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{"created":"2022-01-31T14:51:18.288071+00:00","id":"lit30004","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meinong, A.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 11: 81-133, 230-285, 353-404","fulltext":[{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des WEBEuscben Gesetzes.\nBeitr\u00e4ge zur Psychologie des Vergleichens und Messens.\nVon\nA. Meinong.\nErster Abschnitt.\nVom Gr\u00f6fsengedanken und dessen Anwendungsgebiet.\n\u00a7 1. Das Limitieren gegen die Null.\nBei der engen Verbindung, welche zwischen der Sache des WEBERschen Gesetzes und der psychischen Messung besteht, bedarf es schwerlich einer Rechtfertigung, wenn eine diesem \u00abGesetze zugewandte Untersuchung mit Erw\u00e4gungen anhebt, welche die Gr\u00f6fse im allgemeinen zum Gegenst\u00e4nde haben. Auf eine schulgerechte Gr\u00f6fsendefinition ist es dabei keineswegs abgesehen; genauere und unvoreingenommene Pr\u00fcfung des Thats\u00e4chlichen f\u00fchrt in der Psychologie so oft auf Unanalysierbares und insofern Undefinierbares, dafs man nicht wohl Anstofs daran nehmen k\u00f6nnte, auch im Gr\u00f6fsengedanken einen solchen Pall anzutreffen. Nat\u00fcrlich schliefst aber eine Eventualit\u00e4t dieser Art die M\u00f6glichkeit einer deflatorischen Charakteristik vermittelst indirekter Bestimmungen nicht aus, und das Bed\u00fcrfnis, sich durch solche Bestimmungen sicher zu stellen; ist hier ohne Zweifel gr\u00f6fser, als in manchem anderen der F\u00e4lle, wo die an sich gewifs h\u00f6chst achtenswerte Gewohnheit, more mathematico vorzugehen, dazu gef\u00fchrt hat, dem \"Vorurteil Folge zu geben, als liefse sich durch Definitionen alles und ohne Definitionen nichts theoretisch von der Stelle bringen. Denn thats\u00e4chlich hat sich der so popul\u00e4re Gegensatz von Qualit\u00e4t und Quantit\u00e4t f\u00fcr sich allein nicht als deutlich genug erwiesen, um die Frage fern zu halten, ob es denn auch ein wirklicher\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XI.\t6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nA. Meinong.\nGegensatz sei; das beweist der gelegentlich gemachte Versuch, die psychischen, zun\u00e4chst die Empfindungsintensit\u00e4ten als Qualit\u00e4ten aufzufassen, die nur durch ihren besonders engen Zusammenhang mit den Eeizintensit\u00e4ten ausgezeichnet w\u00e4ren.1 Weil aber hier eigentlich schon der Appell an unbefangenes Erfassen der in der Sache zun\u00e4chst kompetenten Empirie, der psychologischen n\u00e4mlich, leicht genug zur sofortigen Ablehnung dieses Versuches f\u00fchrt,2 * ist es jedenfalls um vieles bedeutsamer, dafs die Psychologie des Lichtsinnes, und sicherlich nicht erst auf dem Umwege theoretischer Spitzfindigkeiten, bekanntlich auf Probleme hingedr\u00e4ngt hat,8 deren befriedigende L\u00f6sung ein zuverl\u00e4ssiges und praktisch leicht anwendbares Kriterium f\u00fcr das, was Gr\u00f6fse ist, resp. Gr\u00f6fse hat, unerl\u00e4fslich voraussetzt.\nEin solches Kriterium habe ich bereits vor Jahren vor\u00fcbergehend namhaft gemacht,4 ohne zu wissen, dafs es bereits ein paar Jahre fr\u00fcher mit aller nur irgend w\u00fcnschenswerten Klarheit von J. v. Kries geltend gemacht worden ist.5 Es zeigt sich n\u00e4mlich, dafs, wo immer man es mit Gr\u00f6fsen zu thun hat, die in weiter nichts als eben in der \u201eGr\u00f6fse4- verschieden sind, dieselben einem eindimensionalen Continuum, unter Umst\u00e4nden, z. B. bei Zahlengr\u00f6fsen,6 auch einer diskreten, aber in einer Dimension liegenden Reihe angeh\u00f6ren, das, resp. die nach der einen Seite hin durch die Kuli begrenzt ist, indes nach der anderen Seite, theoretisch wenigstens, eine Begrenzung fehlt. Man kann also kurz sagen: es ist allen Gr\u00f6fsen charakteristisch, gegen Null zu limitieren,7 \u2014 und das Einzige, was dem 0\n1\tExner in Hermanns Handb. d. Physiol., Bd, II, 2. S. 242 f., wie es scheint, unabh\u00e4ngig davon auch Boas in Pfl\u00fcgers Arch. 28. Bd. 1882. S. 596.\n2\tYergl. Stumpe. Tonpsychol. Bd. I, S. 350.\ns yergl. Hering, \u201eZur Lehre vom Lichtsinn.\u201c 2. Aufl. S. 52 ff. \u2014 Auch F. Hillebrand, \u201e\u00dcber die spezifische Helligkeit der Farben\u201c, Sitzungsber. d. Je. AJead. d. Wiss. in Wien, Math.-Nat. Kl. Bd. XOVIII. Abtl. III. S. 78 ff.\n4\t\u201e\u00dcber Begriff und Eigenschaften der Empfindung.\u201c Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. Jahrg. 1889. S. 7. Anm.\n5\t\u201e\u00dcber die Messung intensiver Gr\u00f6fsen und \u00fcber das sogenannte psychophysische Gesetz.\u201c Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. Jahrg. 1882. S. 278.\n6\tYergl. Ehreneels (gegen Brix) in der Vierteljahr sschr. f. wiss. Philos. Jahrg. 1891. S. 300. Anm. Nach Lipps (\u201eGrundz\u00fcge der Logik.\u201c Hamburg und Leipzig. 1893. S. 120) w\u00e4re \u201eGr\u00f6fse im engeren und eigentlichen Sinn . . . nur die stetige Gr\u00f6fse\u201c.\n7\tDafs das Wort Limitieren streng genommen hier den Fall der\nConcreta ausschliefst, bedeutet nat\u00fcrlich eine im Interesse der K\u00fcrze","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n83\nnoch entgegenzuhalten w\u00e4re, ist die Frage, ob hier das Wesen der Gr\u00f6fse nicht durch Hinweis auf Gr\u00f6fsenver\u00e4nderung bestimmt, damit also ein circulas in definiendo gesetzt sei. Denn was besagt das \u201eLimitieren\u201c gegen Hull, wenn nicht ein Ann\u00e4hern an dieselbe, und was w\u00e4re H\u00e4her und Ferner anderes, als kleinere und gr\u00f6fsere Distanz? Um die Gr\u00f6fse im allgemeinen zu kennzeichnen, w\u00e4re dann nichts als ein spezieller Gr\u00f6fsenfall in Anspruch genommen, so dafs der Umweg \u00fcber die Hull doch nur zu einem idem per idem zu f\u00fchren scheint.\nIch bezweifle aber vor allem, dafs dies der praktischen Brauchbarkeit der in Rede stehenden Bestimmung erheblichen Schaden th\u00e4te. Denn was Distanz ist, und was im besonderen gr\u00f6fsere und geringere Distanz, dar\u00fcber ist doch wohl alle Welt im klaren; sollte man also durch diese Bestimmung unklare und darum verkennbare Gr\u00f6fsenf\u00e4lle auf einen unverkennbaren Gr\u00f6fsenfall gleichsam reduziert haben, so w\u00e4re damit allen formalistischen Einw\u00e4nden zum Trotz denn doch etwas geleistet. Indes m\u00f6chte es wohl nicht allzu schwer sein, einen Standpunkt einzunehmen, der auch dem formalistischen Ein-wande nicht ausgesetzt ist, falls es gelingt, den Ausdruck \u201eLimitieren gegen H\u00fcll\u201c durch eine Wendung zu ersetzen, die, wenn auch vielleicht nicht deutlicher, so doch von dem Anschein frei ist, speziell mathematische und daher bereits auf den Gr\u00f6fsengedanken gebaute Voraussetzungen zu implizieren.\nSolches ist n\u00e4mlich vor allem mit vollem Rechte vom Worte \u201eH\u00fcll\u201c zu sagen. Hull ist, streng genommen, in der That bereits etwas, das derjenige nicht erfassen k\u00f6nnte, dem der\nwohl statthafte Ungenauigkeit. \u2014 Bei nachtr\u00e4glicher Durchsicht von F. A. M\u00fclleks Schrift \u00fcber \u201eDas Axiom der Psychophysik\u201c werde ich auf die folgende, vorher von mir unbeachtete Stelle aus Kants Kritik der reinen Vernunft (ed. Kirchmann, S. 192) aufmerksam: \u201eNun nenne ich diejenige G-r\u00f6fse, die nur als Einheit apprehendiert wird, und in welcher die Vielheit nur durch Ann\u00e4herung zur Negation = 0 vorgestellt werden kann, die intensive G-r\u00f6fse.\u201c \u00dcbereinstimmend \u00e4ufsert sich neuestens G-. E. M\u00fcller in seinem ersten, bereits nach Abschlufs der vorliegenden Arbeit erschienenen Artikel \u201eZur Psychophysik der Gesichtsempfindungen\u201c Biese Zeitsehr. Bd. X. S. 2 f. ; nur scheint er dabei dem Abstand von der Null (vergl. a. a. O. S. 28 Mitte) eine f\u00fcr den Gr\u00f6fsengedanken konstitutive Bedeutung beizumessen, welche demselben, wenn ich in den folgenden Abschnitten im Bechte bin, nicht zukommt.\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nA. Meinong.\nGr\u00f6lsengedanke fehlt; Null ist ja Negation der Gr\u00f6fse. Statt also zu sagen \u201eGrr\u00f6fse ist oder hat, was gegen die Null zu limitieren f\u00e4hig ist\u201c, setzen wir etwa die Wendung: \u201eGr\u00f6fse ist oder hat, was zwischen sich und sein kontradiktorisches Gregenteil Glieder zu interpolieren gestattet.\u201c Daran verlangt nur noch der Hinweis auf die Interpolation eine Pr\u00e4zisierung. Am n\u00e4chsten liegt, dabei an \u00c4hnlichkeit zu denken: ist x die pr\u00e4sumtive Gr\u00f6fse, so besagt die eben ausgesprochene Bestimmung, x verdiene dann, grofs oder Gr\u00f6fse zu heifsen, wenn sich zwischen x und non-x etwas einschieben liefse, das sowohl dem x als dem non-\u00c6 \u00e4hnlicher, sowohl vom x als vom non-\u00e6 weniger verschieden w\u00e4re, als x und non-a? untereinander. Damit w\u00e4re nun aber neuerdings auf ein Mehr und Weniger (der \u00c4hnlichkeit, resp. Verschiedenheit), also neuerlich auf Gr\u00f6fse rekurriert. Man kann dies vermeiden, indem man den Richtungsgedanken zu H\u00fclfe nimmt, der, wie wohl ohne weiteres ersichtlich, in Wahrheit ein viel, ja ein unvergleichlich weiteres Anwendungsgebiet beanspruchen darf, als die Sprache dem nur ausnahmsweise \u00fcber das R\u00e4umliche hinaus gebrauchten Worte Richtung zuerkennt. L\u00e4fst sich n\u00e4mlich ein y denken, das, gleichsam vom x aus gesehen, in die n\u00e4mliche Richtung f\u00e4llt wie non-^, dann ist, resp. hat x Gr\u00f6fse, und non-x ist die Null; und ich kann nun in der That in dieser Charakteristik auch nicht den entferntesten Anschein eines Circulus vitiosus finden.\nOb jenes Limitieren, wie wir nun wieder kurz sagen k\u00f6nnen, die Gr\u00f6fse bereits kurzweg ausmacht oder sie nur verr\u00e4t, ist durch das Dargelegte noch keineswegs entschieden. Ohne Zweifel ist auch die Richtung im engsten, r\u00e4umlichen Sinne nicht ein Letztes; vielmehr weist die Thatsache, dafs mehrere Punkte in der n\u00e4mlichen Richtung oder in verschiedenen Richtungen liegen, auf die Ortsbestimmungen hin, welche diese Punkte, zun\u00e4chst jedenfalls subjektiv, charakterisieren. Ebenso weist der Umstand, dafs in der Richtung, die von der Existenz des x zu seiner Nichtexistenz f\u00fchrt, noch ein y und dann nat\u00fcrlich auch ein z und noch vieles, ja unz\u00e4hlig vieles andere liegt, auf eine Eigenheit am x, nat\u00fcrlich auch am y und z hin ; aber es ist zum mindesten sehr die Frage, ob sich diese Eigent\u00fcmlichkeit anders als mit Zuh\u00fclfenahme eben des Limitierens charakterisieren l\u00e4fst. Ist dem so, dann liegt es wenigstens sehr nahe (und wir werden uns im zweiten Abschnitte auf","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"fiber die Bedeutung des Web ersehen Gesetzes.\n85\ndiese Betrachtungsweise noch einmal hingef\u00fchrt finden1), anzunehmen, dafs eben dieses Limitieren die G-r\u00f6fse im eigentlichen Sinne ist, indes dasjenige, was diese Eigenschaft an sich tr\u00e4gt, als dasjenige zu bezeichnen w\u00e4re, was die Gr\u00f6fse hat. Auf alle F\u00e4lle ist die strenge Durchf\u00fchrung des terminologischen Auseinanderhaltens von \u201eist\u201c und \u201ehat\u201c schon deshalb sprachgebr\u00e4uchlich undurchf\u00fchrbar, weil man sich daran gew\u00f6hnt hat, etwas, das \u201egrofs\u201c ist, also Gr\u00f6fse hat, auch ohne weiteres eine Gr\u00f6fse zu nennen.\nWeniger geeignet, falls vom obigen \u00fcberhaupt anders als nur dem Ausdrucke nach verschieden, schiene mir der gelegentlich2 gemachte Versuch, Gr\u00f6fse, zun\u00e4chst \u201eIntensit\u00e4t\u201c, als Steigerungsf\u00e4higkeit zu charakterisieren. Ohne Zweifel ist alle Gr\u00f6fse steigerungsf\u00e4hig, aber doch wohl nur darum, weil Steigern eben nichts anderes bedeutet als eine Entfernung von der IsTulL Die Stellung, die Stumpf der Steigerung als einer Delation sui generis neben der Verschiedenheit, resp. \u00c4hnlichkeit angewiesen hat,3 erachte ich f\u00fcr unhaltbar; es ist, soviel ich sehe, nur ein komplexerer Gedanke, welcher aufser der eben ber\u00fchrten Determination von Gr\u00f6fsenverschiedenheit etwa auch den Vorgang der betreffenden Ver\u00e4nderung, den \u00dcbergang, aufserdem vielleicht auch noch eine auf diesen \u00dcbergang gerichtete Th\u00e4tig-keit, das \u201eSteigern\u201c in sich fafst. Ist dem so, dann hat, wer Gr\u00f6fse durch Steigerungsf\u00e4higkeit charakterisiert, also auch noch das F\u00e4higkeitsmoment einbezieht, doch wohl nur das Einfachere durch das Kompliziertere ersetzt.\n\u00a7 2. Anschauliche und unanschauliche Gr\u00f6fs^en.\nEs w\u00e4re kaum von Wert, die Mannigfaltigkeit dessen, was Gr\u00f6fse hat oder ist, durch einen Aufz\u00e4hlungsversuch zusammenfassen zu wollen. Dagegen d\u00fcrfte ein Hinweis auf die Grundklassen, in welche diese Mannigfaltigkeit sich ordnen l\u00e4fst, dazu dienen, der Eigenart des Gr\u00f6fsengedankens und seiner wichtigsten Ausgestaltungen n\u00e4her zu treten und zugleich einige f\u00fcr den Fortgang der gegenw\u00e4rtigen Untersuchungen wesentliche Gesichtspunkte zu gewinnen.\n1\tYergl. unten \u00a7 7.\n2\tVon Ehrenfels in der Vierteljahrsschr.f.wiss. Philos. Jahrg. 1890. S.266.\n3\tTonpsythologie. I. S. 96 ff.","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\nA. Meinong.\nEinen willkommenen Ausgangspunkt hierf\u00fcr bietet die von A. H\u00f6fler1 vorgenommene Gegen\u00fcberstellung der \u201eph\u00e4nomenalen und nicht-ph\u00e4nomenalen (kategorialen) Quanta\u201c, derjenigen Gr\u00f6fsen n\u00e4mlich, die sich in Wahrnehmungs- oder anschaulicher Einbildungsvorstellung erfassen lassen, im Gegens\u00e4tze zu denjenigen Gr\u00f6fsen, wo dies nicht der Fall ist. Nur m\u00f6chte die Benennung kaum dem recht entsprechen, was hier augenscheinlich gemeint ist. Ich denke nicht in erster Linie daran, dafs der von manchen so gern gebrauchte Ausdruck \u201ePh\u00e4nomen\u201c dadurch leicht undeutlich werden kann, dafs das \u201ePh\u00e4nomenen\u201c nicht nur dem \u201eNoumenon\u201c, sondern das \u201ePh\u00e4nomenale\u201c auch wohl dem \u201eDispositioneilen\u201c gegen\u00fcbergestellt wird. N\u00e4her liegt ein anderes Bedenken: geh\u00f6rt eine Yerschiedenheit, ja auch nur eine Anzahl, streng genommen, wirklich ins Gebiet des \u201ePh\u00e4nomenalen\u201c? Es geht doch nicht wohl an, etwas \u201ePh\u00e4nomen\u201c zu nennen, was nicht \u201eerscheinen\u201c kann; und auf den Namen der \u201eErscheinung\u201c hat doch streng genommen nur Anspruch, was durch Wahrnehmung erfafsbar ist. Der Sprachgebrauch ist freilich thats\u00e4chlich nicht ganz so streng : er verwehrt nicht durchaus, etwas Ph\u00e4nomen zu nennen, was in der Zeit verl\u00e4uft, so etwa Bewegungen, ja wohl sogar Zeitstrecken selbst, wenn sie nicht zu ausgedehnt sind. Aber je mehr man derlei mit in Betracht zieht, um so mehr verliert der Begriff des Ph\u00e4nomenalen an Bedeutsamkeit um so mehr kommt zugleich in dem uns hier besch\u00e4ftigenden Falle das Bed\u00fcrfnis zur Geltung, \u00fcber das Gemeinsame ins klare zu kommen, um deswillen wahrnehmbare und anschaulich einzubildende Gr\u00f6fsen hier unter dem Einen Namen der \u201eph\u00e4nomenalen Gr\u00f6fsen\u201c zusammenstehen. Was die Wahrnehmungs vor Stellung en mit den anschaulichen EinbildungsVorstellungen zun\u00e4chst gemein haben, ist ohne Frage eben die Anschaulichkeit; es d\u00fcrfte darum in der That sowohl den Intentionen H\u00f6flers, als den Thatsachen besser Bechnung getragen werden, wenn wir im Folgenden von \u201eanschaulich vorstellbaren Gr\u00f6fsen\u201c gegen\u00fcber solchen reden, die nicht anschaulich vorstellbar sind. Dafs ich mir vier Teilstriche an einem Gradbogen oder die Distanz im Betrage eines Zentimeters anschaulich vorstellen kann, daran zweifelt ja auch\n1 \u201ePsychische Arbeit/' Diese Zeitschr. Bd. VIII. S. 49. (S. 6 des S onderab druckes.)","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"tj ber die Bedeutung des W eher sehen Gesetzes.\n87\nder nicht, der nicht zuzugeben verm\u00f6chte, dafs eine Anzahl oder eine Verschiedenheit zu dem im strengen Sinne Wahrnehmbaren geh\u00f6rt.\nDadurch ist nat\u00fcrlich keineswegs in Frage gestellt, dafs im Gebiete des Anschaulichen dem Wahrnehmbaren etwas wie eine Art Pr\u00e4rogative zukommt. Sicherlich kann man, was anschauliche Gr\u00f6fsen seien, durch nichts deutlicher machen, als durch den Hinweis etwa auf die der Wahrnehmung so h\u00e4ufig sich darbietenden \u201eIntensit\u00e4ten\u201c, wie sie an Vorstellungsgegenst\u00e4nden z. B. als Tonst\u00e4rke, W\u00e4rme- und K\u00e4ltest\u00e4rke (ein gebr\u00e4uchlicheres Wort, das physikalische Nebengedanken an Temperaturgrad oder gar W\u00e4rmemenge gen\u00fcgend ausschl\u00f6sse, steht nicht zu Gebote), \u00fcbrigens aber auch an psychischen Thatsachen, die nicht dem Vorstellungsgebiet zugeh\u00f6ren, hervortreten, was wenigstens mit R\u00fccksicht auf die Gef\u00fchle V04 niemandem in Zweifel gezogen wird. Beispielen gegen\u00fcber, die eine so deutliche Sprache reden, braucht sich die Theorie um eine Legitimation f\u00fcr die Aufstellung der ersten der beiden obigen Gr\u00f6fsenklassen weiter nicht zu bem\u00fchen.\nBei weitem nicht so einfach stehen indes die Dinge in betreff der zweiten Klasse. Um Beispiele von \u201eGr\u00f6fsen\u201c, die sich nicht anschaulich vorstellen lassen, wird freilich auch hier niemand verlegen sein: man braucht sich etwa nur elementarer physikalischer Begriffe, wie des der lebendigen Kraft, der mechanischen Arbeit oder dergl. zu erinnern. Die Frage ist aber, ob diese zweifellos der Anschaulichkeit entbehrenden Konzeptionen auch als besondere, eigenartige Ausgestaltungen des Gr\u00f6fsengedankens anerkannt werden k\u00f6nnen. Die Gepflogenheit der Physiker, dergleichen Begriffe einfach durch die betreffenden Formeln zu definieren, erzeugt den Anschein und ist sicher auch vielfach der Meinung entsprungen, \u201elebendige Kraft\u201c sei \u00fcberhaupt gar nichts anderes als das Produkt aus Masse und Quadrat der Geschwindigkeit, mechanische Arbeit sei nichts weiter als das Produkt von Kraft (Spannung1) und Weg u. s. f. Was sich da der Benennung nach als verschiedene Gr\u00f6fsenarten darstellt, w\u00e4ren im Grunde nichts als Rechnungsergebnisse, also zuletzt Zahlengr\u00f6fsen, an deren Natur die besondere Bedeutung der Zahlenwerte, aus denen\n1 Vergl. H\u00f6fler, a. a. O. S. 46. (S. 3 des Sonderabdruckes.)","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nA. Meinong.\nheraus sie durch Rechnung gewonnen sind, nichts zu \u00e4ndern verm\u00f6chte.\nMan k\u00f6nnte hier sogar noch einen Schritt weiter gehen, der nicht unerw\u00e4hnt bleiben mag, weil er dem bekanntlich immer noch nicht gerade seltenen Bed\u00fcrfnisse gem\u00e4fs w\u00e4re, den psychischen Thatsachen gegen\u00fcber, solange es nur irgend angeht, Vogel Straufs zu spielen. Es liefse sich n\u00e4mlich die Frage aufwerfen, ob wir in den angeblichen Begriffen der Geschwindigkeit, Beschleunigung, Arbeit etc. denn wirklich Begriffe, und nicht vielmehr blofs formelhafte, geschriebene oder gesprochene Zusammenfassungen von Daten vor uns haben, die gar nicht zu einem bestimmten Gedanken vereinigt auf-treten m\u00fcfsten. Ihre Bedeutung l\u00e4ge dann einfach in den in sie aufgenommenen numerischen Einzelbestimmungen, die zusammen nichts weiter ausmachten, als was ich in anderem Zusammenh\u00e4nge1 als \u201eobjektives Kollektiv\u201c bezeichnet habe. Wie wenig indes, wenn man der Geschwindigkeit gegebenen Falles einen bestimmten Wert zuspricht, damit etwa ein bestimmter Wert von s mit einem bestimmten Wert von t einfach zusammen angegeben sein will, erhellt einfach daraus, dafs die n\u00e4mliche Geschwindigkeit bei den verschiedensten Betr\u00e4gen von s und t und beliebig verschiedene Geschwindigkeit bei dem n\u00e4mlichen Werte von s oder t vorliegen kann.\nPsychologischer w\u00e4re da schon die Annahme, \u201eGr\u00f6fsen\u201c der in Rede stehenden Art seien immerhin bestimmte, gleichviel, ob in mehr oder weniger eigenartiger Weise vorgestellte Komplexionen, ihre Bezeichnung als Gr\u00f6fsen aber sei nur ein ungenauer Ausdruck daf\u00fcr, dass dieselben eine anschaulich vorstellbare Gr\u00f6fse oder deren mehrere zum Bestandst\u00fcck haben. So k\u00f6nnte man etwa beim Begriffe der Ver\u00e4nderung das Mehr und Weniger, das man dieser zuzuschreiben pflegt, als das Mehr und Weniger der Distanz verstehen, die zwischen dem Ausgangs- und Endpunkte der Ver\u00e4nderung besteht. Aber was in diesem besonderen Falle die Annahme am meisten empfiehlt, ist am Ende doch die Voraussetzung, dafs der wesentlich negative Charakter des Ver\u00e4nderungsbegriffes2 eine eigentliche\n1\t\u201eBeitr\u00e4ge zur Theorie der psychischen Analyse.\u201c Diese Zeitschr\u201e Bd. VI. S. 352 f. (S. 13 f. des Sonderabdruckes.)\n2\tNegativ nat\u00fcrlich nicht etwa deshalb, weil der Gedanke \u201eVer\u00e4nderung oder \u00dcbergang des A in JBU ein _B verlangt, das vom A verschieden","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die Bedeutung des W eher sehen Gesetzes.\n89\nSteigerungsf\u00e4lligkeit ausschliefse. Nun bedeutet aber bereits das Limitieren gegen Null, das wir den Gr\u00f6fsen charakteristisch gefunden haben, eine Art \u00dcbergang zwischen Dasein und Nicht-Dasein, so seltsam, ja fast absurd sich der Gedanke anzulassen droht; es wird also am Ende auch bei der Ver\u00e4nderung Daum f\u00fcr einen \u00dcbergang gestattet werden k\u00f6nnen. Was aber die in Bede stehende Gr\u00f6fsenauffassung im allgemeinen betrifft, so tritt deren Unhaltbarkeit sofort zu Tage, sobald man eine Komplexion aus mehr als einer Gr\u00f6fsenbe-stimmung als Bestandst\u00fcck vor sich hat. Der oben an s und t illustrierte Einwand liefse sich mutatis mutandis auch hier Vorbringen; es fehlte eben jeder Anhaltspunkt, weshalb man die auf die Komplexion bezogene Quasi-Gr\u00f6fsenbestimmung lieber nach dem einen als nach dem anderen der gewisser-mafsen konkurrierenden Bestandst\u00fccke vornehmen sollte.\nEs wird also wirklich nichts anderes \u00fcbrig bleiben, als anzuerkennen, dafs, was man sich unter Beschleunigung, mechanischer Arbeit u. s. f. vorstellt, Gr\u00f6fsen sind; es wird dies auch nicht leicht bestritten werden, aber eben unter der oben ber\u00fchrten Voraussetzung, dafs es, streng genommen, Zahlen-gr\u00f6fsen, Gr\u00f6fsen unbenannter Zahlen sind und nichts als dieses. Unbenannt n\u00e4mlich scheinen diese Produkte, Quotienten etc. doch besten Palles sein zu m\u00fcssen, da sich der Weg nicht durch die Zeit dividieren, die Masse nicht mit der Geschwindigkeit multiplizieren l\u00e4fst1, sonach ein Absehen von allen Zahlenbenennungen aufser etwa einer einzigen unerl\u00e4fslich, das Zur\u00fcckbehalten dieser einzigen aber augenscheinlich willk\u00fcrlich w\u00e4re. Daran ist nur zweifellos so viel richtig, dafs es sich hier sehr h\u00e4ufig um Gr\u00f6fsen handelt, die durch Zahlen pr\u00e4zisierbar sind, aber f\u00fcr keinen dieser F\u00e4lle ist, soweit ich sehe, die Un-benanntheit der betreffenden Zahlen zuzugeben. Es ist um nichts weniger unnat\u00fcrlich, die Beschleunigung als etwa den\nist, und weil sich diese Verschiedenheit auch im Satze: \u201eJ5 ist nicht A\u201c ausdr\u00fccken liefse. Aber um Ver\u00e4nderung zu denken, gen\u00fcgt es ja nicht, an zwei verschiedene Objekte zu denken; es ist auch erforderlich, dafs das B an Stelle des A trete, das A gleichsam ersetze, und darin liegt vor allem, dafs das A zu existieren aufh\u00f6rt, bevor B zu existieren anf\u00e4ngt. Der so unerl\u00e4fsliche Gedanke der \u201eNichtexistenz des A\u201c ist die im Text gemeinte Negation.\n1 Vergl. auch v. Kries a. a. O. S. 262.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nA. Meinong.\ngemessenen \"Weg oder die gemessene Zeit f\u00fcr eine blofse Zahl zu erkl\u00e4ren; einigermafsen sorgf\u00e4ltige Beachtung dessen, was man das eine und das andere Mal wirklich denkt, lehrt dies unmittelbar. Die Beantwortung der Frage, was denn sonach bei numerisch bestimmter Beschleunigung, Dichte und dergl. eigentlich gez\u00e4hlt werde, m\u00fcfste darum noch gar nicht sich von selbst darbieten. Doch scheint mir ein erster Aufschlufs hier\u00fcber gleichfalls nicht allzu schwer zu gewinnen.\nAugenscheinlich ist die Hauptfrage diese: wenn hier wirklich benannte Zahlen vorliegen, welcher Art sind die Benennungen, \u2014- anders ausgedr\u00fcckt: welcher Art sind die zahlen-m\u00e4fsig bestimmten Komplexionen, in denen die zahlenm\u00e4fsig bestimmten, \u00fcbrigens von Natur anschaulichen Gr\u00f6fsen hier vereinigt vorgestellt werden? Da die Komplexionsgr\u00f6fse jedesmal als Funktion der Bestandst\u00fcckgr\u00f6fsen auftritt, so verspricht die Natur dieser Funktion in jedem Einzelfalle den n\u00e4chsten Anhaltspunkt zu bieten; es kommt also darauf an, warum gegebenen Falles gerade diese Funktion auftritt und keine andere. Warum bestimmt man etwa die lebendige Kraft gerade durch das (halbe) Produkt von Masse und Quadrat der Geschwindigkeit, warum die Geschwindigkeit gerade durch den Quotienten von t in s, \u2014 warum nicht lieber die Geschwindigkeit durch ein Produkt, die lebendige Kraft durch einen Quotienten aus den betreffenden Variablen?\nMan wird dies zun\u00e4chst durch den Hinweis darauf begr\u00fcnden wollen, dafs man eben jenes Produkt und nichts anderes lebendige Kraft, diesen Quotienten und nichts anderes Geschwindigkeit genannt habe. Bei der hohen, meines Erachtens allerdings viel zu hohen Meinung, die man, gest\u00fctzt auf wirkliches oder vermeintliches Vorgehen der Mathematik, sich in betrefi der Definitionsfreiheit gebildet hat \u2014 man k\u00f6nnte geradezu von einer Art Definitions-Indeterminismus reden \u2014, darf dieser Bescheid auf die Zustimmung rechnen, die sonst nur Selbstverst\u00e4ndlichem zu teil wird. Gleichwohl wird man sich dar\u00fcber nicht t\u00e4uschen k\u00f6nnen, dafs bei derlei \u201eBenennungen\u201c Freiheit so wenig als sonst irgendwo ein Hecht auf Willk\u00fcr begr\u00fcndet : auch der Nicht-Physiker wird es wagen d\u00fcrfen, sich zur Rechtfertigung seines Gegensatzes gegen die unter den Physikern zur Zeit wohl noch vorherrschende Meinung auf die empirisch festgestellte Bedeutsamkeit oder Brauchbarkeit der betreffenden","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n91\nZusammenstellungen f\u00fcr Beschreibung und Erkl\u00e4rung zu berufen, wobei zu der hierher geh\u00f6rigen Empirie sicherlich auch die bei rechnerischer Bearbeitung eines Problems erwachsenden Bed\u00fcrfnisse zu z\u00e4hlen sind. Immerhin darf man aber nicht besorgen, dabei etwa alle fachm\u00e4fsigen Vertreter der Physik gegen sich zu haben; das beweist der Ausspruch Poskes,1 * \u201edafs jeder physikalische Begriff eine anschauliche Grundlage hat, und dafs der Zusammenhang mit dieser Grundlage nicht aufgehoben werden darf, wenn das volle Verst\u00e4ndnis des Begriffes erhalten bleiben soll. So bedeutet Geschwindigkeit nicht den\nQuotienten \u2014, der an sich v\u00f6llig sinnlos ist, sondern vielmehr\nv\neinen eigenartigen Zustand eines K\u00f6rpers, dessen genaue Messung mit H\u00fclfe dieses Quotienten m\u00f6glich wird; so bedeutet Masse\nnicht \u2014, sondern eine Eigenschaft, verm\u00f6ge welcher ein K\u00f6rper\nunter der Einwirkung einer bestimmten Kraft eine bestimmte\nBeschleunigung erf\u00e4hrt......u\nF\u00fcr unsere auf den den betreffenden Formeln wesentlichen Gedanken gerichtete Fragestellung verdient hier insbesondere der Hinweis auf die \u201eanschauliche Grundlage4\u201c Erw\u00e4gung. Naheliegende Erfahrungen kommen diesem Hinweise zu statten. Es bedarf nur eines Blickes auf das Alltagsdenken, um sich davon zu \u00fcberzeugen, dafs der Gegensatz von Geschwind und Langsam diesem Denken gar wohl bekannt ist, die Formel der Mechanik dagegen nicht, \u2014 und dafs jener Gegensatz ebenso der Anschauung oder wenigstens Anschaulichkeit zug\u00e4nglich ist, wie die Bewegung selbst, als deren n\u00e4here, eben quantitative Bestimmung die Geschwindigkeit sich darstellt. Ganz \u00c4hnliches ist von der Dichte zu sagen. Was es heifsen soll, dafs eine Allee mehr oder weniger dicht mit B\u00e4umen bepflanzt sei, oder dafs sich die Menschen mehr oder weniger dicht in einem engen Baume zusammendr\u00e4ngen mufsten u. der gl., versteht jedermann, ohne entfernt an einen Quotienten zu denken. Den Unterschied nicht nur bei einem quantum discretum, einer Menge, zu machen, sondern auch bei einem quantum continuum, f\u00e4llt dem Nicht-Physiker freilich nicht mehr ebensoleicht; aber vielleicht unterscheidet sich auch hier der Physiker oft nur dadurch vom\n1 Zeitschr f. d. physik. u. ehern. Unterr. Jahrg. III. S. 161, zitiert von\nA. H\u00f6eler im VIII. Jahrgang derselben Zeitschrift. S. 125.","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\nA. Meinong.\nLaien, dafs er sich den Schritt vom Discretum zum Continuum etwa durch eine atomistische Theorie zu ersparen hofft. Nat\u00fcrlich sind nun Beispiele dieser Art, deren sich mehr anf\u00fchren liefsen, nicht so zu verstehen, als ob das aufser-physikalische Yorsteilen den Geschwindigkeitsgedanken ohne Weg und Zeit, den Dichtegedanken ohne Baum und Baumerf\u00fcllung zu konzipieren verm\u00f6chte. Wer an Geschwindigkeit denkt, denkt sicherlich an Weg und an Zeit; aber er stellt Weg und Zeit nicht etwa blofs gleichsam nebeneinander vor, sondern in engster Verbindung, genauer, in einer Belation, verm\u00f6ge welcher1 sie sich zu einem Vorstellungsgebilde h\u00f6herer Ordnung zusammenschliefsen, zu einer derjenigen Komplexionen, f\u00fcr welche der von Ehrenfels entdeckte2 Thatbestand der Inhaltsfundierung wesentlich ist. Geschwindigkeit, Dichte und vieles andere wird vom theoretisch Naiven gedacht verm\u00f6ge fundierter Inhalte;3 und was die mathematische Bearbeitung dieser Gedanken, die \u00dcbertragung derselben in die Formelsprache, zun\u00e4chst leistet, ist nichts weiter, als die Pr\u00e4zisierung jener Gr\u00f6fsenrelationen, die zwischen den fundierenden Gr\u00f6fsen und der fundierten Gr\u00f6fse verm\u00f6ge der Natur der betreffenden Komplexion bestehen.\nLiefse sich nun freilich das am einzelnen Beispiele Dar-gethane auch auf alle \u00fcbrigen F\u00e4lle \u00fcbertragen, dann h\u00e4tte dieses Ergebnis mindestens f\u00fcr den gegenw\u00e4rtigen Zusammenhang ein Zuviel aufzuweisen. Wir h\u00e4tten es da am Ende aus-schliefslich mit anschaulichen Gr\u00f6fsen zu thun, indes unser gegenw\u00e4rtiges Absehen doch auf die unanschaulichen Gr\u00f6fsen gerichtet ist. Inzwischen ist weder anzunehmen, dafs das anschauliche Denken allen physikalischen Grundformeln durch entsprechende fundierte Inhalte voranzugehen oder auch nur zu folgen verm\u00f6chte, noch dafs dort, wo Anschaulichkeit innerhalb gewisser Grenzen zu erzielen ist, diese auch \u00fcber alle\n1\tVergl. meine Ausf\u00fchrungen \u201eZur Psychologie der Komplexionen und [Relationen\u201c. Diese Zeitschr. Bd, II. S. 254.\n2\t\u201e\u00dcber Gestaltqualit\u00e4ten\u201c. Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 1890. S. 249 ff.\n3\tAusgesprochen von A. H\u00f6fler in dem Vortrage \u00fcber \u201eEinige n\u00e4here und fernere Ziele f\u00fcr die Weiterbildung des physikalischen Unterrichtes am Gymnasium\u201c in der Zeitschr. f. d. physik. u. ehern. Unterr. Jahrg. VIII. S. 125 f. \u2014 Vergl. auch desselben Autors Ausf\u00fchrungen \u00fcber \u201eKr\u00fcmmungskontrast\u201c. Diese Zeitschr. Bd. X. S. 108.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n93\nGrenzen hinaus zu bewahren w\u00e4re. Und zwar gilt dies nicht nur von den Grenzen gegen oben und gegen unten, sondern eventuell auch von Bestimmungen ganz anderer Art. Um z. B. nochmals an den Gedanken der Geschwindigkeit anzukn\u00fcpfen, so steht wohl aufser jedem Zweifel, dafs Bewegung in jenem eigentlichsten Sinne, dem gegen\u00fcber sich z. B. der Gedanke der Wellenbewegung als eine ganz unverkennbare Erweiterung darstellt, mehr ist als blofse Succession kontinuierlich ineinander \u00fcbergehender Ortsbestimmungen, da ihr ja auch die Identit\u00e4t dessen wesentlich ist, das die verschiedenen Orte hintereinander einnimmt, das \u201esich bewegt\u201c. Diese Identit\u00e4t des zeitlich Verschiedenen ist wohl niemals anschaulich zu erfassen, und wo sie nicht mit in Betracht gezogen ist, kann man, streng genommen, h\u00f6chstens von Scheinbewegung1 sprechen. Insofern ist, streng genommen, auch nicht die Geschwindigkeit, sondern eine im eben bezeichneten Sinne zu nehmende \u201eScheingeschwindigkeit\u201c eine anschaulich vorstellbare Gr\u00f6fse. Ganz Analoges w\u00e4re vom Begriff der Dichte in jenem wohl wieder mit besonderem Hechte als \u201eeigentlich\u201c zu bezeichnenden Sinne zu sagen, der den jedenfalls unanschaulichen Massengedanken mit in sich fafst.\nBleibt so die Anschaulichkeit bereits Determinationen gegen\u00fcber zur\u00fcck, welche die Sph\u00e4re des Alltagsdenkens eben erst, wenn \u00fcberhaupt, \u00fcberschreiten, so d\u00fcrfen wir gegen\u00fcber der Gesamtheit der mathematisch-physikalischen Konzeptionen vollends keinen Irrtum besorgen, indem wir ihrer unter dem Gesichtspunkte der unanschaulichen Gr\u00f6fsen gedenken. Zweierlei\n1 Einen wenigstens didaktisch sicher nicht wertlosen Fall solch anschaulicher Scheinbewegung erlebt man so ziemlich bei jeder Eisenbahnfahrt, wo die Telegraphendr\u00e4hte neben der Bahntrace laufen. Namentlich, wenn man nicht unmittelbar am Fenster sitzt, gewinnt man da bekanntlich sehr oft den Eindruck einer bald langsameren, bald rascheren Auf- oder Abw\u00e4rtsbewegung der Dr\u00e4hte, was bei dem Umstande, dafs der Eisenbahnzug sich relativ zu seiner ruhenden Umgebung doch nur horizontal bewegt, zun\u00e4chst befremden k\u00f6nnte. Nat\u00fcrlich ist das Charakteristische der ganzen Erscheinung darin begr\u00fcndet, dafs unmerklich immer neue St\u00fccke des Drahtes ins Gesichtsfeld treten, so dafs eben die oben betonte Identit\u00e4t in Wahrheit nicht vorliegt. Gerade ihrer Einfachheit halber verdient diese Erfahrung, wenn ich recht sehe, ins psychologische Laboratorium verpflanzt zu werden, was nat\u00fcrlich mit leichter M\u00fche zu bewerkstelligen ist. (Vergl. z. B. E. Mach, \u201eLeitfaden der Physik f\u00fcr Studierende\u201c. S. 91. Fig. 118, 8.)","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nA. Meinong.