen, f\u00fcr unzutreffend erkl\u00e4rt worden ist.\n1 Von Armand Thikby. Philos. Stud. (W. Wundt.) Bd. XL Heft 3. \u25a0","page":431}],"identifier":"lit29961","issued":"1896","language":"de","pages":"421-431","startpages":"421","title":"\u00dcber Kontrast und Konfluxion. (Zweiter Artikel)","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:01:06.647123+00:00"}