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{"created":"2022-01-31T15:00:49.856799+00:00","id":"lit29963","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meumann, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 443-445","fulltext":[{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\nAlfred Binet. Introduction \u00e0 la psychologie exp\u00e9rimentale. Avec la collaboration de Mm. Philippe, Courtier et Victor Henri. Paris, Alcan. 1894. 155 S.\nDie vorliegende \u201eEinf\u00fchrung in die experimentelle Psychologie\u201c ist hervorgegangen aus der gemeinschaftlichen Arbeit des Personals des Pariser Laboratoriums der Psychologie, unter \u201eApprobation\u201c des Direktors M. H. Bea\u00fcnis. Das Buch giebt in neun Kapiteln einen Bericht \u00fcber die gegenw\u00e4rtigen Laboratorien der Psychologie, \u00fcber die psychologischen Methoden und die Hauptgegenst\u00e4nde der psychologischen Forschung.\nIn dem ersten Kapitel: \u201eLes laboratoires de psychologie\u201c lernen wir zuerst das Laboratorium zu Paris kennen. Das Personal, die Apparate, Ger\u00e4tschaften. Sammlungen, die bisherigen Arbeiten werden mit etwas kleinlicher Vollst\u00e4ndigkeit vorgef\u00fchrt. Sodann folgt der fr\u00fcher schon an anderer Stelle ver\u00f6ffentlichte Bericht von Herrn V. Henri \u00fcber die \u201eausl\u00e4ndischen Laboratorien\u201c, der sich haupts\u00e4chlich mit den deutschen Instituten besch\u00e4ftigt und mancherlei sachliche Unrichtigkeiten enth\u00e4lt. Es tritt in diesem Bericht, ebenso wie in einigen der folgenden Kapitel, die unverkennbare Tendenz hervor, die Leistungen des Auslandes etwas herabzusetsen. Die sehr verschiedene Anzahl von Mitarbeitern in den deutschen Laboratorien wird ausschliefslich durch die verschiedene M\u00f6glichkeit, an den einzelnen Universit\u00e4ten mit experimentell-psychologischen Arbeiten den Doktorgrad zu machen, erkl\u00e4rt. Der nichtdeutsche Leser mufs danach eine sehr niedrige Vorstellung von dem ideal-wissenschaftlichen Interesse der j\u00fcngeren deutschen Psychologenwelt gewinnen. Das G\u00f6ttinger Laboratorium erh\u00e4lt die liebensw\u00fcrdige Charakteristik, dafs seine Apparate zwar sehr neu und sch\u00f6n seien, aber meist unbenutzt in den Schr\u00e4nken st\u00e4nden; das Bonner Laboratorium wird in ganz unzutreffender Weise als ein bloiser Ableger des Leipziger Instituts charakterisiert.\nDas zweite Kapitel: \u201eLes m\u00e9thodes psychologiques\u201c giebt einen \u00fcberm\u00e4fsig abgek\u00fcrzten Bericht \u00fcber die psychologischen Methoden. Selbst f\u00fcr eine \u201eEinf\u00fchrung\u201c sind diese Darstellungen zu d\u00fcrftig. Ganz gut aber nicht neu ist die allgemeine Einteilung in experimentelle Methoden und Beobachtungsmethoden.\nDm dritte Kapitel: \u201eLes sensations, les perceptions, l'attention\u201c enth\u00e4lt in der Hauptsache das, was wir nennen w\u00fcrden die Psycho-","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nLitteraturbericht.