\njedoch m\u00f6chte durch den Hinweis auf den Anteil des Anschaulichen an jenen Konzeptionen im Interesse richtiger W\u00fcrdigung der letzteren geleistet sein. Ist es ein Fortschritt des unanschaulichen Denkens, die Grenzen zu \u00fcberschreiten, die dem anschaulichen gesteckt sind, erkennt man zugleich das damit verbundene Aufgeben des Anschaulichkeitsvorzuges als Mangel, so bedeuten diese unanschaulichen Konzeptionen Auf-gaben f\u00fcr anschauliches Vorstellen, die f\u00fcr ideal gesteigerte F\u00e4higkeiten keineswegs unl\u00f6sbar heifsen d\u00fcrften. Dann aber, und vor allem: mag man die Bedeutung dieser unanschaulichen Konzeptionen in jenen, man k\u00f6nnte sagen, psychologischen Idealen erblicken, denen sie gleichsam zustreben, oder, was dem Physiker sicherlich n\u00e4her liegen wird, in den \u201eeigenartigen Zust\u00e4nden der K\u00f6rper\u201c, die mit ihrer H\u00fclfe erfafst werden k\u00f6nnen, in keinem Falle wird man weiter noch Neigung haben, das Ganze \u00fcber seine Teile, \u201eden Wald vor lauter B\u00e4umen\u201c zu \u00fcbersehen.\nMan kann also allgemein von den unanschaulich vorgestellten Gr\u00f6fsen der Physik, nat\u00fcrlich ebenso von analog gebildeten Konzeptionen anderer Wissenschaften, sagen: sie werden erfafst nicht durch Zahlen oder Formeln, auch nicht durch die Vorstellung von Zahlen oder Formeln, sondern durch die Vorstellung eines Gegenstandes h\u00f6herer Ordnung, an dem von Natur anschaulich vorstellbare (und mefsbare) Objekte niederer Ordung in solchen Delationen beteiligt sind, dafs die Gr\u00f6fse des Gegenstandes h\u00f6herer Ordnung in der durch die betreffende Formel ausgedr\u00fcckten Weise mit den Gr\u00f6fsen der Gegenst\u00e4nde niederer Ordnung variiert.1 In diesem Sinne w\u00e4re z. B. mechanische Arbeit zu bestimmen als \u201eetwas, das sich auf Weg und Spannung in der Weise aufbaut, dafs seine Gr\u00f6fse durch das Produkt aus den Mafszahlen dieser beiden Bestandst\u00fccke gegeben ist\u201c. \u00dcber die Natur dieses \u201eetwas\u201c w\u00e4re durch so indirekte Charakteristik freilich wenig genug ausgemacht, \u2014 immerhin aber so viel, dafs die mechanische Arbeit nicht etwa dieses Produkt selbst ist.\nNachtr\u00e4glich mag nun aber der \u00dcbersch\u00e4tzung der Bedeutung der Zahl f\u00fcr die unanschaulichen Gr\u00f6fsen auch noch\n1 Die fundamentale Bedeutung des sie\u00eei Mer aufdr\u00e4ngenden Begriffes der 0rdnungsli\u00f6lie bei Gegenst\u00e4nden (resp. Inbalten) darzulegen, mufs ich einer anderen Gelegenheit Vorbehalten.","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n95\ndie Thatsache entgegen gehalten sein, dafs es unanschauliche Gr\u00f6fsen genug giebt, die sich als Zahlengr\u00f6fsen einfach deshalb nicht auffassen lassen, weil sie einer zahlenm\u00e4fsigen Bestimmung, sei es zur Zeit, sei es \u00fcberhaupt, unf\u00e4hig sind. Nichts ist z. B. nat\u00fcrlicher, als einem Dinge bald mehr, bald weniger Wert zuzuschreiben, und von der so zweifellos vorliegenden Wertgr\u00f6fse l\u00e4fst sich zeigen, dafs sie eine h\u00f6chst einfache Funktion zweier Variablen ist, der St\u00e4rke des G-ef\u00fchls, das sich an dasWissen um die Existenz, und der St\u00e4rke des Gef\u00fchls, das sich an das Wissen um die Nicht-Existenz des betreffenden Dinges kn\u00fcpft.1 Aber wir sind gegenw\u00e4rtig ganz aufser st\u00e4nde, die Gr\u00f6fsen dieser Variablen durch Zahlen\u00e4quivalente auszudr\u00fccken; die Wertgr\u00f6fse ist also unm\u00f6glich eine Zahlengr\u00f6fse, indes die Unanschaulichkeit dem Wertgedanken gerade durch die gegens\u00e4tzliche Natur der in denselben einbezogenen, untereinander unvertr\u00e4glichen Sachlagen garantiert ist.\nAls Nebenergebnis unserer Erw\u00e4gungen verdient vielleicht noch ausdr\u00fccklich bemerkt zu werden, dafs auf dem Gebiete der unanschaulichen Gr\u00f6fsen die Definition, vielleicht k\u00f6nnte man allgemeiner sagen, die absichtliche Gedankenbildung bei weitem nicht unumschr\u00e4nkte Herrschaft hat. Ich habe gelegentlich2 die Komplexionen in vorfindliche und erzeugbare unterschieden; es bleibe hier dahingestellt, ob den zwei so gebildeten Komplexionsklassen in jeder Hinsicht die Bedeutung von Grundklassen zukommt. Im gegenw\u00e4rtigen Zusammenh\u00e4nge wenigstens scheint die Gegen\u00fcberstellung das Wesentliche zu treffen, und man kann sagen : es w\u00e4re unrichtig, an den Vorstellungen unanschaulicher Gr\u00f6fsen alles f\u00fcr Kunstprodukt zu halten, und es steht zu vermuten, dafs auch hier, wie sonst, die Natur das Beste vorgegeben und der menschlichen Intelligenz, zun\u00e4chst Kombinationsf\u00e4higkeit, weit weniger Anlafs, ja auch nur Gelegenheit zum freien Walten geboten hat, als man, vielleicht nicht ohne einen geheimen Zusatz von Selbstgef\u00e4lligkeit, zu glauben geneigt w\u00e4re.\nEs w\u00e4re sicher ein verdienstliches Unternehmen, dem Anteil\n1\tYergl. meine Ausf\u00fchrungen \u201e\u00dcber Werthaltung und Wert\u201c im Arch. f. systemat. Philos. Bd. I. S. 327 ff. \u2014 als Nachtrag zu meinen Psychologisch-ethischen Untersuchungen zur Wert- Theorie\u201c. G-raz. 1894.\n2\t\u201ePhantasie-Vorstellung und Phantasie\u201c in der Zeitschr. f. Philos. u. philos. Kritik. 1889. Bd. 95. S. 175.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nA. Meinong.\ndes sozusagen Nat\u00fcrlichen und K\u00fcnstlichen in den unanschaulichen Gr\u00f6fs enge danken mit ausreichender Genauigkeit analysierend nachzugehen; schon aus dem wenigen hier Beigebrachten erhellt, dafs dieser Anteil keineswegs in allen F\u00e4llen der gleiche ist. Allen scheint noch eine Eigent\u00fcmlichkeit zuzugeh\u00f6ren, die ich nicht unerw\u00e4hnt lassen m\u00f6chte, obwohl sie eher zu Ungunsten als zu Gunsten des hier doch zun\u00e4chst betonten Momentes der \u201e Nat\u00fcrlichkeita gedeutet werden k\u00f6nnte. Ich meine den Umstand, dafs die unanschaulichen Gr\u00f6fsen sich nicht direkt, sondern nur indirekt vergleichen lassen, genauer, dafs nur die indirekte Vergleichung zu Ergebnissen, zun\u00e4chst evidenten Urteilen f\u00fchrt. Direkt m\u00fcssen die Bestandst\u00fccke verglichen und aus der Natur der Funktion auf das Gr\u00f6fsen-verh\u00e4ltnis der Komplexion geschlossen werden. Davon macht wahrscheinlich auch die Geschwindigkeit keine Ausnahme: was an zwei Bewegungen direkt verglichen wird, m\u00f6chten doch wohl allemal nur Orts- und Zeitbestimmungen sein.\n\u00a73. Teilbare und unteilbare Gr\u00f6fsen.\nDafs im obigen auf einige, die unanschaulichen Gr\u00f6fsen betreffende Probleme, obwohl zu deren L\u00f6sung kaum mehr als ein recht bescheidener Beitrag geliefert werden konnte, hingewiesen worden ist, geschah weit mehr um dieser Probleme selbst, als um ihrer Bedeutung f\u00fcr die Hauptuntersuchung willen, die ihrer Natur nach zun\u00e4chst auf die anschaulichen Gr\u00f6fsen angewiesen ist. Um so wichtiger ist f\u00fcr diese Untersuchung ein anderer Gegensatz innerhalb der verschiedenen Gr\u00f6fsenklassen, und es darf vom Standpunkte eines befriedigenden Fortganges dieser Untersuchungen jedenfalls als willkommener Vorteil be-gr\u00fcfst werden, dafs bei diesem Gegens\u00e4tze ernstliche Schwierigkeiten vorerst nicht zu \u00fcberwinden sind.\nNichts ist gew\u00f6hnlicher, als von der Teilbarkeit gewisser Gr\u00f6fsen zu sprechen : es handelt sich dabei nicht nur darum, dafs man da Komplexionen vor sich hat, an denen sich \u00fcberhaupt Bestandst\u00fccke unterscheiden lassen, die dann als Teile dem Ganzen gegen\u00fcberstehen, sondern auch noch insbesondere darum, dafs die so gewonnenen Teile dem Ganzen gleichartig sind, dafs sie Gr\u00f6fsen sind wie das Ganze und zwar, wie man die bei den Zahlen gebr\u00e4uchliche Ausdrucksweise \u00fcbertragend oder erweiternd sagen k\u00f6nnte, gleichbenannte Gr\u00f6fsen. B\u00e4um-","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n97\nliehe und zeitliche Strecken bieten die gel\u00e4ufigsten und zugleich durchaus einwurfsfreie Beispiele: jeder Baum \u201ebestehtu aus B\u00e4umen, jede Zeit aus Zeiten, womit nat\u00fcrlich keineswegs gesagt sein mufs, dafs die gr\u00f6fseren B\u00e4ume und Zeiten erst irgendwie aus den kleineren hervorgegangen, durch explizite Zusammensetzung entstanden anzunehmen sind. Jede Strecke hat Strecken zu Bestandst\u00fccken, und diese wieder Strecken u. s. f. ins Unendliche ; von dem aber, was man namentlich aufserhalb der Theorie als Teile eines Zusammengesetzten anzuerkennen pflegt, unterscheiden sie sich charakteristisch dadurch, dafs sie, wie man kurz sagen kann, implizite Bestandst\u00fccke sind.\nWeit minder popul\u00e4r, \u00fcbrigens gleichfalls nichts weniger als neu ist nun aber die Thatsache, dafs es auch G-r\u00f6fsen giebt, bei denen von einer Teilb\u00e4hkeit im obigen Sinne in keiner Weise die Bede sein kann. Es h\u00e4tte keinen Sinn, von einem lauten Ger\u00e4usch zu sagen, es enthalte ein leises von \u00fcbrigens genau der n\u00e4mlichen Qualit\u00e4t als Teil in sich, falls man dabei nicht etwa sehr ungenauerweise die physischen Erreger des Ger\u00e4usches im Auge hat. Das Gleiche gilt von der st\u00e4rkeren W\u00e4rme oder K\u00e4lte gegen\u00fcber der schw\u00e4cheren, vom gr\u00f6fseren Schmerz gegen\u00fcber dem kleineren u. s. f. Man hat auf Grund dessen Thatbest\u00e4nden dieser Art geradezu den Gr\u00f6fsencharakter absprechen wollen;1 haben wir aber einmal die F\u00e4higkeit, gegen die Null zu limitieren, als Gr\u00f6fsenkriterium anerkannt, so ist an den Ausschlufs solcher F\u00e4lle aus dem Gr\u00f6fsengebiete weiter gar nicht zu denken. In der That entspricht es durchaus dem Herkommen, sie als intensive Gr\u00f6fsen den erstber\u00fchrten als extensiven Gr\u00f6fsen gegen\u00fcberzustellen. Es ist aber mindestens sehr fraglich, ob sich alles, was Gr\u00f6fse ist, zwanglos unter die beiden Titel des Extensiven und Intensiven einordnen l\u00e4fst; dagegen hat man die Gew\u00e4hr einer vollst\u00e4ndigen Disjunktion, wenn man der Klasse der teilbaren Gr\u00f6fsen die der unteilbaren gegen\u00fcberstellt,2 die beiden Ausdr\u00fccke bieten wenigstens f\u00fcr unsere n\u00e4chsten Zwecke zugleich den Vorteil, den f\u00fcr sie fundamentalen Umstand ausdr\u00fccklich namhaft zu machen.\n1\tSo Exker und Boas, vergl. oben S. 82. Anm. 1.\n2\tVergl. auch Ehrexfels in der Vierteljahrsschr. f. iviss. Philos. 1891. S. 30], und bereits J. v. Kries im Jahrgang 1882 derselben Zeitschrift. S. 278 f.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XI.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nA. Meinong.\nWie wenig die Gegen\u00fcberstellung des Extensiven und Intensiven, solange man diese Begriffe nicht erweitert, die Ge-samtbeit der (anschaulichen) Gr\u00f6fsen in sich fafst, beweisen die im Vorhergehenden so oft genannten Zahlen, von denen hier \u00fcbrigens vorerst nat\u00fcrlich nur die wenigen in Betracht kommen, die dem direkten, anschaulichen Vorstellen zug\u00e4nglich sind\u00bb Dagegen wird man nicht Anstand nehmen, die Zahlen zu den teilbaren Gr\u00f6fsen zu rechnen mit Ausnahme der Einheit, die von Natur unteilbar ist. Gegen\u00fcber den Streckengr\u00f6fsen verdient Beachtung, dafs man es hier mindestens nicht aus-schliefslich mit impliziten Bestandst\u00fccken zu thun hat: in der Zahlengr\u00f6fse F\u00fcnf findet sich die Zahlengr\u00f6fse Drei als implizites Bestandst\u00fcck, indes die f\u00fcnf Einheiten durchaus den Charakter expliziter Bestandst\u00fccke an sich tragen.\nSehr wichtig ist die Frage/\" ob Verschiedenheiten oder Distanzen zu den teilbaren oder zu den unteilbaren Gr\u00f6fsen geh\u00f6ren; doch scheint mir die Beantwortung ohne Schwierigkeit und ohne den geringsten Zweifel m\u00f6glich. Man mufs zu diesem Ende nur den Distanzgedanken klar erfassen und sich namentlich davor h\u00fcten, den Streckengedanken unvermerkt an dessen Stelle treten zu lassen, was insbesondere bei Distanzen zwischen Raum- oder Zeitpunkten eine sehr naheliegende Gefahr ist.1 Dennoch wird ja sicher niemand dar\u00fcber im ungewissen sein, dafs der Gedanke an die Verschiedenheit zweier Punkte im Raume etwas anderes ist, als der Gedanke an die zwischenliegende Strecke, mag eines durch das andere auch noch so eindeutig bestimmt sein. H\u00e4lt man also Distanz und Strecke wohl auseinander, dann erkennt man mit unmittelbarer Evidenz, dafs eine Verschiedenheit, eine Distanz in Verschiedenheiten teilen ganz denselben Ungedanken bedeutet, als die Tonst\u00e4rke in Teile zerlegen. Distanz ist eine unteilbare Gr\u00f6fse, \u2014 ein Satz, der \u00fcbrigens wahrscheinlich auch daraus zu deduzieren w\u00e4re, dafs Distanz eine Relation ist. Eine Relation kann n\u00e4mlich zu allerlei Komplexionen Bestandst\u00fcck sein, aber man wird so gebildete Komplexionen schwerlich je im eigentlichen\n1 Vergl. auch K. Zindler, \u201eBeitr\u00e4ge zur Theorie der mathematischen Erkenntnis\u2019\u201c Sitzungsber. d. Je. \u00c4kad. d. Wiss. in Wien, Philos.-hist. KL Bd. CXVIII. 1889. S. 4 ff. des Sonderabdruckes ; dazu die Bemerkungen A. H\u00f6flers in der Anzeige der genannten Schrift in Jahrgang 1890 der Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. S. 497 f.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fcber die Bedeutung des Weber sehen Gesetzes.\n99\nSinne noch. Relationen nennen k\u00f6nnen; vielmehr scheinen Relationen als solche einfach sein zu m\u00fcssen. Doch soll anf dieses Prinzip hier weiter nicht Bezug genommen werden: die Unteilbarkeit der Distanz verr\u00e4t sich ohne weiteres von selbst. \u00dcbrigens giebt es, soviel mir bekannt, aufser der Verschiedenheit und \u00c4hnlichkeit sonst keine steigerungsf\u00e4hige, also unter die Gr\u00f6fsen geh\u00f6rige Relation.\nFragt man, wie sich die unanschaulichen Gr\u00f6fsen zum Gegens\u00e4tze von Teilbarkeit und Unteilbarkeit stellen, so erhellt sofort, dafs hier den unteilbaren durchaus das \u00dcbergewicht zuf\u00e4llt ; Kbies fafst die meisten derselben ohne weiteres unter dem Namen \u201eIntensit\u00e4ten'4 zusammen.1 Doch giebt es hier jedenfalls auch Teilbares, wie das Beispiel der Masse im Sinne der Mechanik oder das sonst irgend einer \u201eMenge\u201c beweist. Dafs hierhergeh\u00f6rige Relationen namhaft zu machen sind, m\u00f6chte ich auf Grund des eben ber\u00fchrten Prinzipes f\u00fcr sehr unwahrscheinlich halten. Auch in dieser Richtung ist das Gebiet der unanschaulichen Gr\u00f6fsen erst eingehenden Untersuchungen zu unterziehen, die uns aber vom eigentlichen Ziele dieser Darlegungen allzusehr abf\u00fchren w\u00fcrden.\nZweiter Abschnitt.\n\u2022\u2022 _\nUber Vergleichung, insbesondere Gr\u00f6fsenvergleichung.\n\u00a7 4. Wesen des Vergleich ens.\nDer Ausdruck \u201eVergleichen\u201c hat mit vielen anderen Worten, die zun\u00e4chst dem Sprachsch\u00e4tze des t\u00e4glichen Lebens zugeh\u00f6ren, die Eigenschaft gemein, nicht v\u00f6llig eindeutig zu sein. Wer eine Bestellung nach Muster gemacht hat, \u201evergleicht\u201c die erhaltene Ware mit dem Muster, ob sie diesem auch wirklich entspreche; und wenn er zu dem Ergebnis kommt, dafs die erwartete \u00dcbereinstimmung nicht bestehe, so wird doch niemand daran denken, auf Grund dieses Ergebnisses ihm abstreiten zu wollen, dafs er verglichen habe. Gleichwohl h\u00f6rt\n1 Viertel]ahrsschr. f. wiss. Philos. 1882. S. 273.\n7\u00ab","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nA. Meinong.\nman nicht selten die Wendung, zwei Dinge seien so verschieden, dafs sie sich gar nicht \u201evergleichen\u201c lassen; n\u00e4her pr\u00e4zisiert man dann auch wohl die Bedingung f\u00fcr das Vergleichen durch die Forderung eines angemessenen \u201etertium comparationis\u201c. Wieder in anderen F\u00e4llen stellt man dem \u201eVergleichen\u201c das Unterscheiden geradezu als G-egensatz zur Seite, was doch wohl nur so zu verstehen ist, dafs da der Ausdruck \u201eVergleichen\u201c einfach im Sinne von \u201egleich finden\u201c oder wenigstens \u201e\u00e4hnlich, finden\u201c gemeint sei. Solchen Thatsachen gegen\u00fcber empfiehlt es sich, dem theoretischen Gebrauche des Wortes \u201eVergleichen\u201c eine Feststellung vorausgehen zu lassen, wie dasselbe im Folgenden verstanden sein will.\nAlles Thun ist auf ein Ziel gerichtet, dies Wort allgemein (oder ungenau) genug gefafst, dafs eine Begehrung seitens dessen, der \u201ethut\u201c, nicht impliziert ist; alles Thun besteht im Ann\u00e4hern an sein Ziel1 und wird zun\u00e4chst durch nichts nat\u00fcrlicher charakterisiert, als durch dieses Ziel, mag es \u00fcbrigens erreicht werden oder nicht. Auch das Vergleichen ist ein Thun; das Ziel aber, auf das es gerichtet und durch das es v\u00f6llig nat\u00fcrlich und ausreichend bestimmt wird, ist ein Urteil \u00fcber Gleichheit oder Verschiedenheit, \u00c4hnlichkeit oder Un\u00e4hnlichkeit dessen, was eben \u201everglichen\u201c wird. Mit B\u00fccksicht hierauf ist es angemessen, die genannten Belationen unter dem Klassennamen \u201eVergleichungsrelation\u201c2 zu vereinigen; und denkt man sich f\u00fcrs erste den Kamen wirklich nur durch die obige Aufz\u00e4hlung definiert, so kann man, h\u00f6chstens den Schein einer Zirkelbestimmung auf sich nehmend, auch sagen: Vergleichen ist die Th\u00e4tigkeit, welche auf die F\u00e4llung von Vergleichungsrelationsurteilen, k\u00fcrzer von Vergleichungsurteilen, gerichtet ist.\nImmerhin ist aber noch eine wichtige Einschr\u00e4nkung erforderlich. Wer in der Schule \u201egelernt\u201c hat, der M. sei ein hervorragenderer Staatsmann gewesen, als der N., oder das Kunstwerk x nehme einen h\u00f6heren Bang ein, als das Kunstwerk y, der f\u00e4llt eventuell ebenfalls Vergleichungsurteile; und\n1\tVergl. meine Bemerkungen in Bd. VI dieser Zeitschr. S. 449. Dazu die wichtigen Erg\u00e4nzungen H\u00f6flers in Bd. VIII dieser Zeitschr. S. 74 f. (S. 31 \u00a3 des Sonderabdruckes.)\n2\tVergl. meine Ausf\u00fchrungen \u201eZur Belationstheorie\u201c. (.Hume-Studien, II.) S. 76 ff.","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n101\nwenn er sieb, bem\u00fcht, bei Gelegenheit sein Schulwissen wieder hervorzuholen, so liegt auch wohl eine Th\u00e4tigkeit vor, die auf das Yer gleichungsurteil gerichtet ist: dennoch sagt niemand in diesem Falle, er habe \u201everglichen\u201c. Mcht jedes Vergleichungsurteil kann eben als charakteristisches Ziel des Yergleichens betrachtet werden, sondern nur das evidente Yer gl eichungsurteil, und auch dieses nur, sofern dessen Evidenz wesentlich auf die zu beurteilenden Objekte gegr\u00fcndet ist : dem Yergleichungsurteil auf Grund der Erinnerung an fr\u00fcheres Vergleichen mangelt, wenn ich recht sehe,1 nicht jede Evidenz; wer sich aber blofs erinnert, mit Erfolg verglichen zu haben, hat nicht neuerdings verglichen.\nSehen wir im Folgenden von Evidenzf\u00e4llen dieser letzten Art ab, so darf wohl durch umfassendste Empirie beglaubigt gelten, dafs kein evidentes Yer gleichungsurteil ohne Vergleichung zu st\u00e4nde kommt. Dagegen erhellt bereits aus dem oben Gesagten, dafs keineswegs auch umgekehrt jede Vergleichung ein evidentes Urteil als Resultat verlangt; sie kann eben auch ergebnislos verlaufen. Vergleichen ist eben nicht soviel als Urteilen, am wenigsten Urteilen in einer bestimmten Richtung ; \u201eVergleichen\u201c als Gegensatz zu \u201eUnterscheiden\u201c ist durch unsere Bestimmung sonach ausgeschlossen.\nWeiter lehrt aber die Erfahrung, dafs, wenn auch ergebnisloses Vergleichen den Anspruch hat, f\u00fcr Vergleichen zu gelten, es schlechterdings nichts Unvergleichbares innerhalb des Erfafs-baren giebt, nichts, an dem nicht mindestens der Versuch gemacht werden k\u00f6nnte, zu einem Vergleichungsurteile dar\u00fcber zu gelangen. Wer also von Dingen redet, die sich aus diesem oder jenem Grunde nicht vergleichen lassen, vermifst an ihnen nur ein Vergleichen mit Ergebnis, vielleicht sogar (indem er sich geradezu auf allzugrofse Verschiedenheit, die doch selbst durch Vergleichung ermittelt sein mufs, beruft,) nichts als ein Vergleichen mit ausreichend wichtigem Ergebnis. Auch diese Bedeutung des Wortes Vergleichung ist durch obige Bestimmung ausgeschlossen, mag uns aber veranlassen, den Bedingungen erfolgreichen Vergleichens einige Erw\u00e4gungen zu widmen.\n1 \u201eZur erkenntnis-theoretischen W\u00fcrdigung des Ged\u00e4chtnisses.\u201c VierteIjahrsschr. f. wiss. Philos. 1886. S. 80 ff.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nA. Meinong.\n\u00a7 5. Unmittelbares nnd mittelbares Vergleichen.\nV er gleiclinngsb e din gun g en.\nEs empfiehlt sich, hierbei des Umstandes eingedenk zu sein, dafs die Th\u00e4tigkeit des Vergleichens sich wesentlich anders anl\u00e4fst, wenn das g\u00fcnstigen Falles resultierende Vergleichungsurteil unmittelbar evident und wenn es nur mittelbar evident ist. Ich will mit R\u00fccksicht auf diese Verschiedenheit des eventuellen Erfolges bezw. von unmittelbarer und mittelbarer Vergleichung reden. Sieht man in den Strafsen der Stadt etwa Gasflammen, elektrisches Gl\u00fchlicht und Petroleumflammen ausreichend nahe nebeneinander, so kann man sie \u201eunmittelbar vergleichen\u201c; nicht so die L\u00e4nge des Rheins mit der der Donau. Dennoch wird man demjenigen, der an der Hand der Karte mittelst irgend eines mehr oder weniger geeigneten Verfahrens in dieser Sache zu einem Urteil zu gelangen sucht, nicht wohl absprechen, dafs er die beiden Str\u00f6me auf ihre L\u00e4nge vergleiche; ich nenne dieses Vergleichen ein mittelbares, und man sieht sogleich, wie einem im wesentlichen immer wiederkehrenden Typus des unmittelbaren Vergleichens eine grofse Mannigfaltigkeit von Verfahrungsweisen gegen\u00fcbersteht, die mit gleichem Rechte als F\u00e4lle mittelbaren Vergleichens zu betrachten sind.\nDafs nun das unmittelbare Vergleichen an andere Bedingungen gebunden, von anderen Erleichterungen und Erschwerungen abh\u00e4ngig ist als das mittelbare Vergleichen, erhellt schon aus der einfachen Erw\u00e4gung, dafs das mittelbare Vergleichen normalerweise keine andere Aufgabe haben kann, als dort einzutreten, wo dem unmittelbaren Vergleichen der Erfolgt versagt ist. Die Vielgestaltigkeit des mittelbaren Vergleichens aber l\u00e4fst sogleich vermuten, dafs die Feststellung der Bedingungen, Erleichterungen und Erschwerungen f\u00fcr die unmittelbare Vergleichung die bei weitem leichter l\u00f6sbare Aufgabe ausmachen wird. Dennoch und trotz ihrer augenscheinlichen Bedeutsamkeit m\u00f6chte es uns zu weit f\u00fchren, derselben eine eingehendere Behandlung zu widmen; ich mufs mich vielmehr auf einige Bemerkungen beschr\u00e4nken, die mir f\u00fcr den Fortgang der hier mitzuteilenden Untersuchungen wesentlich scheinen.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"fiber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n103\nDa alles unmittelbare Vergleichen eine psychische, n\u00e4her eine intellektuelle Th\u00e4tigkeit ist, die nur an Vorstellungsinhalten direkt angreifen kann, so ist es selbstverst\u00e4ndlich, dafs streng genommen nur Vorgestelltes sich unmittelbar vergleichen l\u00e4fst,1 und nichts ist nat\u00fcrlicher, als dafs es zun\u00e4chst von der Beschaffenheit der betreffenden Inhalte abh\u00e4ngen wird, ob die unmittelbare Vergleichung Erfolg hat oder nicht. Ohne allen Zweifel sind zwei Gegenst\u00e4nde, sie m\u00f6gen wie immer beschaffen sein, entweder gleich oder verschieden; eine unbegrenzt gesteigert gedachte Erkenntniskraft m\u00fcfste dies auch unmittelbar festzustellen im st\u00e4nde sein. Nicht so die begrenzte, an Bedingungen gekn\u00fcpfte Leistungsf\u00e4higkeit des Intellektes, mit dem wir es thats\u00e4chlich zu thun haben; vielmehr versagt dieser z. B. unanschaulich vorgestellten Gegenst\u00e4nden gegen\u00fcber ganz regelm\u00e4fsig seinen Dienst (ich kann die St\u00e4rken oder Spannungen zweier galvanischen Str\u00f6me nicht unmittelbar vergleichen), \u2014 aber auch anschaulichen Gegenst\u00e4nden h\u00f6herer Ordnung gegen\u00fcber, wenn das oben \u00fcber Masse, Dichte, Geschwindigkeit u. dergl. Gesagte im liechte ist.\nFerner h\u00e4ngt der Erfolg der unmittelbaren Vergleichung sichtlich von der Umgebung ab, in der das zu Vergleichende auftritt : man k\u00f6nnte hierher bereits den Umstand rechnen, dafs jedes der zu vergleichenden Objekte einen Teil der n\u00e4heren oder ferneren Umgebung des anderen ausmachen wird. Vor allem aber habe ich die Gleichartigkeit dieser Umgebung im Auge, genauer die Thatsache, dafs, was als Bestandst\u00fcck einer Komplexion gegeben ist \u2014 und was w\u00e4re nicht als ein solches gegeben? \u2014 um so leichter mit dem Bestandst\u00fcck einer anderen Komplexion vergleichbar ist, je gr\u00f6fsere \u00dcbereinstimmung zwischen den beiden Komplexionen sonst besteht. Zwei Fl\u00e4chen vergleichen sich leichter ihrer Gr\u00f6fse nach, wenn sie gleich, als wenn sie ungleich gef\u00e4rbt sind, zwei Farben leichter, wenn sie an Fl\u00e4chen von gleicher Gestalt und Ausdehnung gegeben sind, ebenso zwei Tonst\u00e4rken leichter an gleich hohen, als an ungleich hohen T\u00f6nen u. s. f., -\u2014 die Beispiele zeigen zugleich bereits, dafs es in betreff des Grades dieser Erleichterung oder Erschwerung noch sehr darauf ankommt, was f\u00fcr Bestandst\u00fccke\n1 Inwieweit darin zugleich ein Wirkliches erfafst wird, wie etwa in den obigen Beispielen, ist zun\u00e4chst unwesentlich.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nA. Meinong.\nund was f\u00fcr Komplexionen vorliegen. Besonders charakteristisch nnd wichtig scheinen mir hier die Beziehungen zwischen Gestalt und Ausdehnung zu sein. Gerade Linien lassen sich in betreff ihrer L\u00e4nge mit geraden Linien unter bester Aussicht auf Erfolg unmittelbar vergleichen (von der Erschwerung durch Verschiedenheit der Richtungen sei hier abgesehen), mit krummen dagegen streng genommen, d. h. wenn man alle H\u00fclfsmittel ausschliefst, wahrscheinlich gar nicht. Gleiches gilt von Fl\u00e4chen-oder K\u00f6rperinhalten bei Verschiedenheit der betreffenden Fl\u00e4chen- oder K\u00f6rpergestalten; dafs man gelegentlich auf den ersten Blick etwa ein Polygon f\u00fcr kleiner erkl\u00e4rt als einen Kreis, in den sich augenscheinlich jenes ohne M\u00fche hineinzeichnen liefse, ist schon keine unmittelbare Vergleichung mehr.\n\u00a7 6. \u201eFestsetzungen\u201c \u00fcber Gleichheit und Verschiedenheit.\nWeit entfernt von der Vermutung, hiermit alles Wesentliche namhaft gemacht zu haben, erachte ich es gleichwohl f\u00fcr kein Wagnis, einem Umstande, auf den J. v. Kries viel Gewicht legt,1 den Rang einer Bedingung unmittelbaren (oder auch mittelbaren) Vergleichens abzusprechen. Ich habe die von Kries geforderte definitorische, wohl gar \u201ewillk\u00fcrlich\u201c festzusetzende Bestimmung dar\u00fcber im Auge, was mit Gleich oder Verschieden im betreffenden Falle \u201egemeint\u201c sei. Denn mit Gleich und Verschieden ist unter allen Umst\u00e4nden ein und dasselbe,2 und zwar etwas so Wohlbekanntes, zugleich so Klares und Bestimmtes gemeint, dafs eine Definition, wo sie etwa m\u00f6glich sein sollte, zum mindesten f\u00fcr die Praxis des Vergleichens nichts zu leisten f\u00e4nde, von Willk\u00fcrlichkeit in der Festsetzung aber einem so eindeutig Vorgegebenen gegen\u00fcber vollends nicht die Rede sein kann. In der That kann ich keinen der F\u00e4lle, auf die sich Kries beruft, so verstehen, als ob dabei die Gleichheit resp. Verschiedenheit selbst irgendwie einer Definition oder Determination unterzogen w\u00fcrde. Aufserdem handelt es sich dabei in der Regel um v\u00f6llig gesetz-m\u00e4fsige Thatbest\u00e4nde, die f\u00fcr willk\u00fcrliche Bestimmungen nicht im geringsten Raum lassen, \u2014 Thatbest\u00e4nde, deren wesentliche\n1\tVierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 1882. S. 259 ff.\n2\tVergl. \u00fcbrigens unten \u00a7 8.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n105\nLeistung darin liegt, dafs sie der mittelbaren Vergleichung dort einen Erfolg sichern, wo dieser bei unmittelbarer Vergleichung ausgeblieben w\u00e4re.\nMan erw\u00e4ge etwa den Fall der Fl\u00e4cheninhalte.1 Es mag ja wirklich auf den ersten Blick einer Erkl\u00e4rung bed\u00fcrftig scheinen, was es heifsen solle, ein bestimmtes Dreieck sei einem bestimmten Parallelogramme inhaltsgleich. Wenn man aber dem Fragenden etwa beweisen kann, die Figuren, auf deren Vergleichung es ankommt, seien beide aus demselben Parallelogramme hervorgegangen, das Dreieck etwa durch Ziehen einer Diagonale, das Viereck, indem die Halbierungs? punkte zweier parallelen Seiten des vorgegebenen Parallelogramms verbunden wurden, wird dann an der Behauptung der Gleichheit der beiden so gewonnenen Fl\u00e4cheninhalte noch Anstofs genommen werden, und wenn diese Gleichheit jetzt keiner Erkl\u00e4rung bedarf, hat sie vorher einer solchen bedurft? Wer weifs, was ein Fl\u00e4cheninhalt ist und was gleich ist, mufs auch wissen, was ein gleicher Fl\u00e4cheninhalt ist ; und sollte er die Gleichheit so wenig definieren k\u00f6nnen, als er den Fl\u00e4cheninhalt definieren kann,2 so thut dies der Zuverl\u00e4ssigkeit dieses Wissens keinen Eintrag. \u201eMore mathematico\u201c ist der Appell an die Definition sicherlich gedacht; wie wenig dieses mathematische Herkommen aber vor Unnat\u00fcrlichkeiten sch\u00fctzt, beleuchtet nichts deutlicher als der gleichfalls im Sinne dieses Herkommens bereits mehr als einmal gemachte und vielfach acceptierte Versuch, in den einfachen Gedanken der Zahlengleichheit den so k\u00fcnstlichen der Einheitenzuordnung hineinzuinterpretieren. Wenn man also thats\u00e4chlich die Uergleichung der in Hede stehenden Fl\u00e4cheninhalte etwa in der Weise vornimmt, dafs man sie nach bekannten Formeln aus Grundlinie und H\u00f6he \u201eberechnet\u201c und dann die erhaltenen Mafs-zahlen vergleicht, so impliziert dies keineswegs die Voraussetzung, dafs mit Gleichheit von Fl\u00e4cheninhalten etwas anderes \u201egemeint\u201c sei, als mit der Gleichheit bei K\u00f6rperinhalten, noch weniger bedeutet es eine n\u00e4here Bestimmung dar\u00fcber, was\n1\tVergl. Kries a. a. 0. S. 259.\n2\t\u00dcber Undefinierbares im Vorstellungsschatze der Mathematik vergl. auch Zindler, \u201eBeitr\u00e4ge zur Theorie der mathematischen Erkenntnis.\u201c Sitzgs. - Ber. d. k. Akad. d. Wiss. in Wien. Philos. - hist. Kl. Bd. CXVIII. S. 3 des Separatabdruckes.","page":105},{"file":"p0106.txt","language":"de","ocr_de":"106\nA. Meinong.\nmit Fl\u00e4chengleichheit gemeint sei. Wir haben vielmehr, soviel ich sehe, nichts als ein Verfahren vor uns, das zu einem evidenten Vergleichungsurteil dort f\u00fchrt, wo ein solches ohne Anwendung dieses Verfahrens verm\u00f6ge der Natur des zu Vergleichenden ausgeblieben w\u00e4re.\nWie steht es nun aber dort, wo v. Kries nicht nur eine \u201eFestsetzung44 in betreff des Sinnes der Gleichheit, sondern geradezu eine \u201ewillk\u00fcrliche Festsetzung44 in Anspruch nimmt? Er beleuchtet seine Forderung durch das Beispiel der Massen-vergleichung bei Verschiedenartigkeit der Substanzen. \u201eWas . . . gemeint sei,44 f\u00fchrt er aus,1 \u201ewenn wir die Masse des Goldklumpens A f\u00fcr derjenigen des Kupferklumpens B gleich erkl\u00e4ren, das ist gar nicht selbstverst\u00e4ndlich. Es gewinnt vielmehr erst einen Sinn durch die Festsetzung, dafs als Einheit der Masse einer jeden Substanz dasjenige Quantum betrachtet werden soll, welches mit einem bestimmten Quantum einer bestimmten Substanz (etwa 1 ccm Wasser beim Maximum seiner Dichtigkeit) gleiches Gewicht hat.44 Biese Festsetzung ist aber eine willk\u00fcrliche, denn es \u201esteht logisch durchaus nichts irgend einer anderen Festsetzung entgegen, z. B. der, dafs jene Quanta aller Substanzen als gleich befrachtet werden sollen, welche durch die gleiche W\u00e4rmemenge von 0\u00b0 auf 1\u00b0 G. erw\u00e4rmt werden44. Nun verkennt unser Autor jedoch keineswegs, dafs es sich bei dem thats\u00e4chlich allenthalben acceptierten Vorgehen um eine \u201eFestsetzung44 handelt, \u201ewelche in Anlehnung an gewisse empirisch konstatierte Thatsachen m\u00f6glichst zweck-m\u00e4fsig getroffen ist44.2 Wie viel bleibt demgegen\u00fcber von der \u201eWillk\u00fcrlichkeit44 noch \u00fcbrig? Wer m\u00f6chte dem Gravitationsgesetz deshalb Willk\u00fcrlichkeit nachsagen, weil \u201elogisch44, d. h. in diesem Falle zugleich ohne K\u00fccksicht auf die Empirie, nichts im Wege st\u00e4nde, statt des Produktes aus den Massen den Quotienten, statt des Quadrates der Distanz den Kubus derselben in die Formel zu setzen? Vor allem wichtig scheint mir aber, dafs, was in unserem Falle an \u201eFestsetzung44, sei es in quantitativer, sei es in qualitativer Dichtung vorliegen mag, die Masseneinheit, sicher aber nicht die Massengleichheit betrifft. Ich glaube, auch in dieser Sache Kries selbst zum\n1\tA. a. O. S. 260 f.\n2\tA. a. O. S. 262.","page":106},{"file":"p0107.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web ersehen Gesetzes.\n107\nZeugen anrufen zu d\u00fcrfen. Unter den \u201eempirischen Gesetzen\u201c, um deren willen \u201edie \u00fcbliche Festsetzung bei weitem die einfachste und zweckm\u00e4fsigste ist\u201c, macht er als erstes \u201edie Proportionalit\u00e4t\u201c geltend, \u201ewelche zwischen dem Wachstum der Gewichte und der Massen besteht\u201c.1 Wie k\u00f6nnte ein Gesetz \u00fcber Proportionalit\u00e4t konstatiert, wie k\u00f6nnt\u00a9 es auch nur ausgedacht werden, solange der Gedanke der Massengleichheit, resp. -Verschiedenheit gleichsam noch unvollendet w\u00e4re?\nAn dem einfachen Beispiele der Masse d\u00fcrfte wohl auch klar geworden sein, was ich den komplizierteren Beispielen von \u201ekombinierten Einheiten\u201c2 entgegenzuhalten h\u00e4tte, auf die \u00fcbrigens bei Besprechung des Messens noch einmal zur\u00fcckzukommen sein wird. \u201eWeder die Einheit, noch die Dimension irgend einer physikalischen Gr\u00f6fse,\u201c sagt Kries gelegentlich,3 \u201eergeben sich von selbst; beide bed\u00fcrfen vielmehr einer willk\u00fcrlichen (konventionellen) Festsetzung, welche erst auf Grund von Erfahrungen in zweckm\u00e4fsiger Weise geschehen kann.\u201c Man kann diesem Satze im wesentlichen zustimmen und die Wichtigkeit, ja Unentbehrlichkeit dieser Festsetzungen f\u00fcr die mittelbare Vergleichung r\u00fcckhaltslos anerkennen, ohne einzur\u00e4umen, dafs dabei aufser an den Einheiten und Dimensionen auch noch an der Gleichheit der betreffenden Gr\u00f6fsen auch nur das Mindeste festgestellt worden oder auch nur feststellbar sei.