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{"created":"2022-01-31T14:52:49.489901+00:00","id":"lit29970","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meumann, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 462-465","fulltext":[{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nLittaraturbericht.\nEin erster Anhang behandelt noch den chemischen Sinn der niederen Tiere, ein zweiter die klinisch-neurologische Geruchsmessung, w\u00e4hrend ein letzter das schon erw\u00e4hnte Literaturverzeichnis umfafst. Aus der im ersten Anhang entworfenen \u00dcbersicht \u00fcber die von den einzelnen Forschern aufgestellten Ansichten sei noch hervorgehoben, dafs der Verfasser das von W. Nagel k\u00fcrzlich so energisch verteidigte \u201echemische Sinnesorgan\u201c nur f\u00fcr wirbellose Tiere gelten lassen will, dafs man diesen Begriff nach demselben jedoch aufgeben m\u00fcfste, \u25a0 sobald man die Reihe der Wirbeltiere betritt, und dafs es nach unserer Kenntnis des anatomischen Baues der Fisch aase eine willk\u00fcrliche Behauptung sei, anzunehmen, \u201edafs die Nasentaschen der Fische nicht riechen, sondern schmecken\u201c.\tFriedr. Kiesow.\nWilh. Fileheb. Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes. Pfl\u00fcgers Arch. f. d. gm. Physiol Bd. 59. S. 279-308. 1894.\nEs ist bekannt, dafs Sonne und Mond am Horizont gr\u00f6fser erscheinen, als wenn sie hoch am Himmel stehen,* nicht minder bekannt ist, dafs das \u201eHimmelsgew\u00f6lbe\u201c uns gew\u00f6hnlich als ein abgeflachtes in Uhrglasform erscheint. Diese beiden vielumstrittenen* optischen Ph\u00e4nomene sucht der Verfasser durch eine Anzahl neuer Beobachtungen zu erl\u00e4utern und die s\u00e4mtlichen hierher geh\u00f6renden Thatsachen aus einem Prinzip zu erkl\u00e4ren. Er erg\u00e4nzt sogleich die erstgenannte Beobachtung durch die weitere, dafs auch die scheinbare Gr\u00f6fse eines St.em-bildes, \u201ewenn es nahe dem Zenith kulminiert, wesentlich geringer ist, als wenn.... es tiefen Stand am Himmel hat\u201c. Die Verschiedenheit in der scheinbaren Gr\u00f6fse von Sonne und Mond je nach ihrem Standort am Himmel erscheint daher nur als ein Spezialfall des allgemeinen Gesetzes, dafs am Himmel die gleichen Winkelst\u00fccke dem Auge um so gr\u00f6fser erscheinen, je gr\u00f6fser ihre Zenithdistanz ist.\nDie bisherigen Erkl\u00e4rungsversuche fafst der Verfasser unter drei Gesichtspunkten zusammen. Die erste Theorie (\u201eVergleichstheorie\u201c) behauptet, dafs Sonne und Mond am Horizont unter gleichen Winkeln mit entfernten Objekten auf dem Erdboden gesehen werden, wie H\u00e4user, Baumkronen u. s. w.; unwillk\u00fcrlich bringen wir sie deshalb mit diesen irdischen Objekten in Vergleich und halten sie f\u00fcr mehr als h\u00e4usergrofs u. s. w., was im Zenith nicht eintreten kann, wo solche Vergleichsobjekte fehlen. Die zweite Theorie (wir m\u00f6chten sie kurz \u201eEntfernungstheorie\u201c ^nennen) behauptet, dafs die Entfernung zwischen Auge und Horizont uns weit gr\u00f6fser erscheine als die H\u00f6he des Zeniths, weil diese Entfernung (nach Analogie der abgeteilten Linie) durch die zwischenliegenden Objekte markiert ist. Indem so die Horizontpartie des Himmels weiter hinausger\u00fcckt wird als die Zenithpartie, erscheinen Sonne und Mond gr\u00f6fser, weil wir sie bei gleichem Gesichtswinkel f\u00fcr ferner halten. Der dritte Erkl\u00e4rungsversuch zieht Alles das \u2019 in Betracht, was man unter Luftperspektive zu begreifen pflegt: die Klarheit oder Tr\u00fcbung der Atmosph\u00e4re, insbesondere Nebelerscheinungen, die F\u00e4rbung entfernter","page":462},{"file":"p0463.