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{"created":"2022-01-31T15:02:34.958555+00:00","id":"lit29975","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meumann, E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 10: 469-471","fulltext":[{"file":"p0469.txt","language":"de","ocr_de":"LiHcraturbericht.\n469\ninhalte, Teile des Vorstellungsgegenstandes wieder Vorstellungsgegenst\u00e4nde. Nur f\u00fcr letztere l\u00e4fst T. mit Bolzano und \u00dcberweg den Ausdruck \u201eMerkmal\u201c gelten, f\u00fcr erstere schl\u00e4gt er die Bezeichnung Vorstellungsteile oder Vorstellung-Inhaltsteile vor. Dann aber kommen in Betracht die Beziehungen dieser Teile, die sog. formalen Bestandteile, deren Gesamtheit die Form des Ganzen genannt wird, w\u00e4hrend man die anderen als den Stoff bezeichnet, als die materialen Bestandteile.\nUnter den weiteren Untersuchungen verdienen ganz besonderes Interesse die Ausf\u00fchrungen des Verfassers \u00fcber den Gegenstand der allgemeinen Vorstellungen. Im Widerspruch mit allen Logikern, den einen B. Erdmann ausgenommen, stellt er den Satz auf, dafs es Vorstellungen, zu denen eine Mehrheit von Gegenst\u00e4nden geh\u00f6rt, nicht giebt. Durch die allgemeine Vorstellung wird das den Gegenst\u00e4nden aller Einzel Vorstellungen Gemeinsame als solches vorgestellt. Der Gegenstand einer solchen Vorstellung ist dann allerdings nur ein Einziges, spezifisch verschieden von dem der Einzel Vorstellung. Freilich ist die allgemeine Vorstellung stets indirekt, unanschaulich. Dafs damit T. dem psychologischen Befunde gerecht wird, m\u00f6chten wir bezweifeln, wie denn \u00fcberhaupt in ihm der Psychologe von dem Logiker in den Hintergrund gedr\u00fcckt wird.\nWenn wir also auch gestehen m\u00fcssen, dafs uns die Ausf\u00fchrungen des Verfassers in ihrer Gesamtheit noch nicht \u00fcberzeugt haben, so haben wir doch den eindringenden Scharfsinn r\u00fcckhaltlos anzuerkennen, mit dem er auf die Bedeutung derartiger verwickelter Fragen hingewiesen und zur L\u00f6sung und Kl\u00e4rung sein gut Teil beigetragen hat. Das ist ein Verdienst, das nicht geschm\u00e4lert wird, auch wenn die Ergebnisse seiner anregenden Forschungen, wie zu erwarten steht, noch manchen Widerspruch erfahren werden.\nM. Offner (Aschaffenburg).\nA. Binet et V. Henri. De la suggestibilit\u00e9 naturelle chez les enfants Bev. philos. 1894. No. 10. S. 337-347.\nDie gew\u00f6hnlichen, durch hypnotischen Schlaf vermittelten Suggestionen sind nach der Ansicht der Verfasser zu weit entfernt von den analogen Suggestionsph\u00e4nomenen des normalen Seelenlebens, als dafs sie R\u00fcckschl\u00fcsse auf die letzteren erlaubten, vor allem, weil bei der \u201enat\u00fcrlichen Suggestion\u201c die Freiheit und Urteilsf\u00e4higkeit der beein-fiufsten Personen nicht aufgehoben sei; insbesondere die moralische Einwirkung und Gegenwirkung des t\u00e4glichen Lebens gleiche durchaus nicht derjenigen, welche in der Hypnose erreicht werde. Deshalb wollen die Verfasser die nat\u00fcrliche Suggestion untersuchen, wie sie z. B. der Lehrer einer Schule auf die Kinder aus\u00fcbt.\nDie mitgeteilten Beobachtungen \u00fcber Suggestibilit\u00e4t der Schulkinder durch den Lehrer haben die Verfasser bei Gelegenheit von Versuchen \u00fcber das visuelle Ged\u00e4chtnis von Kindern gemacht (vergl. Bev, philos. 1894. S. 348 ff. und Bev. gm. des sciences 1894. M\u00e4rzheft). Die Suggestion bestand hier darin, dafs, wenn die Sch\u00fcler eine vorher gezeigte Linie von bestimmter Gr\u00f6fse wieder aufzusuchen hatten, in dem Augen-","page":469},{"file":"p0470.txt","language":"de","ocr_de":"470\nLi ttera tur bericht.