\nNicht \u00fcberfl\u00fcssig m\u00f6chte es dagegen sein, hier noch auch kurz des Falles der Temperaturvergleichung zu gedenken, der zun\u00e4chst die hier bek\u00e4mpfte Position in besondes auffallender Weise zu st\u00fctzen scheint. \u201eDie Grade des Quecksilberthermometers\u201c, bemerkt Kries,4 \u201esind, am Luftthermometer gemessen,\nnicht gleich....... Selbstverst\u00e4ndlich w\u00fcrde es nun keinen\nSinn haben, dar\u00fcber zu streiten, ob das Quecksilber oder das Platin oder die Luft sich proportional ,der Temperatur' ausdehnt. . . .\u201c. Aber es h\u00e4tte wahrscheinlich auch keinen Sinn, dar\u00fcber zu streiten, ob das neue Universit\u00e4tsgeb\u00e4ude in Graz aus x oder aus x-\\-l St\u00fcck Ziegeln erbaut ist, und zwar nicht etwa deshalb, weil eine diesbez\u00fcgliche Behauptung \u201ekeinen Sinn\u201c h\u00e4tte, sondern darum, weil den Wahrheitsbeweis f\u00fcr\n1\tA. a. O. S. 261.\n2\tA. a. O. S. 262 ff.\n3\tA. a. O. S. 264.\n4\tA. a. 0. S. 267.","page":107},{"file":"p0108.txt","language":"de","ocr_de":"108\nA. Meinong.\ndieselbe zu erbringen schwerlich, jemand geneigt oder im st\u00e4nde sein wird. N\u00e4her handelt es sich bei dem anscheinenden Paradoxon in betreff der Temp er at firmes sung nicht um Gleichheit der Temperaturen, sondern, wie hier, Sp\u00e4terem vorgreifend, kurz gesagt werden darf, um Gleichheit von Temperaturverschiedenheiten. Sobald man nun den W\u00e4rmezustand eines K\u00f6rpers1 von den Begleit- und Folgethatsachen dieses Zustandes zu unterscheiden sich f\u00fcr berechtigt h\u00e4lt, hat die Frage, ob gleiche Ver\u00e4nderungen jenes W\u00e4rmezustandes mit gleichen Ver\u00e4nderungen in der Reihe dieser oder jener Folgethatsachen Hand in Hand gehen, einen v\u00f6llig klaren Sinn, mag man die Frage \u00fcbrigens zu beantworten im st\u00e4nde sein oder nicht. Dagegen schiene mir die Behauptung, dafs die n\u00e4mlichen beiden Ver\u00e4nderungen mit gleich gutem Rechte als gleich, wie als ungleich betrachtet werden d\u00fcrften,2 nur in dem einzigen Falle acceptierbar, dafs zu der einen Behauptung so wenig Recht vorliegt, als zu der anderen.\nEin Fall wirklich \u201ewillk\u00fcrlicher Festsetzung\u201c w\u00fcrde meines Erachtens vorliegen, so fern man \u201ezwei Lichtintensit\u00e4ten als gleich\u201c betrachtete, \u201ewenn sie unserem Auge gleich hell erscheinen\u201c:3 die Willk\u00fcrlichkeit tritt in der M\u00f6glichkeit zu Tage, durch Ver-n-facliung der bez\u00fcglichen lebendigen Kr\u00e4fte Inten-sit\u00e4tenzu erhalten, die dem Auge nicht gleich erscheinen. Aber diese Inkonvenienz l\u00e4fst sich dann nicht durch eine weitere\n1\tYergl. z. B. Mach, Leitf. d. Phys. f. Stud. 1891. S. 157.\n2\tDie dieser Behauptung zu Grunde liegende Auffassung hat A.H\u00f6eler\nneuerlich die \u201enominalistische\u201c genannt ( Vierteljahresber. d. Wien. Vereins z. Ford. d. physik. u. ehern. Unterr. Jahrg. I. 1. Heft. S. 51). \u2014 Man wird ihr eine wenigstens relative Berechtigung dem \u201eRealismus\u201c gegen\u00fcber nicht absprechen k\u00f6nnen, der in der folgenden, in Sachen psychischer Messung gegebenen Anweisung zur \u201eKonstruktion des Thermometers\u201c zu Tage tritt: \u201eMan messe seinerseits die W\u00e4rme an einer Einheit ihrer Art, also an einer W\u00e4rmeeinheit, desgleichen das Volumen des Quecksilbers an der Volumeneinheit...... In der That hat man auf diese\nWeise gefunden, dafs zwischen der W\u00e4rmemenge und der entsprechenden Ausdehnung des Quecksilbers eine konstante Beziehung besteht, n\u00e4mlich\ndie der Proportionalit\u00e4t....\u201c (A. K\u00f6hler, ,,tlber die haupts\u00e4chlichsten\nVersuche einer mathematischen Formulierung des psychophysischen Gesetzes von Weber\u201c in Wundts Philos. Stud. Bd. III. S. 575.) Vergl. \u00fcbrigens unten \u00a7 15.\n3\tv. Kries a. a. O. S. 269.","page":108},{"file":"p0109.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Weber sehen Gesetzes.\n109\n\u201ewillk\u00fcrliche Festsetzung\u201c beseitigen;1 die Konsequenz beweist vielmehr, dafs es eben unberechtigt und unstatthaft ist, auf Grund\u2019 des blofsen Gleich-erscheinens ein Gleich-sein anzunehmen, geschweige ex definitione aus dem Gleich-er sch einen ein Gleich-sein zu machen.2\n\u00a7 7. Spezielles \u00fcber Gr\u00f6fsenvergleichung.\nDem im Bisherigen vertretenen Prinzipe der von Hatur unbeschr\u00e4nkten und darum nicht erst durch gleichviel in welcher Weise zu treffende Bestimmungen gewissermafsen erst zu erm\u00f6glichenden Geltung des Gegensatzes von Gleich und Ungleich steht nun aber doch eine Gruppe von Thatsachen gegen\u00fcber, die insofern f\u00fcr die oben bek\u00e4mpfte Position noch eine Art St\u00fctze abzugeben scheinen und sowohl deshalb, als um ihrer sonstigen Bedeutsamkeit willen hier noch zur Sprache kommen m\u00fcssen. Den Knall eines Kanonenschusses st\u00e4rker finden als die Helligkeit eines elektrischen Bogenlichtes, w\u00e4re ebenso absurd, als ihn weniger stark oder gleich stark finden. Es w\u00e4re nicht besser, wenn einer eine Wegstrecke mit einer Zeitstrecke, oder die H\u00f6he der in einem Zimmer herrschenden Temperatur mit der St\u00e4rke eines den Kaum durchdringenden Wohlgeruches \u201evergleichen\u201c wollte.3 In solchen F\u00e4llen scheint auch der Unbefangenste das \u201eVergleichen\u201c, d. h. hier das Gleich-finden wie das Ungleich-finden nicht anders als f\u00fcr sinnlos erkl\u00e4ren zu k\u00f6nnen. Wie leicht zu ersehen, lassen sich Beispiele hierf\u00fcr in grofser Mannigfaltigkeit zusammenstellen; das eine aber haben alle gemein, dafs das, zwischen dem die Vergleichung hier statthaben sollte und augenscheinlich nicht statthaben kann, jedesmal Gr\u00f6fsen sind. Wir gelangen damit auch in betreff des Vergleichens auf das die gegenw\u00e4rtigen Untersuchungen vor allem betreffende Gebiet und haben uns nunmehr ganz ausdr\u00fccklich mit den Gr\u00f6fsenvergleichungen zu besch\u00e4ftigen, nachdem wir im Vorhergehenden das Gebiet derselben bereits gelegentlich in Beispielen gestreift haben.\nGr\u00f6fsen vergleichen sich im allgemeinen nicht anders als andere Objekte; dagegen f\u00e4llt in betreff der Ergebnisse\n1\tGegen Kries a. a. O. S. 270.\n2\tVergl. \u00fcbrigens unten \u00a7 9.\n3\tScbeinausnahmen ber\u00fchrt Kries a. a. 0. S. 291 ff.","page":109},{"file":"p0110.txt","language":"de","ocr_de":"110\nA. Meinong.\nder Gr\u00f6fsenvergleichung eine zun\u00e4chst terminologis\u00e7\u00eeie Eigent\u00fcmlichkeit ins Auge. Wer die Gr\u00f6fsen A und B miteinander vergleicht, wird, wenn er nicht Gleichheit gefunden hat, das Resultat doch nicht leicht in der Form ausdr\u00fccken: nA ist von B verschieden\u201c; er wird vielmehr normalerweise etwa sagen: nA ist gr\u00f6fser\u201c oder \u201eR ist kleiner\u201c. Ich glaube nicht, dafs man diesen Ausdr\u00fccken einen anderen Sinn beimessen kann als den, etwas n\u00e4heres \u00fcber die Stellung des A und B auf jener Linie anzugeben, die sie beide in der, wie wir sahen, f\u00fcr alle Gr\u00f6fsen charakteristischen Weise1 mit der Rull verbindet. Es ist also eine Art Lage- oder Richtungsmoment, das hier an dem Verschiedenheitsgedanken hervortritt. Inwieweit die Verschiedenheit auch in anderen F\u00e4llen einer analogen Determination zug\u00e4nglich ist, kann hier imerwogen bleiben; unter allen Umst\u00e4nden ist es ganz wohl begreiflich, dafs der Richtungsgedanke gerade da zun\u00e4chst zur Geltung kommt, wo das (gegen die Rull) Gerichtet-sein die Sachlage in besonderer Weise charakterisiert.\nEs ist ferner unmittelbar ersichtlich, dafs die Wege, auf denen Gr\u00f6fsen verschiedener Klassen sich der Rull n\u00e4hern oder von ihr entfernen k\u00f6nnen, keineswegs zusammenfallen. Raum-gr\u00f6fsen, Zeitgr\u00f6fsen, die verschiedenen \u201eIntensit\u00e4ten\u201c u. s. \u00a3., sie alle geh\u00f6ren je einer Geraden an, die, geh\u00f6rig verl\u00e4ngert, die Rull erreicht: aber diese Geraden fallen sonst in keinem Punkte als etwa h\u00f6chstens2 im Rullpunkte zusammen; jede hat eine andere Richtung. Die Rull stellt sich sonach als Element einer mindestens zwei-, vielleicht aber auch drei- oder noch mehr - dimensionalen Mannigfaltigkeit dar, und mir scheint dieser Sachverhalt geeignet, einer auf das Verh\u00e4ltnis von Qualit\u00e4t und Gr\u00f6fse gerichteten Untersuchung Anhaltspunkte zu bieten. Insbesondere liegt es nahe, das im ersten Abschnitte in suspenso gelassene Wesen des Gr\u00f6fse-seins3 nicht etwa in einem besonderen, neben der Qualit\u00e4t vielleicht selbst\u00e4ndig hergehenden Bestandst\u00fcck, sondern in der Eignung der betreffenden Qualit\u00e4t, einer jener gegen die Rull konvergierenden Richtungen anzugeh\u00f6ren, insofern also in einer relativen Re-\n1\tYergl. oben \u00a7 1.\n2\tEin Versuch, genauer zu sein, soll am Ende dieses Paragraphen (unten S. llof.) gemacht werden.\n3\tVergl. oben \u00a7 1.","page":110},{"file":"p0111.txt","language":"de","ocr_de":"\u00fcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n111\nStimmung zu suchen. Die Bemerkung Stumpfs,1 dafs man immerhin leichter eine Qualit\u00e4t ohne Intensit\u00e4t vorzustellen verm\u00f6chte als eine Intensit\u00e4t ohne Qualit\u00e4t, k\u00f6nnte jedenfalls als Best\u00e4tigung dieser Auffassung gelten. Befremdlicher erscheint vielleicht auf den ersten Blick eine andere Konsequenz, die n\u00e4mlich, dafs, was eben das \u201eGr\u00f6fse-sein\u201c genannt wurde, streng genommen gar nicht steigerungsf\u00e4hig ist; etwas kann nicht mehr, ein anderes nicht weniger einer Dichtung angeh\u00f6ren, die zur Kuli f\u00fchrt, sondern es geh\u00f6rt dieser Dichtung entweder an oder nicht. Steigerungsf\u00e4hig ist vielmehr eigentlich nur die Qualit\u00e4t, die eben, sofern sie auf einer solchen Dichtungslinie sich gleichsam bewegen kann, \u201eGr\u00f6fse hat\u201c. Aber, sehe ich recht, so ist es nicht eben schwer, \u00fcber dieses Befremden hinauszukommen, und die Auffassung besteht eine Probe, indem sie die Schwierigkeit, die uns zur Untersuchung der Gr\u00f6fsen-vergleichung gef\u00fchrt hat, in befriedigender Weise zu l\u00f6sen gestattet.\nWie erw\u00e4hnt, ist es zun\u00e4chst Thatsache, gleichviel, worin dieselbe ihren Grund haben mag, dafs, wenn man \u201eGr\u00f6fsen vergleicht\u201c, man sein Absehen normaler Weise nicht einfach auf das Urteil \u201egleich\u201c, oder das Urteil \u201everschieden\u201c gerichtet hat, sondern auf ein Glied der Disjunktion \u201egleich grofs, gr\u00f6fser oder kleiner\u201c. Selbstverst\u00e4ndlich ist damit vorausgesetzt, dafs die zu vergleichenden Daten einer und derselben aus der Zahl der gegen Kuli gerichteten Linien angeh\u00f6ren ; denn der Punkt a\u2018 der einen, der Punkt cd' einer anderen dieser Linien bestimmen zwar auch eine Dichtung, aber keine, die zur Kuli f\u00fchrt.2 In a1 und an hat man dann zwei Gr\u00f6fsen vor sich, die sich \u201enicht vergleichen lassen\u201c, eben unter der stillschweigenden Voraussetzung, dafs mit \u201evergleichen\u201c die Bestimmung auf gr\u00f6fser, kleiner oder gleichgrofs gemeint ist.\nWie aber, wenn diese Voraussetzung ausdr\u00fccklich ausgeschlossen wird? Ist dann cd und au immer noch unvergleichbar im Sinne der notwendigen Ergebnislosigkeit, oder, wenn doch auch f\u00fcr sie die Disjunktion \u201eentweder gleich oder verschieden\u201c gilt, welches der beiden Disjunktionsglieder trifft f\u00fcr\n1\tTonpsychologie Bd. I. S. 350.\n2\tAuch liier sei \u00fcbrigens auf die am Ende dieses Paragraphen vorzunehmenden Pr\u00e4zisierungen im voraus verwiesen.","page":111},{"file":"p0112.txt","language":"de","ocr_de":"112\nA. Meinong.\nsie zu? Mir scheint es darauf nur Eine nat\u00fcrliche Antwort zu geben: a' und a\" sind einander gleich, insofern jedes von ihnen Gr\u00f6fse ist, \u00fcbrigens aber, d. h. abgesehen davon, dafs jedes von ihnen einer nach Null f\u00fchrenden Linie angeh\u00f6rt, sind sie verschieden. Ich verkenne nicht, dafs sich nun neuerlich eine Art Tendenz geltend macht, zu fragen: wenn a' und a\" G-r\u00f6fsen, also \u201egrofs\u201c sind, welches von beiden ist das gr\u00f6fsere, falls sie nicht etwa gleich grofs w\u00e4ren? Darauf ist aber dann eben zu antworten: das \u201eGrofs-sein\u201c kommt freilich beiden zu, aber darin giebt es kein mehr oder weniger, darin sind sie gleich. Das \u201ewie grofs\u201c aber impliziert bereits wieder das Vorgegebensein einer nach der Null weisenden Dichtung f\u00fcr beide Objekte; man kann nicht eine an eine gewisse Bedingung gekn\u00fcpfte Frage aufrecht erhalten, wenn die Bedingung nicht erf\u00fcllt ist. Eine Bedingung f\u00fcrs Vergleichen im allgemeinen Sinne, f\u00fcr die Beantwortung der Frage nach Gleich oder Ungleich, ist dieselbe aber nicht.\nNoch soll ein Gedanke hier nicht unber\u00fchrt bleiben, auf den bereits im Anf\u00e4nge dieser Schrift gelegentlich der Pr\u00e4zisierung des Gr\u00f6fsengedankens Bezug genommen worden ist. Bedeutet denn gr\u00f6fser und kleiner nicht etwas in betreff der Entfernung von der Null? Und wenn dem so ist, was l\u00e4fst sich gegen die Frage einwenden, ob a\u2018 oder ob aN von der Null weiter entfernt sei? Solcher Frage gegen\u00fcber ist vor allem daran zu erinnern, dafs gr\u00f6fser und kleiner dem durch diese W\u00f6rter bezeichneten Gedanken nach durch Hinweis auf Distanzen sicher nicht interpretiert werden kann: man m\u00fcfste ja doch gr\u00f6fser dann etwa bestimmen, als \u201eweiter von der Null\u201c, analog kleiner als \u201en\u00e4her zur Null\u201c oder dergl. Das Gr\u00f6fser und Kleiner w\u00e4re beschrieben als das Gr\u00f6fser und Kleiner einer Distanz: der Zirkel ist offenbar. In betreff der Brauchbarkeit einer solchen Distanzbestimmung sei aber vorgreifend auf die im folgenden Abschnitte1 zu ber\u00fchrende Thatsache hingewiesen, dafs die Distanz zwischen Null und einer endlichen Gr\u00f6fse jederzeit unendlich grofs ist, so dafs die erfahrungsm\u00e4fsig feststehende Ergebnislosigkeit solcher Versuche auch bereits theoretisch legitimiert ist. \u00dcberdies w\u00e4re daraus, dafs auf einer und derselben Gr\u00f6fsenlinie der gr\u00f6fseren Distanz\n1 Vergl. unten \u00a7 18.","page":112},{"file":"p0113.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n113\nvon der Null auch die gr\u00f6fsere Gr\u00f6fse entspr\u00e4che, gar nicht die Umkehrung zu schliefsen, dafs das weiter Abstehende bei ungezwungenem Wortgebrauche auch dann das Gr\u00f6fsere heifsen d\u00fcrfte, wenn es sich um verschiedene Gr\u00f6fsenlinien handelt.\nZum Schl\u00fcsse dieser Ausf\u00fchrungen mufs nun aber noch ausdr\u00fccklich hervorgehoben werden, dafs das denselben zu Grunde gelegte Bild von den gegen einen Nullpunkt konvergierenden Gr\u00f6fsenlinien sich doch zun\u00e4chst nur durch seine Einfachheit empfiehlt, bei n\u00e4herer Untersuchung sich aber einerseits nicht unerheblichen Bedenken ausgesetzt, andererseits auch mit direkten Erfahrungen nicht immer im Einkl\u00e4nge zeigt. Auf beides mufs hier noch kurz hingewiesen werden.\n1.\tIst es selbstverst\u00e4ndlich oder erweislich, dafs alle Gr\u00f6fsenlinien einen und denselben Nullpunkt haben? Nahe liegt es freilich, anzunehmen, dafs, wenn gleichsam mit der Gr\u00f6ise zugleich alle Qualit\u00e4t verschwunden ist, auch von Verschiedenheit weiter nicht mehr die Bede sein kann. Andererseits aber kann man aus direkter Vergleichung heraus doch schwerlich behaupten, dafs etwa der schwache Schall dem schwachen Geruch \u00e4hnlicher sei, als der starke dem starken.1 Der Gedanke einer Mehrheit von Nullpunkten, am besten dann wahrscheinlich so, dafs jeder Gr\u00f6fsenlinie ein besonderer Nullpunkt entspr\u00e4che, ist also vorg\u00e4ngig nicht von der Hand zu weisen. Das oben \u00fcber Gr \u00f6fs en Vergleichung Gesagte k\u00f6nnte darum immer noch aufrecht bleiben ; nur m\u00fcfste man sich die Gr\u00f6fsenlinien so zu einander gelegen denken, dafs keine der zwischen Punkten zweier dieser Gr\u00f6fsenlinien zu ziehenden Yerbindungslinien in ihrer Verl\u00e4ngerung einen der anderen Nullpunkte treffen k\u00f6nnte, von Ausnahmen abgesehen, von denen sogleich zu reden sein wird. Da \u00fcber die Anzahl der Dimensionen nichts vor bestimmt ist, so m\u00f6chten der Erf\u00fcllung dieses Erfordernisses kaum Hindernisse im Wege stehen.\n2.\tEs giebt Gr\u00f6fsenlinien, deren Punkte trotz zweifelloser Verschiedenheit der Linien auf gr\u00f6fser oder kleiner verglichen werden k\u00f6nnen und sonach eine ganz direkte Ausnahme zu dem oben besprochenen Gr\u00f6fsenvergleichungsgesetze abgeben.\n1 Von den bekannten Erfahrungen \u00fcber Verwechselung schwacher Druck- mit schwachen Temperaturempfindungen darf im gegenw\u00e4rtigen Zusammenh\u00e4nge wohl abgesehen werden.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XI.\t8","page":113},{"file":"p0114.txt","language":"de","ocr_de":"114\nA. Meinong.\nDen besten Beweis liefern die T\u00f6ne nnd die Feinbeit, mit welcher die musikalische Praxis deren St\u00e4rke auch bei ungleicher H\u00f6he und Klangfarbe gegeneinander abw\u00e4gt; ein anderes Beispiel daf\u00fcr wird uns im folgenden Paragraphen an den Yerschiedenheitsgr\u00f6fsen begegnen. Im Grunde ist ja schon vorg\u00e4ngig zu erwarten, dafs die Gr\u00f6fsenvergleichungen an die betreffenden Gr\u00f6fsenlinien sozusagen nicht mit mathematischer Strenge gebunden sein k\u00f6nnen. Dieser durch Instanzen von der erw\u00e4hnten Art auch erfahrungsm\u00e4fsig gesicherte Spielraum f\u00fcr die Gr\u00f6fsenvergleichung ist gleichwohl dem oben dargelegten allgemeinen Gesichtspunkte unterzuordnen, wenn man sich einmal mit dem Gedanken an die Vielzahl der Nullpunkte vertraut gemacht hat. Die betreffenden Gr\u00f6fsenlinien m\u00fcfsten dann nur derart gegeneinander gelegen sein, dafs die betreffenden Verbindungslinien im Gegensatz zu der oben sub 1 ausgesprochenen allgemeinen Forderung in ihrer Verl\u00e4ngerung dann doch auf einen Nullpunkt tr\u00e4fen.\nAuf eine weitere Ausgestaltung und zugleich \u00dcberpr\u00fcfung des Gedankens kann hier nat\u00fcrlich nicht eingegangen werden. Ich mufs mich damit begn\u00fcgen, ihn kurz gekennzeichnet und seine Brauchbarkeit f\u00fcr das Verst\u00e4ndnis der an den Gr\u00f6fsenvergleichungen beobachteten Thatsachen aufgezeigt zu haben.\n\u00a7 8. von Kries \u00fcber \u201eatypische Beziehungen\u201c.\nSind die vorstehenden Ausf\u00fchrungen, wie dem Leser derselben l\u00e4ngst aufser Zweifel sein wird, zun\u00e4chst dem Bestreben entsprungen, in einer f\u00fcr die vorliegenden Untersuchungen fundamentalen Sache den Anregungen geb\u00fchrend Bechnung zu tragen, welche ich J. von Kries7 oben wiederholt zitiertem Aufatze \u201e \u00dcber die Messung intensiver Gr\u00f6\u00dfen und das sog. psychophysische Gesetz\u201c verdanke, so kann es der hier erstrebten Kl\u00e4rung nur f\u00f6rderlich sein, wenn nun auch die Vertretung nicht unber\u00fccksichtigt bleibt, welche der genannte Forscher dem oben bek\u00e4mpften Gedanken in einem unter dem 19. Oktober 1892 an mich gerichteten Briefe hat zu teil werden lassen. Die freundlichst erteilte Zustimmung des Verfassers setzt mich vor allem in die angenehme Lage, den hierher geh\u00f6rigen Teil des genannten Briefes im Wortlaute folgen lassen zu k\u00f6nnen:","page":114},{"file":"p0115.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Weber sehen Gesetzes.\n115\n\u201eSie sind, soviel ich sehe, darin mit mir gleicher Meinung, dafs im Gebiete der Mathematik die Gleichheit ein v\u00f6llig fester, einer Erkl\u00e4rung weder bed\u00fcrftiger noch f\u00e4higer Begriff ist. Dagegen scheint mir \u00fcberall sonst (von einigen ganz besonderen Ausnahmef\u00e4llen hier abgesehen) der Begriff ein \u00e4ufserst unbestimmter und Allermannigfaltigstes zusammenfassender zu sein. . . . Betrachten wir z. B. den Fall zweier Intensit\u00e4ts- oder Qualit\u00e4tsstufen innerhalb eines Sinnesgebietes, etwa das Intervall c:d und a:h. Die Vergleichung f\u00fchrt hier meines Erachtens immer zun\u00e4chst zu dem Ergebnis, dafs die beiden Stufen etwas wesentlich untereinander Verschiedenes darstellen. Erinnert man sich der eigent\u00fcmlichen Gleichartigkeit, welche die s\u00e4mtlichen Elemente des Baumes oder der Zeit besitzen, so k\u00f6nnte man jene Stufen wohl zun\u00e4chst untereinander inkommensurabel nennen. Bezeichnen wir sie gleichwohl in gewissen F\u00e4llen als \u201egleich grofs\u201c, nennen wir in anderen die eine Stufe gr\u00f6fser als eine andere, so beruht dies meines Erachtens auf eben derselben intellektuellen Funktion, die auch anderw\u00e4rts eine so bedeutungsvolle Bolle spielt, aut der Bildung von Allgemeinvorstellungen, unter die Einzelnes, Individuelles subsumiert wird. Im Grunde ist jede Beziehung zweier Empfindungen etwas Eigenartiges, Individuelles, was eben nur diesen beiden Empfindungen zukommt. Die Subsumtion unter die Allgemeinvorstellung \u201egleich grofs\u201c ist dem-gem\u00e4fs dann auch eine unsichere. Die Frage aber, ob zwei derartige Stufen wirklich gleich grofs seien oder nicht, ist ebensowenig zu beantworten, wie etwa die, ob eine bestimmte Empfindung rot oder orange sei, sofern durch diese Worte nur die unbestimmten, aus einer Beihe von Einzelempfindungen gebildeten Allgemein Vorstellungen bezeichnet sind. \u2014 Eine allgemeine \u00dcbersicht \u00fcber die Beziehungsurteile ergiebt also meines Erachtens, dafs in gewissen F\u00e4llen, so beim Zusammenhangsurteil, bei den mathematischen, die behaupteten Beziehungen v\u00f6llig scharf bestimmte, in zahlreichen F\u00e4llen genau die n\u00e4mlichen sind, es ergeben sich so bestimmte Klassen typischer Beziehungsurteile. Daneben giebt es aber eine Menge, in denen gerade das die Natur des Urteils bestimmende Element, die Art der behaupteten Beziehungen, ganz verschiedenartig ist; ich m\u00f6chte diese (vorbehaltlich besserer Bezeichnung) atypische Beziehungsurteile nennen.\n8*","page":115},{"file":"p0116.txt","language":"de","ocr_de":"116\nA. Meinong.\nDer Hauptgrund der entgegengesetzten Auffassung liegt, meine ich, darin, dafs mit der Gleichheit thats\u00e4chlich nicht diese subjektiven Gleichsch\u00e4tzungen, sondern eine wirkliche, objektive Gleichheit gemeint wird; in Wirklichkeit, sagt man, k\u00f6nnen zwei Dinge, auch Empfindungsstufen, doch nur gleich oder ungleich sein. Dafs Fechter selbst seine Messung der Empfindungsst\u00e4rke in einem solchen Sinne genommen hat, ist wohl unbestreitbar. Aus dem gleichen Gesichtspunkte, wie mir scheint, bestreiten Sie, dafs es sich bei der Gleichheit irgendwo um \u201ewillk\u00fcrliche Festsetzungen\u201c handeln k\u00f6nne. Meiner Ansicht nach f\u00fchrt innerhalb der Gebiete, um die es sich hier handelt, die objektive Vergleichung zun\u00e4chst immer nur zu dem Ergebnis der Inkommensurabilit\u00e4t. Die Steigerung der Intensit\u00e4t einer Saitenschwingung von a auf a + % und von b auf b + V sind v\u00f6llig verschiedene Vorg\u00e4nge. Erst indem wir f\u00fcr unsere Befrachtung irgend welche bestimmte Seiten willk\u00fcrlich herausgreifen, gewinnen wir die M\u00f6glichkeit, von Gleichheitsbeziehungen zu reden, die einen festen und bestimmten Sinn haben. Die Gleichheitsbeziehungen, von denen die theoretische Physik handelt, sind also thats\u00e4chlich stets nur abgek\u00fcrzte Ausdr\u00fccke f\u00fcr Gr\u00f6fsenbeziehungen von extensiven und Zahlengr\u00f6fsem1 Eine Ermittelung aber, welche Intensit\u00e4tszunahmen irgend eines Vorganges wirklich gleich seien, ist (mangels einer solchen Festsetzung) weder m\u00f6glich, noch in irgend einem Sinne erforderlich; es ist eine falsch gestellte Aufgabe. Man kann die Vorg\u00e4nge aufs genaueste kennen, jede Abmessung und jedes Zahlenverh\u00e4ltnis, das ganze Detail des Geschehens, und jene Frage doch unbeantwortbar finden.\u201c\nIndem ich es vermeide, bereits vorher Er\u00f6rtertes nochmals zur Sprache zu bringen, wende ich mich sofort dem Hauptgedanken der vorliegenden Ausf\u00fchrungen zu, der in der Benennung \u201eatypische Beziehungen\u201c zum Ausdrucke gelangt. Ein Versuch, seiner Bedeutung ganz im allgemeinen nachzugehen, kann hier nat\u00fcrlich nicht gemacht werden ; die Verwendung, die er seitens seines Urhebers findet, weist uns\n1 Eine Ausnahme, die sachlich nicht von Bedeutung ist, macht hier nur die Gleichsetzung zweier Temperaturen. Die Vergleichung von Temperatur s t ufen aber ist durchaus in dem angef\u00fchrten Sinne willk\u00fcrlich. (Anmerkung von J. v. Kries.)","page":116},{"file":"p0117.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n117\nvielmehr sofort auf das spezielle, auch im vorhergehenden bereits betretene Gebiet der Gr\u00f6fsenvergleichung. Verschiedenheiten zwischen verschiedenen Fundamenten sind zwar, das ist doch wohl die Meinung unseres Autors, jederzeit Gr\u00f6fsen, aber sie sind auch qualitativ verschieden, und ihre Zusammenordnung unter den Gesamtnamen \u201eVerschiedenheit\u201c besagt f\u00fcr qualitative Gleichheit nicht mehr als die Zusammenordnung qualitativ sehr verschiedener Daten unter dem Namen \u201eBlau\u201c oder \u201eGr\u00fcn\u201c und dieser und vieler anderer unter dem Namen \u201eFarbe\u201c. Darum sind Verschiedenheiten streng genommen \u201eunvergleichbar\u201c in dem besonderen, im vorigen Paragraphen er\u00f6rterten Sinne, d. h. sie gestatten keine Beurteilung nach Gr\u00f6fser und Kleiner, und erst die \u201ewillk\u00fcrlichen Festsetzungen\u201c k\u00f6nnen eine solche erm\u00f6glichen.\nDem gegen\u00fcber scheint mir nun aber vor allem das Zeugnis der Erfahrung angerufen werden zu m\u00fcssen, das uns in den seit Plateau so oft gemachten Versuchen nach der Methode der \u201e\u00fcbermerklichen Unterschiede\u201c entgegentritt. Es handelt sich dabei um Urteile \u00fcber Gr\u00f6fser und Kleiner bei Verschiedenheiten, Urteile, vor denen die von Kries anerkannten Ergebnisse der Kaum- und Zeit Vergleichung h\u00f6chstens einen graduellen Zuverl\u00e4ssigkeitsvorzug voraushaben. Von \u201eFestsetzungen\u201c ist beim F\u00e4llen solcher Urteile thats\u00e4chlich nicht die Kede, und ich kann auch gar nicht absehen, was f\u00fcr Festsetzungen hier zu Gr\u00f6fsen Vergleichungen zu f\u00fchren verm\u00f6chten, wenn solche durch die Natur des zu Vergleichenden ausgeschlossen w\u00e4ren.\nDagegen scheint mir unstatthaft, daraufhin auch der These von der nicht blofs quantitativen, sondern auch qualitativen Variabilit\u00e4t der Verschiedenheit entgegenzutreten, nur ist mir sehr zweifelhaft, ob die Erfahrungen, auf die ich mich zu Gunsten dieser These berufen mufs, mit denen zusammenfallen, welche f\u00fcr Kries mafsgebend waren. Denn auch in dieser Sache kann ich Kaum und Zeit so wenig in einer Ausnahme--Stellung finden, dafs mir vielmehr das qualitative Moment nirgends deutlicher erfafsbar scheint als beim Kaume, wo ihm sogar die Sprache durch Ausdr\u00fccke Kechnung tr\u00e4gt, die dem Wortvorrate des Alltagslebens angeh\u00f6ren. Jedermann weifs, dafs zwei \u201everschiedene\u201c Punkte im Kaume nicht nur eine gewisse Distanz, sondern auch eine gewisse Lage zu einander haben,","page":117},{"file":"p0118.txt","language":"de","ocr_de":"118\nA. Meinong.\ndie bei gleich bleibender Distanz sich \u00e4ndern, bei ge\u00e4nderter Distanz gleich bleiben kann.1 Nichts k\u00f6nnte hier ungezwungener sein, als in der Distanz die quantitative, in der Lage die qualitative Seite der Yerschiedenheitsrelation zu erblicken, die zwischen den betreffenden beiden Ortsbestimmungen besteht. Bei Zeitverschiedenheiten giebt es freilich keine Yariabilit\u00e4t der Lage: dafs aber auch diesen Delationen nicht jede Qualit\u00e4t fehlt, ist schon vorg\u00e4ngig selbstverst\u00e4ndlich;2 und dafs diese Qualit\u00e4t der r\u00e4umlichen Lage analog ist, ergiebt die Thatsache, dafs zwei Zeitpunkte ohne B\u00fccksicht auf die Gr\u00f6fse des Abstandes zwei einander diametral entgegengesetzte Zeitrichtungen ganz ebenso in sich schliefsen, wie in der Lage zweier Daumpunkte zwei entgegengesetzte Daumrichtungen eingeschlossen sind. In gleicher Weise zeigen die Continua der Empfindungsqualit\u00e4ten entweder Punkte von unverkennbar verschiedener \u201eLage\u201c zu einander, oder, wo die Lage verm\u00f6ge der Ein-dimensionalit\u00e4t der betreffenden Mannigfaltigkeit nicht variabel ist, verr\u00e4t sich der Lage-Charakter an der M\u00f6glichkeit entgegengesetzter Dichtungen ; und soweit ich sehe, giebt es \u00fcberhaupt keine Yerschiedenheit, bei der man neben der Gr\u00f6fse nicht wenigstens von Dichtung und daher von Lage reden d\u00fcrfte.\nDaraus folgt nun nat\u00fcrlich keineswegs, dafs etwa zwei verschiedene Yerschiedenheiten jedesmal auch qualitativ verschieden sein m\u00fcfsten; f\u00fcr den Pall aber, dafs sie es sind, scheint das im vorigen Paragraphen ausgesprochene Gr\u00f6fsen-vergleichungsgesetz eine Beurteilung der beiden Verschiedenheiten auf Gr\u00f6fser und Kleiner auszuschliefsen. Damit stimmen denn auch manche Erfahrungen aufs beste \u00fcberein: eine Daumdistanz gr\u00f6fser oder kleiner finden als eine Zeitdistanz, h\u00e4tte kaum erheblich mehr f\u00fcr sich als das analoge Urteil \u00fcber Baumund Zeit streck en. Dagegen wird gegen eine Gr\u00f6fsen-vergleichung in Bezug auf horizontale mit vertikalen oder schr\u00e4gen Abst\u00e4nden auch Kries nichts einwenden, wenn auch\n1\tYergl. auch A. H\u00f6fler, \u201eZur Analyse der Vorstellungen von Ab stand und Richtung\u201c in Bd. X dieser Zeitschrift S. 223 ff., dem gegen\u00fcber ich jedoch auf der Nebeneinanderstellung von Abstand und Lage (statt Richtung) beharren mufs. Richtung ist doch wohl ein auf Lage gebauter Gedanke h\u00f6herer Ordnung, da Eine Lage je nach \"Wahl des Ausgangspunktes zwei entgegengesetzte Richtungen fundieren kann.\n2\tYergl. oben S. 110 f.","page":118},{"file":"p0119.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web ersehen Gesetzes.\n119\ndie Lageverschiedenheiten sich als gelegentlich, recht erhebliche Erschwerungen f\u00fcr das Vergleichen f\u00fchlbar machen werden. Wir befinden uns hier also ohne Zweifel in dem vom allgemeinen Gr\u00f6fsenvergleichungsgesetze ausgenommenen Gebiete, von dem schon zu Ende des vorigen Paragraphen die Rede war,1 und die dort skizzierte Auffassung d\u00fcrfte sich, wenn ich recht sehe, auch hier bew\u00e4hren. Dafs im allgemeinen Verschiedenheiten, gleichviel von welcher qualitativen Determination, einander in \u00e4hnlicher Weise nahe stehen, daher in \u00e4hnlicher Weise nahestehende Nullpunkte haben werden, wie etwa T\u00f6ne von verschiedener H\u00f6he, das spricht ja f\u00fcr sich selbst; dafs dies aber f\u00fcr Verschiedenheiten aller m\u00f6glichen Qualit\u00e4ten gelten m\u00fcfste, daf\u00fcr fehlt jede Evidenz, und das obige Beispiel von Raum- und Zeitdistanz l\u00e4fst das Gegenteil vermuten. Nur wird man sich h\u00fcten m\u00fcssen, dort logische Unm\u00f6glichkeit der Gr\u00f6fsenvergleichung anzunehmen, wo die Unm\u00f6glichkeit vielleicht blofs eine empirische ist, d. h. auf eine f\u00fcr die that-s\u00e4chlich vorliegenden intellektuellen Kr\u00e4fte nicht zu bew\u00e4ltigende Aufgabe zur\u00fcckgeht. Man wird sicher geneigt sein, Farben- und Tonh\u00f6henverschiedenheiten f\u00fcr a priori \u201eunvergleichbar zu halten, und doch urteilt man mit vollster Evidenz, dafs die Verschiedenheit zwischen zwei Farben oder die zwischen zwei T\u00f6nen kleiner ist als die zwischen Ton und Farbe. Viel weiter noch gehen M\u00fcnstebbebgs Versuche, Gewichts-mit Licht-, Schallst\u00e4rke-Verschiedenheiten u. s. f. zu vergleichen;2 * * und mag man denselben auch alle erdenkliche Zur\u00fcckhaltung entgegensetzen,5 jedenfalls bedeuten sie eine sehr beachtenswerte Anregung, den Schein apriorischer Selbstverst\u00e4ndlichkeit auch in dieser Sache an der Hand des Experimentes ausdr\u00fccklich nachzupr\u00fcfen.\nEs d\u00fcrfte sich empfehlen, die Diskussion der K\u00dfiESschen\n1\tYergl. oben S. 113 f.\n2\tBeitr. z. experim. Bsychol. Heft 3. S. 59 ff.\n8 Immerhin habe ich aus ein paar nur ganz vorl\u00e4ufigen Proben einen freilich blofs subjektiven Eindruck gewonnen, der dem Vorhaben weit eher g\u00fcnstig als ung\u00fcnstig ist. Wieviel davon auf Eechnung sekund\u00e4rer Kriterien oder Scheinkriterien (vergl. die schon einmal angezogene Stelle bei Kries a. a. O. S. 291 ff.) zu setzen ist, bedarf nat\u00fcrlich noch sorgsamster Untersuchung; und an eine \u201eneue Grundlegung der Psycho-\nphysik\u201c, genauer an einen Aufbau derselben auf \u201eMuskelempfindungen\u201c,\nwird man darum noch lange nicht zu denken brauchen. Offenbar un-","page":119},{"file":"p0120.txt","language":"de","ocr_de":"120\nA. Meinong.\nAufstellungen1 durch eine kurze Erinnerung an die dabei gewonnenen Hauptergebnisse zu bescbliefsen. Vergleicbungs-urteile bed\u00fcrfen einer \u201eFestsetzung\u201c dar\u00fcber, was Gleichheit oder Verschiedenheit ist oder sein soll, nicht und gestatten sie nicht; dagegen k\u00f6nnen Pr\u00e4zisierungen in betreff dessen, was verglichen werden soll, gar wohl erforderlich, unter besonderen Umst\u00e4nden vielleicht auch willk\u00fcrlich zu treffen sein. 'W\u00e4hrend ferner nichts im allgemeinsten Sinne unvergleichbar heifsen kann, ist die Gr\u00f6fsenvergleichung, die Beurteilung auf Gr\u00f6fser und Kleiner, an die Bedingung gekn\u00fcpft, dafs die auf ihre Gr\u00f6fse zu vergleichenden Objekte ihrer Qualit\u00e4t nach einander ausreichend nahe stehen. Dies gilt auch f\u00fcr den noch spezielleren, f\u00fcr unsere sp\u00e4teren Untersuchungen aber vor allem wichtigen Fall, dafs die zu vergleichenden Gr\u00f6fsen Verschiedenheiten sind, nur w\u00e4re es in gleicher Weise zu weit gegangen, wenn man die Delation \u201eVerschiedenheit\u201c ganz im allgemeinen f\u00fcr \u201eatypisch\u201c erkl\u00e4ren, als wenn man in den eventuell vorliegenden Qualit\u00e4tsverschiedenheiten innerhalb des Verschiedenheitsgebietes ein unter allen Umst\u00e4nden un\u00fcbersteig-liches, gleichviel, ob apriorisches oder empirisches, Gr\u00d6fsen-vergieichungshindernis erblicken wollte.\n\u00a7 9. Die Thatsache der Unterschiedsschwelle.