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht\n463\nGegenst\u00e4nde u. s. w. Da tiefstehende Gestirne eine l\u00e4ngere Dunstschicht zu passieren haben als hochstehende, so ver\u00e4ndern sie erstens ihre F\u00e4rbung (werden rot), und zweitens bekommen sie unbestimmtere Umrisse. Alle drei Erkl\u00e4rungsversuche h\u00e4lt der Verfasser mit vollem Recht far ungen\u00fcgend. Die Yergleichstheorie wird von ihm haupts\u00e4chlich dadurch bek\u00e4mpft, dafs er andere, ihr direkt widerstreitende Beobachtungen mitteilt. Bei ungew\u00f6hnlich klarer Luft beobachtete der Verfasser einmal in Kalifornien den \u00fcber den Bergen aufgehenden, fast vollen und sehr intensiv hellen Mond vom Tha\u00efe aus. Er erschien ihm in der Gr\u00f6fse, die er auch sonst bei dieser Zenithdistanz zu haben pflegt. Die gleiche Beobachtung machte der Verfasser bei entsprechender Mondstellung, aber dunstiger Atmosph\u00e4re. Schon hiernach d\u00fcrfte es scheinen, dafs die Horizontn\u00e4he an sich das Entscheidende sei. Wenn der Verfasser ferner den Mond bei glatter See und bei dunkler Nacht, also ohne alle irdischen Vergleichsobjekte, aufgehen sah, so erschien er ihm stets bedeutend gr\u00f6fser, als in der N\u00e4he des Zeniths, ebenso die Sternbilder, und auch die Uhrglasform des Himmelsgew\u00f6lbes blieb in diesem Falle die gleiche. Selbst wenn man \u00fcberhaupt keinen Horizont sieht, wie auf freiem Felde, in der N\u00e4he einer mannshohen Mauer, oder wenn man sich den Horizont einfach verdeckt, bleiben die erw\u00e4hnten T\u00e4uschungen bestehen: Und \u201ewie k\u00e4me man dazu, ein Sternbild mit H\u00e4usern oder Baumkronen zu vergleichen?\u201c Der Verfasser bek\u00e4mpft sodann die Meinung Herings, dafs die Kugelgestalt der Netzhaut es sei, die uns zur Wahrnehmung eines gew\u00f6lbten Himmels n\u00f6tige. Bei ruhigem Blick erscheine uns das im Blickfeld befindliche Himmelsst\u00fcck \u201ewie eine Ebene senkrecht zur Sehrichtung\". Erst wenn wir den Blick wandern lassen, entstehe die Vorstellung der W\u00f6lbung, und diese komme daher, dafs uns bei der Blick- bezw. Kopfbewegung von allen Seiten her immer der gleiche Eindruck komme, wobei Erfahrungen an irdischen Gew\u00f6lben zur Bildung dieser Vorstellung mitwirken.\nDie meisten gegen die Vergleichstheorie angef\u00fchrten Thatsachen widerlegen nach der Meinung des Verfassers auch die Entfernungstheorie. So, wenn wir keinen Horizont sehen und doch den in Bede stehenden T\u00e4uschungen verfallen.\nEs bleibt nur die Erkl\u00e4rung mittelst des Zustandes der Atmosph\u00e4re. Aber die Vergr\u00f6fserung der durch Dunst und Nebel gesehenen Objekte will Fi lehne nur gelten lassen \u201ef\u00fcr relativ dunkle K\u00f6rper auf relativ hellem Grunde, nicht aber f\u00fcr relativ helle K\u00f6rper auf relativ dunklem Grunde\". Stehe der lichtschwache Mond am hellen Abendhimmel, dann und nur dann k\u00f6nne die Luftperspektive vergr\u00f6fsernd wirken. Die Irradiation komme in diesem Falle den dunkleren Objekten zu gute. Andererseits macht der Verfasser darauf aufmerksam, dafs die hochstehende Sonne, wenn sie durch den Nebel scheint, sogar verkleinert ist. Auch hier ist daher wiederum die Stellung am Himmel als die ausschlaggebende Ursache der scheinbaren Gr\u00f6fse anzusehen, wozu als mitwirkende Ursache in jenem einzelnen, vom Verfasser zugestandenen Falle die Luftperspektive k\u00e4me. Aber ein Experiment von Helmholtz scheint diesem Ergebnis zu widerstreiten. Versuchte n\u00e4mlich Helmholtz mittelst","page":463},{"file":"p0464.txt","language":"de","ocr_de":".464\nLitteraturberichi.