\nblick, in dem der Sch\u00fcler eine bestimmte Linie angeben wollte, der Experimentator die Frage an ihn richtete : \u201eSind Sie sicher, dais das die richtige Linie ist?\u201c Es sollte dabei vor allem der Einfiufs des Alters der Sch\u00fcler, ihrer Bildungssufe, der Natur der geistigen Arbeit auf die Suggestibilit\u00e4t festgestellt werden. Unter drei Umst\u00e4nden wurde der Effekt der Suggestion verfolgt: 1. Indem die Suggestion lediglich durch die Anordnung der Versuche gegeben wurde; 2. indem die einzelnen Kinder direkt angeredet wurden; 3. indem man eine gr\u00f6fsere Anzahl Sch\u00fcler eine \u201ekollektive\u201c, gleichzeitige Suggestion erfahren liefs, wobei namentlich der Einfiufs der gegenseitigen Nachahmung der Sch\u00fcler hervortreten mufste. Die Sch\u00fcler geh\u00f6rten drei verschiedenen Klassen an und repr\u00e4sentierten damit drei verschiedene Alters* und Bildungsstufen.\nIm ersten Falle wurden dem Sch\u00fcler Linien gezeigt, von denen er eine bestimmte L\u00e4nge einmal aus dem Ged\u00e4chtnis, ein anderes Mal bei direktem Vergleich mit dem Original in einem \u201etableau\u201c wieder aufzusuchen hatte. Dies wurde zuerst ohne Suggestion einige Male ausgef\u00fchrt, worauf in den Suggestions versuch en die dem Original entsprechende L\u00e4nge weggelassen wurde. Es fragte sich, ob die Kinder sich dadurch bewegen liefsen, die n\u00e4chst kleinere oder gr\u00f6fsere Linie zu bezeichnen. Augenscheinlich bedarf es dazu nicht nur gewisser sinnlicher F\u00e4higkeiten (Sch\u00e4rfe des Augenmafses u. s. w.), sondern vor allem einer gewissen \u201ehardiesse d\u2019esprit\u201c, eines gewissen Selbstvertrauens, das eben in erster Linie durch die Suggestion auf die Probe gestellt wird. Um den Einfiufs beider Arten von Faktoren zn trennen, schieden die Verfasser bei den Suggestionsversuchen diejenigen Kinder aus, die in den Vorversuchen die Liniengr\u00f6fsen nicht richtig erkannt hatten. Nun ergab sich bei 240 gepr\u00fcften Sch\u00fclern, dafs 88 % der j\u00fcngsten Klasse der Suggestion verfielen, dagegen nur 60% der mittleren und 47\u00b0/o der h\u00f6chsten Klasse. Die G e d\u00e4ch tnisunterschiede der Sch\u00fcler der entsprechenden Klassen waren dagegen weit geringere. Bei Anwendung des direkten Vergleichs mit dem Original ergaben sich im Mittel 88 % Suggestionsfehler, bei der Ged\u00e4chtnismethode 65%. Die Gegen\u00fcberstellung der Ergebnisse beider Verfahrungsreihen trennt in gewisser Weise die Suggestibilit\u00e4t durch Zaghaftigkeit und die durch Ged\u00e4chtnisschw\u00e4che. Man sieht, wie gerade die innere Unsicherheit auf Grund schwachen Ged\u00e4chtnisses stark f\u00fcr die Suggestion empf\u00e4nglich macht.\nDer zweite Fall, Einwirkung durch Verbalsuggestion, d. h. durch die Fragen: Sind Sie sicher? Ist es nicht die benachbarte Liniengr\u00f6fse? wurde bei 160 Kindern gepr\u00fcft. Aus Anlafs der Fragen \u00e4ndern ihre Antwort von den Sch\u00fclern der niederen Klasse: 89\u00b0A\u00bb bei ged\u00e4chtnis-m\u00e4fsigem Aufsuchen, bei direktem Vergleichen 74%, von dem mittleren Kursus entsprechend 80 und 73%, von dem \u00e4lteren 54 und 48%. Erstaunlich ist der Unterschied der fortgeschritteneren Kinder von den beiden anderen Klassen, fast die H\u00e4lfte unter den ersteren l\u00e4fst sich durch die Fragen nicht irre machen. Manche Einzelbeobachtungen, die auf das auch von M\u00fclleb und Schumann behandelte \u201eGef\u00fchl des Aus-","page":470},{"file":"p0471.txt","language":"de","ocr_de":"Litter a turberich t\n471\nwendigwissens\u201c einiges Licht werfen, sind interessant. Sehr auffallend ist, dafs die Kinder, welche eine falsche Gr\u00f6fse bezeichnet hatten, in der Mehrzahl der F\u00e4lle durch die Suggestion auf das richtige Urteil gebracht werden \u2014 ganz besonders beim Vergleich aus dem blofsen Ged\u00e4chtnis.