\nAls das Ziel, auf das alle Vergleichungsth\u00e4tigkeit gerichtet ist, wurde oben das evidente Urteil \u00fcber Gleichheit oder Verschiedenheit, k\u00fcrzer das evidente Vergleichungsurte\u00fc bezeichnet. Es wird entbehrlich sein, der Beschaffenheit dieses Urteiles hier eine eingehendere Untersuchung zu widmen ; nur der eine Umstand kann nicht unerw\u00e4hnt bleiben, dafs in betreff der zu erzielenden Evidenz das Gleichheits- dem Verschiedenheitsurteil keineswegs auf gleicher Stufe zur Seite steht, zum\nabh\u00e4ngig davon ist die Behauptung Ehrenfels\u2019 (\u201eZur Philosophie der Mathematik.\u201c Vierteljahrsschr. f. iviss. Philos. 1891. S. 301), es habe \u201eeinen sehr guten Sinn, von einer Tonst\u00e4rke zu sprechen, welche zu einer anderen das gleiche G-r\u00f6fsenverh\u00e4ltnis aufweist wie etwa die Zahl Drei zur Zahl Eins, oder F\u00fcnfzehn zu F\u00fcnf, oder der Kubikinhalt eines Prismas zu der zugeh\u00f6rigen Pyramide\u201c. Das Pecht, hier statt \u201eVerh\u00e4ltnis\u201c genauer \u201eVerschiedenheit\u201c zu setzen, werden die Untersuchungen der folgenden Abschnitte darthun.\n1 Ein kleiner Nachtrag zu derselben soll noch im n\u00e4chsten Paragraphen aus anderem Zusammenh\u00e4nge heraus geliefert werden.","page":120},{"file":"p0121.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n121\nmindesten dort nicht, wo es sich um die Vergleichung von Gegenst\u00e4nden handelt, die einem Continuum oder Quasi-Continuum (was hiermit gemeint ist, wird sich sofort ergeben) angeh\u00f6ren. Charakteristisch hierf\u00fcr ist der Umstand, dafs in solchem Falle kein Besonnener Anstand nehmen wird, eine auf Vergleichung gegr\u00fcndete Gleichheitsbehauptung dahin zu restringieren, dafs er keine Verschiedenheit habe bemerken k\u00f6nnen,1 w\u00e4hrend umgekehrt niemand sich einfallen liefse, bei zweifellos erkannter Verschiedenheit, etwa der zwischen einem gr\u00fcnen und einem roten Pigment, auch nur die M\u00f6glichkeit einer unerkannten Gleichheit aufkommen zu lassen. H\u00e4lt man, wogegen vom Standpunkte des theoretisch Unvoreingenommenen ein Einwand kaum zu besorgen sein wird, erkannte von that-s\u00e4chlicher Gleichheit resp. Verschiedenheit auseinander, so kann man sagen: es giebt Gebiete, auf denen sich Gleichheit streng genommen niemals mit Sicherheit erkennen l\u00e4fst; was f\u00fcr solche Erkenntnis genommen werden k\u00f6nnte, ist blofs ein Schein von Gleichheit, dem mit grofser, vielleicht unendlich grofser Wahrscheinlichkeit2 die Wirklichkeit nicht gem\u00e4fs ist. Dagegen kann von einem tr\u00fcgenden Scheine der Verschiedenheit normalerweise nicht die Bede sein, vielmehr bleibt hier, wenn man so sagen darf, der Schein gleichsam hinter der Wahrheit zur\u00fcck. Was verschieden erscheint, ist auch verschieden; was hingegen verschieden ist, erscheint als verschieden nur bis zu einer Grenze, jenseits welcher der Schein der Gleichheit eintritt. Die Grenze heifst bekanntlich Unterschiedsschwelle : sie scheidet die merklichen von den unmerklichen oder, wie man auch sagt, die \u00fcbermerklichen von den untermerklichen Verschiedenheiten; geordnete Beihen des nur untermerklich Verschiedenen aber pr\u00e4sentieren sich durchaus wie Continua, und F\u00e4lle dieser Art sind es, die mit B\u00fccksicht hierauf oben unter dem Namen Quasi-Continua mit in Betracht gezogen worden sind.\nDie in Erfahrungen dieser Art hervortretende Inferiorit\u00e4t\n1\t\u00dcber die charakteristische Unsicherheit der Gleichheitsurteile vergl. auch Eechner, \u201e\u00dcber die psychophysischen Mafsprinzipien und das WEBEEsche Gesetz\u201c in Wundts Philos. Stud. Bd. IV. S. 192, nur dafs dort die j Bedeutung der \u201ezeitlich-r\u00e4umlichen Nicht-Koincidenz\u201c (ibid. S. 190 ff.) erheblich \u00fcbersch\u00e4tzt sein d\u00fcrfte.\n2\tVergl. Stumpf, Tonpsychologie, Bd. I. S. 33.","page":121},{"file":"p0122.txt","language":"de","ocr_de":"122\nA. Meinong.\nder Gleichheitsaffirmation und Verschiedenheitsnegation gegen\u00fcber der Gleichheitsnegation und Verschiedenheitsaffirmation geh\u00f6rt ohne Zweifel zu den Fundament althatsachen der Erkenntnistheorie. Ohne auf ihre prinzipielle Bedeutung hier n\u00e4her eingehen zu k\u00f6nnen, mufs doch auf ein paar, auf den ersten Blick paradox erscheinende Konsequenzen derselben hingewiesen werden, die sich einstellen k\u00f6nnen, wenn mehrere Urteile der eben bezeichneten Beschaffenheit Zusammentreffen. Die Erfahrung lehrt, dafs, wenn mir a gleich b und b gleich c erscheint, mir darum a nicht auch gleich c erscheinen mufs.1 Ebenso kann mir eine Distanz a b gleich A II, b c gleich B G erscheinen, dennoch a c nicht gleich A G,2 wenn die im Alphabet einander n\u00e4chststehenden Buchstaben eben merklich Verschiedenes, die beiden Alphabete aber Regionen verschiedener Unterschiedsempfindlichkeit bedeuten u. dergl. m. Wirkliche Probleme wird darin, wer sich mit der erw\u00e4hnten Fundamentalthatsache abgefunden hat, nicht wohl mehr erblicken k\u00f6nnen; und gilt die Fundamentalthatsche von ganz beliebigen Con-tinuen und Quasi-Continuen ohne R\u00fccksicht auf ihre qualitative Beschaffenheit, so werden auch Scheinparadoxien der eben bezeichne ten Art nicht wohl an bestimmte Yergleichungsgebiete gebunden sein. Es scheint mir erforderlich, dies ausdr\u00fccklich hervorzuheben, weil J. v. Kries der Vergleichung und Messung des Psychischen in dieser Hinsicht eine Ausnahmestellung anzuweisen und zugleich auf diesem Ausnahmegebiete seiner oben bek\u00e4mpften Ansicht von den \u201ewillk\u00fcrlichen Festsetzungen44 eine besondere St\u00fctze zu geben versucht hat. \u201eIm Gebiete der physischen Gr\u00f6fsen,44 meint er,3 \u201eerhalten die Aussagen \u00fcber Gleichheit oder sonst eine Gr\u00f6fsenbeziehung ihre weittragende Bedeutung durch den den mathematischen Gesetzen entsprechenden Zusammenhang, in welchem die Gesamtheit solcher Statuierungen stehen mufs. ..... Im Gegens\u00e4tze hierzu nur ist die subjektive Gleichheit, das Gleicherscheinen zun\u00e4chst von durchaus singul\u00e4rer Bedeutung.44 Hier \u201eist also, ehe von einer Messung die Rede sein kann, eine Festsetzung dar\u00fcber\n1\tYergl. Stumpf, a. a. O.\n2\tYergl. J. v. Kries, \u201e\u00dcber Keal- und Beziehungsurteile\u201c. Viertel-jahrsschr. f. wiss. Philos. 1892. S. 283.\n3\tA. a. O. S. 282 ff.","page":122},{"file":"p0123.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die Bedeutung des Weber sehen Gesetzes.\n123\nerforderlich, was man gleich nennen will, und der (nur empirisch zu f\u00fchrende) Nachweis, dafs diese Gleich Setzung en in einem den mathematischen Gesetzen entsprechenden Zusammenhang faktisch stehen\u201c. Ohne hier schon auf die erst in den folgenden Abschnitten abzuhandelnden Angelegenheiten der Messung ein-gehen zu wollen, meine ich im Hinblick auf die ja bereits vor jeder besonderen Erw\u00e4gung klare Zusammengeh\u00f6rigkeit von Vergleichen und Messen schon hier der Position J. v. Kries5 zweierlei entgegenhalten zu m\u00fcssen. Einmal halte ich daf\u00fcr, dafs, wer gewillt ist, den Schein der Gleichheit nur dort f\u00fcr wahre Gleichheit gelten zu lassen, wo die Konformit\u00e4t mit den Gesetzen der Mathematik gewahrt bleibt (deutlicher k\u00f6nnte man wohl sagen: wo man auf keine Unvereinbarkeiten gef\u00fchrt wird,1 insofern noch \u00fcberhaupt nichts, also im besonderen auch nichts \u00fcber Gleichheit \u201ewillk\u00fcrlich festsetzt\u201c, sondern nur den sonst jederzeit bindenden Denkgesetzen auch hier Kechnung tr\u00e4gt. Dann aber giebt es, wie schon oben ber\u00fchrt, den eventuell tr\u00fcgenden Schein der Gleichheit auf physischem Gebiete im Prinzip ganz ebenso wie auf psychischem, weil die in Kede stehende Inferiorit\u00e4t der Gleichheitsaffirmation sich ganz ebenso geltend machen mufs, wenn das Verglichene physisch als wenn es psychisch ist. Dafs es beim Messen gerade darauf ankommt, den eigent\u00fcmlichen M\u00e4ngeln menschlicher Vergleichungsf\u00e4higkeit nach Thunlichkeit nachzuhelfen, soll hier so wenig in Abrede gestellt werden, als dafs auf physischem Gebiete ungleich g\u00fcnstigere Vorbedingungen hierzu vorliegen. Aber v\u00f6llig beseitigen lassen sich diese M\u00e4ngel ja thats\u00e4chlich nirgends ; dies bezeugt am deutlichsten die Theorie der Beobachtungsfehler,\n1 Ob freilich nicht gelegentlich auch einmal der Versuch gemacht wird, es an diesem Willen fehlen zu lassen? Man m\u00f6chte solches vermuten, wenn S. Exner die CAMERERschen Hautsinnversuche in den S\u00e4tzen zusammenfalst: \u201eZwei gleiche Empfinduugsgr\u00f6fsen verdoppelt, geben ungleiche\u201c, und \u201eZwei Empfindungsgr\u00f6fsen einer dritten gleich sind nicht untereinander gleich\u201c (\u201eEntwurf zu einer physiologischen Erkl\u00e4rung der psychischen Erscheinungen\u201c, Teil I. Leipzig und Wien. 1894. S. 180). Indes hat es keine G-efahr, dafs der Satz des Widerspruches oder seinesgleichen durch Ungenauigkeiten im Ausdruck um seine Geltung gebracht werden k\u00f6nnte. Andererseits wird man aber auch in der sehr beachtenswerten Angelegenheit der \u201esekund\u00e4ren Empfindungen\u201c, um die es Exner am Ende doch zun\u00e4chst zu thun ist, auf einen Konflikt mit der Logik sicher nicht angewiesen sein.","page":123},{"file":"p0124.txt","language":"de","ocr_de":"124\nA. Meinong.\nderen Begr\u00fcndern nichts ferner gelegen haben wird als die Intention, speziell den Bed\u00fcrfnissen psychologischer Forschung zu dienen.\n\u00a7 10. Verschiedenheit und Merklichkeit.\nEs ist nicht zu verkennen, dafs, wenn man eine Verschiedenheit das eine Mal als grofs oder klein, das andere Mal als merklich oder unmerklich bezeichnet findet, man es mit zwei ganz verschiedenen Weisen des Charakterisierens zu thun hat, dort mit einer mehr direkten, man k\u00f6nnte sagen,, innerlichen, hier mit einer mehr indirekten, sozusagen \u00e4ufserlichen, insofern dort auf eine der betreffenden Verschiedenheit selbst zukommende Eigenschaft, hier auf das Verhalten eines ihr zugewandten Intellektes hingewiesen ist. Die Charakterisierung eines Sachverhaltes durch das Erkennen hindurch bleibt ein Umweg, aber ohne Zweifel jederzeit der nat\u00fcrlichsten einer; leicht kann er immer noch, wenn n\u00e4mlich der gerade Weg aus irgend einem Grunde unzug\u00e4nglich ist, unter den zug\u00e4nglichen Wegen der direkteste sein, leicht auch, wo der gerade Weg nicht geradezu verschlossen ist, neben ihm seinen eigent\u00fcmlichen Wert behalten. Thats\u00e4chlich hat sich denn auch der Gedanke der Merklichkeit \u00fcberall, w@ man den Gesetzm\u00e4fsigkeiten des Vergleichen nachzugehen unternommen hat, in hohem Mafse brauchbar erwiesen, und auch hier kann seine Bedeutung nicht v\u00f6llig unerwogen bleiben.\nBei den sehr weit gehenden Konzessionen, die man diesem Gedanken namentlich auf jenem Gebiete der experimentellen Psychologie gemacht hat, das man, Fechner zu bleibendem Buhme, als Psychophysik zu benennen pflegt, hat man sich ohne Zweifel vielfach durch erkenntnistheoretische Erw\u00e4gungen leiten lassen, zu denen sich nicht etwa nur bei den Vergleichungen Anlafs zu bieten schien. So meint Wundt, dafs die Frage, \u201ewie sich die Empfindungen unabh\u00e4ngig von ihrer Auffassung und Vergleichung verhalten\u201c, der direkten Untersuchung unzug\u00e4nglich ist;1 und wie nahe die hier ber\u00fchrte \u201eAuffassung\u201c dem uns jetzt besch\u00e4ftigenden Merklichkeitsgedanken steht, er-\n1 Physiol, Psychol 4. Aufl. Bd. I. S. 333. \u201eAuf das entschiedenste\u201c, betont z. B. auch J. Merkel {Philos. Studien, Bd. IV. S. 541), dafs er \u201ein \u00dcbereinstimmung mit Wujndt und K\u00f6hler nur eine Untersuchung der Abh\u00e4ngigkeit zwischen Beiz und Empfindungsch\u00e4tzung f\u00fcr m\u00f6glich halte.\u201c","page":124},{"file":"p0125.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n125\nhellt deutlich genug daraus, dafs der genannte Autor sp\u00e4ter, da er zum \u201emathematischen Ausdruck des Beziehungsgesetzes\u201c gelangen will, sich geradezu \u201edie Merklichkeitsgrade der Empfindung auf eine Abscissenaxe\u201c aufgetragen denkt.1 Wir kommen auf dieses Vorgehen weiter unten noch kurz zur\u00fcck; hier ist es nur ber\u00fchrt wegen der Analogie zu dem, was bei der Vergleichung speziell im Falle der Verschiedenheit Sache unserer n\u00e4heren Erw\u00e4gung sein mufs.\n\u201eDirekt gegeben\u201c, das scheint ja auch hier ziemlich selbstverst\u00e4ndlich, sind uns nicht die objektiven Verschiedenheiten, sondern unser Wissen um dieselben, das Bemerken oder \u201eMerken\u201c derselben. Wir k\u00f6nnen darum von einer Verschiedenheit nichts uns N\u00e4heres aussagen, als ihre Merklichkeit ; und soweit diese Merklichkeit noch n\u00e4heren Bestimmungen zug\u00e4nglich ist, scheinen es diese Bestimmungen zu sein, an die eine m\u00f6glichst unbefangene Beschreibung des empirisch Vorliegenden sich zu halten hat. Und wirklich haben wir in dem f\u00fcr den Schwellenbegriff so wesentlichen Gedanken des \u201eeben merklichen\u201c Unterschiedes eine solche Bestimmung vor uns. Eine andere bietet sich in der Merklichkeitsgr\u00f6fse, dem Mehr oder Weniger der Merklichkeit dar, das man denn auch wirklich den Vergleichungen von Verschiedenheiten zu Grunde liegend angenommen hat. So erachtet es z. B. S. Exner einer besonderen Begr\u00fcndung augenscheinlich gar nicht bed\u00fcrftig, wenn er behauptet, dafs \u201edie Gr\u00f6fse eines Empfindungsunterschiedes nur durch seine gr\u00f6fsere oder geringere Merklichkeit gegeben ist\u201c.2 Nach G. E. M\u00fcller bedeutet, \u201edafs wir beim \u00dcbergange von einer Empfindung zur anderen im einen Falle den Eindruck einer gleich grofsen Verschiedenheit erhalten wie im anderen Falle\u201c, nichts anderes, als \u201edafs uns der Unterschied im einen Falle ebenso merklich sei, wie im anderen\u201c.3 In gleicher Weise meint\n1\tPhysiol. Psychol. 4. Aufl. Bd. I. S. 400. \u201eWundt denkt sich die Em-\npfindung\u201c, interpretiert A. K\u00f6hler (in Wundts Philos. Stud., Bd. II. S. 595), \u201eoder besser den Merklichkeitsgrad einer Empfindung ... aus einer Beihe von Merklichkeitszuw\u00fcchsen.......bestehend .. .\u201c.\n2\tHermanns Handbuch. II. 2. S. 244; vgl. ibid. S. 218.\n8 Zur Grundlegung der Psychophysik, S. 888; vgl. auch die Definition der Unterschiedsempfindlichkeit als \u201eF\u00e4higkeit, verm\u00f6ge welcher der Unterschied zweier gegebener Beizgr\u00f6fsen uns in h\u00f6herem oder geringerem Grade merklich werden kann\u201c, a. a. O. S. l.r","page":125},{"file":"p0126.txt","language":"de","ocr_de":"126\nA. Meinong.\nnoch A. Gkoteneelt: \u201eWir k\u00f6nnen unmittelbar wirklich nur die Merklicbkeitsgrade der Unterschiede vergleichen, d. h. dieselben als mehr oder weniger merklich sch\u00e4tzen\u201c.1\nHier sind es zun\u00e4chst wohl die \u201eMerklichkeitsgrade44, die einiges Befremden wachrufen. Giebt es denn \u201eGrade44 des Mer-kens? Entweder man merkt etwas, oder man merkt es nicht; wo sollte da Gelegenheit zur Steigerung sein, wie wir sie f\u00fcr jedes Mehr oder Weniger unerl\u00e4fslich gefunden haben? Ich glaube in der That, dafs der Gedanke des Merkens einer Gr\u00f6fsen-bestimmung unzug\u00e4nglich ist. Inzwischen erw\u00e4chst hieraus eine nennenswerte Schwierigkeit deshalb nicht, weil die in Bede stehenden Stufen offenbar nicht am Merken selbst, wohl aber an dem leicht anzutreffen sind, was man die Leichtigkeit oder Schwierigkeit des Merkens, oder eben besser die gr\u00f6fsere oder geringere Leichtigkeit des Merkens nennen kann.2 Es handelt sich einfach um das Mehr oder Weniger der zum Erkennen der betreffenden Yerschiedenheit erforderlichen psychischen Arbeit,3 und es bedeutet h\u00f6chstens eine ganz unerhebliche Gewaltsamkeit im Ausdruck, wenn in diesem Sinne statt \u201eleichter merklich44 kurzweg \u201emerklicher44 gesagt wird.\nDagegen ist es nun aber weit mehr als eine blofs terminologische Frage, ob die sozusagen prinzipielle Vorzugsstellung, welche wir gem\u00e4fs der eben wiedergegebenen Ansicht dem Merklichkeitsmomente angewiesen finden, auch eine verdiente ist. Ich kann dies weder dort einr\u00e4umen, wo es eine sozusagen isolierte oder vereinzelte Yerschiedenheit zu erkennen, noch? wo es Verschiedenheiten zu vergleichen gilt.\n1\tDas Weher sehe Gesetz und die psychische Relativit\u00e4t Helsingfors 1888. S. 121 f. und sonst. Sogar \u201euntermerkliche Reizunterschiede\u201c werden unter Voraussetzung einer \u201eTendenz, bemerkt zu werden\u201c in diese Auffassung einbezogen. Vgl. a. a. O. S. 104.\n2\tLipps identifiziert geradezu \u201edas unmittelbare Bewufstsein des Grades der \u00c4hnlichkeit\u201c mit dem \u201eunmittelbaren Bewufstsein der Schwierigkeit des TJnterscheidens oder Auseinanderhaltens\u201c (Grundz\u00fcge der Logik. S. 104).\n3\tVgl. A. H\u00f6fler, Psychische Arbeit, diese Zeitsehr. Bd.VIII. S. 97f^ (S. 54 f. des Sonderabdruckes) \u2014 \u00fcbrigens in der gegenw\u00e4rtigen Anwendung mit erstaunlicher Klarheit antizipiert von P. Boas, \u201e\u00dcber die Grundaufgabe der Psychophysik\u201c in Pfl\u00fcgers Arch. Bd. 28. 1882. S. 574 f., wo z. B. die Leichtigkeit, mit der ein Verschiedenheitsurteil gef\u00e4llt wird, als \u201edas Mafs der psychischen Arbeit\u201c bezeichnet erscheint, \u201ewelche zum F\u00e4llen des Urteils n\u00f6tig ist\u201c.","page":126},{"file":"p0127.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Weber sehen Gesetzes.\n127\n1. Bezeichnen wir mit e eine Empfindung und mit me deren Herrlichkeit, ebenso mit v eine Yerschiedenheit und mit mv deren Merklichkeit, so besagt die erste der beiden in Rede stehenden Positionen: unmittelbar gegeben ist nicht e, sondern me, \u2022\u2014 nicht v, sondern mv. Allein, was bedeutet dieses Gegebensein? Doch wohl nur Erkanntwerden, nat\u00fcrlich mit der erforderlichen Sicherheit und Evidenz. Nun handelt es sich ja aber gerade darum, dafs einmal e, das andere Mal v \u201egemerkt\u201c, d. h. doch auch hier nur, dafs es erkannt wird; in welchem Sinne oder mit welchem Rechte k\u00f6nnte man nun sagen, dafs hier e oder v weniger \u201eunmittelbar\u201c erkannt werde als me oder mv? Und w\u00e4re die auf e oder v gerichtete Erkenntnis minder unmittelbar als die des betreffenden m, warum sollte diese letztere als unmittelbar genug toleriert werden? Der Erkenntnis des Merkens kann ja auch eine Erkenntnis der Erkenntnis de& Merkens, sozusagen eine Erkenntnis des Merkens des Merkens zur Seite gestellt werden u. s. f. in infinitum. Man sieht, apriorische Erw\u00e4gungen, soweit sie hier \u00fcberhaupt zum Worte kommen, sind weit eher geeignet, vor dem Hinausgehen \u00fcber das, oder genauer vor einem Zur\u00fcckgehen hinter das e und v zu warnen, als es zu verlangen; es bliebe also nur noch zu fragen, ob vielleicht empirische Gr\u00fcnde, etwa die erfahrungsm\u00e4fsig fest-gestellte oder zu vermutende gr\u00f6fsere Zuverl\u00e4ssigkeit, es ratsam machen, sich an die Erkenntnis des m statt an die des e oder v zu halten. In einem speziellen Falle, von dem sogleich1 zu reden sein wird, ist dem nun wirklich so: von einem allgemeinen Zuverl\u00e4ssigkeitsvorzuge aber lehrt die Erfahrung, soviel mir bekannt, nichts. Dagegen bietet sie anderweitig so viele Belege daf\u00fcr, um wie vieles besser unsere intellektuellen F\u00e4higkeiten auf die Besch\u00e4ftigung mit \u00e4ufseren als inneren Thatbest\u00e4nden eingerichtet sind oder sich eingerichtet haben, dafs die Erkenntnis des Merkens namentlich gegen\u00fcber der Erkenntnis der Yerschiedenheit sicher wenigstens dort im Nachteile sein wird, wo es Physisches zu vergleichen gilt.2 Man\n1\tVergl. unten \u00a7 11.\n2\tVerschiedenheit an sich ist nat\u00fcrlich, wie ich schon an anderem Orte ber\u00fchrt habe (\u201eBeitr\u00e4ge zur Theorie der psychischen Analyse in Bd. VI dieser Zeitschrift S. 411 f., S. 71 des Sonderabdruckes) nichts Physisches, aber auch nichts Psychisches, woran ausdr\u00fccklich zu erinnern der oben (S. 126, Anm. 2) zitierten Stelle aus Lipps\u2019 \u201e Grundz\u00fcgen der Logik\u201c","page":127},{"file":"p0128.txt","language":"de","ocr_de":"128\nA. Meinong.\nk\u00f6nnte nnn nnr noch etwa daran denken, dafs das Merklichkeits-m o ment bei Vergleichung von Verschiedenheiten entscheidende Vorz\u00fcge aufzuwmsen habe; wir gelangen damit zum zweiten Hauptpunkte der hier zu pr\u00fcfenden Ansicht.\n2. Es sollen nach dieser Ansicht nur die Merklichkeits-grade der Verschiedenheiten verglichen werden k\u00f6nnen; warum nicht die Verschiedenheiten selbst? Sieht man von apriorischen Scheingr\u00fcnden, wie sie eben sub 1. gew\u00fcrdigt wurden, ab, so ist man hier entweder auf direkte Erfahrungen \u00fcber die Ergebnislosigkeit von Verschiedenheitsvergleichungen, oder auf Schl\u00fcsse aus der Beschaffenheit einerseits der Verschiedenheiten, andererseits der Merklichkeiten angewiesen. Erfahrungen der erstbezeichneten Art sind aber meines Wissens nicht gemacht, noch weniger als Legitimation obiger Behauptung ins Feld gef\u00fchrt worden. Dagegen k\u00f6nnte die Frage, ob denn Verschiedenheit ihrer Natur nach \u00fcberhaupt steigerungsf\u00e4hig sei, immerhin aufgeworfen werden, wenn man, wie ja gelegentlich geschehen ist,1 den Verschiedenheitsgedanken auf die Negation zur\u00fcckzuf\u00fchren versuchen wollte. Aber vor allem ist dieser Versuch schon an sich mit der direkten Empirie nicht in Einklang zu bringen. Ist auch der Tisch vom Sessel verschieden, so kann ich doch den Tisch nicht vom Sessel negieren, so wenig, als den Sessel vom Tisch; nur eine Relation kann man in Bezug auf die beiden Objekte in Abrede stellen, hier nat\u00fcrlich eine Vergleichungsrelation, etwa Gleichheit oder gar Identit\u00e4t. Derlei kann ohne Zweifel in diesem oder jenem besonderen Falle einem Vergleichungsurteile zu Grunde liegen; in der Regel aber zeigt daran unvoreingenommene Beobachtung weder negativen Charakter noch eine andere zum Zwecke des Negierens implizierte Relation. Weiter zeigt aber die direkte Erfahrung auch noch dies mit gr\u00f6fster Klarheit, dafs Abst\u00e4nde\ngegen\u00fcber nicht \u00fcberfl\u00fcssig ist. Das \u201eAuseinanderhalten\u201c, dessen Sicherheit nach S. 122 des erw\u00e4hnten Buches das \u201eunmittelbare Bewufstsein\u201c der Verschiedenheit \u201ebestimmt\u201c, ist jedenfalls eine psychische Leistung, indes doch niemand daran denken wird, Verschiedenheit als eine solche zu bezeichnen. Ein sekund\u00e4res Kriterium k\u00f6nnte darin nat\u00fcrlich immer noch liegen, aber nur unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden, die, wenn das im Texte von der Vorzugsstellung des Physischen G-esagte seine Dichtigkeit hat, weit davon sein werden, die Pegel auszumachen.\n1 So von Brentano (Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis. Leipzig 1889. S. 73).","page":128},{"file":"p0129.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n129\nzwischen Orten, T\u00f6nen u. a., also Verschieden^.eiten, verglichen werden k\u00f6nnen, ohne dabei entfernt an Merklichkeit oder andere H\u00fclfsdaten zu denken, und dafs das Ergebnis solcher Vergleichungen durchaus nicht etwa Gleichheit oder Ungleichheit sein mufs, sondern ein sehr entschiedenes Urteil im Sinne von Gr\u00f6fser oder Kleiner sein kann. Zieht man aber schliefslich die vielberufenen Merklichkeitsgrade selbst in Betracht, so f\u00e4llt, was sich dabei herausteilt, ganz und gar nicht zu ihren Gunsten in die Wagschale. Ein Anderes ist es freilich, wenn das eine Mal eine Verschiedenheit sich kaum oder nur mit gr\u00f6fster M\u00fche erkennen l\u00e4fst, indes sie ein ander Mal sozusagen von selbst in die Augen springt; und ohne Zweifel giebt es auch \u00dcbergangsstufen zwischen diesen Extremen. Aber ebenso bekannt ist, dafs sich die Kurve der Leichtigkeiten, wenn man so sagen darf, ihrem Maximum asymptotisch n\u00e4hert, noch lange bevor die als Abscissen gedachten Ver-schiedenheitsgr\u00f6fsen ihre etwaige Maximalgrenze erreichen. F\u00fcr einen Menschen mit normalem Tonsinn ist die Sekunde nicht \u201eschwerer\u201c zu unterscheiden, als Terz oder Sext oder Undecim oder Doppeloktave und was dar\u00fcber hinausliegt, indes die Verschiedenheitszunahme sicher auff\u00e4llig genug ist. Wer aber etwa in der Besonderheit des Toncontinuums Anl\u00e4sse findet, die Triftigkeit dieses Beispieles in Frage zu ziehen, kann unschwer aus dem Farbencontinuum sich unangreifbarere Beispiele in Menge ausw\u00e4hlen. Kurz, man w\u00fcrde \u00fcbel genug wegkommen, wenn man sich bei VerschiedenheitsVergleichungen darauf steifen wollte oder k\u00f6nnte, sich aussehliefslich an die betreffenden \u201eMerklichkeiten\u201c zu halten, \u2014 von der Absonderlichkeit ganz abgesehen, die doch jedenfalls darin l\u00e4ge, wenn allemal ein Mehr (an Verschiedenheit) gerade dort behauptet w\u00fcrde, wo die Vergleichung eigentlich ein Weniger (an aufgewendeter Arbeit) ergeben h\u00e4tte.\n\u00a7 11. Das ebenmerklich Verschiedene.\nMufs ich sonach dem, was mir als eine betr\u00e4chtliche \u00dcbersch\u00e4tzung der Bedeutung des Merklichkeitsmomentes erscheint, entschieden entgegentreten, so soll doch damit in keiner Weise in Zweifel gezogen sein, dafs unter besonderen Umst\u00e4nden die Merklichkeit und deren Erkenntnis f\u00fcr den Ausfall der Vergleichung, zun\u00e4chst f\u00fcr die Pr\u00e4zisierung ihres\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XI.\t9","page":129},{"file":"p0130.txt","language":"de","ocr_de":"ISO\nA. Meinong.\nErgebnisses von grofsem Vorteile, vielleicht aber auch als Fehlerquelle von Nachteil werden kann. Ich denke nat\u00fcrlich zun\u00e4chst an die Thatsache der Unterschiedsschwelle und an den darauf gegr\u00fcndeten Begriff der \u201eEbenmerklichkeit\u201c, f\u00fcr dessen Bedeutung Theorie wie Praxis \u00fcbereinstimmendes Zeugnis ablegen. Trotz dieser \u00dcbereinstimmung m\u00f6chte es jedoch nicht \u00fcberfl\u00fcssig sein, das eben \u00fcber das Verhalten von Verschiedenheit und Merklichkeit Dargelegte durch ein paar diesem Spezialfalle gewidmete Erw\u00e4gungen zu erg\u00e4nzen.\nDafs vor allem zwei eben merkliche Verschiedenheiten darum nicht, wie z. B. noch Exner annimmt,1 auch gleich sein m\u00fcssen, ist nach Obigem nun v\u00f6llig selbstverst\u00e4ndlich. So weit ist der Position Brentanos2 in dieser Sache unbedenklich zuzustimmen ; streng genommen aber schon nicht mehr darin,, dafs dieser eben Merkliches doch als jedenfalls gleichmerklich konzediert,3 wenigstens nicht, sofern bei \u201egleichmerklich\u201c an Gleichheit dem Merklichkeits grade nach gedacht ist. Man mache sich doch die Eigent\u00fcmlichkeit des Gedankens klar, der in den Worten \u201eeben merklich\u201c seinen Ausdruck findet. Der betreffende Merklichkeitsgrad ist hier dadurch charakterisiert, dafs er einer Verschiedenheit zugeh\u00f6rt, die, wenn nur ums geringste herabgesetzt, unmerklich wird. Wie grofs also die Merklichkeit ist, die sich zuerst geltend macht, indem der Unterschiedsschwellenwert eben \u00fcberschritten wird, dar\u00fcber ist im Begriffe des \u201eeben Merklichen\u201c eigentlich noch gar nichts vorgegeben: der M\u00f6glichkeit nach k\u00f6nnte die Merklichkeitslinie mit einem hohen wie mit einem niedrigen Merklichkeitsgrade einsetzen, und ob es immer der n\u00e4mliche Grad ist, dar\u00fcber kann am Ende nur die Empirie entscheiden. Nur wenn man das \u201egleich\u201c in \u201egleich merklich\u201c auf die Umst\u00e4nde bezieht, nach denen im Falle der Ebenmerklichkeit die Sachlage charakterisiert ist, dann werden nat\u00fcrlich zwei F\u00e4lle von Ebenmerklichkeit auch als F\u00e4lle von \u201eGleichmerklichkeit\u201c anzuerkennen sein.\nSo wenig nun Gleichheit der Verschiedenheiten begrifflich\n1\tHermanns Handbuch II. 2. S. 218. Nock weiter in gewissem Sinne geht Lipps\u2019 Position: ,,Das eken Merklicke kat \u2014 f\u00fcr die Wakrneknrang n\u00e4mlic'k \u2014 keine G-r\u00f6fse mekr\u201c (Grundz\u00fcge der Logik. S. 121).\n2\tPsychol. I. S. 9.\n3\tA. a. O. S. 88.","page":130},{"file":"p0131.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n131\nan deren Ebenmerklichkeit gebunden ist, so wenig gebt eines mit dem anderen thats\u00e4ehlich jedesmal zusammen. Daf\u00fcr b\u00fcrgt die Variabilit\u00e4t jener dispositioneilen Faktoren, f\u00fcr die der Ausdruck \u201eUnterschiedsempfindlichkeit\u201c doeb kaum mebr als ein Sammelname ist, der den praktischen Bed\u00fcrfnissen gem\u00e4fs die zu vergleichenden \u201eBeize\u201c und das Vergleichungs-ergebnis als Anfangs- und Endglied herausgreift, indes genauere Analyse mindestens sozusagen zwei Stufen auseinanderzuhalten gen\u00f6tigt sein wird. Ich meine einmal die Weise, in der die Empfindung den Ver\u00e4nderungen der Beize zu folgen vermag, dasjenige im Verhalten des vergleichenden Subjektes, dem Stumpf die Bezeichnung \u201eUnterschiedsempfindlichkeit\u201c ausschliefslich Vorbehalten m\u00f6chte,1 indes mir angemessener schiene, hier im Hinblick auf einen sofort zu ber\u00fchrenden Gegensatz \u201eBeizunterschiedsempfindlichkeit\u201c zu sagen. Ferner die Weise, in der die vergleichende Th\u00e4tigkeit das der Beizunterschiedsempfindlichkeit gem\u00e4fs beschaffene inhaltliche Material gleichsam zu bew\u00e4ltigen im standeyist, was in der von Stumpf erwiesenen2 Urteilsschweile zu Tage tritt; es schiene mir charakteristisch, im Gegensatz zur Beizunterschiedsempfindlichkeit hier von \u201eInhaltsunterschiedsempfindlichkeit\u201c oder auch Gegenstandsunterschiedsempfindlichkeit zu reden. Wo dergleichen Distinktionen entbehrlich sind, k\u00f6nnte dann immer noch der Terminus \u201eUnterschiedsempfindlichkeit\u201c schlechtweg seine herk\u00f6mmliche Anwendung finden.\nWas nun zun\u00e4chst die Beizunterschiedsempfindlichkeit anlangt, so ist sofort klar, dafs, je nachdem die Empfindung bei m\u00f6glichst kontinuierlich sich ver\u00e4nderndem. Beize gr\u00f6fsere Spr\u00fcnge machen mufs, die eben merklichen Verschiedenheiten gr\u00f6fser sein werden, als wenn die Spr\u00fcnge kleiner sind. Das n\u00e4chstliegende Beispiel daf\u00fcr geben wohl die Verschiedenheiten der Sehsch\u00e4rfe bei direktem und bei indirektem Sehen, indem sonst, wie schon J. v. Kries bemerkt hat,3 \u201ebei der grofsen Stumpfheit des peripheren Baumsinnes im Vergleich zum centralen jeder Gegenstand beim \u00dcbergang vom direkten ins indirekte Sehen vollst\u00e4ndig zusammenzuschrumpfen scheinen\u201c m\u00fcfste.\n1\tTonpsychologie Bd. 1. S. 30.\n2\tA. a. O. S. 33.\n3\tVierteljahrsschr. 1882. S. 287.\n9*","page":131},{"file":"p0132.txt","language":"de","ocr_de":"132\nA. Mein on g.\nIn gleicher Weise wird aber auch die Inhaltsunterschieds-empfindlichkeit zur Gleitung kommen m\u00fcssen, falls die Urteilsschwelle, wie doch nicht zu bezweifeln, verschiedene Werte annehmen kann. Wenn ich dagegen vor Jahren den Versuch gemacht habe,1 der Urteilsdisposition des vergleichenden Subjektes unter dem Namen der \u201eUnterscheidungssch\u00e4rfe\u201c auch der \u00fcbermerklichen Verschiedenheit gegen\u00fcber eine die Gr\u00f6fse der letzteren modifizierende Bedeutung zu wahren, so scheint mir solches heute f\u00fcr den wichtigsten der dabei in Frage kommenden F\u00e4lle aus einem prinzipiellen Grunde mehr als bedenklich. Erkenne ich (durch evidentes Urteil) a und b als verschieden, und zwar, wie nach Obigem selbstverst\u00e4ndlich, in bestimmtem Grade verschieden, so h\u00e4ngt dieser Grad mit Notwendigkeit an der Beschaffenheit von a und b. Die mit Evidenz erkannte Verschiedenheit ist die Verschiedenheit von a und &, und \u201eerscheint\u201c nicht etwa blofs als solche. Es hat dann aber keinen Sinn, anzunehmen, dafs das n\u00e4mliche a und b je nach Dispositionen des Vergleichenden bald mehr, bald weniger verschieden w\u00e4re.2 Dagegen wird f\u00fcr evidenzlose Vergleichungsurteile, deren M\u00f6glichkeit namentlich f\u00fcr den Fall untermaximaler Aufmerksamkeit doch nicht wohl in Abrede zu stellen sein m\u00f6chte, der Gedanke an einen EinfLufs der Subjektivit\u00e4t auch auf die Gr\u00f6fse der dem betreffenden Urteile zu Grunde liegenden \u201evor-\n1\t\u201e\u00dcber Sinneserm\u00fcdung im Bereich des \"WEBERSchen Gesetzes\u201c. Vierteljahrssehr. 1888. S. 21.\n2\tDer Einwand trifft, wenn ich reckt sehe, zugleich auch Fechners sog. \u201eUnterschiedsmafsformel\u201c. {Elemente. Bd. II. S. 96 ff.), sofern diese^ von erst weiter unten zu erw\u00e4genden Schwierigkeiten ganz anderer Art noch abgesehen, zusammen mit der \u201eUnterschiedsformel\u201c (vergl. unten \u00a7 31) die Konsequenz in sich schliefst, \u201edafs allgemein der Empfindungsunterschied U die Unterschiedsempfindung u um einen gewissen, dem Logarithmus der Yerk\u00e4ltnisschwelle v proportionalen Wert \u00fcbertrifft\u201c (vergl. Fechrer \u201e\u00dcber die psychophysischen Mafsprinzipien und das WEBERSche Gesetz\u201c in Wundts Philos. Stud. Bd. 1Y. S. 194). Ist \u201eUnterschiedsempfindung\u201c so viel als beurteilte (vielleicht w\u00e4re noch deutlicher zu sagen: geurteilte) Verschiedenheit, dann geht es nicht an, ihr die wahre Verschiedenheit als ein mit ihr nur funktionell Zusammenh\u00e4ngendes gegen\u00fcberzustellen. Auch den von Badakovtc (\u201e\u00dcber Fechners Ableitungen der psychophysischen Mals formel\u201c, Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 1890. S. 21 ff.) der Natur dieser Funktion gewidmeten Untersuchungen steht dieses prinzipielle Bedenken entgegen.","page":132},{"file":"p0133.txt","language":"de","ocr_de":"133\n\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\ngestellten\u201c Verschiedenheit mindestens nicht vorg\u00e4ngig von der Hand zn weisen sein.1\nDarf man sonach im allgemeinen darauf rechnen, dafs bei Verschiedenheit der Unterschiedsempfindlichkeit (im weiteren Sinne) eben merkliche Verschiedenheiten nicht gleich sein werden, so bedeutet im Gegens\u00e4tze hierzu Gleichheit der Unterschiedsempfindlichkeit eine wohlbegr\u00fcndete Pr\u00e4sumtion f\u00fcr Gleichheit der eben merklichen, man kann \u00fcbrigens ohne weiteres auch sagen: der gleich merklichen Verschiedenheiten.2 Der n\u00e4chste Grund, warum die eine Verschiedenheit \u00fcber, die andere Verschiedenheit unter der Schwelle zu liegen kommt, ist am Ende doch die Gr\u00f6fse der betreifenden Verschiedenheit.3 Damit ist aber nat\u00fcrlich keineswegs die M\u00f6glichkeit ausgeschlossen, dafs das \u201eMerken\u201c sich nicht auch noch von Faktoren abh\u00e4ngig erweisen k\u00f6nnte, die sich unter den Gedanken der Unterschiedsempfindlichkeit nicht oder schwer subsumieren lassen. Wir werden einer solchen Eventualit\u00e4t gegen\u00fcber weiter unten Stellung zu nehmen haben, sobald wir die in den letzten Darlegungen nur vor\u00fcbergehend herangezogenen Vergleichungen von Verschiedenheiten ausdr\u00fccklich zum Hauptobjekt der Untersuchung gemacht haben werden.