\nphyeik. An dem Beispiel der Untersuchungen \u00fcber den Hautsinn werden die psychophysischen Grundbegriffe, Verfahrungsweisen etc. klar gemacht. * Auch das ist alles etwas d\u00fcrftig, und man st\u00f6fst auf zahlreiche Unrichtigkeiten. Der Begriff der Schwelle (S. 36) ist geradezu falsch dargestellt. Im allgemeinen herrscht gerade in diesen Ausf\u00fchrungen die Tendenz, die \u201epsychologues \u00e9trangers\u201c, die \u201eexp\u00e9rimentateurs \u00e9trangers\u201c etwas herabzudr\u00fccken. Vor allem sollen die \u201efremden\u201c Psychologen die \u201eSelbstbeobachtung\u201c ganz und gar vernachl\u00e4ssigt haben (S. 28 ff.). Belegt wird das durch eine phantasie volle Schilderung der \u00fcblichen Zeitsinn versuche. Dieser Bericht ist geradezu den Thatsachen zuwiderlaufend. Der Mitverfasser V. Henri h\u00e4tte Gelegenheit gehabt, zu sehen, dafs Referent z. B. nicht drei, sondern bisweilen sieben und mehr Urteilsstufen verwendet, und dafs die Selbstbeobachtung in sehr systematischer Weise herangezogen wurde; auch die Arbeit Schumanns \u00fcber die Sch\u00e4tzung kleiner Zeitgr\u00f6fsen verwendet die Selbstaussagen der Beobachter in ausgiebiger Weise. Auf wen pafst also diese Schilderung der Zeitsinn versuche \u201efremder\u201c Psychologen? Es sei mir aber hier gestattet, einige prinzipielle Bemerkungen \u00fcber die Verwendung der Selbstbeobachtung im psychologischen Experiment zu machen, die vielleicht gegen\u00fcber der schrankenlosen Wertsch\u00e4tzung derselben, wie sie Binet und Henri hier ausf\u00fchren, am Platze sind. Sicherlich mufs die systematische Verwendung der Selbstbeobachtung (richtiger der inneren Wahrnehmung) best\u00e4ndig neben dem Experiment einhergehen, ja die Selbstaussage der Versuchsperson kann uns manchmal erst die Ergebnisse des Versuchs in einer Weise zu deuten helfen, wie es aus den objektiven experimentellen Daten nie gelingen w\u00fcrde. Aber das best\u00e4ndige Ausfragen der Beobachter bringt auch grofse Unzutr\u00e4glichkeiten mit. Man z\u00fcchtet nicht selten k\u00fcnstlich falsche Urteilsgewohnheiten grofs, die fehlerhafte Verwendung mittelbarer Kriterien, das Vorherrschen gewisser st\u00f6render Assoziationen und Vorurteile setzt sich durch das best\u00e4ndige Ausfragen in dem Beobachter fest, w\u00e4hrend eine sich selbst \u00fcberlassene Versuchsperson in den meisten F\u00e4llen sehr bald die einfachste und objektivste Art der Beobachtung herauszufinden pflegt. Die Verfasser k\u00f6nnen versichert sein, dafs zahlreiche \u201epsychologues \u00e9trangers\u201c die Vorsichts-mafsregeln, die bei der Verwendung der Selbstbeobachtung n\u00f6tig sind, seit Jahren kennen.\nDen Inhalt der \u00fcbrigen Kapitel k\u00f6nnen wir hier nur kurz \u00fcberblicken, da sie durchweg dem Leser nichts Neues bieten werden. Als das beste und originellste Kapitel erscheint uns das vierte mit der \u00dcberschrift \u201eMouvements\u201c. Der Ausdruck \u201epsychologie des mouvements\u201c, den die Verfasser im Eingang desselben gebrauchen, erscheint uns etwas schief ; man spricht doch auch nicht von einer Psychologie der Reize. Im ganzen aber zeigt sich in diesen Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Bedeutung der Bewegungen und Bewegungsempfindungen und \u00fcber die Methoden zu ihrer Untersuchung die starke Seite der franz\u00f6sischen experimen teilen Psychologie, Die Arbeiten von Marey und Demeny, um nur diese zu erw\u00e4hnen, haben hierin eine vortreffliche Vorarbeit geleistet, und es ist keine Frage, dafs in dieser Hinsicht, namentlich was die Technik","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n445\nund Methoden zum Studium der Bewegungen betrifft, die franz\u00f6sische Psychologie einen gewissen Vorsprung hat.