\nIm dritten Falle wurden Gruppen von Sch\u00fclern gepr\u00fcft, die in der Eegel zu vieren nebeneinander sais en. Es ergiebt sich eine geradezu \u00fcberraschende gegenseitige Beeinflussung der Sch\u00fcler. Sie nimmt nur wenig mit dem Alter ab.\nDie Verfasser glauben, dafs sich mit solchen Versuchen ein ungef\u00e4hres Mafs des Widerstandes finden l\u00e4fst, welchen das Gef\u00fchl der Gewifsheit modifizierenden Einfl\u00fcssen entgegensetzt. E. Meumann (Leipzig).\nDavid Irons. Debc\u00e0rteb and modern Theories of Emotion. Philos. Rev.\nIV. 3. S. 230-302. (1895.)\nIrons erwartet eine F\u00f6rderung der modernen Diskussion der Affekte durch ein Zur\u00fcckgehen auf Descartes. Die Darstellung, die Irons von den einschl\u00e4gigen Er\u00f6rterungen in Descartes\u2019 Passions de V\u00e2me giebt, l\u00e4fst aber einige Inkonsequenzen und ein Schwanken in den Anschauungen D.\u2019s erkennen, dem Irons selbst \u201enegligence with regard to the psychical characteristics of emotion as such\u201c nachsagt. Die modernen Affekt* theorien streift der Aufsatz nur ganz im Vor\u00fcbergehen.\nKu rella (Brieg).\nG. Verriebt. Lob bases physiologiques de la parole rhythm\u00e9e. Rev.\nN\u00e9o-Scolast. I. No. 1. S. 39- 52. 1894. und No. 2. S. 112-139.\nDie Beobachtungen von Stricker u. A. \u00fcber Tonusver\u00e4nderungen und schwache Innervationen der Kehlkopfmuskulatur, welche die Wortvorstellungen begleiten, und vor allem die bekannten Versuche von Cumberland \u00fcber \u201eGedankenlesen\u201c, endlich einige eigene Versuche \u00fcber Beziehungen zwischen Vorstellungen und Bewegungstendenzen veranlassen den Verfasser zu folgenden Behauptungen: 1. \u201eJede Vorstellung von einer Bewegung wird von einer Erregung der motorischen Zentren und von einer zentrifugalen nerv\u00f6sen Welle begleitet, die eine Modifikation des Tonus derjenigen Muskeln hervorruft, die zur Ausf\u00fchrung der betreffenden Bewegung Zusammenwirken m\u00fcfsten. Jede Vorstellung von einer Bewegung wird also von einem Beginn ihrer Ausf\u00fchrung begleitet, die \u00e4ufserlich latent bleibt, sich aber dem Experimentator f\u00fchlbar macht.\u201c 2. \u201eJede Vorstellung einer Linie, einer Bichtung, einer Kontur, einer Figur f\u00fchrt die Vorstellung von einer Bewegung herbei, die zum Zeichnen dieser Linie n\u00f6tig w\u00e4re, und sie bewirkt infolgedessen die entsprechenden muskul\u00e4ren Ver\u00e4nderungen\u201c. (S. 43.)\nEine \u00e4hnliche Wirkung haben auch die peripher ausgel\u00f6sten Bewegungsempfindungen. Bewegungsempfindungen wirken als motorische Beize, es gen\u00fcgt, einem Hypnotisierten die H\u00e4nde zu falten, und er macht alle weiteren Ausdrucksbewegungen eines Betenden, es gen\u00fcgt \u2014 f\u00fcgen wir hinzu \u2014, einer ataktischen hysterischen Person den Arm einige Male hin- und herzubewegen, und sie bewegt ihn spontan weiter. Auch die Wahrnehmung von Bewegungen, der Anblick von Bingern oder Schauspielern bringt entsprechende Bewegungstendenzen","page":471}],"identifier":"lit29975","issued":"1896","language":"de","pages":"469-471","startpages":"469","title":"A. Binet et V. Henri: De la suggestibilit\u00e9 naturelle chez les enfants. Rev. philos. 1894. No. 10. S. 337-347","type":"Journal Article","volume":"10"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:02:34.958560+00:00"}