\nEinstweilen aber d\u00fcrfte im bisherigen die Hechtfertigung daf\u00fcr gewonnen sein, k\u00fcnftig zun\u00e4chst von der Verschiedenheit und nur etwa im Bed\u00fcrfnisfalle auch von deren Merklichkeit zu handeln.\n1\tDer schwerf\u00e4lligere Ansdruck \u201eInhalts- (oder Gegenstands-) Unterschiedsempfindlichkeit\u201c scheint mir vor dem minder schwerf\u00e4lligen Terminus \u201eUnterscheidungssch\u00e4rfe\u201c den Vorzug zu haben, dafs darin auch \u00e4ufserlich die Zugeh\u00f6rigkeit zu dem hervortritt, was man sich nun einmal thats\u00e4chlich in den Sinn des Wortes \u201eUnterschiedsempfindlichkeit\u201c einz\u00fcbegreifen gew\u00f6hnt hat. Dieser Sinn ist ja, falls ich meinem subjektiven Sprachgef\u00fchl nicht zu viel Geltung heimesse, nat\u00fcrliehst durch die Wendung: \u201eEmpfindlichkeit f\u00fcr Unterschied\u201c wiederzugehen, wobei als zu \u201eEmpfindendes\u201c nicht etwa die Beize, sondern der \u201eUnterschied\u201c^ (genauer die Verschiedenheit, vergl. unten \u00a7 21) gedacht ist, wie schon Eechners Termini \u201eUnterschiedsempfindung\u201c und \u201eempfundener Unterschied\u201c deutlich machen.\n2\t\u00dcbereinstimmend auch G. E. M\u00fcller {Zur Grundlegung, S. 227, 395 unten) von Bedenken gegen \u201eEmpfindungszuw\u00fcchse\u201c (vergl. unten \u00a7 27) darf hier noch abgesehen werden.\n3\tVergl. auch Groteneelt a. a. O. S. 58.\n(Fortsetzung folgt.)","page":133},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des WEBEuschen Gesetzes.\nBeitr\u00e4ge zur Psychologie des Vergleichen^ und Messens.\nVon\nA. Meinong.\nDritter Abschnitt.\n\u00dcber Teilfergleichung und Messung,\n\u00a7 12. Delationen durch Teilvergleichung.\nWie alle Verschiedenheiten, so sind im besonderen auch die Gr\u00f6fsenverschiedenheiten selbst wieder Gr\u00f6fsen, und zwar bestimmte Gr\u00f6fsen, so gewifs die verglichenen Gr\u00f6fsen bestimmte sind. Denn zwischen zwei gegebenen Gr\u00f6fsen giebt es, wie auch zwischen zwei sonstigen Vergleichungsfundamenten, nur eine Verschiedenheit. Gleichwohl kann es zwischen zwei Gr\u00f6fsen mehr als eine Vergleichungsrelation geben. Ich denke nicht an die \u00c4hnlichkeit, deren Verh\u00e4ltnis zur Verschiedenheit hier ununtersucht bleibe, da sie bei Gr\u00f6fsen ohnehin nicht leicht zur Sprache kommen wird. Aber Vergleichungsrelationen m\u00fcssen doch jedenfalls auch solche Beziehungen heifsen, die sich statt aus der Vergleichung der vorgegebenen ganzen Gr\u00f6fsen aus der Vergleichung ihrer Teile ergeben und dann auf das betreffende Ganze mit dem Rechte \u00fcbertragen werden, mit dem sich, was von den Teilen gilt, gleichsam durch diese hindurch auch vom Ganzen aussagen l\u00e4fst. Man wird Delationen dieser Art, die nat\u00fcrlich zun\u00e4chst nur an teilbaren Gr\u00f6fsen anzutreffen sein werden, passend Delationen durch Teilvergleichung nennen; die beiden einfachsten F\u00e4lle derselben verdienen hier vor allem unsere Aufmerksamkeit.\nI. Sind A und B die vorgegebenen Gr\u00f6fsen, Daumstrecken z. B., und ist A gr\u00f6fser als B, so l\u00e4fst sich A in zwei Teile","page":230},{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\t231\nzerlegen oder zerlegt denken derart, dafs der eine der beiden Teile genau gleich. B ist. Den anderen Teil nennt man bekanntlich den Unterschied oder die Differenz zwischen A und B; f\u00fcr die Relation aber, in die auf Grund solcher Teilvergleichung A und B gesetzt ist, hat man den bekannten symbolischen Ausdruck: A\u2014B) wof\u00fcr auch die Benennung \u201earithmetisches Verh\u00e4ltnis\u201c vorliegt.\nII. Zun\u00e4chst unter der Voraussetzung, dafs der \u201eUnterschied\u201c immer noch gr\u00f6fser als B ist, l\u00e4fst sich an ihm das eben gekennzeichnete Verfahren wiederholen, ebenso eventuell am zweiten so gewonnenen Unterschiede u. s. f., bis man eben zu einem Unterschiede kleiner als B gelangt. Das charakteristische Ergebnis dieses Verfahrens ist jedenfalls eine Zahl, n\u00e4mlich die Anzahl Unterschiedsbestimmungen (resp. Unterschiede), zu welchen das A dem B verm\u00f6ge der Gr\u00f6fse dieser beiden Gelegenheit giebt. F\u00fcr die in Rede stehende Relation zwischen A und B aber ist das Symbol A : R, sowie die Benennung \u201egeometrisches Verh\u00e4ltnis\u201c gebr\u00e4uchlich. Die Weiterf\u00fchrung des skizzierten Verfahrens unter besonderen Voraussetzungen, wie namentlich der, dafs f\u00fcr A und B Zahlen eintreten, bedarf keiner besonderen Darlegung. Ohne die in diesem Falle m\u00f6glichen Pr\u00e4zisierungen und wohl auch Umdeutungen kommt bei diesem Verfahren der allf\u00e4llige letzte Rest nicht zur Geltung, falls ihm nicht schliefslich noch im Sinne des Verfahrens I Rechnung getragen wird.\nDem Umstande gegen\u00fcber, dafs es herk\u00f6mmlich ist, arithmetische wie geometrische Verh\u00e4ltnisse durch Zahlen zu bestimmen, mufs gefragt werden, ob uns nicht schon hier Instanzen gegen die oben freilich nur vor\u00fcbergehend ausgesprochene Behauptung entgegentreten, dafs es aufser Verschiedenheit (und \u00c4hnlichkeit) keine Relationen gebe, die Gr\u00f6fsen sind. In der That ist es ja v\u00f6llig korrekt, 4 \u2014 2 = 2, oder 6:2 = 3 zu setzen u. dergl. ; aber sollte, was da der 2 oder 3 gleich gesetzt wird, wirklich die Relation sein, der dann freilich Gr\u00f6fse zukommen m\u00fcfste? Es h\u00e4tte doch gar keinen Sinn, eine Relation einer Zahl, die nat\u00fcrlich stets eine Komplexion ist, gleichzusetzen; \u2014 unter welchen ganz besonderen Voraussetzungen Verschiedenheiten durch Zahlen \u201eausdr\u00fcckbar\u201c sein m\u00f6gen, davon soll weiter unten die Rede sein. Zudem ist, was bei obiger Anschreibung des arithmetischen Verh\u00e4ltnisses rechts","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nA. Meinong.\nYom Gleichheitszeichen steht, nur dann eine unbenannte Zahl, wenn auch links unbenannte Zahlen oder benannte ausschliefslich nach ihrem Zahlenwerte in Betracht kommen; und 2 \u00c4pfel, 2 Meter oder 2 Stunden wird vollends niemand f\u00fcr Relationen halten. Die \u201eunbenannte44 Zahl im Falle des geometrischen Verh\u00e4ltnisses aber hat im Grunde ja ebenfalls ihre, wenn auch unausgesprochene Benennung: sie sagt, wievielmal der oben charakterisierte Vorgang der Teilvergleichung unter den gegebenen Umst\u00e4nden stattfinden kann, und die Gesamtheit dieser \u201eMale44 ist wieder nichts weniger als eine Relation. Und in der That, h\u00e4lt man sich die Natur der Relation vor Augen, in welche zwei Gr\u00f6fsen durch diese oder jene Art der Teilvergleichung zu einander treten, so l\u00e4fst sich an derselben die Gelegenheit zu Steigerung oder Herabsetzung schlechterdings nicht finden. Dagegen f\u00fchren diese Operationen allerdings auf Ergebnisse, die zwar nicht selbst Relationen, wohl aber Gr\u00f6fsen und eventuell durch Zahlen ausdr\u00fcckbar sind.\nAn dieses Ergebnis, das ja bei ausreichender Erweiterung der arithmetischen Grundbegriffe zu beliebiger Genauigkeit gef\u00fchrt werden kann, wird man sich zun\u00e4chst auch der That-sache gegen\u00fcber zu halten haben, dafs aus Gleichsetzung zweier \u201egeometrischer44 Verh\u00e4ltnisse die neue, komplexere Relation der Proportionalit\u00e4t hervorgeht. Aber allerdings m\u00f6chte dies f\u00fcr die Rolle, welche der Proportionalit\u00e4t allenthalben zukommt, nicht das einzig Mafsgebende sein. Wir werden weiter unten sehen, dafs der zu einem geometrischen Verh\u00e4ltnis geh\u00f6rige Zahlen wert mit der Verschiedenhei t der in dieses Verh\u00e4ltnis gesetzten Gr\u00f6fsen in derart innigem Zusammenh\u00e4nge steht, dafs jener Zahlenwert unter Umst\u00e4nden sehr wohl als Repr\u00e4sentant der Gr\u00f6fse dieser Verschiedenheit dienen kann, insbesondere die Gleichheit zweier der in Rede stehenden Zahlengr\u00f6fsen die Gleichheit der betreffenden Verschiedenheiten garantiert. Wirklich bedeutet Proportionalit\u00e4t oft in erster Linie Gleichheit der Verschiedenheiten; an der Auffassung jener Relationen, die zu diesen \u00fcbereinstimmenden Ergebnissen gef\u00fchrt haben, kann das aber nichts \u00e4ndern.\n\u00a7 13. Das Messen.\nNiemand wird auf die Thatsachen der Teilvergleichung achten, ohne sofort auch an das Messen zu denken, redet man","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Liber die Bedeutung des W eher sehen Gesetzes.\n233\ndoch, schon bei der rein rechnerischen Auswertung des geometrischen Yerh\u00e4ltnisses in analoger Weise von der Mafszahl, wie man beim arithmetischen Verh\u00e4ltnisse vom Unterschiede spricht. Es gilt nun, das Verh\u00e4ltnis zwischen Messung und Teilvergleichung ausdr\u00fccklich festzustellen und daraus f\u00fcr die Messung die uns f\u00fcr das Weitere wichtigen Konsequenzen zu ziehen.\nAlles Messen ist seiner Katur nach Teilvergleichung, aber es geh\u00f6rt mit zu dieser Katur, nicht nur Teilvergleichung zu sein. Ganz wesentlich kommen n\u00e4mlich noch gewisse Operationen hinzu, die bestimmt sind, der Vergleichung eine ohne sie unerreichbare Exaktheit und Zuverl\u00e4ssigkeit zu geben: das \u201eAuftr\u00e4genu einer Strecke, das Anlegen des Mafsstabes, das Anf\u00fcllen eines Hohlmafses sind Operationen dieser Art; nicht minder geh\u00f6ren die mannigfaltigen Verrichtungen hierher, die der Sprachgebrauch unter dem Kamen des W\u00e4gens von dem streng genommen in zu engem Sinne verstandenen Messen ausdr\u00fccklich zu sondern liebt. Trotz ihrer so weitgehenden Verschiedenartigkeit dienen alle diese Verrichtungen in ganz unverkennbarer Weise, dem einen gemeinsamen Zwecke der Bestimmung von Gleichheiten; sie kommen damit der Ver-gleichungsth\u00e4tigkeit gerade dort zu H\u00fclfe, wo eine solche mit R\u00fccksicht auf die im Schwellengesetze hervortretende Unvollkommenheit menschlicher Erkenntnisf\u00e4higkeit vor allem not thut.\nEs kann Denjenigen, der gewohnt ist, die wesentlich psychische Katur eines jeden Erkenntnisaktes stets im Auge zu behalten, f\u00fcrs erste ein wenig befremden, wie Vorg\u00e4nge wesentlich psychischer Katur im st\u00e4nde sein sollen, jene psychischen Leistungen auf ein, gelegentlich noch dazu so betr\u00e4chtlich h\u00f6heres Kiveau zu erheben. Indes gen\u00fcgt ein Blick auf die Bedeutung etwa des einfachsten Aufeinander- oder Aneinanderlegens, hier\u00fcber ins klare zu kommen. F\u00fcr die Zuverl\u00e4ssigkeit einer Vergleichung sind, wie wir sahen, die \u00e4ufseren Umst\u00e4nde, unter denen sie sich vollzieht, und insbesondere die Raum- und Zeitlage des zu Vergleichenden durchaus nicht gleichg\u00fcltig: r\u00e4umlich und zeitlich Kahes vergleicht sich leichter als Fernes; es m\u00fcfste also schon ein Verfahren zur Herstellung der g\u00fcnstigsten \u00e4ufseren Vergleichungsbedingungen die Aussicht auf zuverl\u00e4ssige Ergebnisse erh\u00f6hen.","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nA. Meinong.\nNun w\u00e4re aber mit dem Hinweise hierauf im vorliegenden Falle doch kaum das Wesentliche getroffen. Man kann ja nicht sagen, dafs, wenn ich einen Mafsstab etwa von der L\u00e4nge eines Dezimeters an eine zu messende Linie anlege, dadurch die Situation geschaffen ist, in der sich die durch den Mafsstab repr\u00e4sentierte Strecke mit der an der zu messenden Linie durch dieses Anlegen herausgehobenen Teilstrecke am besten vergleichen liefse. Der Messende denkt auch gar nicht daran, hier Strecken zu vergleichen, sondern beschr\u00e4nkt sich darauf, die Punkte der Linie zu beachten, eventuell zu fixieren, die mit dem Anfangs- und Endpunkte des Mafsstabes \u201ezusammenfallen\u201c. Allerdings ist er aber zugleich \u00fcberzeugt, dafs das in dieser Weise abgeschnittene St\u00fcck der zu messenden Linie viel genauer der L\u00e4nge eines Dezimeters entspricht, als, von unwahrscheinlichsten Zuf\u00e4llen abgesehen, mit H\u00fclfe des \u201eblofsen\u201c Augenmafses zu erzielen w\u00e4re. Und dieses Zutrauen ist vollberechtigt: es beruht auf der Erfahrung, dafs wir, mehr kurz als genau geredet, Orte sch\u00e4rfer unterscheiden als Ausdehnungen. In gleicher Weise wird, wer einen gegebenen Abstand mit H\u00fclfe des Zirkels auf einer Linie \u201eauftr\u00e4gt\u201c, eine besondere Vergleichung des vorgegebenen mit dem aufgetragenen Abstande sicher nicht vornehmen; von der Gleichheit der beiden Abst\u00e4nde aber wird er ohne weiteres in dem Mafse \u00fcberzeugt sein, als er ein gutes Zutrauen darauf hat, dafs die Zirkelspitzen den rechten Abstand erhalten haben und w\u00e4hrend der Bewegung des Zirkels von einem Orte nach einem anderen in unver\u00e4ndertem Abstande gegeneinander geblieben sind. \u00c4hnliches liefse sich nat\u00fcrlich nun auch von anderen Gestalten des Messens darthun, so dafs man zusammenfassend sagen kann: die Mefsoperationen sind Verfahrungsweisen, eventuell auch ohne ausdr\u00fcckliche Vergleichung Gleichheiten mit gr\u00f6fserer Zuverl\u00e4ssigkeit festzustellen, als der Unvollkommenheit unserer Vergleichungsf\u00e4higkeit nach durch direktes Vergleichen ohne solche H\u00fclfsmittel zu erzielen w\u00e4re. Ihren W ert gewinnen die so ermittelten Teilgleichheiten dann dadurch, dafs damit die Voraussetzungen zur Feststellung jener Relationen gewonnen sind, von denen oben als Relationen durch Teilvergleichung die Rede war. Umgekehrt wird der Wert der Teilvergleichung nicht zum geringsten darin zu finden","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web ersehen Gesetzes.\n235\nsein, dafs sie die Formen darbietet, um die Ergebnisse der Messung zusammenzufassen und durch Rechnung weiterzuf\u00fchren.\nDa es immer noch Theoretiker giebt, denen die Anerkennung psychischer Thatsachen besten Falles als ein notwendiges \u00dcbel erscheint, das auf das Minimum des Zul\u00e4ssigen zu reduzieren, stets im Interesse wissenschaftlicher Strenge w\u00e4re, so mag es an dieser Stelle nicht \u00fcberfl\u00fcssig sein, dem eben Dargelegten gegen\u00fcber ausdr\u00fccklich das Misverst\u00e4ndnis auszuschliefsen, als h\u00e4tte man im Messen das Mittel gefunden, sich des im direkten Vergleichen nun einmal unverkennbar vorliegenden Anteils des Psychischen zu entledigen, die psychischen Leistungen ohne Rest durch physische zu ersetzen. Denn sind auch die Messungsoperationen, wie ber\u00fchrt, zumeist physischer Natur, so kommt ihnen ihr Wert eben doch nur insoweit zu, als ihren Ergebnissen eine Bedeutung beizulegen ist, die sich in einem anderen Sinne als dem einer psychischen Thatsache nun und nimmer erfassen l\u00e4fst. Was h\u00e4tte auch das Aufeinanderlegen zu besagen, w\u00e4re es nicht das Mittel, die betreffenden Strecken eventuell zur \u201eDeckung\u201c zu bringen? Und welchen Anlafs h\u00e4tte man, sich bei der Thatsache einer solchen Deckung aufzuhalten, w\u00fcfste man nicht, dafs, was sich genau \u201edeckt\u201c, auch f\u00fcr genaueste Vergleichung stets nur Gleichheit ergeben k\u00f6nnte? Das Messen als einen rein physischen Vorgang ansehen, hiefse demnach soviel, als etwa meinen, Addieren und Multiplizieren werde dadurch in ein Physisches umgewandelt, dafs sich beides an der Rechenmaschine verrichten l\u00e4fst. \u2014 Vielleicht verdient hier nebenbei noch angemerkt zu werden, dafs es \u00fcberdies sehr wohl auch Messungsoperationen geben kann, die ausschliefslich innerhalb psychischen Geschehens verlaufen. Bei 'rasch aufeinanderfolgenden Ger\u00e4uschen, etwa dem Ticken einer Taschenuhr, erweist es sich bekanntlich oft als bequem, statt jedes einzelne der betreffenden Ger\u00e4usche zu z\u00e4hlen, dieselben in Gruppen zusammenzufassen und an diesen die Z\u00e4hlung vorzunehmen; beim Z\u00e4hlen von Schwebungen insbesondere ist dies oft geradezu das einzige Mittel, zum Ziele zu gelangen. Herk\u00f6mmlich ist es nun freilich nicht, solches Vorgehen Messen zu nennen; aber die Wesensgleichheit liegt zu Tage, obwohl dabei physische H\u00fclfs-","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nA. Meinong.\nmittel, wie etwa das Niederlegen je eines Fingers nach. Ablauf je einer Gruppe zwar oft vorteilhaft, aber sicher durch nichts gefordert sind.\nNun erw\u00e4chst jedoch aus dem Nachdruck, mit dem der Anteil des Psychischen an allen Messungsthatsachen betont wird, eine Art Gerechtigkeitsverpflichtung, zugleich ebenso ruckhaltslos einzur\u00e4umen, dafs jene ihrer Natur nach zumeist psychischen Operationen es sind, auf die zum allergr\u00f6fsten Teile jener ExaktheitsVorzug zur\u00fcckgeht, der manchen Wissensgebieten mit Hecht nachger\u00fchmt werden darf. Sich selbst \u00fcberlassen bleibt die Yergleichungsth\u00e4tigkeit dem Schwellengesetze gegen\u00fcber gleichsam wehrlos: der gr\u00f6bste Scharfsinn verm\u00f6chte, falls er nicht etwa weit \u00fcber die durch die Erfahrung gezogenen Grenzen hinaus gesteigert gedacht w\u00fcrde, f\u00fcr Zirkel oder Mafsstab keinen Ersatz zu bieten. Freilich verlangt dieser Exaktheitsvorzug ein Opfer, das mindestens erkenntnis-theoretisch von prinzipiellster Bedeutung ist: er ist nur um den Preis jener Apriorit\u00e4t zu erreichen, welche unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden die Ergebnisse des direkten, nicht auf \u00e4ufsere H\u00fclfen gest\u00fctzten Vergleichens auszeichnet. Vergleiche ich zwei Objekte A und J5, und gelange ich auf diesem direkten Wege zur Einsicht in ihre Verschiedenheit, so ist die so gewonnene Erkenntnis von aller Erfahrung \u2014- aufser etwa derjenigen, die mich mit den Inhalten A und B versehen hat, \u2014 unabh\u00e4ngig, in diesem Sinne also durchaus apriorisch. Stelle ich hingegen durch Messung fest, dafs JB etwa f\u00fcnfmal in A enthalten ist, so sind zum mindesten \u00fcber die Konstanz des Mafsstabes w\u00e4hrend der Messungsoperation Voraussetzungen gemacht, die in anderem als in diesbez\u00fcglichen Erfahrungen nicht begr\u00fcndet sein k\u00f6nnen, dadurch aber auch dem Messungsergebnis den Charakter der von der Erfahrung abh\u00e4ngigen, also der empirischen Erkenntnis aufdr\u00fccken. Praktisch wird der hierin implizierte Verlust an Sicherheit nat\u00fcrlich um so weniger in Betracht kommen, je mehr sich selbst die apriorischeste aller Wissenschaften, die Mathematik, schon nach den allerersten Schritten verm\u00f6ge der Unvollkommenheit des menschlichen Intellektes auf empirische H\u00fclfen angewiesen findet,1 ohne dabei praktisch merklichen Schaden zu nehmen.\n1 Vergl. Ehrenfels in der Vierteljahrsschr. /\u2022 iviss. Philos. Jahrg. 1891. S. 311 ff. L","page":236},{"file":"p0237.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des W eher sehen Gesetzes.\n237\n\u00a7 14. Unmittelbare und mittelbare Messung.\nSo einfach dem Gesagten zufolge alles Messen seinem Grundgedanken nach ist, so werden ihm doch durch die Bed\u00fcrfnisse der Praxis konkrete Aus- und Umgestaltungen aufgedr\u00e4ngt, von denen hier als von den verschiedenen Arten des Messens kurz die Bede sein mufs.\nIm Bisherigen wurde stillschweigend vorausgesetzt, das \u201eMafsu k\u00f6nne an das zu Messende sozusagen unmittelbar herantreten, zu diesem unmittelbar in die erforderliche Beziehung gesetzt werden. Dies wird jedoch oft nicht leicht genug, oft auch gar nicht ins Werk zu setzen sein, und in solchen F\u00e4llen empfiehlt es sich, die Messung an einem Stellvertreter des zu Messenden vorzunehmen. Gilt es, die L\u00e4nge einer Linie zu bestimmen, welche eine Seite in einem Quadrat ausmacht, so kann ich, wenn aus irgend einem Grunde eine andere der Quadratseiten der Messung leichter zug\u00e4nglich ist, ganz gut an dieser statt an jener die Messung vornehmen; ich h\u00e4tte nat\u00fcrlich ebensogut die Messung an einer halb oder einer doppelt so langen Linie vornehmen k\u00f6nnen, wenn eine solche Linie nebst ihrem Gr\u00f6fsenverh\u00e4ltnis gegen\u00fcber der zu messenden Linie gegeben gewesen w\u00e4re. Es giebt Umst\u00e4nde, durch welche diese Art des Vorgehens ausnahmslos geboten erscheint: das W\u00e4gen ist ein einfaches Beispiel hierf\u00fcr. Fafst man das W\u00e4gen, wie man doch wohl mufs, als ein Vorgehen, dazu bestimmt, das Gewicht eines Gegenstandes zu messen, so ist sofort auff\u00e4llig, dafs, was man hier durch Auflegen von bekannten Gewichten auf die eine Wagschale zusammensetzt und in dieser Weise bestimmt, niemals das Gewicht des betreffenden K\u00f6rpers selbst, sondern in der Kegel blofs ein verm\u00f6ge der Konstruktion der Wage genau gleiches Gewicht ist, ausnahmsweise jedoch, wie bei der Dezimal- und sogenannten Schnellwage, ein betr\u00e4chtlich davon verschiedenes sein kann, dessen Gr\u00f6fse zu der des zu messenden Gewichtes in einem mehr oder weniger einfachen, jedenfalls aber bekannten funktionellen Verh\u00e4ltnisse steht. Ich will Messungen dieser Art als mittelbare Messungen denen ohne Stellvertretung als unmittelbaren Messungen gegen\u00fcberstellen.\n\u00dcbrigens sei der Aufstellung dieser Einteilung sogleich die Bemerkung beigef\u00fcgt, dafs ihr eine erhebliche praktis che","page":237},{"file":"p0238.txt","language":"de","ocr_de":"238\nA. Meinong.\nBedeutung deshalb nicht wohl zukommen wird, weil es nicht selten von ganz nebens\u00e4chlichen Umst\u00e4nden, ja geradezu von Zuf\u00e4llen abh\u00e4ngen kann, ob eine Messung unmittelbar oder mittelbar, und im letzteren Falle, ob sie mehr oder weniger mittelbar, d. h. von unmittelbaren Messungsvorg\u00e4ngen durch mehr oder weniger Zwischenglieder getrennt, stattfindet. Von theoretischem Interesse ist dagegen die Frage nach der Eignung f\u00fcr unmittelbare Messung. Ohne Zweifel kommt in dieser Beziehung dem Baume eine Vorzugsstellung zu; mir schiene indes zu weit gegangen, wollt\u00a9 man R\u00e4umliches als das allein unmittelbar Mefsbare bezeichnen.1 Dafs n\u00e4mlich im besonderen Zeit oft genug an Raum, also mittelbar gemessen wird, steht ja fest und hat an der Verwendung der Uhr ein ausreichend deutliches Beispiel. Aber schon, wer eine Zeitstrecke nach Pendelschwingungen mifst,2 nimmt die Teilung und Teilvergleichung nicht an einer Raumstrecke, sondern an der zu messenden Zeitstrecke selbst vor, wenn auch, soweit die Amplitude der Schwingungen in Frag\u00a9 kommt \u2014 aber auch nur so weit \u2014 mit H\u00fclfe einer (g\u00fcnstigen Falles) gleichbleibenden Raumstrecke. Hoch auff\u00e4lliger wird \u00fcbrigens die prinzipielle Unabh\u00e4ngigkeit der betreffenden Zeit- von der Raummessung, wenn nicht die Pendelschwingungen mit dem Auge verfolgt, sondern vielleicht Pendelschl\u00e4ge, etwa auch Schwebungen oder sonstige Geh\u00f6rsdaten, gez\u00e4hlt werden. Zweifel an der M\u00f6glichkeit unmittelbarer Zeitmessung k\u00f6nnten leicht auf dem Mifs-verst\u00e4ndnis beruhen, dafs man unvermerkt dort unmittelbare Vergleichung fordert, wo man doch nur den Thatbestand unmittelbarer Messung ins Auge fassen soll; wirklich ist in den eben ber\u00fchrten Beispielen von unmittelbarer Vergleichung der einzelnen Zeitabschnitte untereinander oder mit einem \u201eZeitmafsstabew nicht die Rede. Aber die obigen Darlegungen \u00fcber das Wesen der (zun\u00e4chst unmittelbaren) Messung d\u00fcrften bereits deutlich gemacht haben, dafs, so gewifs alles Messen wie alles Vergleichen in letzter Linie auf unmittelbares Vergleichen hinauslaufen mufs, es doch gerade die Hauptaufgabe des Messens bleibt, den Unzuverl\u00e4ssigkeiten des unmittelbaren\n1\tSo z. B. Fechnek, Philos. Stud., Bd. IV. S. 217 f., wokl auch. Lipps, Grundz\u00fcge der Logik. S. 121 f.\n2\tVergl. Kries in der Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 1892. S. 281.","page":238},{"file":"p0239.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n239\nVergleichen durch Einschieben angemessen er Zwischenvorg\u00e4nge m\u00f6glichst abzuhelfen.\n\u00a7 15. Eigentliche und surrogative Messung.\nNun mufs es aber auch Messungen geben, auf welche die obige Charakteristik der mittelbaren Messung so wenig Anwendung findet als die der unmittelbaren. Eine einfache Erw\u00e4gung gen\u00fcgt, dies darzuthun. Ist alle Messung, so wie wir sie bisher kennen gelernt haben, Teilvergleichung, so k\u00f6nnen selbstverst\u00e4ndlich nur solche Grr\u00f6fsen mefsbar sein, die in gleichbenannte Teile zerlegbar sind, also die bereits oben im besonderen so genannten teilbaren Grr\u00f6fsen. Nun nimmt man aber bekanntlich gar keinen Anstand, etwa Distanzen oder Verschiedenheiten zu messen, obwohl, wie schon einmal zu ber\u00fchren Gelegenheit war, alle Relationen einfach, insbesondere Verschiedenheiten jedenfalls nicht aus Verschiedenheiten zusammengesetzt sind. Auch Temperaturh\u00f6hen1 und Geschwindigkeiten werden gemessen, obwohl keine Temperatur aus Temperaturen, keine Geschwindigkeit aus Geschwindigkeiten besteht. Wir haben es hier also offenbar mit einer Erweiterung des Mafs-begriffes zu thun, und es gilt, nun auch die Klasse von Messungsvorg\u00e4ngen zu charakterisieren, in welcher diese Erweiterung zur Geltung kommt.\nDer f\u00fcr uns ohnehin besonders wichtige Fall der Messung von Distanzen biete hierzu den Ausgangspunkt. Man kann, das steht aufser Zweifel, nicht eine Verschiedenheit nehmen und sie auf eine andere Verschiedenheit einmal oder mehrere Male \u201eauftragen\u201c; was meint man also, wenn man die eine Verschiedenheit etwa doppelt so grofs nennt? Fafst man zun\u00e4chst etwa r\u00e4umliche oder zeitliche Verschiedenheiten oder, wie man hier in besonderer Weise ungezwungen sagen kann, F\u00e4lle r\u00e4umlicher oder zeitlicher Distanz ins Auge, so k\u00f6nnte vor allem die Einf\u00fchrung des Wortes \u201eDistanz\u201c die Neigung erwecken, das von der Verschiedenheit anstandslos Zugegebene in Bezug auf die \u201eDistanz\u201c zur\u00fcckzunehmen. Warum sollte ich nicht eine Distanz zwischen zwei Zirkelspitzen nehmen, auf\n1 Allf\u00e4lligen Bedenken gegen die Berechtigung des Ausdruckes \u201eTemperaturmessung\u201c d\u00fcrfte durch die folgenden Ausf\u00fchrungen wohl ausreichend Rechnung getragen werden.","page":239},{"file":"p0240.txt","language":"de","ocr_de":"240\nA. Meinong.\neiner Linie w-mal anftragen und auf diese Weise eine w-mal so grofse Distanz erhalten k\u00f6nnen? Die Weite des Sprachgebrauches, der solche Ausdrucksweise ohne den Schein besonderer Ungenauigkeit gestattet,1 verr\u00e4t, wie mir scheint, deutlich genug die Stelle, an der der Messungsgedanke in der uns bereits bekannten, sozusagen urspr\u00fcnglichen Gestalt einsetzen kann. Ist die \u201eDistanz\u201c, welche ich zwischen die Zirkelspitzen nehmen und \u00fcbertragen kann, zun\u00e4chst und in erster Linie wirklich eine Yerschiedenheit und nicht vielmehr eine Strecke, deren Anfangs- und Endpunkt allerdings eine durch die L\u00e4nge der Strecke v\u00f6llig bestimmte Verschiedenheit aufweist? Jede Daum- oder Zeitstrecke zerf\u00e4llt in Strecken und ist darum mefsbar im eigentlichsten Sinne. Jeder Daum- oder Zeitstrecke geh\u00f6rt ferner eine Daum- resp. Zeitdistanz zu, der ganzen Strecke wie ihren Teilstrecken. Und zwar ist nicht nur jeder Streckengr\u00f6fse eine Distanzgr\u00f6fse, sondern auch jeder Distanz-gr\u00f6fse eine Streckengr\u00f6fse zugeordnet. Es liegt unter solchen Umst\u00e4nden nahe genug, was so notwendig zusammengeht, nicht streng auseinanderzuhalten, und nicht von Messung der Distanzen zu reden, wo man zun\u00e4chst nur von Messung der zugeordneten Strecken reden d\u00fcrfte. Man k\u00f6nnte dergleichen nun freilich einfach als Ungenauigkeit des Ausdruckes verwerfen, w\u00fcrde man nicht durch andere, unter ganz analogen Umst\u00e4nden sich vollziehende \u00dcberschreitungen der in unserer ersten Charakteristik des Messens gezogenen Schranken dar\u00fcber belehrt, dafs es ganz bestimmte Bed\u00fcrfnisse sind, die hierbei zu ihrem guten Dechte gelangen.\nWas hat man sich denn eigentlich bei der Behauptung zu denken, dafs das Thermometer die W\u00e4rme zu \u201emessen\u201c bestimmt ist? Gemessen im eigentlichsten Wortsinne wird hier doch nur die Quecksilbers\u00e4ule an einem allerdings in besonderer Weise angefertigten Mafsstabe; der Zusammenhang mit der Temperatur wird nur dadurch hergestellt, dafs einer bestimmten H\u00f6he der Quecksilbers\u00e4ule eben ein bestimmter Temperaturzustand entspricht, und dafs mit der Steigerung und Herabsetzung der L\u00e4nge dieser S\u00e4ule auch am Temperaturzustande ihrer Umgebung sich etwas steigert resp. herabsetzt. Die\n1 Yergl. auch A. H\u00f6fler in der Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 1890\u00bb S. 497 f.","page":240},{"file":"p0241.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\t241\nAnnahme eines Parallelismus in den Ver\u00e4nderungen mufs dabei nicht einmal so gar wesentlich sein; sonst m\u00fcfste es dem Alltagsdenken, dem bei \u201eW\u00e4rme\u201c doch jederzeit die sensible Qualit\u00e4t vorschwebt, mehr Schwierigkeit bereiten, mit dem \u201eSinken\u201c des Quecksilbers eventuell auch ein \u201eSteigen\u201c, das der K\u00e4lte n\u00e4mlich, in Verbindung zu bringen. Jedenfalls kann man also sagen: die W\u00e4rme gilt hier f\u00fcr \u201egemessen\u201c, sobald ein anderes gemessen ist, dessen verschiedene Zust\u00e4nde mit den W\u00e4rmezust\u00e4nden in empirisch festgestellter Begelm\u00e4fsig-keit koexistieren.\nUnd wie geht schliefslich das Messen der Geschwindigkeit vor sich? Bekanntlich so, dafs man Weg und Zeit mifst und die erhaltenen Mafszahlen durch Division (der ersten Mafszahl durch die zweite) verbindet. W\u00e4re im Sinne einer fr\u00fcher besprochenen Annahme Geschwindigkeit selbst nicht anderes als Weg und Zeit, so h\u00e4tten wir hier nichts als zwei Messungen im engsten Sinne vor uns, und nur die Division w\u00e4re eine schwer verst\u00e4ndliche Zuthat. Ist aber Geschwindigkeit, wie oben zu zeigen versucht wurde, thats\u00e4chlich etwas anderes als \u201eWeg und Zeit\u201c, dann stellt das Messen der Geschwindigkeit wieder einen Fall dar, wo etwas f\u00fcr gemessen gilt, sobald ein anderes gemessen ist, das mit ersterem in ausreichend enger Verbindung steht. Die Verbindung ist diesmal keine blofs erfahrungs-m\u00e4fsige, sondern eine ersichtlich notwendige: Geschwindigkeit ist eine Komplexion aus Weg und Zeit; ebenso ist der Quotient aus den zugeh\u00f6rigen Mafszahlen eine Komplexion aus diesen, ^allerdings eine ganz andere als die Geschwindigkeit, aber eine, \u25a0deren Natur zusammen mit der der Geschwindigkeit garantiert, dafs jedem Werte dieses Quotienten eine bestimmte Gr\u00f6fse der Geschwindigkeit entspricht, und dafs Steigerung und Herabsetzung der einen Gr\u00f6fse stets mit entsprechender Steigerung und Herabsetzung der anderen Gr\u00f6fse Hand in Hand geht.\nDafs man in F\u00e4llen, wie diese drei Beispiele uns deren vorfiihren, es mit etwas von der oben beschriebenen mittelbaren Messung v\u00f6llig Verschiedenem zu thun hat, leuchtet auf den ersten Blick ein. Dennoch k\u00f6nnte man zun\u00e4chst versuchen, den Unterschied in einen relativ \u00e4ufserlichen Umstand zu verlegen, in die Gleichartigkeit oder Ungleichartigkeit des die Messung erm\u00f6glichenden Zwischengliedes mit dem zu Messenden. Auch in den drei letzten F\u00e4llen liegt n\u00e4mlich ein solches\n16\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XI.","page":241},{"file":"p0242.txt","language":"de","ocr_de":"242\nA. Meinong.\nZwischenglied vor: w\u00e4hrend aber bei dem, was oben mittelbare Messung genannt wurde, die Linie mit H\u00fclfe einer, sei es gleichen, sei es ungleichen Linie, das Gewicht mittelst Gewicht gemessen wurde, fanden wir in den drei letzten F\u00e4llen Distanz an Strecke, Temperatur an r\u00e4umlicher Ausdehnung, Geschwindigkeit an r\u00e4umlicher zusammen mit zeitlicher Ausdehnung gemessen. Nun versagt aber das Gleichartigkeitskriterium bei mehr als einer Gelegenheit seinen Dienst, indem es F\u00e4lle, deren Zugeh\u00f6rigkeit zur \u201emittelbaren Messung44 ohne weiteres klar ist, entweder ganz eindeutig in die Analogie zu den drei letzten Beispielen dr\u00e4ngt, oder es gar zu einer Sache der Willk\u00fcr macht, sie dieser Analogie oder der der mittelbaren Messung im obigen Sinne zuzuweisen. Ersteres w\u00fcrde z. B. von der Bestimmung des Fl\u00e4cheninhaltes etwa eines Dreieckes aus Grundlinie und H\u00f6he gelten, die beide als Linien von der Fl\u00e4chengr\u00f6fse, die sie messen helfen, toto genere verschieden sind. Letzterer Fall dagegen w\u00fcrde vorliegen, wo die L\u00e4nge einer Dreiecksseite durch Messung der beiden anderen Seiten, sowie des von diesen eingeschlossenen Winkels bestimmt wird. Solche Messung m\u00fcfste, sofern man dabei von Seitengr\u00f6fsen ausgeht und auch zu Seitengr\u00f6fsen gelangt, als mittelbare Messung im obigen Sinne bezeichnet werden, dagegen unseren drei Beispielen zuzugesellen sein, sofern die Messung doch auch von einer Winkelgr\u00f6fse ihren Ausgang genommen hat. Man. wird solchen Gegeninstanzen gegen\u00fcber sich auch nicht wohl auf den Sprachgebrauch berufen d\u00fcrfen, der freilich Messen und Berechnen auseinanderh\u00e4lt: es w\u00e4re ja sehr fraglich, ob nicht auch schon manches von dem, was oben als mittelbare Messung behandelt wurde, sprachgebr\u00e4uchlich zwangloser als Berechnung zu bezeichnen w\u00e4re.\nIn der That, gilt es, den durch die drei Beispiele illustrierten Thatbestand gegen\u00fcber dem der mittelbaren Messung zu kennzeichnen, so ist es ziemlich nebens\u00e4chlich, ob der Stellvertreter oder Quasi-Stellvertreter dem zu Messenden auch wirklich wesensgleich ist.1 Entscheidend d\u00fcrfte dagegen \u00fcberall sein, ob durch das Ergebnis der betreffenden Operation das zu Messende auch\n1 Tats\u00e4chlich wird auch kaum jemand Anstofs daran genommen haben, dafs bereits oben (vgl. S. 238 f.) die Messung der Zeit an r\u00e4umlichen Bestimmungen ohne weiteres als ein Fall mittelbarer Messung in Erw\u00e4gung gezogen worden ist, und zwar, wie im Hinblick auf eine am","page":242},{"file":"p0243.