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{"created":"2022-01-31T15:02:48.080417+00:00","id":"lit29974","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Offner, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 468-469","fulltext":[{"file":"p0468.txt","language":"de","ocr_de":"468\nIAtteraturbericht.\nKasimir Twardowski. Zur Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellungen. Eine psychologische Untersuchung. Wien. Holder. 1894. Ill S.\nBrentano hat bekanntlich Vorstellungsakt und Vorstellungsinhalt (Gegenstand) scharf getrennt, in einer Weise, welche den entschiedenen Widerspruch M\u00fcnsterbbrgs und Natorps gefunden. H\u00f6flbr aber ging einen Schritt weiter und unterschied in dem Ausdruck \u201eGegenstand\u201c (Objekt) zweierlei: einmal das An-sich-Bestehende, worauf unsere Geistes-th\u00e4tigkeit sich richtet, Vorstellungsgegenstand, und dann das in uns bestehende Bild, richtiger Zeichen jenes Gegenstandes (= immanentes und intentionales Objekt) Vorstellungsinhalt.\nDie Betrachtung und Durchf\u00fchrung dieses Gegensatzes zwischen Vorstellungsinhalt und Vorstellungsgegenstand neben dem Vorstellungsakt ist der Zweck der vorliegenden scharfsinnigen Untersuchung. Schon der Name im weitesten Sinne (= kategor emetisches Zeichen der alten Logiker) hat eine jener Dreiteilung entsprechende dreifache Aufgabe: 1. in dem H\u00f6renden einen bestimmten Vorstellungsinhalt zu erwecken; 2. ihm zu verraten, dafs der Sprechende selbst den gleichen Vorstellungsakt beth\u00e4tigt; 8. einen objektiven Gegenstand zu nennen. \u201eVorgestellt\u201c kann also zweierlei bedeuten, \u00e4hnlich wie \u201egemalt\u201c in \u201egemaltes Bild\u201c und \u201egemalte Landschaft\u201c. Im ersten Falle ist \u201egemalt\u201c (nicht gestochen oder radiert) nur determinierendes Attribut, die Bedeutung des Ausdruckes nur erweiternd, erg\u00e4nzend, im zweiten Falle aber modifizierend, dieselbe vollst\u00e4ndig \u00e4ndernd, da ja eine gemalte Landschaft keine wirkliche mehr ist. Dabei kann' ich aber immer noch von der Landschaft, welche hier gemalt ist, als einer wirklichen reden, etwa dafs ich einmal dort gewesen bin; in diesem Falle ist \u201egemalt\u201c nat\u00fcrlich wieder blofs determinierend.\nGanz analog hat \u201evorstellen\u201c ein doppeltes Objekt: einen vorgestellten Gegenstand und einen vorgestellten Inhalt. Der Inhalt wird in der Vorstellung gedacht, vorgestellt, der Gegenstand durch die Vorstellung (Zimmermann).\nF\u00fcr die sog. gegenstandslosen Vorstellungen, wie Kentaur, viereckiger Kreis \u2014 non-ens ist keine wirkliche Vorstellung \u2014 sucht T. in gleicher Weise einen Gegenstand, der durch sie vorgestellt wird, nachzuweisen. Ob ihn aber der Weg, den er ein geschlagen, an das Ziel f\u00fchrt, scheint recht fraglich. Und doch k\u00f6nnte er sein Prinzip retten. F\u00fcr derartige Vorstellungen als Ganze m\u00fcfsten wir zwar auf einen Gegenstand verzichten, aber f\u00fcr die Teile desselben liefsen sich m\u00fchelos die Gegenst\u00e4nde aufzeigen. Freilich ist f\u00fcr T. der Gegenstand der Vorstellungen, Urteile, Gef\u00fchle, Wollungen etwas vom Ding an sich, als der unbekannten Ursache unserer Aifektionen, Verschiedenes; sind doch z. B. Mord, Gem\u00fctsruhe, Sinus Gegenst\u00e4nde, aber keine Dinge oder Sachen. Kurz, Gegenstand ist ihm schliefslich alles, was ist, alle entia.\nEntsprechend dem Unterschied zwischen Vorstellungsgegenstand und Vorstellungsinhalt sind auch die beiderseitigen Bestandteile verschieden, d\u00fcrfen also nicht mit dem zweideutigen Terminus \u201eMerkmal\u201c belegt werden. Teile des Vorstellungsinhaltes sind wieder Vorstellungs-","page":468},{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"LiHcraturbericht.