\nSehr ungleich ist der Wert der ausf\u00fchrlichen Darlegungen des f\u00fcnften Kapitels \u00fcber das Ged\u00e4chtnis. Die Verfasser beschweren sich \u00fcber eine Vernachl\u00e4ssigung der Ged\u00e4chtnisph\u00e4nomene, und als Beleg wird angef\u00fchrt, dafs z. B. in Wundts Psychologie (4. Aufl.) von 1360 Seiten nur 11 dem \u201eGed\u00e4chtnis*4 gewidmet wurden. Es ist allerdings dem Beferenten nicht fraglich, dafs die vorhandenen experimentellen Arbeiten \u00fcber das Ged\u00e4chtnis in den Lehrb\u00fcchern der Psychologie bisher noch nicht die n\u00f6tige theoretische Ausbeutung gefunden haben, aber die Klage der Verfasser ist in der von ihnen erhobenen Form unberechtigt. Sie \u00fcbersehen dabei g\u00e4nzlich, dafs sie selbst sehr vieles unter den Klassen-begriff \u201eGed\u00e4chtnis\u201c bringen, was andere Psychologen unter anderen Rubriken, wie Assoziationsgesetze und -Bedingungen, Reproduktionsph\u00e4nomene, Bewufstseinsumfang u. s. w., zu er\u00f6rtern pflegen, und dafs der Klassenbegriff \u201eGed\u00e4chtnis\u201c wegen seiner zu grofsen Allgemeinheit und Unbestimmtheit \u00fcberhaupt durch speziellere Termini ersetzt zu werden beginnt. Erw\u00e4hnen wollen wir noch aus diesem Kapitel die Aufz\u00e4hlung der Ged\u00e4chtnismethoden (S. 76 ff.), die sehr beachtenswert ist. Aus dem Folgenden d\u00fcrfte ferner die Behandlung der Methoden der Beobachtung als vielfach originell zu erw\u00e4hnen sein.\nDie Schluf8bemerkungen (IX. Conclusion) \u00e4ufsern einige W\u00fcnsche nach Erweiterung der bisherigen psychologischen Praxis, die sich mancher Psychologe zu Herzen nehmen k\u00f6nnte.\nDas Werk enth\u00e4lt f\u00fcr eine \u201eEinf\u00fchrung\u201c eine zu grofse Zahl, zum Teil selbst sinnst\u00f6render Druckfehler.\tE. Meumann (Leipzig).\nJulien Pioger. La vie et la pens\u00e9e. Essai de conception exp\u00e9rimentale.\nBiblioth\u00e8que de philosophie contemporaine. Paris. F\u00e9lix Alcan. 1893. 263 S.\nUnter diesem verheifsungsvollen Titel bietet der schon durch sein Le Monde physique bekannte Verfasser eine wissenschaftliche Pr\u00fcfung und L\u00e4uterung der wichtigsten Prinzipien der Physiologie und Psychologie und suoht auf Grund derselben als einer die Summe unserer Erfahrung abschliefsenden Synthese eine L\u00f6sung der bis jetzt falsch, oder besser verfr\u00fcht, aufgestellten Frage nach dem Wesen des Bewusstseins zu geben.\nIn geistreichen und anregenden Betrachtungen f\u00fchrt er das Ph\u00e4nomen des Lebens durch eine Reihe kaum merklicher \u00dcberg\u00e4nge zur\u00fcck auf die Ern\u00e4hrung, welche selbst nur als die Resultante physikalischchemischer Vorg\u00e4nge zu betrachten ist. Diese aber haben ihr Analogon in der von Graham entdeckten Dialyse (Diffusion), der gegenseitigen Durch' dringung von Gas und Fl\u00fcssigkeit, ohne dafs sie chemisch aufeinander-wirken.\nIndem sich ihm so das Leben in letzter Linie lediglich als das Ergebnis von Wirkung und Gegenwirkung physikalisch - chemischer Molekularkr\u00e4fte darstellt, gewinnt Verfasser die Br\u00fccke vom Anorganischen zu dem nur scheinbar wesentlich verschiedenen Reiche des Organischen und findet Leben im ganzen Universum, ohne darum Hylozoist","page":445}],"identifier":"lit29963","issued":"1896","language":"de","pages":"443-445","startpages":"443","title":"Alfred Binet: Introduction \u00e0 la psychologie exp\u00e9rimentale. Avec la collaboration de Mm. Philippe, Courtier et Victor Henri. Paris, Alcan. 1894. 155 S.","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:00:49.856805+00:00"}