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n243\nwirklich, f\u00fcr eigentlich gemessen gelten kann oder nicht, \u2014 anders ausgedr\u00fcckt, ob die Natur des zu messenden Gegenstandes eine Messung in dem oben festgestellten eigentlichen Sinne gestattet, und der aus was immer f\u00fcr Gr\u00fcnden eingeschlagene Umweg am Ende doch genau das ergiebt, was der gerade Weg, die unmittelbare Messung n\u00e4mlich, unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden ergeben m\u00fcfste. Wo immer dies zutrifft, fehlt jeder Grund, von anderem als eben wieder von mittelbarer Messung zu reden: und die Anwendung auf die Messung des Fl\u00e4cheninhaltes oder der Dreiecksseite bietet nun weiter keine Schwierigkeiten mehr. Zwar wird freilich niemand daran denken, etwa mit, H\u00fclfe ausreichend kleiner Quadrate eine, nat\u00fcrlich besten Falles approximative unmittelbare Messung einer Dreiecksfl\u00e4che zu versuchen ; dennoch f\u00fchrt die Messung von Grundlinie und H\u00f6he zu einer Messung dieser Fl\u00e4che im eigentlichsten Sinne. Denn Fl\u00e4cheninhalte sind teilbare Gr\u00f6fsen ; und k\u00f6nnte man eine geeignete Einheit auftragen, so m\u00fcfste das Ergebnis mit dem durch Grundlinien- und H\u00f6henmessung erlangten \u00fcbereinstimmen. Vollends aber kann die Bestimmung der Seitenl\u00e4nge, wie immer gewonnen, nur den Fall einer eigentlichen mittelbaren Messung repr\u00e4sentieren.\nGanz anders, wenn man gleichsam vor die Aufgabe einer Messung bei Gr\u00f6fsen gestellt ist, die eine Messung im bisher bezeichneten Sinne ihrer Natur nach deshalb gar nicht zulassen, weil sie gar nicht teilbare Gr\u00f6fsen sind. Auch hier handelt es sich freilich, wie bei der mittelbaren Messung, um eine Art Stellvertretung, aber um eine ungleich weitergehende. Betrifft sie n\u00e4mlich bei der mittelbaren Messung sozusagen nur den Weg, auf dem vorgegangen wird, so ber\u00fchrt sie in den zuletzt betrachteten F\u00e4llen das Ergebnis des Vorganges. Wird ein A mit H\u00fclfe eines \u00a3? mittelbar gemessen, so ist am Ende doch A das Gemessene, ganz ebenso, als wenn die Messung unmittelbar am A in Angriff genommen worden w\u00e4re. Dagegen ist, was aus Vorg\u00e4ngen von der letztbetrachteten Art hervorgeht, streng genommen gar nicht die Messung des A ; vielmehr wird hier als Messung des A etwas bezeichnet, was eigentlich nur Messung eines B ist. Bei Messung der Distanz wird eigentlich nicht\nSchl\u00fcsse des gegenw\u00e4rtigen Paragraphen zn machende Bemerkung hinzugef\u00fcgt sein mag, ohne Erweiterung der oben f\u00fcr mittelbare Messung getroffenen Begriffsbestimmung.\n16*","page":243},{"file":"p0244.txt","language":"de","ocr_de":"244\nA. Meinong.\ndiese gemessen, sondern die zugeordnete Strecke, bei Messung der Temperatur nicht diese, sondern der Quecksilber stand, bei Messung der Geschwindigkeit nicht diese, sondern eine aus Weg und Zeit gebildete neue Komplexion. An Stelle des eigentlich zu messenden Gegenstandes, des Mefsobjektes, wie man kurz sagen kann, ist ein Surrogat getreten, das eigentlich gemessen wird; ich stelle daher Messungen dieser Art als surrogative Messungen den fr\u00fcher betrachteten als eigentlichen Messungen gegen\u00fcber.\nEs verdient ausdr\u00fccklich hervorgehoben zu werden, dafs hier mit \u201eSurrogat\u201c nicht dasjenige bezeichnet wird, woran der Messungsakt unmittelbar angreift. Es kann mit letzterem zusammenfallen, wie das Beispiel von der Distanz und das von der Temperatur beweist ; dort ist die Strecke, hier die Quecksilbers\u00e4ule das Surrogat und zugleich das unmittelbar Gemessene. Dagegen werden im Beispiel von der Geschwindigkeit vielleicht Weg, eventuell auch Zeit unmittelbar gemessen; Surrogat ist hier aber jene Zahlengr\u00f6fse, welche zu Weg und Zeit in der durch die bekannte Formel ausgedr\u00fcckten funktionellen Beziehung steht. Hier wird also das Surrogat selbst mittelbar gemessen. Es mag dieser Hinweis noch ein \u00dcbriges thun, die prinzipielle Yerschiedenheit der surrogativen von der mittelbaren, aber eigentlichen Messung ins Licht zu setzen.\nWas du,s logische Verh\u00e4ltnis der so gewonnenen vier Klassenbegriffe anlangt, so ist aus dem Bisherigen wohl ausreichend klar geworden, dafs der Gegensatz des Unmittelbaren und Mittelbaren zun\u00e4chst nur f\u00fcr die eigentliche Messung ins Auge ge-fafst worden ist. L\u00e4fst man aber einmal die surrogative Messung ebenfalls als Messung gelten, dann ist sofort ersichtlich, dafs das Surrogat als solches jederzeit den Thatbestand der Yermitteltheit gew\u00e4hrleistet. Man kann dann auch zusammenfassend sagen: nur eigentliche Messung kann unmittelbar, nur mittelbare Messung kann surrogativ sein; zerf\u00e4llt sonach eigentliche Messung in unmittelbare und mittelbare, so zugleich mittelbare in eigentliche und surrogative.\n\u00a7 16. Bedeutung und Bedingungen der surrogativen\nMessung.\nNun dr\u00e4ngt sich aber doch vor allem die Frage auf, wie man denn eigentlich dazu komme, A in F\u00e4llen als gemessen","page":244},{"file":"p0245.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n245\nzu bezeichnen, wo in Wahrheit doch JB das Gemessene ist, \u2014 die Frage also, worin die vorliegende Erweiterung des Messungsbegriffes ihre Legitimation finde. Soweit ich sehe, liegt diese Legitimation einfach darin, dafs mit H\u00fclfe des Surrogates die Vorteile, um deren willen Teil Vergleichung und Messung bei teilbaren Gr\u00f6fsen vorgenommen werden, sich unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden zum gr\u00f6bsten Teile auch unteilbaren Gr\u00f6fsen zuwenden lassen.\nDrei Dinge sind es ja doch wohl, welche der Messung teilbarer Gr\u00f6fsen vor allem Wert verleihen, einmal der Ersatz eines aus einem Gr\u00f6fsencontinuum herausgegriffenen, der ganzen Unbest\u00e4ndigkeit eines kontinuirlich variablen Vorstellungsinhaltes ausgesetzten Datums durch ein Discretum, eine Zahlengr\u00f6fse n\u00e4mlich, welche die Unzuk\u00f6mmlichkeiten des kontinuirlich Variablen nur noch in der \u201eBenennung\u201c, in der Einheit also gleichsam zur\u00fcckgedr\u00e4ngt und f\u00fcr die meisten Zwecke unsch\u00e4dlich gemacht aufweist. Hinz\u00fc kommt zweitens, dafs diese Zahlengr\u00f6fse zu anderen in derselben Weise, d. h. auf Grund derselben Einheit gewonnenen Zahlengr\u00f6fsen, in den n\u00e4mlichen Gr\u00f6fsen-relationen (das Wort im \u00fcblichen, vielleicht etwas zu engen Sinn verstanden) steht, wie die gegebene Mefsgr\u00f6fse zu den betreffenden anderen Mefsgr\u00f6fsen des n\u00e4mlichen Continuums, \u2014 endlich drittens, dafs die absoluten Limitenwerte 0 und co, die f\u00fcr unteilbare Gr\u00f6fsen so gut Geltung haben als f\u00fcr teilbare, f\u00fcr Mefsgr\u00f6fse und Mafszahl zusammenfallen, sobald diese als Variable behandelt werden k\u00f6nnen. Man kann nat\u00fcrlich nicht sagen, dafs die benannte Mafszahl der Mefsgr\u00f6fse gleich ist ; man \u00fcbersieht aber leicht, weshalb man sich bei den allermeisten Gelegenheiten mit besserem Erfolg an jene als an diese halten wird.\nHun ist aber aus den obigen Beispielen ersichtlich, dafs unter ausreichend g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden mit H\u00fclfe surrogativer Messung ganz Analoges zu erzielen ist; die Distanz partizipiert an allen Vorteilen der Streckenmessung, die Geschwindigkeit an allen Vorteilen der Messung des Quotienten aus Weg und Zeit. Bei weitem weniger leistet das Thermometer f\u00fcr die Kenntnis der Temperatur; der zweite und dritte der oben namhaft gemachten Erfolge des Messens fehlt hier g\u00e4nzlich. Man ersieht daraus zugleich, dafs es bei der surrogativen Messung Vollkommenheifcsgrade giebt und die Temperaturmessung einen","page":245},{"file":"p0246.txt","language":"de","ocr_de":"246\nA. Meinong.\nFall unvollkommener, man k\u00f6nnte sagen rudiment\u00e4rer Messung repr\u00e4sentiert.\nAus dem Gesagten mufs sick nun auch nock eine zweite Grundfrage beantworten lassen: sie betrifft die Bedingungen, denen ein Messungssurrogat als solches Gen\u00fcge zu leisten kat. Vor allem ist hier mit R\u00fccksicht auf das Beispiel von der Geschwindigkeit wohl nickt \u00fcberfl\u00fcssig, ausdr\u00fccklich zu bemerken, dafs es jedesmal nur ein Messungssurrogat giebt und nicht etwa deren mehrere. Zeit und Weg sind in dem eben erw\u00e4hnten Falle nicht etwa selbst Surrogate ; Anspruch auf diesen Namen hat hier vielmehr nur die aus Weg und Zeit als Bestandst\u00fccken im Sinne der Quotientenformel gebildete Komplexion. Nur kann diese selbst nat\u00fcrlich nicht anders als mittelbar gemessen werden, und die Objekte, an denen die Messungsoperation eventuell unmittelbar angreift, sind eben die Bestandst\u00fccke Weg und Zeit.\nSelbstverst\u00e4ndlich ist ferner, dafs das Messungssurrogat eine Gr\u00f6fse sein mufs und zwar, falls es nicht etwa auch seinerseits nur surrogativer Messung zug\u00e4nglich ist, eine teilbare Gr\u00f6fse. In betreff der qualitativen Beschaffenheit zeigen die thats\u00e4chlich als Surrogate verwendeten Gr\u00f6fsen eine aufser-ordentlieh weitgehende, durch vorg\u00e4ngige Bestimmungen kaum einzuschr\u00e4nkende Mannigfaltigkeit; nur d\u00fcrfen, wie eben schon ber\u00fchrt, im Falle mittelbarer Messungen die Mittel nicht etwa auch in den Kreis dieser Mannigfaltigkeit aufgenommen werden.\nVor allem wichtig sind nat\u00fcrlich jene Relationen zwischen Surrogat und Mefsobjekt, auf Grund deren die surrogative Messung in betreff der drei oben erw\u00e4hnten Hauptleistungen es der eigentlichen Messung gleich zu thun oder sich ihr anzun\u00e4hern bestrebt ist. Unter allen Umst\u00e4nden unerl\u00e4fslich ist die ausreichend bestimmte und eindeutige Zuordnung der Punkte des Surrogatcontinuums zu denen des Mefsobjektcontinuums ; ob die Koexistenz durch Einsicht in deren Notwendigkeit oder nur durch die Empirie gew\u00e4hrleistet ist, d\u00fcrfte dabei mehr theoretisch als praktisch von Belang sein, falls die etwaige Empirie nur zuverl\u00e4ssig genug ist. Ausreichen aber m\u00f6chte diese Zuordnung f\u00fcr sich allein kaum in irgend einem Falle auch noch so unvollkommener Messung ; sonst w\u00e4ren am Ende auch die T\u00f6ne durch die Notenschrift gemessen, der es noch dazu keineswegs an allen Analogien zu dem, was sie bezeichnen soll, fehlt.","page":246},{"file":"p0247.txt","language":"de","ocr_de":"fiber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n247\nMan kommt damit znm Erfordernis der Gleichheit der zusammengeh\u00f6rigen Gr\u00f6fsenrelationen, von dem mindestens so viel unerl\u00e4fslioh sein d\u00fcrfte, dafs die Steigerung oder Herabsetzung des einen stets mit Steigerung resp. Herabsetzung des anderen Hand in Hand gehen mufs. Soviel gilt ja im ganzen wohl auch von der Temperaturmessung; ist diese Geltung nicht von allem Bedenken frei, so w\u00e4re daraus nur zu entnehmen, dafs auch das Gebiet der Messung gegen blofse Fixierung ohne Messung nur fLiefsend abgegrenzt ist. Andererseits ist selbstverst\u00e4ndlich, dafs, wenn man eine Gr\u00f6fse surrogativ zu messen unternimmt, man darauf bedacht sein wird, ein Surrogat zu w\u00e4hlen, das in betreff der zusammengeh\u00f6rigen Relationen und Grenzwerte dem, was die eigentliche Messung bietet, m\u00f6glichst nahe kommt. Die Wahl wird dabei weniger die letzten, unmittelbaren Angriffspunkte f\u00fcr den Messungsvorgang zu betreffen haben, da diese in der Regel ziemlich eindeutig vorgegeben sind; um so weiteres Feld f\u00fcr theoretische Arbeit bietet die Funktion, durch welche die der Messung unmittelbar vorliegenden Gr\u00f6fsen zu jener Komplexion vereinigt werden, die als Messungssurrogat dienen soll. Ein Blick auf die von Kries so genannten \u201ekombinierten Einheiten\u201c unserer.modernen Physik1 l\u00e4fst erkennen, was eine entwickelte Wissenschaft in dieser Richtung leisten kann.\nSchliefslich sei der Vollst\u00e4ndigkeit halber auch des selbstverst\u00e4ndlichen Umstandes gedacht, dafs, weil das Messen, gleichviel, ob eigentliches oder surrogatives, am Ende doch jederzeit eine praktische Verrichtung ist, das Surrogat allemal einer solchen Operation auch zug\u00e4nglich sein mufs. Ein Surrogat, das seinen Relationen nach die weitestgehenden Anforderungen zu befriedigen verm\u00f6chte, wird eventuell einem in dieser Hinsicht unvollkommeneren Surrogate hintanzusetzen sein, wenn dieses einer unmittelbaren oder mittelbaren, eigentlichen, eventuell auch surrogativen Messung leicht, jenes schwer oder gar nicht erreichbar ist.\nEs wurde bereits ber\u00fchrt, dafs das Ergebnis einer surrogativen, wie das jeder anderen Messung sich als Zahl darstellt und zwar als benannte Zahl. Es ist beachtenswert, dafs die Sprache auch in betreff dieser Benennungen zwischen eigent-\n1 Vgl. Vierteljahrsschrift f. wiss. Philos. 1882. S. 263 f.","page":247},{"file":"p0248.txt","language":"de","ocr_de":"248\nA. Meinong.\nHoher und surrogativer Messung keinen Unterschied macht. Unbedenklich redet man demgem\u00e4fs von einer Distanz oder Geschwindigkeit = I, von einer Distanz, die das lOfache, von einer Geschwindigkeit, die das lOOfache der ersteren ist, trotz der Unteilbarkeit von Distanz und Geschwindigkeit. Es kann gelegentlich wichtig werden, des Umstandes eingedenk zu sein, dafs derlei in voller Strenge nicht von den betreffenden Mefs-objekten, sondern nur von deren Surrogaten zutrifft.\nIm Anschl\u00fcsse hieran sei hier noch der M\u00f6glichkeit einer Art zahlenm\u00e4fsiger Bestimmung ohne Messung gedacht, die insofern besteht, als die Vergleichung von Verschiedenheiten sog. \u201edisparater\u201c Gebiete1 zu Erfolgen f\u00fchrt. Kann ich die Verschiedenheiten zwischen den Gliedern einer Gr\u00f6fsenreihe\n(resp. Punkten eines Gr\u00f6fsencontinuums) a, 6, c.......gleich,\ngr\u00f6fser oder kleiner finden als die Verschiedenheiten zwischen\nden Gliedern einer anderen Reihe a1, 61, c1....., so kann es\nprinzipiell wenigstens nicht unstatthaft sein, an Stelle der\na\\ &1, c1.....die Reihe der nat\u00fcrlichen Zahlen zu setzen und\ndie Punkte a, 5, c.....irgend eines Gr\u00f6fsencontinuums derart\nauszuw\u00e4hlen, dafs etwa a von b gleich verschieden ist wie 1 von 2, b von c gleich verschieden wie 2 von 3 u. s. f. Es w\u00e4re dann nat\u00fcrlich ganz einerlei, ob die betreffenden Gr\u00f6fsen teilbar sind oder nicht; ja, streng genommen, k\u00f6nnte nicht einmal verlangt werden, dafs das Continuum jedesmal ein Gr\u00f6fsencontinuum sei. Von den so gewonnenen Punkten h\u00e4tte es dann einen bestimmten Sinn, zu sagen, a verhalte sich zu b wie 1 zu 2 u. s. f. Proportionalit\u00e4t k\u00f6nnte man das nat\u00fcrlich nicht nennen, aber es w\u00e4re immerhin etwas der Proportionalit\u00e4t Verwandtes.2 Ob ein solches Verfahren irgend einmal zu praktischen Ergebnissen f\u00fchren mag, bleibe hier dahingestellt; vielleicht hat aber die M\u00f6glichkeit eines solchen Verfahrens das Ihre dazu beigetragen, Objekte als eigentlich mefsbar erscheinen zu lassen, deren Natur einen Zweifel dar\u00fcber, dafs sie in das Gebiet der teilbaren Gr\u00f6fsen nicht geh\u00f6ren,3 nicht wohl auf kommen liefs.\n1\tVergL oben S. 119 f.\n2\tVergl. unten \u00a7 28.\n3\tVergl. unten \u00a7 27.","page":248},{"file":"p0249.txt","language":"de","ocr_de":"Tiber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n249\nVierter Abschnitt.\n\u00dcber Messung von Gr\u00f6fsenverschiedenlieiten.\n\u00a7 17. Allgemeines \u00fcber Verschiedenheitsmessung.\nAufgabe der folgenden Untersuchungen.\nWas im vorhergehenden \u00fcber Messung im allgemeinen festgestellt worden ist, soll nun dazu dienen, einem Spezialfalle von gr\u00f6fster Wichtigkeit n\u00e4her zu treten, als oben m\u00f6glich war, wo derselbe nur als ein Beispiel neben anderen gleichgeordneten in Betracht gezogen werden konnte. So grundlegend bedeutungsvoll die Belation der Verschiedenheit f\u00fcr das Erkennen ist, so wichtig mufs es sein, Voraussetzungen und Bedingungen genauer kennen zu lernen, unter denen diese Belation messender Behandlung zug\u00e4nglich ist.\nWir wissen bereits, dafs Verschiedenheit eine Gr\u00f6fse ist, wir wissen aber auch, dafs sie zu den unteilbaren G-r\u00f6fsen geh\u00f6rt, sonach keine eigentliche, sondern nur eine surrogative Messung gestattet. Zwar wurde dies oben zun\u00e4chst nur in betreff r\u00e4umlicher und zeitlicher Verschiedenheit behauptet; aber es darf wohl ohne weiteres f\u00fcr selbstverst\u00e4ndlich gelten, dafs es mit anderen Verschiedenheiten auch nicht anders bewandt ist.\nNicht mit eben so viel Selbstverst\u00e4ndlichkeit wird man verallgemeinern k\u00f6nnen, was sich oben in betreff der Natur des geeigneten Surrogates ergeben hat. Bei Baum und Zeit freilich ist der Schritt von der Distanz zur Strecke, wie wir gesehen haben, das Nat\u00fcrlichste, das sich denken l\u00e4fst. Ist aber auch jeder anderen Verschiedenheit als solcher eine Strecke zugeordnet, und wenn sie es ist, bietet sie ein auch praktisch \u00e4hnlich brauchbares Messungssurrogat dar, wie Baum- oder Zeitstrecke ?\nEs ist nicht gerade gebr\u00e4uchlich, von Ton- oder Farben-strecken zu reden; sollte man aber, wenn man sich auf das Ton- oder F\u00e4rb en continuum beruft, wirklich etwas wesentlich anderes im Sinne haben? Allerdings bietet, was die Verwirklichung eines solchen Continuums in einem bestimmten Individuum anlangt, das Schwellengesetz Gelegenheit zu begr\u00fcndeten Zweifeln: in der That garantiert dieses Gesetz, wie","page":249},{"file":"p0250.txt","language":"de","ocr_de":"250\nA. Meinong.\nschon ber\u00fchrt, dafs eine v\u00f6llig diskrete Eeihe, wenn ihre Glieder nur wohl geordnet sind und deren Distanz ausreichend unter der Schwelle gelegen ist, f\u00fcr das betreffende Subjekt von einem Continuum im strengen Sinne f\u00fcr immer ununterscheidbar bleiben mufs.1 Aber freilich giebt es auch eine Baum- und Zeitschwelle, und darauf, dafs etwa durch die Verwirklichung zweier Orts- oder Zeitbestimmungen auch die Wirklichkeit alles Zwischenliegenden gew\u00e4hrleistet sei, wird man sich nicht ohne weiteres berufen k\u00f6nnen. Nun kommt es aber f\u00fcr den Streckengedanken weit mehr auf dieses Dazwischenliegen als auf die Verwirklichung an; zwischen zwei Eaum-oder Zeitpunkten \u201egiebt esu eine Strecke zun\u00e4chst in dem Sinne, in dem es im regelm\u00e4fsigen Sechseck sechs kongruente gleichseitige Dreiecke giebt, die es ausmachen. Darf ich mich vor\u00fcbergehend eines Ausdruckes bedienen, dessen grundlegende Bedeutung zu exponieren ich mir f\u00fcr eine andere Gelegenheit Vorbehalten mufs, so kann ich einfach sagen: die Strecke zwischen zwei Eaum- oder Zeitpunkten besteht, mag sie \u00fcbrigens existieren oder nicht. Und in ganz demselben Sinne besteht auch das Continuum der \u00dcberg\u00e4nge zwischen zwei distanten, d. h. eben nur zwischen zwei verschiedenen Farben, so gewifs jeder Farbe als Inhalt die M\u00f6glichkeit kontinuierlicher Ver\u00e4nderung zuzuschreiben ist. Die Farbenoder Tonstrecke ist also ebenso gesichert als die Farben- oder Tondistanz, und etwaige empirische Schranken in betreff des thats\u00e4chlichen Vorkommens dieses oder jenes Punktes k\u00f6nnen an dem Best\u00e4nde dieser Strecken nichts \u00e4ndern. Nur ist das anschauliche Erfassen solcher unr\u00e4umlicher oder unzeitlicher Strecken, soweit \u00fcberhaupt ausf\u00fchrbar, nichts weniger als leicht ;2 noch schwerer d\u00fcrfte es sein, derlei Vorstellungen\n1\tNur d\u00fcrfte man das Wesen der Schwelle nicht in sprungweisen Empfindungs\u00e4nder nngen suclien und daraufhin letztere aus erster er erweisen wollen, ohne dem neuestens, auch, von G-. E. M\u00fclleb, (Bd. X. dieser Zeitschrift S. 79 f.) erhobenen Einwande zu verfallen. Andererseits kann icb aber auch nicht finden, dafs dieser Einwand mehr verm\u00f6chte, als die M\u00f6glichkeit der Diskontinuit\u00e4t in ausreichend enge, jedoch immer noch endliche Grenzen einzuschliefsen.\n2\tImmerhin leistet die Bewegung in der Strecke, das Durchlaufen derselben gute Dienste. Vergl. die Aufstellung G. E. M\u00fcllebs a, a. 0. S. 35 : \u201eSind cc, \u00df, y, d einfache Empfindungen von verschiedener Qualit\u00e4t, aber gleicher Intensit\u00e4t, so verh\u00e4lt sich der qualitative Unterschied","page":250},{"file":"p0251.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n251\nzur Grundlage eines praktischen MessungsVerfahrens zu machen, das vor der direkten Vergleichung der Distanzen irgend etwas voraus h\u00e4tte. So hat das Bestehen der betreffenden Strecken zwar jedenfalls den Wert, dem Gedanken der halben oder doppelten Distanz einen festen Sinn unterzulegen: als Messungssurrogate leisten aber Strecken, soweit sie nicht Baum- oder Zeitstrecken sind, weiter keine Dienste.\nNun giebt es aber auch Verschiedenheiten, deren Glieder eine Ann\u00e4herung durch Variation ihrer Natur nach ausschliefsen, z. B. Farbe und Ton u. dergl., F\u00e4lle, die der Sprachgebrauch in das Geltungsgebiet des Ausdruckes \u201eDistanzu nicht leicht einzubeziehen scheint. Hier kann nat\u00fcrlich von Strecken \u00fcberhaupt gar nicht die Bede sein, so dafs auch abgesehen von den erw\u00e4hnten praktischen Schwierigkeiten dem Streckengedanken die Eignung, ein Messungssurrogat f\u00fcr Verschiedenheit ganz im allgemeinen darzubieten, abgesprochen werden mufs.\nMan h\u00e4tte, soweit ich sehen kann, keinen besseren Erfolg, wollte man sich um ein solches Messungssurrogat f\u00fcr alle Verschiedenheit anderswo umsehen. Aussichten auf eine g\u00fcnstigere, vielleicht auch ziemlich folgenreiche Beantwortung bietet dagegen die n\u00e4mliche Fragestellung f\u00fcr den allerdings recht speziellen Fall, dafs die Glieder, f\u00fcr welche die Gr\u00f6fse ihrer Verschiedenheit zu bestimmen ist, selbst Gr\u00f6fsen eines und desselben Gebietes, und zwar noch n\u00e4her, dafs sie mefsbare Gr\u00f6fsen dieses Gebietes sind. Hier bieten n\u00e4mlich die vorgegebenen benannten, selbstverst\u00e4ndlich gleich benannten Mafs-zahlen eine nat\u00fcrliche Grundlage f\u00fcr die Bildung eines angemessenen Surrogates, da die Gr\u00f6fse der Gr\u00f6fsenverschieden-heit notwendig mit der Gr\u00f6fse des Verschiedenen zusammenh\u00e4ngt. Die Hauptaufgabe besteht hier aber im Sinne der fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen darin, die Funktion ausfindig zu machen, mit deren H\u00fclfe aus den in Betracht gezogenen Gr\u00f6fsen das Surrogat zur Messung ihrer Verschiedenheit zu gewinnen ist. Darf einmal diese Funktion als festgestellt gelten, dann ist\nzwischen a und \u00df zu dem qualitativen Unterschiede zwischen y und cf, wie sich die Zahl der Empfindungen, weiche bei der auf dem k\u00fcrzesten Wege stattfindenden stetigen \u00dcberf\u00fchrung von u in \u00df durchlaufen werden\u00bb zu der Zahl von Empfindungen verh\u00e4lt, welche durchlaufen werden, wenn man y auf dem k\u00fcrzesten Wege stetig in cf \u00fcberf\u00fchrt.\u201c","page":251},{"file":"p0252.txt","language":"de","ocr_de":"252\nA. Meinong,\nnur noch. Rechnung erforderlich, um nach eigentlicher Messung der betreffenden Gr\u00f6fsen ihre Verschiedenheit zahlenm\u00e4fsig zu bestimmen.\nDa Gr\u00f6fsenverschiedenheiten ohne Zweifel in jenes oben besprochene engere Gebiet von Verschiedenheiten geh\u00f6ren, wo diesen notwendig Strecken zugeordnet sind, so bezieht sich die eben formulierte Aufgabe auf eine Messung, f\u00fcr welche, wenigstens der Theorie nach, in den zugeordneten Strecken Surrogate bereits vorliegen. Obwohl, wie wir sahen, ihrer praktischen Unzug\u00e4nglichkeit halber nicht eigentlich f\u00fcr Messungen zu gebrauchen, haben sie unserer gegenw\u00e4rtigen Aufgabe gegen\u00fcber doch den Wert eines Genauigkeitsideals, wenn man so sagen darf: wir werden uns der L\u00f6sung dieser Aufgabe um so n\u00e4her erachten d\u00fcrfen, je n\u00e4her wir derjenigen Punktion kommen, verm\u00f6ge welcher aus den vorgegebenen Gr\u00f6fsen eine Komplexion entsteht, deren Gr\u00f6fse der betreffenden Verschiedenheitsgr\u00f6fse in Bezug auf die drei f\u00fcr die Messung wesentlichen Erfordernisse ebenso gegen\u00fcbersteht, wie die zugeordnete Streckengr\u00f6fse. Unter einer ganz unbedenklichen, f\u00fcrs erste vielleicht noch gar nicht auff\u00e4lligen Vorwegnahme erst unten ausdr\u00fccklich vorzunehmender Feststellungen k\u00f6nnte man auch sagen: denken wir uns die Streckengr\u00f6fsen als Abscissen aufgetragen, so geht unsere Aufgabe dahin, eine derartige Funktion der distanten Gr\u00f6fsen ausfindig zu machen, dafs die Kurve der den Streckengr\u00f6fsen zugeordneten Werte dieser Funktion eine vom Ursprung des Koordinatensystems ausgehende gerade Linie ausmacht. Von den unendlich vielen in diesem Sinne in Frage kommenden Geraden h\u00e4tte dann nat\u00fcrlich die der Ordinatenaxe n\u00e4here, d. h. mit der Abscissenaxe den gr\u00f6fseren Winkel einschliefsende, jederzeit den Genauigkeitsvorzug, der stets zur Geltung kommt, wenn eine nicht unmittelbare Messung ceteris paribus an einem Gr\u00f6fseren statt an einem Kleineren vorgenommen werden kann. \u00dcbrigens ist vorauszusehen, dafs sich einstweilen nicht wohl Gelegenheit finden wird, auf Genauigkeitsnuancen dieser Art einzugehen ; wir d\u00fcrfen zufrieden sein, wenn wir eine Funktion finden k\u00f6nnen, der die oben gekennzeichnete Stellung zwischen Abscissen- und Ordinatenaxe zusammen mit ihrer Geradlinigkeit mit einiger Zuversicht nachgesagt werden kann, mag der Winkel mit der Abscissenaxe \u00fcbrigens welchen Wert immer","page":252},{"file":"p0253.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n253\nzwischen 0\u00b0 und 90\u00b0, nat\u00fcrlich mit Ausschlufs dieser Grenzwerte selbst, anfweisen. Dient doch selbst das Koordinatensystem nur der Formulierung der Aufgabe, nicht aber ihrer L\u00f6sung, da uns nirgends Zahlenwerte f\u00fcr die Abscissen zu Gebote stehen. Zwar giebt es bekanntlich zahlenm\u00e4fsig bestimmbare Streckengr\u00f6fsen, bei Kaum und Zeit n\u00e4mlich; gerade da aber sind die distant en Objekte, die Orts-, resp. Zeitpunkte, nicht mefsbar, ja nicht einmal Gr\u00f6fsen. Strecken aber, zu denen sich Gr\u00f6fsen verhalten wie Ortsbestimmungen zu Kaumstrecken, man k\u00f6nnte kurz sagen: Strecken zwischen Gr\u00f6fsen sind nirgends der Messung zug\u00e4nglich. Wir sind also, indem wir nun auf eine n\u00e4here Bestimmung der gesuchten Funktion unser Absehen richten, darauf angewiesen, uns auf anderem Wege \u00fcber die jeweilige Erf\u00fclltheit der drei Erfordernisse: Zuordnung, \u00dcbereinstimmung in betreff der Relationen und in betreff der Grenzwerte, zu orientieren.\n\u00a7 18. Das arithmetische Verh\u00e4ltnis.\nEs sollen im Folgenden die Gr\u00f6fsen, um deren Verschiedenheit es sich handelt, durch das Symbol G bezeichnet werden, jedesmal determiniert durch ein Indexzeichen, als welches sich die f\u00fcr die betreffende Gr\u00f6fse geltende Mafszahl am nat\u00fcrlichsten darbietet. Als solche, selbstverst\u00e4ndlich auf die n\u00e4mliche Einheit bezogene, also gleichbenannte Mafszahl en m\u00f6gen a und h gelten unter der allgemeinen Voraussetzung, dafs\nGa\\Gb, daher auch a\\b\nist. Als Zeichen f\u00fcr die auf dem Wege surrogativer Messung zu gewinnende Mafszahl f\u00fcr die Verschiedenheit zwischen Ga und Gfj diene der Buchstabe Vy zu dessen beiden Seiten als Indices die Mafszahlen der distanten Gr\u00f6fsen angef\u00fcgt seien. Wir erhalten so f\u00fcr die Verschiedenheit (unter Einschlufs der Gleichheit als Grenzfall) das Symbol:\na\nund unsere Aufgabe besteht darin, die in dieser Weise symbolisierte Gr\u00f6fse als Funktion der Variablen a und b darzustellen,","page":253},{"file":"p0254.txt","language":"de","ocr_de":"254\nA. Meinong.\ngenauer: die Funktion festzustellen, der gein\u00e4fs die Mafs-zahl Yb von den Mafszahlen a und b abh\u00e4ngt.\nOhne Zweifel liegt es nun am n\u00e4chsten, als solche Funktion die Differenz zwischen a und b in Erw\u00e4gung zu ziehen; daf\u00fcr spricht wohl schon die Bedeutung des Wortes \u201eDifferenz\u201c, das aufserhalb der Mathematik doch nichts Anderes als Verschiedenheit ausdr\u00fcckt, nicht minder das Wort \u201eUnterschied\u201c, das innerhalb des mathematischen Sprachgebrauches das Wort \u201eDifferenz\u201c ersetzt, aufserhalb desselben aber ebenfalls f\u00fcr Verschiedenheit steht, wenn z. B. von dem \u201egrofsen Unterschiede\u201c die Bede ist, der zwischen der Kunstauffassung des Berufsmusikers und der des musikalisch ausreichend leistungsf\u00e4higen Dilettanten, zwischen einer Gebirgsfernsicht bei tr\u00fcbem und der bei heiterem Wetter besteht, u. dergl. \u201eWenn wir drei Empfindungen a, b und c\u201c, meint W. Wundt,1 \u201eso abstufen, dafs b genau die Mitte zwischen a und c h\u00e4lt,2 so m\u00fcssen wir selbstverst\u00e4ndlich die absolute Gr\u00f6fse des Unterschiedes zwischen a und b gleichsetzen der absoluten Gr\u00f6fse des Unterschiedes zwischen b und c. Wir w\u00fcrden alle Prinzipien der Gr\u00f6fsen-vergleichung auf den Kopf stellen, wenn wir anders verf\u00fchren.\u201c\nDemgem\u00e4fs w\u00e4re also :\nentweder aF\u00f4 = G (a\u20146), oder = G (b\u2014a),\nwo C eine f\u00fcr das Folgende weiter gar nicht charakteristische, durch geeignete Wahl der Einheit eventuell auch zu beseitigende Proportionalit\u00e4tskonstante bedeutet. Auch die nur das Vorzeichen betreffende Verschiedenheit der zwei m\u00f6glichen Differenzen ist f\u00fcr uns belanglos, da es sich nur darum handelt, durch die Operation des Subtrahierens eine Gr\u00f6fse zu bestimmen, \u00fcberdies, wenn man sich einmal f\u00fcr die eine der beiden Eventualit\u00e4ten entschieden h\u00e4tte, ein Wechsel im Vorzeichen durch die eben gemachte Annahme, dafs a niemals gr\u00f6fser als b gesetzt wird, ausgeschlossen ist.\nEs kommt nun nat\u00fcrlich auf eine genauere Pr\u00fcfung unserer Annahme an, und diese f\u00e4llt im ersten \u00dcberschl\u00e4ge durchaus nicht ung\u00fcnstig aus. Man kann ja allgemein sagen: je kleiner\n1\tPhilos. Stud. Bd. II. S. 25; die Stelle wird zustimmend zitiert, z. B. von J. Merkel, ibid. Bd. Y. S. 251.\n2\tDamit kann dock nur gemeint sein, dafs a von b ebenso verschieden ist, als b von c.","page":254},{"file":"p0255.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n255\ndie kleinere, je gr\u00f6fser die gr\u00f6fsere der beiden in Betracht gezogenen Gr\u00f6fsen ist, desto gr\u00f6fser die Verschiedenheit, desto gr\u00f6fser aber auch die Differenz. Ebenso f\u00fcr den entgegengesetzten Fall: je gr\u00f6fser die kleinere, je kleiner die gr\u00f6fsere der beiden Grr\u00f6fsen, desto kleiner die Verschiedenheit und desto kleiner die Differenz. Mit der Gleichheit, also mit der Verschiedenheit von der Gr\u00f6fse 0 wird auch die Differenz =0; wird dagegen die eine der beiden Gr\u00f6fsen unendlich, so wird auch die Differenz unendlich, und man wird nichts dagegen einzuwenden haben, dafs in gleicher Weise der Verschiedenheit des Unendlichen vom Endlichen unendliche Gr\u00f6fse zuerkannt wird.\nWie nun aber, wenn die kleinere der beiden Gr\u00f6fsen den Grenzwert Null erreicht? Die Differenz f\u00e4llt dann zusammen mit der gr\u00f6fseren der in Betracht gezogenen Gr\u00f6fsen1; l\u00e4fst sich das N\u00e4mliche von der Verschiedenheit behaupten? W\u00e4re wirklich eine Strecke von 2 cm von einer Strecke von 1 cm ebenso verschieden, als letztere von 0 cm, von etwas also, das schon gar keine Strecke mehr, sondern nur noch ein Punkt ist? Das kann evidenterWeise niemand behaupten; jedermann sieht ein, dafs die Verschiedenheit zwischen 1 und 0 eine un-verh\u00e4ltnism\u00e4fsig gr\u00f6fsere ist, so dafs ihr auch die V erschiedenheit zwischen 1 und 3 oder zwischen 1 und 4 in keiner V eise nahe zu kommen vermag\u00bb Man h\u00e4tte keinen besseren Erfolg, wollte man 5, 6 oder 10, 100 oder 1000 zum Vergleiche heranziehen. Die Verschiedenheit zwischen 1 und 0 ist gr\u00f6fser, als irgend eine Verschiedenheit zwischen endlichen Gr\u00f6fsen, oder auch: sie ist gr\u00f6fser, als irgend eine endlich gr\u00f6fse Verschiedenheit, sie ist unendlich grofs; und nur solange man die eben erst zu pr\u00fcfende Annahme, dafs Differenz und Verschiedenheit das N\u00e4mliche sei, bereits zur Voraussetzung macht, mag man Anstand nehmen, dies einzur\u00e4umen. Oder sollte jemand nach vorurteilsfreier \u00dcberlegung der Sachlage wirklich noch Neigung haben, etwa 2 cm von 0 cm doppelt so verschieden zu finden als 1 cm von 0 cm und andererseits auch wieder wie 1 cm von 2 cm? Wir stehen hier vor dem ersten Falle, in dem die\n1 \u201eDie Unterschiede gegebener Werte von Null fallen mit den betreffenden Werten selbst zusammen\u201c, sagt Fechneb, (Philos. Stud. Bd. IV. S. 196) an der Spitze seiner Ausf\u00fchrungen \u00fcber Empfindungsmessung.","page":255},{"file":"p0256.txt","language":"de","ocr_de":"256\nA. Meinong.\nDifferenz den von ihr erwarteten Dienst zur L\u00f6sung unserer Aufgabe augenscheinlich versagt.\n\u00a7 19.\nGleiche Differenz bei ungleicher Verschiedenheit.\nVon weit umfassenderer Geltung ist nun aber noch ein zweiter Fall; er betrifft die Zuordnung zun\u00e4chst der entsprechenden relativen, dann aber auch die der absoluten Daten (der f\u00fcr Delationen etwas wunderliche Ausdruck \u201eabsolut\u201c mag hier der K\u00fcrze halber gestattet sein) auf dem Gebiete der Differenzen einerseits, der Verschiedenheiten andererseits. Wir betreten hier zum ersten Male im Zusammenh\u00e4nge dieser Untersuchungen den Bereich der vielbesprochenen Thatsachen, die man unter dem Namen des WEBE\u00dfschen Gesetzes zusammenzufassen pflegt. Aber nicht, insofern es sich dabei um das Verh\u00e4ltnis von \u201eReiz und Empfindung\u201c handelt: auf dieses kann erst sp\u00e4ter eingegangen werden, indes wir jetzt darauf angewiesen sind, die Thatsachen, in denen uns die Gr\u00f6fsen als physische, deren Verschiedenheiten aber als psychische Thatbest\u00e4nde entgegentreten, mit R\u00fccksicht auf aufser unserer gegenw\u00e4rtigen Untersuchung stehende Komplikationen, die sie in sich schliefsen, fernzuhalten. Dazu scheint mir freilich etwa Wundts Vorgang, an Stelle der Reize die \u201ezentralen Sinneserregungen\u201c zu substituieren,1 schon mit R\u00fccksicht auf unsere so sehr hypothetische Bekanntschaft mit den letzteren ebensowenig empfehlenswert als desselben Autors bereits an anderer Stelle2 ber\u00fchrter Versuch, die Empfindungsst\u00e4rken durch deren Merklichkeitsgrade zu ersetzen.3 Dagegen bieten die anschaulichen Vorstellungen teilbarer Gr\u00f6fsen verm\u00f6ge ihrer Inhalte direkt gegebene psychische4 Gr\u00f6fsendaten dar, die einerseits eine eigentliche Messung an gleichfalls direkt gegebenen psychischen Einheiten gestatten, andererseits nat\u00fcrlich auch Objekte direkter Vergleichung untereinander abgeben k\u00f6nnen. Sehe ich etwa eine Linie, so setzt sich ja auch mein Wahrnehmungsinhalt aus Teilinhalten zusammen, die als Inhalte von Linienwahrnehmungen zu betrachten sind ; ein \u201eAufeinanderlegen\u201c ohne physische\n1\tPhysiol. Psychol. 