\neiner planparallelen Glasplatte das Bild des Mondes auf den Horizont zu projizieren, so erschien der gespiegelte Mond keineswegs gr\u00f6fser. Verfasser vermutete daher hier einen Beobachtungsfehler. Er fand, dafs es dabei gelingen mufs, die Phantasie so zu beherrschen, dafs man den Mond auch wirklich \u201ean den Horizont\u201c sieht. Gelingt das, dann \u201eerscheint\u201c der Mond \u201eaber auch kolossal\u201c. (Man sehe die f\u00fcr den Erfolg des Versuchs wesentlichen Vorsichtsmafsregeln im Originale nach!) Dasselbe best\u00e4tigen in viel einfacherer Weise Nachbilder versuche. Die bekannten sehr lebhaften Nachbilder der Abendsonne, auf den Horizont projiziert, erscheinen von gleicher Gr\u00f6fse, wie die Sonne; nach dem Zenith zu projiziert sind sie bedeutend kleiner; etwa so wie die Sonne selbst in entsprechender Stellung.\nNunmehr glaubt der Verfasser, eine Erkl\u00e4rung aller genannten Erscheinungen aus einem Prinzip vornehmen zu k\u00f6nnen. Halten wir zun\u00e4chst fest, dafs die Gew\u00f6lbeform des Himmels ihm daher zu r\u00fchren scheint, dafs uns bei bewegtem Blick von allen Seiten die gleichen Eindr\u00fccke kommen, so ist zu erkl\u00e4ren, warum dies Gew\u00f6lbe ein abgeplattetes ist, warum gleiche Winkelst\u00fccke an demselben um so gr\u00f6fser erscheinen, je n\u00e4her sie dem Horizont liegen, und warum Sternbilder, Sonne und Mond mit der Ann\u00e4herung an den Horizont gr\u00f6fser werden. Der Verfasser gewinnt nun sein Erkl\u00e4rungsprinzip an einigen interessanten Versuchen, durch die zugleich einige weitere bekannte optische Erfahrungen eine neue und, wie Referent glaubt, zutreffende Erkl\u00e4rung erhalten. Sie kommen alle darauf hinaus, dafs bei Umkehrung des Bildes einer Landschaft, z. B. beim Durchblicken durch di\u00e8 Beine, beim Aufblicken, wenn man mit dem Kopf nach unten an einem Gel\u00e4nder oder Beck h\u00e4ngt, oder bei Umkehrung mittelst Prismas oder durch Spiegelung \u2014 die s\u00e4mtlichen in Bede stehenden T\u00e4uschungen fast v\u00f6llig verschwinden. Gleiche Winkelst\u00fccke werden \u00fcberall gleich grofs gesehen; der Himmel ist eine Halbkugel, Sternbilder, Sonne und Mond behalten am Horizont ihre Zenithgr\u00f6fse. Gleichzeitig aber geht auch die M\u00f6glichkeit der perspektivischen Deutung des Gesamtbildes der Landschaft verloren, und zwar immer am vollst\u00e4ndigsten f\u00fcr denj enigen Teil der Landschaft, der durch geringe stereoskopische Verschiedenheiten den Augen nur geringe Motive der Tiefendeutung darbietet, w\u00e4hrend der Vordergrund meist perspektivisch richtig gesehen wird. Dieser Wegfall der perspektivisch vertiefenden Deutung einerseits und das Aufh\u00f6ren der in Bede stehenden T\u00e4uschung andererseits gelten nun sowohl f\u00fcr den irdischen Horizont, wie f\u00fcr den Horizontteil des Himmels. Daraus schliefst der Verfasser, dafs die perspektivisch vertiefende Deutung des Erdhorizontes von uns auf den. Horizontteil des Himmels \u00fcbertragen wird, und dafs dies die Ursache der in Bede stehenden T\u00e4uschungen ist. Der mit dem Gesichtsfeld unmittelbar in Kontinuit\u00e4t stehende horizontale Teil des Himmels wird bei aufrechter K\u00f6rperhaltung ebensowohl wie unser irdischer Horizont \u201ein horizontaler Richtung perspektivisch vertieft\u201c gesehen, bildet zusammen mit der Horizontebene \u201eeinen horizontalen Hohlk\u00f6rper\u201c. Es ist leicht zu sehen, wie sich damit sowohl die Uhrglasform des Himmels, wie die scheinbare","page":464},{"file":"p0465.