\n469\ninhalte, Teile des Vorstellungsgegenstandes wieder Vorstellungsgegenst\u00e4nde. Nur f\u00fcr letztere l\u00e4fst T. mit Bolzano und \u00dcberweg den Ausdruck \u201eMerkmal\u201c gelten, f\u00fcr erstere schl\u00e4gt er die Bezeichnung Vorstellungsteile oder Vorstellung-Inhaltsteile vor. Dann aber kommen in Betracht die Beziehungen dieser Teile, die sog. formalen Bestandteile, deren Gesamtheit die Form des Ganzen genannt wird, w\u00e4hrend man die anderen als den Stoff bezeichnet, als die materialen Bestandteile.\nUnter den weiteren Untersuchungen verdienen ganz besonderes Interesse die Ausf\u00fchrungen des Verfassers \u00fcber den Gegenstand der allgemeinen Vorstellungen. Im Widerspruch mit allen Logikern, den einen B. Erdmann ausgenommen, stellt er den Satz auf, dafs es Vorstellungen, zu denen eine Mehrheit von Gegenst\u00e4nden geh\u00f6rt, nicht giebt. Durch die allgemeine Vorstellung wird das den Gegenst\u00e4nden aller Einzel Vorstellungen Gemeinsame als solches vorgestellt. Der Gegenstand einer solchen Vorstellung ist dann allerdings nur ein Einziges, spezifisch verschieden von dem der Einzel Vorstellung. Freilich ist die allgemeine Vorstellung stets indirekt, unanschaulich. Dafs damit T. dem psychologischen Befunde gerecht wird, m\u00f6chten wir bezweifeln, wie denn \u00fcberhaupt in ihm der Psychologe von dem Logiker in den Hintergrund gedr\u00fcckt wird.\nWenn wir also auch gestehen m\u00fcssen, dafs uns die Ausf\u00fchrungen des Verfassers in ihrer Gesamtheit noch nicht \u00fcberzeugt haben, so haben wir doch den eindringenden Scharfsinn r\u00fcckhaltlos anzuerkennen, mit dem er auf die Bedeutung derartiger verwickelter Fragen hingewiesen und zur L\u00f6sung und Kl\u00e4rung sein gut Teil beigetragen hat. Das ist ein Verdienst, das nicht geschm\u00e4lert wird, auch wenn die Ergebnisse seiner anregenden Forschungen, wie zu erwarten steht, noch manchen Widerspruch erfahren werden.\nM. Offner (Aschaffenburg).\nA. Binet et V. Henri. De la suggestibilit\u00e9 naturelle chez les enfants Bev. philos. 1894. No. 10. S. 337-347.\nDie gew\u00f6hnlichen, durch hypnotischen Schlaf vermittelten Suggestionen sind nach der Ansicht der Verfasser zu weit entfernt von den analogen Suggestionsph\u00e4nomenen des normalen Seelenlebens, als dafs sie R\u00fcckschl\u00fcsse auf die letzteren erlaubten, vor allem, weil bei der \u201enat\u00fcrlichen Suggestion\u201c die Freiheit und Urteilsf\u00e4higkeit der beein-fiufsten Personen nicht aufgehoben sei; insbesondere die moralische Einwirkung und Gegenwirkung des t\u00e4glichen Lebens gleiche durchaus nicht derjenigen, welche in der Hypnose erreicht werde. Deshalb wollen die Verfasser die nat\u00fcrliche Suggestion untersuchen, wie sie z. B. der Lehrer einer Schule auf die Kinder aus\u00fcbt.\nDie mitgeteilten Beobachtungen \u00fcber Suggestibilit\u00e4t der Schulkinder durch den Lehrer haben die Verfasser bei Gelegenheit von Versuchen \u00fcber das visuelle Ged\u00e4chtnis von Kindern gemacht (vergl. Bev, philos. 1894. S. 348 ff. und Bev. gm. des sciences 1894. M\u00e4rzheft). Die Suggestion bestand hier darin, dafs, wenn die Sch\u00fcler eine vorher gezeigte Linie von bestimmter Gr\u00f6fse wieder aufzusuchen hatten, in dem Augen-","page":469}],"identifier":"lit29974","issued":"1896","language":"de","pages":"468-469","startpages":"468","title":"Kasimir Twardowski: Zur Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellungen. Eine psychologische Untersuchung. Wien. H\u00f6lder. 1894. 111 S.","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:02:48.080423+00:00"}