4. Aufl. Bd. I. S. 400.\n2\tVergl. oben S. 124 f.\n3\tVergl. hierzu auch G-rotenfelt, a. a. O. S. 63 ff.\n4\tVergl. unten \u00a7 27.","page":256},{"file":"p0257.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n257\nH\u00fclfsmittel giebt es dann freilich nicht, aber die Heranziehung solcher H\u00fclfsmittel wird den von der n\u00e4heren Beschaffenheit der Beziehungen zwischen Physischem und Psychischem, zwischen Beiz und Empfindung, wie man gew\u00f6hnlich sagt, unabh\u00e4ngigen Sinn der Ergebnisse schwerlich in Frage stellen. \u00c4hnliches m\u00f6chte von Zeitstrecken- und, mutatis mutandis nat\u00fcrlich, auch von Zahlengr\u00f6fsen, auch diese selbstverst\u00e4ndlich nur innerhalb der Grenzen des anschaulich Vorstellbaren betrachtet, gelten. Von ihnen \u2014 \u00fcbrigens nicht nur von ihnen, wie sogleich zu ber\u00fchren \u2014 lehrt nun die Erfahrung einmal, dafs gleiche Differenzen derselben sehr wohl mit ungleichen Verschiedenheiten, dann auch, dafs gleiche Verschiedenheiten sehr wohl mit ungleichen Differenzen Zusammengehen k\u00f6nnen.\nErsteres ist eigentlich schon Sache allt\u00e4glichster Erfahrung. Wer w\u00fcfste nicht, dafs, wenn man zu einem Centimeter noch einen hinzuf\u00fcgt, dieser \u201eZuwuchsu ganz betr\u00e4chtlich mehr zu bedeuten hat, als wenn der eine Centimeter zu 6 cm hinzugef\u00fcgt worden w\u00e4re. Nun ist allerdings ein Centimeter keine psychische, sondern eine physische Gr\u00f6fse; darf man aber annehmen, dafs innerhalb geh\u00f6riger Grenzen den gleichen physischen Centimetern auch gleiche psychische, man gestatte vor\u00fcbergehend den Ausdruck, entsprechen, so belehrt uns das in Bede stehende \u201eBedeuten\u201c zugleich \u00fcber den Anteil der n\u00e4chsten Vergleichungssubstrate am Vergleichungsergebnis. Immerhin ist diese Bedeutung gelegentlich als ein Mehr an \u201eMerklichkeit\u201c aufgefafst worden,1 aber doch kaum in der Meinung, dadurch jedes Mehr an Verschiedenheit f\u00fcr diesen Fall in Abrede zu stellen ;2 \u00fcberdies ist auf die Unzuk\u00f6mmlichkeiten bei einseitiger Bevorzugung des Merklichkeitsgedankens oben3 bereits hingewiesen worden. Zudem spricht die direkte Erfahrung hier deutlich genug : 1 ist von 2, man kann dies auch ganz wohl von den Zahlengr\u00f6fsen aussagen, erheblich verschiedener als 6 von 7 ; dennoch ist der Unterschied oder die Differenz in beiden F\u00e4llen von gleicher Gr\u00f6fse.\n1\tYergl. Brentano, Psychol. I. S. 88.\n2\tDies erhellt wohl aus den Worten a. a. O. S. 89: \u201eNun ist offenbar der um eine Linie verl\u00e4ngerte Fufs dem Fufs \u00e4hnlicher, als der um eine Linie verl\u00e4ngerte Zoll dem Zoll.\u201c Gr\u00f6fsere \u00c4hnlichkeit wird doch nicht wohl ohne kleinere Verschiedenheit in Anspruch zu nehmen sein.\n3\tVergl. oben \u00a7 10 f.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XI.\n17","page":257},{"file":"p0258.txt","language":"de","ocr_de":"258\nA. Meinong.\nIch habe, um ungel\u00f6ste oder halb gel\u00f6ste Schwierigkeiten eines ganz anderen Thatsachengebietes hier m\u00f6glichst wenig hereinzuziehen, die obigen Aufstellungen zun\u00e4chst ausdr\u00fccklich auf anschaulich Vorgestelltes bezogen. Es soll aber wenigstens nicht unerw\u00e4hnt bleiben, dafs unanschaulich Vorgestelltes das Gesagte gelegentlich sogar noch mit gr\u00f6fserer Evidenz zu best\u00e4tigen scheint. Dafs 1 und 2, gleichviel ob unbenannt oder gleichbenannt, weit mehr voneinander verschieden sind, als 100 und 101 oder gar 1000 und 1001, dafs der \u00dcbergang vom einen zum anderen im ersten Fall ungleich mehr zu bedeuten hat als in einem der \u00fcbrigen F\u00e4lle, diese Einsicht dr\u00e4ngt sich, gleichviel wie die Unanschaulichkeit der betr\u00e4chtlichen Gr\u00f6fsen daran mitbeteiligt ist, einem jeden ganz unwiderstehlich auf. Vielleicht fehlt uns auch bei gr\u00f6fseren Zahlen oder Strecken nicht alle Anschaulichkeit; genauer: vielleicht liegen auch da noch anschauliche Vorstellungen im Bereiche des M\u00f6glichen, denen nur die vielfach erforderliche Bestimmtheit fehlt, ohne darum ihrer Verwendbarkeit zu Erkenntnissen Eintrag zu thun, bei denen diese Bestimmtheit entbehrlich ist.1\n\u00a7 20. Ungleiche Differenz bei gleicher\nVerschiedenheit.\nDie zweite von den beiden angef\u00fchrten Thatsachen, Gleichheit der Verschiedenheit trotz Ungleichheit der Differenz, findet sich eigentlich ganz direkt im WEBERschen Gesetze ausgesprochen, unter letzterem hier und in der Folge nichts als das Gesetz von der Konstanz der relativen Unterschiedsempfindlichkeit verstanden, also ohne B\u00fccksicht auf die Verwertung, welche Webers Beobachtungen etwa bei Aufstellung eines \u201epsychophysischen Gesetzes\u201c im Sinne Fechners finden k\u00f6nnten. Unser Gesetz befafst ebenmerkliche Verschiedenheit so gut in sich, wie \u00fcbermerkliche; die beiden F\u00e4lle sind auf ihre Bedeutung f\u00fcr die uns besch\u00e4ftigende Thatsache besonders zu erw\u00e4gen.\nZun\u00e4chst ist im allgemeinen aufser jedem Zweifel, dafs das Gesetz verm\u00f6ge der Empirie, auf die es sich gr\u00fcndet, auf die Unterschiedsempfindlichkeit im weiteren Wortsinne2 be-\n1\tVergl. \u00fcbrigens B. Kerry, \u201e\u00dcber Anschauung und ihre psychische Verarbeitung\u201c. VI. Artikel. Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 1889. S. 898 ff.\n2\tVergl. oben S. 181.","page":258},{"file":"p0259.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Weber sehen Gesetzes.\n259\nzogen werden mufs, indem der relative Unterschied, dem die Konstanz des Vergleichungsergebnisses gegen\u00fcbersteht, ein Reizunterschied ist. Nun wird aber f\u00fcr das Gebiet, auf das die gegenw\u00e4rtigen Erw\u00e4gungen sich beschr\u00e4nken, dem, was oben Reizunterschiedsempfindlichkeit genannt wurde, eine charakteristische Bedeutung kaum beizumessen sein. Es liegt dies ohne Zweifel an dem Parallelismus, der, wie ber\u00fchrt,1 hier zwischen dem Quasi-Reiz, der objektiven Ausdehnung und der Quasi-Empfindung, der subjektiven Ausdehnung (vom Falle der Zahl ganz zu geschweigen) besteht, \u2014 sollte derselbe auch damit Zusammenh\u00e4ngen, dafs bei der Vorstellung der sog. objektiven Ausdehnung die Subjektivit\u00e4t eher eine besonders grofse als eine besonders kleine Rolle spielt. Eine Reiz* unterschiedsschwelle ist dadurch nun freilich nicht ausgeschlossen, und man hat Grund genug, \u00fcberzeugt zu sein, dafs eine solche bei Raum- wie Zeitsinn allemal besteht. Aber gerade was wir z. B. von der Sehsch\u00e4rfe wissen, verbietet uns, sie f\u00fcr das Steigen der absoluten Schwellenwerte bei Zunahme der zu vergleichenden Strecken verantwortlich zu machen. Wir sind sonach berechtigt, das Gesetz innerhalb der hier gesteckten Grenzen auf die Inhaltsunterschiedsempfindlichkeit zu beziehen, 2 3 also, da die vorgestellten Gegenst\u00e4nde eben die direkt verglichenen psychischen Gr\u00f6fsen sind, das diese Vergleichung betreffende Gesetz zur Beantwortung unserer Frage nach der Eignung der Differenz als Messungssurrogat zu verwerten. So bestimmt es nun Konstanz der relativen Unterschiedsempfindlichkeit behauptet, so bestimmt behauptet es Inkonstanz der absoluten; es ist ja der Gesetzm\u00e4fsigkeit wesentlich, dafs sehr verschiedene (absolute) Differenzen denselben Vergleichungs-effekt mit sich f\u00fchren, und h\u00f6chstens dar\u00fcber k\u00f6nnte nun noch Unsicherheit bestehen, ob die Gleichheit des Vergleichungseffektes auch Gleichheit der Verschiedenheit zu bedeuten hat. So wenig Gewicht mir diese Unsicherheit gem\u00e4fs fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen8 zu haben scheint, soll sie auch hier nicht ganz unerwogen bleiben. Es empfiehlt sich dabei, die beiden F\u00e4lle\n1\tVergl. S. 256 f.\n2\tInwieweit hiermit zu Gunsten der sog. Verh\u00e4ltnishypothese Stellung genommen ist, kann erst in sp\u00e4terem Zusammenh\u00e4nge zur Sprache kommen, vergl. unten \u00a7 32.\n3\tVergl. \u00a7 10 f.\n17*","page":259},{"file":"p0260.txt","language":"de","ocr_de":"260\nA. Meinong.\ndes ebenmerklichen und \u00fcbermerklichen Unterschiedes ausdr\u00fccklich auseinanderzuhalten.\nI. Der erste Fall, der der Konstanz der relativen Unterschiedsschwelle, ist, wie f\u00fcr die ganze Psychophysik, so insbesondere auch f\u00fcr die Merklichkeitstheorie der Ausgangspunkt gewesen, indem der Annahme, bei wachsenden Yergleichsgr\u00f6fsen k\u00e4men bei mitwachsenden Differenzen gleiche Verschiedenheiten zu st\u00e4nde, die Auffassung gegen\u00fcbertrat, bei gr\u00f6fseren Vergleichsgr\u00f6fsen w\u00fcrde die Verschiedenheit erst \u201ebemerkt\u201c, wenn auch sie entsprechend gr\u00f6fser geworden sei. Gest\u00fctzt wird diese Auffassung \u201edurch alle die so h\u00f6chst gew\u00f6hnlichen Erfahrungen, dafs es eine Menge von Umst\u00e4nden giebt, welche uns das Vergleichen, \u00fcberhaupt das In-Belation-setzen bald erleichtern, bald erschweren ; und es w\u00e4re gar nicht unnat\u00fcrlich, anzunehmen, dafs es uns um so schwerer f\u00e4llt (verh\u00e4ltnism\u00e4fsig mehr psychische Arbeit kostet), Vergleichungen anzustellen, je st\u00e4rker das Organ, genauer : das empfindende Bewufstsein schon in Anspruch genommen ist\u201c. 1 Aber so ansprechend dieser Gedanke ohne Zweifel sich darstellt, am Ende gilt auch ihm gegen\u00fcber die Bemerkung Fechners, 2 dafs man doch selbstverst\u00e4ndlich werde voraussetzen m\u00fcssen, die scheinbare Verschiedenheit h\u00e4nge einerseits von der wirklichen Verschiedenheit, andererseits immerhin auch von Nebenumst\u00e4nden ab, zu denen aber die zu vergleichenden Gr\u00f6fsen selbst nicht wohl gez\u00e4hlt werden k\u00f6nnen. Wenn ich von zwei Verschiedenheiten die gr\u00f6fsere \u201emerke\u201c, die kleinere nicht, so liegt doch immer am n\u00e4chsten, daf\u00fcr die betreffende Verschiedenheits-gr\u00f6fse verantwortlich zu machen, und nicht eine erst nahezu ad hoc aufzustellende Hypothese. Zudem ist, wie bereits fr\u00fcher vor\u00fcbergehend ber\u00fchrt,3 eine evident erkannte Verschiedenheit als mit den Vergleichsgr\u00f6fsen notwendig verbunden so \u201ewirklich\u201c, als eine Verschiedenheit eben wirklich sein kann, und zwar auch ihrer Gr\u00f6fse nach. N\u00e4hme also, wie die in Bede stehende Auffassung verlangt, die ebenmerkliche Verschiedenheit mit den Vergleichsgr\u00f6fsen zu, so m\u00fcfste zugleich das \u00dcberschreiten der Unterschiedsschwelle einen immer gr\u00f6fser\n1\tH\u00f6fler in der Vierteljahrsschr. f. wiss. Ph\u00fcos. 1887. S. 369 ; vergl. auch Psychische Arbeit. Bd. VIII dieser Zeitschr. S. 98 (S. 55 des Sonderabdruckes).\n2\tIn Sachen. S. 46 ff.\n3\tVergl. oben S. 132.","page":260},{"file":"p0261.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n261\nwerdenden Sprung bedeuten. Nun ist aber dergleichen bei unver\u00e4nderter Unterschiedsempfindlichkeit, so viel mir bekannt, nirgends beobachtet worden; vielmehr ist es die Regel, dafs ebenmerkliche Verschiedenheiten als sehr kleine und eben der Kleinheit wegen eine weitere Verkleinerung nicht mehr gestattende Verschiedenheiten sich darstellen, wie immer die Vergleichsgr\u00f6fsen beschaffen seien. Schliefslich m\u00fcfste direkte Vergleichung der ebenmerklichen Verschiedenheiten, die Rechner selbst wenigstens vorgenommen hat,1 doch irgend einmal auf Verschiedenheit gef\u00fchrt haben; Berufung auf die Schwelle bleibt freilich auch hier jederzeit statthaft, wird aber eben deshalb nur wenig f\u00fcr sich einnehmen. So m\u00f6chte es doch das Nat\u00fcrlichste sein, die eben merklichen Verschiedenheiten als gleiche Verschiedenheiten gelten zu lassen; die Hoffnungen aber, die an die hier bek\u00e4mpfte Auffassung in betreff einer Kl\u00e4rung der \u201eKernfrage des ganzen Psychophysikstreitesu gekn\u00fcpft worden sind,2 werden vielleicht weniger ins Gewicht fallen, falls die gegenw\u00e4rtigen Untersuchungen, wenn auch auf anderem Wege, diesen Streit einer erw\u00fcnschten L\u00f6sung n\u00e4her bringen sollten.\nII. Eine direkte St\u00fctze findet das eben Dargelegte nun \u00fcberdies an jenen Erfahrungen und Versuchen, welche die Konstanz der relativen Unterschiedsempfindlichkeit auch f\u00fcr \u00fcbermerkliche Verschiedenheiten erwiesen haben. Dafs hier nicht ohne ganz augenf\u00e4llige Gewaltsamkeit Gleichmerklichkeit an Stelle von Gleichheit zu setzen w\u00e4re, bedarf nach Fr\u00fcherem 3 4 keiner Begr\u00fcndung mehr. Nur sind den in Rede stehenden Best\u00e4tigungen neuerlich auch Versuchsergebnisse von entgegengesetzter Tendenz gegen\u00fcbergetreten, Mittensch\u00e4tzungen n\u00e4mlich, bei denen nicht die relativen, sondern die absoluten Unterschiede konstant blieben, indem die Sch\u00e4tzung weit mehr zu Gunsten des arithmetischen als des geometrischen Mittels ausfieh Ich mufs nun freilich aus \u00e4ufseren wie aus inneren Gr\u00fcnden darauf verzichten, hier eine ins einzelne gehende Stellungnahme zu den diesbez\u00fcglichen, ebenso umfassenden als sorgf\u00e4ltigen Untersuchungen J. Merkels 4 zu versuchen. Aber soweit man\n1\tIn Sachen. S. 42 f. ; auch. Philos. Stud. Bd. IV. S. 185.\n2\tVergl. H\u00f6fler, Psychische Arbeit. S. 98. (S. 55 des Sonderabdruckes).\n3\tVergl. oben \u00a7 10.\n4\tVergl. dessen Abhandlungen \u00fcber \u201eDie Abh\u00e4ngigkeit zwischen Beiz und Empfindung\u201c in Wundts Philos. Stud. Bd. IV., V u. X.","page":261},{"file":"p0262.txt","language":"de","ocr_de":"262\nA. Meinong.\ndie Zur\u00fcckhaltung in dieser Sache auch treiben mag, dar\u00fcber scheint mir ein Zweifel nicht mehr aufkommen zu k\u00f6nnen, dafs Merkel in h\u00f6chst beachtenswerter Weise auf Thatsachen1 aufmerksam gemacht hat, die allen Umdeutungsversuchen stand halten werden. Angesichts solcher Thatsachen, wie grofs oder klein ihr Umkreis auch sei, mufs hier die Frage aufgeworfen werden, ob ihnen gegen\u00fcber der im obigen eingenommene Standpunkt in betreff des Auseinandergehens von (\u201eabsolutem\u201c) Unterschied und Verschiedenheit noch aufrecht erhalten werden kann.\nGesetzt vor allem, zur Beurteilung des Verh\u00e4ltnisses zwischen Unterschied und Verschiedenheit k\u00e4me \u00fcberhaupt nichts Anderes als die ME\u00dfKELschen Erfahrungen \u00fcber das arithmetische Mittel in Betracht, was d\u00fcrfte aus diesen \u00fcber das fragliche Verh\u00e4ltnis geschlossen werden? Jedenfalls nicht,\u2014 dies ausdr\u00fccklich zu bemerken, m\u00f6chte vielleicht doch nicht ganz \u00fcberfl\u00fcssig sein, \u2014 Identit\u00e4t von Unterschied und Verschiedenheit. Das ergiebt sich einfach daraus, dafs Verschiedenheit ihrem Wesen nach mit Teilung und Teilbarkeit nichts zu thun hat, die Differenz aber, wie wir sahen, erst aus der Teil Vergleichung hervor geht. Merkel selbst hat ja gleiche Verschiedenheiten (bei arithmetischem Mittel des Beizes) auch in Bezug auf \u201eintensive\u201c, d. h., wie noch zu ber\u00fchren, unteilbare psychische Grofsen konstatiert. Soweit es sich aber, wie dies ja unsere gegenw\u00e4rtige Aufgabe ist, nur um ein Messungssurrogat handelt, n\u00e4her um ein Surrogat f\u00fcr die Messung von Verschiedenheiten teilbarer Gr\u00f6fsen, k\u00f6nnte aus den ME\u00dfKELschen Versuchen heraus gegen die Annahme: \u201ewo gleiche Verschiedenheiten, da gleiche Unterschiede und umgekehrt\u201c und auf Grund dessen gegen die Vermutung einer Proportionalit\u00e4t zwischen Unterschieds- und Verschiedenheits-gr\u00f6fsen nichts Triftiges eingewendet werden.\nNun haben wir aber gesehen, dafs die F\u00e4lle des arithmetischen Mittels bei weitem nicht das Gesamtmaterial dessen\n1 Dafs Versuche im Grazer psychologischenLaboratorium gelegentlich zu ganz frappierenden Best\u00e4tigungen gef\u00fchrt haben, darf bei der Veranstaltungsweise der betreffenden Versuche kaum mehr als subjektive Bedeutung beanspruchen. Wertvoller hind vielleicht ein paar ebenda zusammengestellte erste Versuchsreihen auf einem bisher noch nicht betretenen Gebiete, dem der Richtungsverschiedenheit, \u00fcber die S. Witasek im laufenden Bande dieser Zeitschrift berichten wird.","page":262},{"file":"p0263.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n263\nausmachen, aus dem wir \u00fcber den Ausfall von Vergleichungen positiven oder negativen Aufschlufs gewinnen k\u00f6nnen. Merkel selbst redet von Versuchen, von denen er annimmt, \u201edafs sowohl mit der Vergr\u00f6fserung der Distanz der Grenzreize, als auch, wenn es gilt, zwei sich immer mehr entfernende Distanzen zu beurteilen, statt der Beurteilung nach gleichen Unterschieden zum Teil die Beurteilung nach gleichen Verh\u00e4ltnissen mit zur Verwendung kommt\u201c.1 Es kommen auf dem Gebiete des Ubermerklichen die Vulg\u00e4rerfahrungen \u00fcber ungleiche Verschiedenheiten bei gleichen Unterschieden, aufserdem die oft als eigentlicher Kern des WEBERschen Gesetzes bevorzugten Thatsachen der konstanten relativen Unterschiedssehwelle hinzu. Sie alle sprechen in einer Weise deutlich gegen den Satz \u201eGleicher Unterschied, gleiche Verschiedenheit\u201c, dafs ich nicht absehe, wie er solchen Instanzen gegen\u00fcber zwanglos aufrecht erhalten werden k\u00f6nnte.\nMan k\u00f6nnte nun freilich versuchen, diese Gegeninstanzen wegzuinterpretieren ; aber soviel ich sehe, bietet-sich hierzu nur bei den Schwellenthatsachen ein einigermafsen plausibler Gedanke. Ich habe indes am Ende des zweiten Abschnittes der gegenw\u00e4rtigen Untersuchungen dargelegt, was mich hindert, zur Sache der Merklichkeit zu machen, was sich meiner Meinung nach nur als Sache der Vergleichung behandeln l\u00e4fst. Nat\u00fcrlich w\u00e4re aber auch g\u00fcnstigsten Falles damit f\u00fcr die \u00fcbermerklichen Verschiedenheiten noch nichts gewonnen, und ich kenne derzeit keinen Gesichtspunkt, der hier auch nur dem Merklichkeits-gedanken einigermafsen an die Seite gesetzt zu werden verdiente.\nWie das Zusammengehen von Unterschied und Verschiedenheit die in Bede stehenden Erfahrungen, so hat nun freilich die von mir vertretene Auffassung in ganz gleicher Weise die Merkel-schen Versuche gegen sich. Aber ist es schon ein Vorteil, dafs diese Gruppe von Gegeninstanzen dann, soviel ich sehen kann, die einzige ist, so f\u00e4llt noch mehr ins Gewicht, dafs bei dem ber\u00fchrten engen Zusammenh\u00e4nge zwischen Distanzen und Strecken sehr wohl denkbar ist, dafs unter Umst\u00e4nden statt der ersteren die letzteren das Vergleichungsergebnis entscheiden.2 Handelt es\n1\tBhilos. Stud. Bd. X. S. 223.\n2\tVielleicht findet man einen \u00e4hnlichen Gedanken hei M\u00fcnsteeberg-(Beitr\u00e4ge. Heft 3, S. 114 ff.), wenn man erst einmal von den \u201eSpannrings-","page":263},{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"264\nA. Meinong.\nsich namentlich, was ja ohnehin der uns im gegenw\u00e4rtigen Zusammenh\u00e4nge zun\u00e4chst betreffende Fall ist, um die Mittensch\u00e4tzung bei psychischen Strecken, und es kommt dabei aus irgend einem Grunde zu einem Verfahren, das der Superposition physischer Strecken einigermafsen analog ist, so ist dann sehr nat\u00fcrlich, dafs das zuletzt Verglichene der Unterschied der gr\u00f6fsten von der mittelgrofsen, und der Unterschied der mittel-grofsen von der kleinsten Strecke ist. Handelt es sich, was \u00fcbrigens aufser der gegenw\u00e4rtigen Betrachtungssph\u00e4re liegt, um \u00e4hnliche Sch\u00e4tzungen bei Schallst\u00e4rken, so geschieht es, wenn ich an mir gemachten Beobachtungen trauen darf, that-s\u00e4chlich, dafs man beim \u00dcbergang von der einen Schallst\u00e4rke zur anderen, wie sie dem Abgeben des Urteils voranzugehen, dem Wahrnehmen der Schalle aber nachzufolgen pflegt, statt Spr\u00fcnge zu machen, den Weg zwischen den betreffenden Schallst\u00e4rken wenigstens manchmal in der Einbildung ausf\u00fcllt; von hier aus k\u00f6nnte dann wieder ein Quasi-Superpositions verfahren zu Differenzen statt Verschiedenheiten f\u00fchren\u00bb Befriedigend kann ich dergleichen noch sehr unfertige Gedanken freilich nicht finden, zumal dann immer noch ganz offen gelassen ist, warum Einfl\u00fcsse der oben bezeichn\u00ebten Art nur zur Geltung kommen, wenn die zu vergleichenden Distanzen einander nahe, und nicht, wenn sie einander fern stehen. \u201eDie gr\u00f6fsere Verschiedenheit der Beize\u201c, meint Merkel in Bezug auf den letzteren Fall, \u201ebedingt eben, dafs neben einer direkten Vergleichung der Distanzen der zweite Beiz an dem verwandteren ersten, und der vierte Beiz an dem verwandteren dritten gemessen wird, und das f\u00fchrt notwendig zu einem Wettstreit zwischen der Beurteilung nach gleichen Unterschieden und gleichen Verh\u00e4ltnissen\u201c;* 1 aber hier liegt zum allermindesten in dem doch wohl nicht im w\u00f6rtlichen Sinne zu verstehenden \u201eMessen\u201c das Problem.2 Kurz, ich verkenne weder, noch\nempfindungen\u201c absieht. \u00dcbrigens will damit anderweitigen Einfl\u00fcssen wie sekund\u00e4ren Kriterien in betreff der Keizsch\u00e4tzung, ihre Bedeutung keineswegs abgesprochen sein.\n1\tPhilos. Stud. Bd. X. S. 224.\n2\tFalls ich n\u00e4mlich die Gegen\u00fcberstellung einer Beurteilung \u201enach gleichen Unterschieden und gleichen Verh\u00e4ltnissen\u201c meiner Auffassung zu nutze machen darf. Wichtig schiene mir vor allem, ob die Gegen\u00fcberstellung auch im engsten Sinne psychologisch verstanden, d. h. das Urteil \u00fcber Unterschiede und Verh\u00e4ltnisse wenigstens mit ins Auge","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n265\nw\u00fcnsche ich. zn verbergen, dafs hier der schw\u00e4chste Punkt der von mir vertretenen Auffassung liegt. Sie scheint mir aber ihrem Wesen wie ihren in der Folge darzulegenden Konsequenzen nach fest genug begr\u00fcndet zu sein, um ihr sonst m\u00f6glichen Aufstellungen gegen\u00fcber den Vorzug zu sichern.\n\u00a7 21. Unterschied und Verschiedenheit.\n\u00dcberblicke ich die vorstehenden Untersuchungen, so scheinen sie mir mehr als ausreichend, die \u00dcberzeugung zu begr\u00fcnden, dafs die Differenz nicht die von uns gesuchte1 Funktion ist, die uns zum zahlenm\u00e4fsigen Ausdrucke der Gr\u00f6fsenverschieden-heit f\u00fchrt. Ich schliefse hieran die Beantwortung einer allgemeineren Frage, welche bei streng methodischem Vorgehen vielleicht den Darlegungen der letzten Paragraphen h\u00e4tte vorausgehen sollen. Sie ihnen erst folgen zu lassen, hat den Vorteil, dafs \u00fcber die Weise ihrer Erledigung nun kein Zweifel mehr aufkommen kann und sie gleichwoh niemandem im Lichte einer doktrin\u00e4ren \u00dcberfl\u00fcssigkeit erscheinen d\u00fcrfte.\nSind Differenz und Verschiedenheit, so lautet die Frage, nicht im Grunde eines und dasselbe? Dafs die Antwort negativ ausfallen mufs, liegt nach Obigem auf der Hand; kann die Differenz nicht einmal ein Messungssurrogat f\u00fcr Verschiedenheit abgeben, so kann sie noch weniger mit dieser identisch sein. Es ist nun aber, namentlich mit R\u00fccksicht auf die MERKELschen Beobachtungen, von Wert, festzuhalten, dafs diese Kicht-Identit\u00e4t nicht etwa nur aus der Unverwendbar-\ngefafst ist. Wenn ja, dann liegt wohl sehr nahe, noch einen Schritt weiter zn gehen: Verh\u00e4ltnisse (\u201egeometrische\u201c n\u00e4mlich), wenn man damit die mathematische Relation dieses Namens meint, ergehen sich doch nicht ans Vergleichungen als deren unmittelbares Resultat; wor\u00fcber k\u00f6nnte in solchen F\u00e4llen also geurteilt werden, wenn nicht \u00fcber Verschiedenheit? \u00dcbrigens hat J. Merkel selbst eine n\u00e4here Untersuchung der psychologischen Seite der Sache versprochen (\u201eDie Aufgaben und Methoden der Psychologie in der Gegenwart\u201c. Wiss. Beil. z. Jahresber. d. ~kgl. Realgymnasiums in Zittau. 1895. S. 24) und die Wichtigkeit der Angelegenheit l\u00e4fst baldige Erf\u00fcllung dieser Zusage hoffen. \u2014 Auf das Unzureichende der von Wundt speziell mit Bezug auf die \u201eMethode der mittleren Abstufungen\u201c versuchten Erkl\u00e4rung weist W. Dittenberger hin (\u201e\u00dcber das psychophysische Gesetz\u201c im Arch. f. system. Philos. Bd. II. S. 101).\n1 Vergl, oben \u00a7 17 am Ende.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nA. Meinong.\nkeit als Messungssurrogat erhellt. Die Frage kann ja auch direkt an die psychologische Empirie gerichtet werden, etwa in der Form: wenn ich vergleiche, genauer, wenn ich auf Grund einer Vergleichung Verschiedenheit affirmiere oder negiere, urteile ich da \u00fcber Differenz? Und aus dieser direkten Empirie heraus, ohne Vor- oder Nachgedanken, mufs ich darauf mit entschiedenem \u201eNein\u201c antworten. Dieses Nein l\u00e4fst sich dann aber noch durch eine nachtr\u00e4gliche Erw\u00e4gung erh\u00e4rten. Gr\u00f6fsen sind, wie wir wissen, nicht das einzige, dem Verschiedenheit zukommen kann; Differenzen oder Unterschiede aber k\u00f6nnen \u00fcberhaupt nur zwischen Gr\u00f6fsen Vorkommen und auch zwischen ihnen nicht, wenn sie nicht teilbar sind. Es tritt dies auch in der bereits oben1 erw\u00e4hnten Thatsache hervor, dafs der Unterschiedsgedanke verm\u00f6ge seiner Provenienz aus der Teilvergleichung auf den um vieles weiter anwendbaren Verschiedenheitsgedanken aufgebaut ist. Auch hier tritt die von Manchen so gern umgangene und doch nie ohne Schaden zu umgehende Betrachtung des vor den theoretischen Zuthaten psychologisch Vorliegenden in ihre Bechte. Fragt man sich, was man mit dem Worte \u201eDifferenz4\u201c und was man mit dem Worte \u201eVerschiedenheit\u201c f\u00fcr einen Sinn verkn\u00fcpft, was man bei dem einen und dem anderen Worte thats\u00e4chlich denkt, so lautet die Antwort wieder mit aller Bestimmtheit, dafs es dort ein Anderes ist, als hier.\nEine Unsicherheit kann hier\u00fcber, soviel ich sehe, nur insoweit auf kommen, als der Wortgebrauch ein unsicherer ist. Solche Unsicherheit liegt nun ohne Zweifel bis zu gewissem Grade vor, nicht, soweit es sich um die Worte \u201eVerschiedenheit\u201c und \u201eDifferenz\u201c, wohl aber, soweit es sich um das Wort \u201eUnterschied\u201c handelt. Es wurde oben der gebr\u00e4uchlichen Wendungen gedacht, die \u201eUnterschied\u201c f\u00fcr \u201eVerschiedenheit\u201c zu setzen keinen Anstand nehmen, \u2014 auiserdem aber des mathematisch-technischen Gebrauches des Wortes \u201eUnterschied\u201c f\u00fcr \u201eDifferenz\u201c. Dieser Sachlage gegen\u00fcber empfiehlt sich ein\u00a9 terminologische Feststellung, die uns in der Folge noch gute Dienste leisten wird.\nEs ist ja selbstverst\u00e4ndlich, dafs man Grund haben wird, den mathematischen und aufsermathematischen Wortgebrauch\n1 Vergl. S. 262 f.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Weber sehen Gesetzes.\n267\nin Bezug auf den Terminus \u201eUnterschied\u201c wohl auseinanderzuhalten ; weil solches Auseinanderhalten aber Unzuk\u00f6mmlichkeiten doch nicht auszuschliefsen verm\u00f6chte, so greift man noch besser zu dem radikaleren Auskunftsmittel, die eine der beiden Anwendungsweisen ganz zu vermeiden. \u00dcberdies hat man auch sonst kein Interesse daran, das, was durch das Wort \u201eVerschiedenheit\u201c in nat\u00fcrlicher Weise ausgedr\u00fcckt ist, auch noch durch ein anderes deutsches Wort auszudr\u00fccken, das es in der Mathematik bereits zu einem ebenso fest bestimmten als wichtigen Sinn gebracht hat. Dabei haben wir es hier nicht mit einer Bedeutung zu thun, welche die Mathematik dem Worte \u201eUnterschied\u201c im Gregensatze zum Sprachgef\u00fchl erst aufgezwungen h\u00e4tte: die Wendung \u201edie beiden Wegstrecken unterscheiden sich um ein betr\u00e4chtliches St\u00fcck\u201c hat nichts wissenschaftlich Technisches an sich, beweist vielmehr, dafs das Wort \u201eUnterscheiden\u201c bereits in seiner aufserwissen-schaftlichen Anwendung den Bed\u00fcrfnissen der Teilvergleichung in besonderer Weise Rechnung tr\u00e4gt.\nUnter solchen Umst\u00e4nden dr\u00e4ngt sich wohl von selbst die Konsequenz auf, dafs es ratsam sein werde, sich des Wortes \u201eUnterschied\u201c nur in Einem Sinne, und zwar in demjenigen zu bedienen, in dem wissenschaftlicher und aufs er wissenschaftlicher Sprachgebrauch Zusammentreffen, d. h., mehr kurz als genau gesagt, im Sinne der Mathematik. In diesem Sinne ist etwa der Unterschied zwischen zwei Linien wieder eine Linie, indes die Verschiedenheit zwischen zwei Linien so gut wie sonst irgend eine Verschiedenheit eine Relation und nichts weniger als eine Strecke ist;1 es kann nur zu Verwirrungen f\u00fchren und hat thats\u00e4chlich, wie wir sehen werden, zu solchen gef\u00fchrt, wenn auch diese Relation mit dem Kamen \u201eUnterschied\u201c belegt wird.2 Es wird sich also empfehlen, ein\u00a9 solche, v\u00f6llig\n1\tVergl. auch Ehrenfels in der Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. 1892 S. 301 f. Anm.\n2\tEs scheint mir \u00fcbrigens mindestens sehr zweifelhaft, ob man dabei auch nur die oben herangezogenen F\u00e4lle anscheinend gleicher Anwendung von \u201eUnterschied\u201c und \u201eVerschiedenheit\u201c genau genommen gegen sich hat. Sehr auffallend ist zum mindesten, dafs, wo man einen \u201eUnterschied\u201c statuiert, die Frage, worin er besteht, was ihn ausmacht, stets guten Sinn hat. Und worauf hat es Derjenige abgesehen, der eine solche Frage stellt? Er w\u00fcnscht, wenn es sich etwa um die Objekte A und B handelt,","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"268\nA. Meinong.\nHeterogenes konfundierende Ausdrucksweise dort, wo es einiger-mafsen auf Genauigkeit ankommt, m\u00f6glichst zu vermeiden.* 1\nUng\u00fcnstig f\u00fcr soldi en Vorsatz ist freilich die Thatsache, dafs Ausdr\u00fccke wie \u201eUnterschiedsschwelle\u201c, \u201eUnterschiedsempfindlichkeit\u201c, bei denen es sich zweifellos nicht um Unterschied im eben angegebenen Sinne, sondern um Verschiedenheit handelt, dem psychologischen Sprachgebrauche so gel\u00e4ufig geworden sind, dafs niemand auf dieselben wird verzichten wollen. Inzwischen sind von diesen Zusammensetzungen erhebliche Mifsvert\u00e4ndnisse heute schwerlich mehr zu besorgen, wenigstens nicht ernstlicher als von dem Bestandteil \u201eEmpfindlichkeit\u201c des zweiten der eben angef\u00fchrten Ausdr\u00fccke, bei dessen Anwendung2 man doch auch schon recht selten verkennen wird, wie wenig \u201eUnterschied\u201c oder eigentlich \u201eVerschiedenheit\u201c Sache des Empfindens sein k\u00f6nne. Es hat noch niemals eine v\u00f6llig konsequente Terminologie gegeben, so wenig in wfie aufser der Wissenschaft; man kann also getrost der Unterschiedsschwell\u00a9 und der Unterschiedsempfindlichkeit den gebr\u00e4uchlichen Hamen belassen und sich \u00fcbrigens doch nach Kr\u00e4ften h\u00fcten, den Unterschied mit der Verschiedenheit zu verwechseln.\n\u00a7 22. Das geometrische Verh\u00e4ltnis.\nEs ist der Natur unserer Untersuchungen gem\u00e4fs, nachdem so das \u201earithmetische\u201c Verh\u00e4ltnis sich als zur L\u00f6sung der am Anf\u00e4nge von \u00a7 18 gestellten Aufgabe unzureichend erwiesen hat, nunmehr das \u201egeometrische\u201c Verh\u00e4ltnis in Erw\u00e4gung zu ziehen. Es handelt sich jetzt also darum, ob eine (xleichsetzung von der Form\nzu wissen, was f\u00fcr Eigenschaften A vor dem B, eventuell auch B vor dem A voraushat. Der \u201eUnterschied\u201c ist also im Grunde auch hier keine Delation, sondern eine Komplexion, was von der Verschiedenheit in keinem noch so ungenauen Wortsinne zutrifft. Ist dem so, dann fehlt eigentlich der Identifikation von Verschiedenheit und Unterschied jede sprachgehr\u00e4uchliche St\u00fctze.\n1\tVielleicht ist dem Leser fr\u00fcherer Ausf\u00fchrungen, namenlich deren gegen die Merklichkeitstheorie, bereits aufgefallen, dafs dabei das Wort \u201eVerschiedenheit\u201c an Stellen gebraucht wurde, wo man sonst an da\u00e8 Wort \u201eUnterschied\u201c gew\u00f6hnt war. Hoffentlich findet dies im eben Gesagten seine nachtr\u00e4gliche .Rechtfertigung.\n2\tVergl. oben S. 133. Anm. 1.","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n269\naVh= G% oder eventuell aF6 = C-\n0\tCI\nden Thatsaclien entspriclit.\nVor allem interessiert uns liier nat\u00fcrlich die Frage, ob durch eine solche Funktion die M\u00e4ngel der zuerst versuchten Aufstellung behoben sind. Es ist nun nicht zu leugnen, dafs eine hierauf gerichtete n\u00e4here Erw\u00e4gung der abge\u00e4nderten Sachlage in der That zu einigen befriedigenden Ergebnissen f\u00fchrt.\nFragen wir zun\u00e4chst, ob der Gleichheit des Quotienten nun auch wirklich jene Gleichheit der Yerschiedenheitsgr\u00f6fse entspreche, die wir bei gleicher Differenz vergebens gesucht haben, so dr\u00e4ngt sofort ein zwar etwas komplizierterer, gleichwohl aufserordentlich popul\u00e4rer Delationsgedanke zur Bejahung, der Gedanke der (geometrischen) Proportionalit\u00e4t. Die Mathematik definiert sie als Gleichheit der Quotienten und mag ihre guten Gr\u00fcnde haben, bei dieser Bestimmung stehen zu bleiben. Der \u00fcbliche Ausdruck der Proportionalit\u00e4t durch Wendungen wie: nn verh\u00e4lt sich zu o, wie sich p zu q verh\u00e4lt\u201c behauptet die Gleichheit zweier Delationen, ohne die Natur dieser Delationen n\u00e4her anzugeben; und im Werte des Quotienten, den zwei Zahlen ergeben, tritt ja sicherlich eine Delation dieser Gr\u00f6fsen, in der \u00dcbereinstimmung zweier Quotienten also eine \u00dcbereinstimmung in betreff dieser Delation hervor. Wenn aber einer sagt: \u201eje l\u00e4nger der in der gegebenen Zeit zur\u00fcckgelegte Weg war, desto gr\u00f6fser mufste die Geschwindigkeit gewesen sein\u201c, oder \u201eje gr\u00f6fser die M\u00fche, desto h\u00f6her der Preis\u201c und dergl., da hat er sicherlich keine Quotienten im Auge, sondern Steigerungen, die trotz der Verschiedenheit des Gesteigerten als gleich grofse Steigerungen angesehen werden. Woher n\u00e4hme auch der Proportionalit\u00e4tsgedanke seine Volkst\u00fcmlichkeit, wenn er nichts anderes als eine mathematische Operation zur Grundlage h\u00e4tte? Und wenn dies einmal ausgeschlossen ist, worauf k\u00f6nnte er nat\u00fcrlicher bezogen werden als auf die Verschiedenheit, genauer: auf die Gleichheit von Verschiedenheiten?