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n465\nGr\u00f6fse von Sternbildern, Sonne und Mond \u2014 die an dieser perspektivischen Interpretation teilnehmen \u2014 aus einem Prinzip erkl\u00e4ren lassen.\tE. Mettmann (Leipzig).\nH. W. Knox. On the quantitative determination of an optical illusion.\nAmeric. Joum, of Psychol. VI. S. 413\u2014421. (1894.)\nB. Watanabe. On the quantitative determination of an optical illusion.\nEbda. S. 509-514. (1895.)\n0. S. Parrish. The cutaneous estimation of open and filled space.\nEbda. S. 514\u2014523. (1895.)\nA. Binet. La mesure des illusions visuelles chez les enfants. Rev. philos.\nBd. 40. S. 11-25. (1895.)\nJ. Loeb. \u00dcber den Nachweis von Kontrasterscheinungen im Gebiete\nder Baumempfindungen des Auges. Pfl\u00fcgers Arch. LX. S. 509\u2014518.\n(1895.)\nDie beiden zuerst erw\u00e4hnten Arbeiten besch\u00e4ftigen sich mit der \u00dcbersch\u00e4tzung einer durch Punkte eingeteilten im Vergleich mit einer nicht eingeteilten Punktdistanz. Die Versuche (nach der Wahlmethode) ergaben die Allgemeinheit der T\u00e4uschung bei verschiedenen Lagen und Dimensionen (25 bis 40 mm); die Vermutung, dafs (bei unver\u00e4nderter Distanz der Einteilungspunkte) der T\u00e4uschungsbetrag in konstantem Verh\u00e4ltnis zur Gr\u00f6fse der Vergleichsdistanzen stehe; und die Best\u00e4tigung der Angabe Mellinghoffs, nach welcher eine durch einen Punkt halbierte Punktdistanz untersch\u00e4tzt statt \u00fcbersch\u00e4tzt wird. Die theoretischen \u00dcberlegungen, welche die beiden Verfasser mit diesen thats\u00e4chlichen Bestimmungen verbinden, sind dem Beferenten durchaus unverst\u00e4ndlich. Aus der von Chodin und Volkmann festgestellten geringeren Genauigkeit der Sch\u00e4tzung f\u00fcr vertikale als f\u00fcr horizontale Distanzen wird erkl\u00e4rt, dafs (nicht die m. V. der T\u00e4uschungsbetr\u00e4ge, sondern) die T\u00e4uschungsbetr\u00e4ge selbst bei vertikaler Figurlage gr\u00f6fser sind als bei horizontaler ; dagegen aus der ann\u00e4hernden Gleichheit der m. V. in jenen beiden F\u00e4llen geschlossen, dafs die normale \u00dcbersch\u00e4tzung von Figuren im oberen Teile des Gesichtsfeldes durch die vorliegende T\u00e4uschung aufgehoben werde. Jene erstere Erkl\u00e4rung ist einfach ungereimt; dieser zweite Schlufs w\u00fcrde zwar an und f\u00fcr sich eine gewisse, mit R\u00fccksicht auf die hohen m. V. jedoch nur geringe Wahrscheinlichkeit ergeben, ist aber vollkommen wertlos, da die einfache Vergleichung der in den Tabellen gesondert eingetragenen Sch\u00e4tzungswerte bei oberer und unterer Lage der variabeln Distanzen die Sache direkt entscheiden k\u00f6nnte. Die Verfasser haben jedoch dieses gegebene Material unbenutzt gelassen! \u2014 Dafs zwei Untersucher, welche an einem Universit\u00e4tslaboratorium arbeiten, sich solche Begriffsverwirrungen und Gedankenlosigkeiten zu Schulden kommen lassen, ohne w\u00e4hrend des halben Jahres, welches das Erscheinen der beiden Arbeiten trennt, etwas davon zu bemerken, ist nicht nur unbegreiflich, sondern auch bedenklich.\nDas Auftreten einer der vorhergehenden entgegengesetzten T\u00e4uschung bei Tastwahrnehmungen untersucht Parrish. Die Volarfl\u00e4che des Vorderarmes wurde in longitudinaler Richtung mittelst Hartgummistiften, welche\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie X.\t30","page":465}],"identifier":"lit29970","issued":"1896","language":"de","pages":"462-465","startpages":"462","title":"Wilh. Filehne: Die Form des Himmelsgew\u00f6lbes. Pfl\u00fcgers Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 59. S. 279-308. 1894","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:52:49.489906+00:00"}