\nExakter ist nat\u00fcrlich der Nachweis, der in jener Formulierung des WEBERschen Gesetzes vorliegt, die mit Decht als die einwurfsfreieste bezeichnet worden ist. Dieselbe behauptet ja Konstanz der relativen Unterschiedsempfindlichkeit;","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nA. Me\u00efnong.\nnun ist der sogenannte relative Unterschied zwar nicht selbst der Quotient, aber gleiche relative Unterschiede gehen bekanntlich mit gleichen Quotienten zusammen. Was also an ebenmerklichen und \u00fcbermerklichen Verschiedenheiten diesem Gesetze gem\u00e4fs ist, verifiziert zugleich die Annahme des Zusammengehens gleicher Quotienten mit gleichen Verschiedenheiten; gleiche Verschiedenheiten bei ungleichen Quotienten sind hierdurch nicht minder ausgeschlossen, als ungleiche Verschiedenheiten bei gleichen Quotienten.\nIndem wir so von der beiderseitigen Koincidenz der Gleichheiten auf die der Ungleichheiten \u00fcbergehen, gelangen wir zugleich zu der noch ausstehenden Entscheidung zwischen den beiden oben nebeneinandergestellten Quotienten von a und b. Gilt der schon oben einmal herangezogene Grundsatz: die Verschiedenheit ist um so gr\u00f6fser, je gr\u00f6fser das gr\u00f6fsere, j\u00a9 kleiner das kleinere der distant en Objekte ist, so ist sofort ersichtlich, dafs nur b als das Gr\u00f6fsere in den Z\u00e4hler, nur a als das Kleinere in den Kenner des pr\u00e4sumtiven Bruches gesetzt werden kann. Kur die Annahme:\nbraucht also unser\u00a9 weiteren Erw\u00e4gungen zu besch\u00e4ftigen.\nEs handelt sich nun nur noch um die Grenzf\u00e4lle, und auch hier tritt die \u00dcberlegenheit des Quotienten gegen\u00fcber der Differenz zu Tage, insofern nicht nur die Verschiedenheit des Endlichen vom Unendlichen, sondern auch die des Endlichen von der Kuli einen unendlich grofsen Wert f\u00fcr den in Aussicht genommenen Bruch ergiebt. Dagegen f\u00fchrt der noch \u00fcbrige Grenzfall der Gleichheit von a und 6, dem die Differenzformel mit Leichtigkeit Rechnung tragen konnte, bei der Quotientenformel zu einem ganz unannehmbaren Resultate. F\u00fcr\na = b ist aVh= \u00f6,\nindes nat\u00fcrlich die Verschiedenheit zwischen zwei gleichen Gr\u00f6fsen keinen anderen als Kuli wert haben kann.\nDie Unf\u00e4higkeit auch des geometrischen Verh\u00e4ltnisses, das gew\u00fcnschte Surrogat zur Verschiedenheitsmessung zu liefern, tritt hiermit klar zu Tage. Das, worauf uns die Untersuchung gef\u00fchrt hat, ist nicht etwa ein vereinzelt auftretender Wider-","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n271\nsprach, \u00fcber den sich freilich auch schwerlich hinwegsehen liefse; vielmehr verr\u00e4t sich darin ein fundamentaler Mangel des in Betracht gezogenen Gr\u00f6fsensystems. Ist dieses so beschaffen, dafs es unter den oben dargethanen und durchaus unerl\u00e4fslichen Voraussetzungen \u00fcber die Stellung des a und b im Bruche g\u00fcnstigsten Falles nur ein Limitieren gegen 1 gestattet, so kann es unm\u00f6glich als Messungssurrogat f\u00fcr ein System ein-treten, dessen F\u00e4higkeit, gegen Null zu limitieren, aufser jedem Zweifel ist.\n\u00a7 23. Der relative Unterschied.\nEs ist nicht eben schwer, eine Funktion zu finden, welche unsere Mafszahlen a und b derart miteinander verbindet, dafs im Resultate die Vorz\u00fcge sowohl der Differenz als des Quotienten erhalten bleiben, die oben namhaft gemachten M\u00e4ngel sonach beseitigt sind. Man findet diese Funktion in dem der Psychologie heute so gel\u00e4ufigen Begriffe des \u201erelativen Unterschiedes\u201c, der, wenn wir von einer etwaigen Verschiedenheit des Vorzeichens auch hier ihrer augenscheinlichen Unwesentlichkeit halber absehen, uns doch jedenfslls die zwei Eventualit\u00e4ten zur Wahl bietet:\na\nb\u2014a a\nund\nG\nb\u2014a\n~TT\nEhe wir nach Gesichtspunkten f\u00fcr eine solche Wahl suchen, empfiehlt es sich, ausdr\u00fccklich zu konstatieren, was durch Einf\u00fchrung dieser Funktion f\u00fcr unsere Zwecke gewonnen ist. Dreierlei darf, wie ohne weiteres ersichtlich, im Hinblick aut die bei Differenz und Quotient gef\u00fchrten Untersuchungen der in der neuen Weise gewonnenen Mafszahl nachgesagt werden :\n1.\tGleichenVerschiedenheiten entsprechen gleiche, ungleichen Verschiedenheiten ungleiche, und zwar im n\u00e4mlichen Sinne ungleiche Werte dieser Mafszahl. Die Gew\u00e4hr daf\u00fcr liegt in dem schon oben ber\u00fchrten Umstande, dafs zu gleichen relativen Unterschieden allemal gleiche Quotienten geh\u00f6ren, f\u00fcr letztere aber, wie wir sahen, der in Bede stehende Parallelismus mit den zugeh\u00f6rigen Verschiedenheiten zu Becht besteht\u00bb\n2.\tDer Gleichheit von a und b entspricht stets der Zahlenwert 0.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nA. Meinong.\n3. Erreicht a den ihm voraussetzungsgem\u00e4fs allein zug\u00e4nglichen Grenzwert 0, oder b den ihm ans gleichem Grunde allein zug\u00e4nglichen Grenzwert co , so ergiebt dies f\u00fcr die beiden oben nebeneinandergestellten Gestalten des relativen Unterschiedes, bezw. :\naVb = co oder aF6=0.\nDafs die Resultate 1 und 2 f\u00fcr die Brauchbarkeit der in Rede stehenden Funktion entschieden g\u00fcnstig sind, bedarf keiner weiteren Darlegung. Auch Resultat 3 empfiehlt sich, soweit es die erste Form des relativen Unterschiedes angeht, von selbst: die Verschiedenheit zwischen Null und einer endlichen, oder die zwischen einer endlichen und einer unendlichen Gr\u00f6fse unendlich grofs anzusetzen, hat sich uns oben wiederholt als v\u00f6llig nat\u00fcrlich herausgestellt. Bedenklicher ist die f\u00fcr diese F\u00e4lle aus der zweiten Gestalt des relativen Unterschiedes hervorgehende endliche Zahl 0, also etwa wieder die Einheit; und die Konsequenz, dafs etwa 1 und 2 nur eine halb so grofse Verschiedenheit aufzuweisen h\u00e4tten, als 1 und co, klingt mindestens recht gezwungen. Doch w\u00e4re dem keineswegs so viel Gewicht beizumessen, wie dem sonst in gewissem Sinne nicht un\u00e4hnlich scheinenden Rechnungsergebnisse G oder 1 beim geometrischen Verh\u00e4ltnisse zwischen gleichem a und b. Es ist doch ein ganz Anderes, einer grofsen Verschiedenheit einen blofs endlichen Maximalwert, als einer g\u00e4nzlich mangelnden Verschiedenheit einen immer noch endlichen Minimalwert beizumessen. Dafs alle Verschiedenheit gegen ein endliches und un\u00fcberschreitbares Maximum limitiere, ist eine mindestens diskutierbare Annahme; dafs eine voraussetzungsgem\u00e4fs bereits verschwundene Verschiedenheit immer noch einen endlichen Wert habe, ist einfach widersprechend.\nEs hat also doch alles in allem den Anschein, als h\u00e4tten wir im relativen Unterschiede das gefunden, was wir suchen; die Bevorzugung, die diesem Begriffe in der modernen Psychologie allenthalben zu teil wird, w\u00e4re damit in befriedigendster Weise begr\u00fcndet. Nun obliegt uns aber doch zum mindesten noch, zwischen den zwei bisher parallel behandelten Gestalten des relativen Unterschiedes eine definitive Wahl zu treffen; eine solche m\u00fcfste dann wohl auch anderen Aufgaben der Psychologie zu statten kommen, denen gegen\u00fcber es doch beim","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n273\nHin- und Herschwanken zwischen den beiden Formen oder einer willk\u00fcrlichen Bevorzugung der einen derselben auf die L\u00e4nge nicht wohl sein Bewenden haben k\u00f6nnte.\n\u00a7 24. Die beiden Gestalten des relativen Unterschiedes.\nEs ist hierzu erforderlich, aufser den bisher allein ber\u00fccksichtigten Gr\u00f6fsen Ga und Gh noch eine dritte Gr\u00f6fse Gc desselben Gebietes heranzuziehen. Es geschehe dies unter der Voraussetzung, dafs die f\u00fcr diese charakteristische Mafszahl c gr\u00f6fser als b, daher um so mehr auch gr\u00f6fser als a sei. Zu dem bisher allein erwogenen Verschiedenheitsfalle aVb kommen jetzt noch die weiteren F\u00e4lle bVc und aVn deren Gr\u00f6fse im Sinne der in Bede stehenden Annahme durch den relativen Unterschied der betreffenden Mafszahlen bestimmt ist. Sehen wir im Folgenden der Einfachheit halber von der Konstanten G ab, indem wir ihr den Einheitswert erteilen, eine Annahme, die im Bedarfsf\u00e4lle ja jederzeit auch wieder aufgegeben werden k\u00f6nnte, so erhalten wir unter Zugrundelegung der ersten Gestalt des relativen Unterschiedes:\nanalog zu a Vb =\nb\u2014a a\nnun noch :\nc\u2014a ----,\na\nnnter Zugrundelegung der zweiten Gestalt\nanalog zu a Vh\nb\u2014a\nnun noch : h Vc\nc\u2014b\nK\nc\u2014a\na T c\nDer Zweck, dem die Einf\u00fchrung der Gr\u00f6fse Gc dient, ist leicht zu erkennen. Hat man drei Gr\u00f6fsen in geordneter, also etwa aufsteigender Beihe vor sich, so scheint es eine ganz selbstverst\u00e4ndliche Annahme, dafs die drei mit ihnen gegebenen Verschiedenheiten ihrer Gr\u00f6fse nach nicht voneinander unabh\u00e4ngig sein k\u00f6nnen, vielmehr die Verschiedenheit der ersten von der zweiten Gr\u00f6fse, vermehrt um die Verschiedenheit der zweiten von der dritten, die Verschiedenheit der ersten von der dritten ergeben mufs. K\u00f6nnen wir nun die Gr\u00f6fsen dieser drei Verschiedenheiten auch als Funktionen der drei Mafszahlen a, b und c ausdr\u00fccken, so liegt die Frage nahe, ob die so gewonnenen Werte auch die Belation\nV = K 4- V\na \u2019 c a ' & I T c\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XI.\n18","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nA. Meinong.\nmit sich f\u00fchren oder wenigstens zulassen, \u2014 zugleich die Erwartung, dafs das Ergebnis einer diesbez\u00fcglichen Feststellung auf die Eignung unserer Funktion und ihrer beiden Gestalten ein Licht zu werfen im st\u00e4nde sein werde.\nDie Untersuchung mufs f\u00fcr jede der beiden Gestalten des relativen Unterschiedes besonders gef\u00fchrt werden. Ihr n\u00e4chstes Objekt ist die Berechtigung des in der eben formulierten Gleichung auftretenden Gleichheitszeichens unter Voraussetzung der einen oder der anderen der beiden als relativer Unterschied bezeichneten Funktionen. Die Korrektheit desselben soll jedesmal zun\u00e4chst hypothetisch angenommen und so weit in ihren Konsequenzen verfolgt werden, bis diese selbst die erforderlichen Aufschl\u00fcsse \u00fcber die Beschaffenheit der Voraussetzung gew\u00e4hren. Um allen MifsVerst\u00e4ndnissen aus dem Wege zu gehen, soll das blofs hypothetisch verstandene, in Wahrheit eben zu pr\u00fcfende Gleichheitszeichen allemal durch ein dar\u00fcber gesetztes Fragezeichen kenntlich gemacht werden.\nBeginnen wir mit der ersten Gestalt des relativen Unterschiedes. Ihr gem\u00e4fs ist anzusetzen :\noder:\n+\nc \u2014\nb\nb\nb c \u2014 ab a b\nb2 \u2014 ab -f- a c \u2014 ab a b\nDie Entscheidung \u00fcber Gleichheit oder Ungleichheit liegt hier offenbar im Z\u00e4hler, n\u00e4her in der Gegen\u00fcberstellung:\nb c = b2 -f- a (c \u2014 b)\noder:\n?\nb(c \u2014 b) = a(c \u2014 b).\nWeil aber der Voraussetzung nach b >- a und c > b ist, so ist nun nicht nur unverkennbar, dafs das Gleichheitszeichen hier \u00fcberall unstatthaft, sondern auch, dafs es \u00fcberall durch ein Gr\u00f6fserzeichen zu ersetzen ist, was zum Ergebnis f\u00fchrt:","page":274},{"file":"p0275.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Weber sehen Gesetzes.\n275\nUm den Sacliverhalt an einem speziellen Beispiele zu beleuchten, nehme man etwa 1, 2 und 4 als die in Betracht kommenden Mafszahlen an. Dann hat die Verschiedenheit von 1 und 2 im\u2018 Sinne unserer Funktion den Betrag 1, ebenso die Verschiedenheit von 2 und 4; die Verschiedenheit von 1 und 4 dagegen betr\u00e4gt 3, indes die Summe der beiden kleineren Verschiedenheiten sich blofs auf 1 \u20141, also auf 2 bel\u00e4uft.\nWenden wir uns zur zweiten (restait des relativen Unterschiedes. Dieselbe ergiebt:\noder:\nc \u2014 a ? h \u2014 ci , c \u2014 b c ~ b \u2018 c\nbc \u2014 ub ? bc \u2014 cic-\\~be\u2014b2 bc\tbc\nAuch hier liegt die Entscheidung im Z\u00e4hler, und zwar in dem was beiderseits von dem Produkte bc abgezogen wird. Also\noder:\n?\nab = ac -)- b2 \u2014 6c,\n?\na (b \u2014 c) = b (6 \u2014 c).\nAuch hier widerspricht also das Gleichheitszeichen der vorausgesetzten Gr\u00f6fsenrelation zwischen b und c. Um nun aber auch \u00fcber den Sinn der sonach jedenfalls vorliegenden Ungleichheit ins Klare zu kommen, ist zu beachten, dafs die zu beiden Seiten des beseitigten Gleichheitszeichens \u00fcbereinstimmend auftretende Differenz verm\u00f6ge der Voraussetzung \u00fcber die Gr\u00f6fsenrelation zwischen b und c hier ebenso gewifs negativen wie im erstuntersuchten Falle positiven Wert hat. Mit R\u00fccksicht hierauf ist zu setzen:\na(b \u2014 c) > b(b \u2014 c).\nDa aber hiermit nur zwei Subtrahenden verglichen sind, die von Haus aus einem und demselben Minuenden gegen\u00fcberstehen, s\u00f6 mufs die Ausgangsungleichung in Wahrheit wieder das entgegengesetzte Ungleichheitszeichen aufweisen, so dafs wir erhalten:\nc \u2014 a\nc\nc \u2014\nb\nc\n18*","page":275},{"file":"p0276.txt","language":"de","ocr_de":"276\nA. Meinong.\nAuch dies ist am obigen Spezialfall deutlich zu machen. Nach der zweiten Form des relativen Unterschiedes hat die Verschiedenheit zwischen 1 und 2 den Wert 1, ebenso die zwischen 2 und 4, die zwischen 1 und 4 aber den Wert \u00a7, w\u00e4hrend die Summe 1 betr\u00fcge.\n\u00dcbrigens gestatten die beiden Ergebnisse auch eine direkte, zugleich elegantere Ableitung, deren Kenntnis ich meinem verehrten Kollegen, Professor von Dantscher, verdanke. F\u00fcr die erste Gestalt des relativen Unterschiedes folgt aus der Voraussetzung :\no < a <Cb < c\nunmittelbar :\nb(c \u2014 b) >> a (c \u2014 5),\noder, wenn auf beiden Seiten der Ungleichung durch ab dividiert wird:\nA_l\\ i._i\na\ta / b\nWird nun beiderseits eine Einheit abgezogen, so erh\u00e4lt man:\noder:\na /\ni + *\na\n1 +\nc\nb\nc \u2014\nb\nb\nIn gleicher Weise folgt f\u00fcr die zweite Gestalt des relativen Unterschiedes aus der eben namhaft gemachten Ausgangsvoraussetzung:\nb (b \u2014 a) < c (b \u2014 a),\noder, wenn man innerhalb der Parenthese links vom Ungleichheitszeichen c addiert und wieder subtrahiert :\nb [c \u2014 a \u2014 (c \u2014 b)] <C c (b \u2014 a)\noder :\nb(e \u2014 a) < c (b \u2014 a) -f- b (c \u2014 b).\nWird hier beiderseits durch bc dividiert, so ergiebt dies:\nc \u2014 a / b \u2014 a , c \u2014 b c \\ b\tc *","page":276},{"file":"p0277.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n277\nMan ersieht ans diesen Darlegungen vor allem, dafs die Voraussetzung, die man kurz als die der Summierbarkeit der Distanzgr\u00f6fsen bezeichnen k\u00f6nnte, durch keine der beiden Gestalten des relativen Unterschiedes verifiziert wird, vielmehr die erste Gestalt die Gesamtdistanz gr\u00f6fser, die zweite Gestalt kleiner ergiebt als die Teildistanzen, wenn diese ungenaue Bezeichnungsweise der K\u00fcrze halber gestattet ist. Es fragt sich dem gegen\u00fcber einmal, ob, was eben als Nicht-Summierbarkeit bezeichnet wurde, etwa schon ausreicht, um den relativen Unterschied in der hier versuchten Anwendung ganz im allgemeinen ad absurdum zu f\u00fchren, \u2014 ferner eventuell, ob im besonderen das Gr\u00f6fser oder Kleiner, das den beiden Gestalten des relativen Unterschiedes entspricht, eine Entscheidung zu Gunsten einer dieser Gestalten gewinnen hilft.\nIn betreff des ersteren Fragepunktes wird man sich darauf, dafs von Summierung bei Distanzen \u00fcberhaupt streng genommen gar nie die Rede sein k\u00f6nne, nach Fr\u00fcherem nicht mehr berufen wollen. Distanzen sind nicht leichter, aber auch nicht schwerer zu addieren, als sie zu substrahieren, und somit auch, als sie zu messen sind. Kann man also Distanzen surrogativ messen, so wird man sie auch, wenn man so sagen darf, surrogativ addieren k\u00f6nnen. Sind a?, y, z drei kontinuierlich miteinander verbundene oder verbindbare Objekte, im Falle, dafs es sich um Gr\u00f6fsen handelt, etwa auch deren Mafs-zahlen, so ist die Frage, ob\nV = V 4- V\nx r z x r y | y f z\nist, jederzeit statthaft, wenn man dabei die zugeordneten Strecken im Auge beh\u00e4lt, so dafs es zun\u00e4chst darauf ankommt, ob auch\nxz \u2014 xy y z\nist, wo der \u00fcber je zwei Symbole gesetzte Querstrich eben die der betreffenden Distanz zugeordnete Strecke bedeutet.\nDafs nun aber weiter die negative Beantwortung einer solchen Frage keineswegs schlechthin eine Unvertr\u00e4glichkeit in den Annahmen verr\u00e4t, wie Fechner wohl gemeint haben wird,1 davon \u00fcberzeugt man sich leicht, wenn man sich etwa\n1 \u201e\u00dcber die psychischen Mafsprinzipien und das WEBERSche Gesetz\u201c in Wundts Philos. Stud. Bd. IV. S. 183 f. Seine Berufung auf die Nominal-","page":277},{"file":"p0278.txt","language":"de","ocr_de":"278\nA. Meinong.\nx, y und z als Punkte im Paume vorstellt. Nur wenn alle drei Punkte in derselben Geraden liegen, bestellt das eben formulierte Summengesetz zu Recht. Liegen sie dagegen nicht in derselben Geraden, dann gilt das Summengesetz nicht,* 1 und dann hat es auch einen ganz guten Sinn, das analoge Gesetz in betreff der zugeordneten Distanzen in Abrede zu stellen.\nEinen Grund, den relativen Unterschied hier a priori abzulehnen, haben wir also nicht vor uns; dagegen f\u00fchrt uns das Raumgleichnis, wenn wir auf dasselbe einigermafsen vertrauen d\u00fcrfen, sofort zu der gesuchten Entscheidung zwischen den beiden Gestalten unserer Punktion. Wir k\u00f6nnen unsere drei Punkte im Raume, genauer in einer Ebene so anordnen, dafs die Summe zweier Yerbindungslinien gr\u00f6fser ist als die dritte, nie aber so, dafs sie kleiner ist, und es ist schwerlich anzunehmen, dafs diese Unm\u00f6glichkeit etwa den Besonderheiten des r\u00e4umlichen Continuums beizumessen w\u00e4re. Ist dem so, so erscheint durch die obigen Rechnungsergebnisse die Unbrauchbarkeit jener Gestalt des relativen Unterschiedes, bei welcher die kleinere der distanten Gr\u00f6fsen den Divisor abgiebt, endg\u00fcltig dargethan, und die von der experimental-psychologischen Praxis meist vernachl\u00e4ssigte zweite Form bleibt als einzig diskutierbarer Pall noch \u00fcbrig. Man h\u00e4tte sich dann die Sachlage so vorzustellen, dafs die Punkte des Gr\u00f6fsen-continuums zwar in einer Linie, aber nicht in einer geraden, sondern einer irgendwie gekr\u00fcmmten Linie angeordnet w\u00e4ren, so dafs die den einzelnen Punktdistanzen zugeordneten Strecken aufserhalb dieser Linie, etwa in ein unrealisiertes Gebiet des sonach mindestens zweidimensionalen Continuums zu liegen k\u00e4men.\nDen Eindruck des Ungezwungenen wird diese Auffassung\ndefinition des \u201edoppelten Unterschiedes\u201c verliert alle Stringenz, sobald \u201eVerschiedenheit\u201c f\u00fcr \u201eUnterschied\u201c gesetzt wird, \u2014 zugleich der erste Beleg f\u00fcr die Wichtigkeit der oben \u00a7 21 getroffenen terminologischen Feststellung, dem noch weitere folgen werden.\n1 Die Scheinausnahme, welche die HAMiLTOxsche Vektorenmethode in der Addierbarkeit der Vektoren aufweist (vergl. Maxwell, \u201eSubstanz und Bewegung\u201c, \u00fcbersetzt von Fleischl, S. 7) hat ihren Grund doch nur in der eigent\u00fcmlichen Symbolik dieser Methode, vergl. A. H\u00f6eler, \u201eZur vergleichenden Analyse der Ableitungen f\u00fcr Begriff und Gr\u00f6fse der zentripetalen Beschleunigung\u201c in der Zeitschr. f. d. physik. u. ehern, Unterr. Jahrg. IL S. 280 f.","page":278},{"file":"p0279.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n279\nfreilich kaum machen; um so mehr wird man durch die That-sache \u00fcberrascht, dafs die experimentelle Psychologie Erfahrungen aufgewiesen hat, die f\u00fcr Verifikationen dieser Auffassung gehalten werden k\u00f6nnten. Dafs geteilte Linien und Winkel gr\u00f6fser scheinen als ungeteilte, f\u00e4llt doch genau mit dem \u00fcber die Gesamtheit der Teildistanzen in ihrem Verh\u00e4ltnis zur Gesamtdistanz Gesagten zusammen. Dies und namentlich die oben dargelegten Vorz\u00fcge des relativen Unterschiedes recht-fertigen das Unternehmen, der Natur der durch das eben ausgesprochene Distanzgesetz geforderten Kurve noch ein wenig nachzugehen.\n\u00a7 25. Das Distanzgesetz gem\u00e4fs der zweiten Gestalt\ndes relativen U nte r s chi edes.\nEs sei zu diesem Ende noch einmal ein Verfahren eingeschlagen, das uns bereits oben zur Entscheidung zwischen den beiden Formen des relativen Unterschiedes gef\u00fchrt hat. Denken wir uns das im Sinne der zweiten Gestalt des relativen Unterschiedes formulierte Distanzgesetz statt als von Gr\u00f6fsen als von Kaumpunkten g\u00fcltig, und fragen wir nach der inneren Statthaftigkeit einer solchen Annahme. Nat\u00fcrlich geht bei dieser \u00dcbertragung auf den Kaum die Haupteigenschaft unseres Gesetzes, die Distanzgr\u00f6fse als Funktion der distanten Gr\u00f6fsen darzustellen, verloren, weil Ortsbestimmungen keine Gr\u00f6fsen sind. Dagegen darf man wohl erwarten, dafs, wenn unser Gesetz innerlich einwurfsfrei ist, an Stelle der Gr\u00f6fsen solche Kaumpunkte gesetzt werden k\u00f6nnen, dafs die aus der Lage dieser Punkte resultierenden Distanzen sich ihrer Gr\u00f6fse nach ebenso zu einander verhalten wie die aus dem Gesetze sich ergebenden Distanzen der bez\u00fcglichen distanten Gr\u00f6fsen. Dafs f\u00fcr ein im Sinne der ersten Gestalt des relativen Unterschiedes formuliertes Gesetz solche Punkte nicht aufzubringen seien, war der Nerv der oben gegen diese Gestalt gerichteten Beweisf\u00fchrung ; es war f\u00fcr diese nichts weiter erforderlich, als das fragliche Gesetz nur f\u00fcr drei Punkte im Kaume g\u00fcltig anzunehmen, um auf eine Unvertr\u00e4glichkeit gef\u00fchrt zu werden. Dagegen gestattete, wie wir sahen, die zweite Gestalt des relativen Unterschiedes die \u00dcbertragung auf den Kaum innerhalb der eben ber\u00fchrten Grenzen, d. h. solange nur drei Vergleichsobjekte in Betracht kamen, ohne Schwierigkeit. Es","page":279},{"file":"p0280.txt","language":"de","ocr_de":"280\nA. Meinong.\nsoll nun die Frage aufgeworfen werden, ob die \u00dcbertragung statthaft bleibt auch ohne die Einschr\u00e4nkung auf drei Gr\u00f6fsen und drei Punkte, ob ihr also nichts im Wege steht, wenn sie f\u00fcr mehr als drei Objekte in voller Allgemeinheit vollzogen gedacht wird.\nN\u00e4her sei die Aufgabe dahin pr\u00e4zisiert, dafs als distante Gr\u00f6fsen die Reihe 1, 2, 3 . . . . der nat\u00fcrlichen Zahlen \u2014 ob unbenannt oder gleichbenannt, d\u00fcrfte belanglos sein \u2014 in Betracht gezogen werde. Es gilt, die im angegebenen Sinne allgemein vorgenommen gedachte Zuordnung von Raumpunkten in ihre Konsequenzen zu verfolgen. Die Aufl\u00f6sung dieser Aufgabe verdanke ich der freundlichen Bem\u00fchung meines verehrten Kollegen Professor von Dantschee, dessen diesbez\u00fcglichen, mir in gewohnter H\u00fclfsfreudigkeit zur Verf\u00fcgung gestellten Aufzeichnungen die folgende Rechnung in allen wesentlichen Punkten entnommen ist.\nEs seien die Punkte des Euklidschen Raumes auf ein System rechtwinkliger Parallelkoordinaten bezogen; ferner seien\ndie im Sinne unseres Distanzgesetzes den Zahlen 1, 2, 3......\nzugeordnet gedachten Raumpunkte durch die Symbole (1), (2),\n(3)....bezeichnet. Legen wir, was ja jedenfalls Sache freier\nIVahl ist, den Punkt (1) in den Ursprung des Koordinatensystems, den Punkt (2) in die a>Axe, und zwar in deren positive H\u00e4lfte, so erhalten wir, wenn wir die Koordinaten jedes der zugeordneten Punkte durch eine entsprechende Indexzahl kennzeichnen, zun\u00e4chst:\nX1 = \u00b07 Vl = 0,\t= 0,\n%2\tV 2\t^2\nwobei die L\u00e4nge von x2 an sich nat\u00fcrlich ebenfalls noch willk\u00fcrlich, der Zahlenwert aber im Hinblick auf unser Gesetz gew\u00e4hlt ist, da ja x2 zugleich die Distanz des Punktes (1) vom Punkt (2) darstellt.\nAus diesen Voraussetzungen ergeben sich nun zuv\u00f6rderst die Koordinaten des Punktes (3), da ja unserem Distanzgesetz zufolge, wenn wieder, wie oben, ein \u00fcber die betreffenden Symbole gesetzter Querstrich die zwischen den betreffenden Objekten bestehende Distanz andeutet,","page":280},{"file":"p0281.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n281\n*32 + \u00ff32=3l2 = |,\n(*3-4)2 + 2// = 322 = ^-\nist. Es folgt hieraus:\n7 vie _ _n\ni)\nwo die Willk\u00fcr nur noch bei der Wahl des Vorzeichens f\u00fcr V15 freien Spielraum hat.\nNun lassen sich die Koordinaten xn1 yn, zn des Punktes (n) berechnen, da dessen Distanzen von den nunmehr bereits fixierten Punkten (1), (2), (3) einerseits durch unser Gesetz gegeben, n\u00e4mlich\nn 1 \u2014\nn \u2014 3\n?\nandererseits aber die Quadrate derselben durch die bekannte Distanzformel f\u00fcr rechtwinklige Koordinaten als Funktionen von xn)yn) zn dargestellt werden. Man erh\u00e4lt so die Gleichungen:\nDie Aufl\u00f6sung dieser Gleichungen ergiebt\nn*\u00b1$n\u2014 12\n\ny\u00ab\n\n4 n\u2018\nlln2 + 120 n \u2014 324\n180^\nyi\u00f6\n(n \u2014 3) Y15 Kl 19m2 + 144m \u2014864\n45 n1\nIII).\nDieses Resultat kann einiges Befremden hervorrufen, wenn man zum Zwecke der Verifikation nun f\u00fcr n hintereinander die","page":281},{"file":"p0282.txt","language":"de","ocr_de":"282\nA. Meinong.\nspeziellen Werte 1, 2 und 3 einsetzt und auf diesem Wege zwar f\u00fcr den Punkt (3) die oben sub I) berechneten Koordinatenwerte erk\u00e4lt, keineswegs aber ebenso f\u00fcr die Punkte (1) und (2) die oben festgesetzten Ausgangswerte. Es w\u00e4re aber voreilig, hieraus auf die Unhaltbarkeit unseres Distanzgesetzes zu schliefsen ; und der Grund, weshalb ich einem solchen Irrtum hier ausdr\u00fccklich entgegentrete, liegt nur in der an mir selbst gemachten Erfahrung, wie leicht dieser Irrtum sich begehen l\u00e4fst. Man \u00fcbersieht dabei einfach, dafs unser Distanzgesetz von Anfang an gerade dadurch charakterisiert war, dafs die zur gr\u00f6fseren Vergleichsgr\u00f6fse geh\u00f6rige Mafszahl in den Nenner zu stehen kommt, also, um vor\u00fcbergehend wieder die fr\u00fcher gebrauchten Symbole a und b heranzuziehen, dafs\nb >a.\nEs hiefse also geradezu eventuell die erste Gestalt des relativen Unterschiedes an Stelle der zweiten unterschieben, wollte man in den obigen Gleichungen III) dem n einen Wert kleiner als 3 erteilen. Setzt man dagegen n = 3, dann f\u00e4llt die Probe, wie wir sahen, sofort v\u00f6llig befriedigend aus. Immerhin ist also oben das Symbol n nur unter der Beschr\u00e4nkung einzuf\u00fchren, dafs\nn >3\nist. Eine Einwendung gegen die Statthaftigkeit unseres Distanzgesetzes ist hieraus in keiner Weise abzuleiten.\nAnders stellt sich die Sache, wenn man den Vorzeichen der nach III) berechneten yn und nachgeht. Zun\u00e4chst zeigt sich auch hierbei noch keine Schwierigkeit. Das Vorzeichen von Kl 5 ist durch I) vorbestimmt; es mufs mit dem dort f\u00fcr gew\u00e4hlten \u00fcbereinstimmen. Dagegen bleibt das Vorzeichen von_______________________________\nVT\u00cf9w* + 144 n \u2014 864\nf\u00fcr einen Wert von 3 immer noch willk\u00fcrlich; die einmal getroffene Wahl entscheidet aber zugleich auch f\u00fcr alle \u00fcbrigen n. Nimmt man n\u00e4mlich, was ja ohnehin am nat\u00fcrlichsten sein wird, die Bestimmung des fraglichen Vorzeichens f\u00fcr n = 4 vor, also f\u00fcr denjenigen Fall, wo nach III)\n\n<\u00e8_\nl65\ny 4 =\n83 fl\no\n^4\nVi5 Kioi\n720\n1B0\nIV)","page":282},{"file":"p0283.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n283\nist, fixiert somit das Vorzeichen von \\ 101, so tritt die Abh\u00e4ngigkeit des Vorzeichens von Y119 %2 -j- 144% \u2014 864 von der in dieser \"Weise getroffenen Wahl in der Gleichung\n(xn \u2014 xtf + (y\u201e \u2014 ViY -I- (*. \u2014 \u00abJ* = nA? =\t\u2014I...........Y)\nzu Tage. F\u00fchrt man darin die Ausdr\u00fccke III) und IV) ein, so folgt :\n[\n%2 -f- 8 % \u2014 12\n9 l2 , r H%2 -4- 120% \u2014 324\n4%\u2018\n16J\n+ 15\n\u25a0\n180 %s\n__ 83 T 720J\n+ 15\nr\n(\u00bb \u2014 3) Kll9w2 + 144n \u2014 864\n45 %2\nfion2_ L80 J \u2014\n'%\n%\noder nach geh\u00f6riger Reduktion:\n1 g (n __ 4)2 ( ! 03 %2 -f 144 % \u2014 432) = [4 (%\u20143) K\u00efl9%2-f 144%\u2014864\n\u2014 %2 Y loi]2.\nF\u00fchrt man hier das Quadrat rechts vom Gleichheitszeichen aus und sondert dann noch den Faktor \u2014 %2 ab, so ergiebt sich :\n151\u00bb2-(-3l20\u00bb\u2014 11664 = 8 (\u00bb\u20143) flOl Vll9\u00bb2-f 144\u00bb\u2014864 VI)\nDiese Gleichung m\u00fcfste nun in der That geeignet sein, die eindeutige Verkn\u00fcpftheit der Vorzeichen von\nYrn und V119 n2 + 144% \u2014 864\nerkennen zu lassen, wenn die darin ausgedr\u00fcckte Relation f\u00fcr beliebige Werte von % \u00fcberhaupt m\u00f6glich w\u00e4re. Dies ist aber eben nicht der Fall, wie aus dem Umstande erhellt, dafs der Ausdruck (119 %2 + 144% \u2014 864) kein vollst\u00e4ndiges Quadrat ist, indes links vom Gleichheitszeichen eine ganze rationale Funktion von % steht. Quadriert man die Gleichung VI), so erh\u00e4lt man nach Absonderung des Faktors 34 5:\n(% \u2014 4)2 [1843 %2 + 3320% \u2014 28752] = 0...........VII),\nworaus unmittelbar zu ersehen ist, dafs die Relation VI) sich f\u00fcr rationale Werte von % nur unter einer einzigen Voraussetzung erf\u00fcllen l\u00e4fst, unter der selbstverst\u00e4ndlich realisierbaren n\u00e4mlich, dafs % den Wert 4 annimmt.","page":283},{"file":"p0284.txt","language":"de","ocr_de":"284\nA. Meinong.\n\u00a7 26. Ergebnisse.\nAuch dieses Resultat ist nun nicht so beschaffen, dafs man daraus ohne weiteres den Schlufs ziehen k\u00f6nnte, das aut die zweite Gestalt des relativen Unterschiedes gebaute Distanzgesetz sei mit inneren Widerspr\u00fcchen behaftet. Denn ohne Zweifel h\u00e4ngt die eben aufgewiesene Inkonvenienz zun\u00e4chst an dem Versuche, die sich sonst allenthalben so wohl bew\u00e4hrende Raumsymbolik auch auf den Fall der Gr\u00f6fsen-verschiedenheiten zu \u00fcbertragen. Und dafs dieser Fall die Symbolik zulassen m\u00fcfste, daf\u00fcr verm\u00f6chte ich zurZeit einen Beweis nicht beizubringen. So viel aber l\u00e4fst sich behaupten, dafs der relative Unterschied in der einzigen noch diskutierbar gebliebenen Gestalt auf eine Kurve f\u00fchrt, die im EuKLiDschen Raum nicht mehr unterzubringen ist, und von der mindestens sehr zweifelhaft bleiben mufs, ob sie in einem anders beschaffenen Raume Platz finden k\u00f6nnte, d. h. ob sie nicht in sich unm\u00f6glich ist. Unsere Funktion f\u00fchrt also entweder zu Widerspr\u00fcchen oder doch zu einem so komplizierten Resultat, dafs man in ihr das zur Gr\u00f6fsenmessung geeignete Surrogat trotz oben gew\u00fcrdigter Vorz\u00fcge nicht wird anerkennen k\u00f6nnen. Es darf an dieser Stelle daran erinnert werden, dafs wir bereits in einem fr\u00fcheren Stadium dieser Untersuchung in dem endlichen Verschiedenheitsmaximum eine nicht unbedenkliche Konsequenz gerade der in Rede stehenden zweiten Form des relativen Unterschiedes angetroffen haben.\nEs empfiehlt sich nun aber, obwohl wir im Hauptfragepunkte \u00fcber negative Resultate immer noch nicht hinausgekommen sind, den Faden der auf die Gr\u00f6fsenverschiedenheitsmessung gerichteten Untersuchung fallen zu lassen, bis wir ihn im folgenden Abschnitte, durch anderweitig zu gewinnende Bestimmungen unterst\u00fctzt, hoffentlich mit Aussicht auch auf positiven Erfolg wieder aufnehmen k\u00f6nnen. Immerhin darf aber schon an dieser Stelle auf eine Art Hebenerfolg der vorstehenden Untersuchung hingewiesen werden. \u201eDa wir\u201c, bemerkt gelegentlich G. E. M\u00fcller,1 \u201edar\u00fcber, wie unserVerm\u00f6gen der Beurteilung zweier Empfindungen als mehr oder weniger verschiedener zu stand\u00a9 komme, zur Zeit so gut wie nichts wissen, bisher auch nicht einmal\n1 Zur Grundlegung. S. 389.","page":284},{"file":"p0285.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die Bedeutung des Web er sehen Gesetzes.\n285\nder Versuch einer wirklich exakten Behandlung dieses Probl\u00e8mes vorliegt, so sind wir, wenigstens zur Zeit, nicht im mindesten im st\u00e4nde, auf rein theoretischem Wege etwas Sicheres dar\u00fcber ausmachen zu k\u00f6nnen, ob gleiche Merklichkeit gegebener Empfindungsunterschiede auf gleiche absolute oder gleiche relative Gr\u00f6fse derselben hin weise.\u201c Nun wird durch die Ausf\u00fchrungen des gegenw\u00e4rtigen Abschnittes ein erster Schritt in der Richtung der von M\u00fcller mit Recht verlangten \u201eexakten Behandlung\u201c hin wohl gethan sein; und soweit man ein Recht hat, aus \u201egleicher Merklichkeit\u201c auf gleiche Verschiedenheit zu schliefsen,1 oder eventuell, soweit dort, wo man vielfach lieber von Merklichkeit redet, eigentlich besser von Verschiedenheit und deren Gr\u00f6fse geredet werden sollte,2 sind wir nunmehr bereits in der Lage, die in betreff des absoluten und relativen Unterschiedes aufgeworfene Frage zu beantworten. Die Verschiedenheit zweier psychischer Daten f\u00e4llt ihrer Gr\u00f6fse nach weder mit dem absoluten noch mit dem relativen Unterschiede dieser Daten zusammen;3 aber die Beziehung zum relativen Unterschiede ist eine ungleich engere. Zu gleichen Verschiedenheiten geh\u00f6ren, soweit das uns zug\u00e4ngliche Erfahrungsmaterial, insbesondere der Thatsachenkreis des Weber sch en Gesetzes sich in dieser Frage verwerten l\u00e4fst, gleiche relative, nicht aber gleiche absolute Unterschiede und umgekehrt, so dafs sich auch sagen l\u00e4fst: jeder bestimmten Verschiedenheitsgr\u00f6fse ist eine und nur eine Gr\u00f6fse des relativen Unterschiedes, jeder Gr\u00f6fse des relativen Unterschiedes ist eine und nur eine Verschiedenheitsgr\u00f6fse zugeordnet.\nZum Zwecke der Fortf\u00fchrung der hiermit angebahnten Untersuchungen empfiehlt es sich nun aber, auch das Problem der \u201epsychischen Messung\u201c, resp. der funktionellen Beziehung zwischen \u201eReiz und Empfindung\u201c in den Bereich unserer Erw\u00e4gungen zu ziehen.\n1\tVergl. oben S. 133.\n2\t\"Vergl. oben \u00a7 10.\n3\tVorausgesetzt, dafs es einen \u201eUnterschied\u201c zwischen den beiden Daten \u00fcberhaupt giebt; in welchem Umfange diese Voraussetzung berechtigt ist, davon wird unten die Rede sein.\n(Schlufs folgt.)","page":285}],"identifier":"lit30004","issued":"1896","language":"de","pages":"81-133, 230-285, 353-404","startpages":"81","title":"\u00dcber die Bedeutung des Weberschen Gesetzes: Beitr\u00e4ge zur Psychologie des Vergleichens und Messens [In drei Teilen]","type":"Journal Article","volume":"11"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:51:18.288076+00:00"}