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{"created":"2022-01-31T13:05:18.183265+00:00","id":"lit30020","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Offner, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 11: 163-165","fulltext":[{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n163\nerfafst das Ged\u00e4chtnis mindestens vier Takte. Das Ged\u00e4chtnis schneidet ans einer Melodie nicht willk\u00fcrlich St\u00fccke heraus, um sie festzuhalten, sondern es zergliedert die Melodie organisch. Am ersten entsinnt man sich des hervorragendsten Teiles einer Melodie, wo sich das Gesetz der Melodie gleichsam kondensiert findet.\nDie hei mangelhaftem Ged\u00e4chtnis hervorgerufenen Dissoziationen innerhalb eines musikalischen Ganzen werden oft von Assoziationen begleitet, so dafs die betreffenden Individuen herausgerissene Teile aus verschiedenen Musikst\u00fccken zu einem Ganzen vereinigen.\nVon der Beschreibung der reproduzierenden Th\u00e4tigkeit wendet sich D. der Th\u00e4tigkeit des Wieder er kennens zu. Zum Wiedererkennen geh\u00f6rt eine geringere Anstrengung, als zum Reproduzieren. Das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr das Wiedererkennen ist best\u00e4ndiger und treuer. Wie oft kommt es vor, dafs jemand falsch spielt oder singt, ohne es zu bemerken, w\u00e4hrend er beim Anh\u00f6ren desselben St\u00fcckes sogleich die Inexaktheiten eines Anderen herausfindet! Das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr das Wiedererkennen bewirkt das Herausfinden von \u00c4hnlichkeiten zwischen verschiedenen Musikst\u00fccken. Der Eindruck der \u00c4hnlichkeit wird leichter hervorgerufen durch die \u00dcbereinstimmung des Rhythmus, als durch die Analogie der melodischen Fragmente.\nAus dem Gesagten erhellt die Kompliziertheit des musikalischen Ged\u00e4chtnisses und die Tendenz seines Materials, sich zu dissoziieren.\nM. Giessler (Erfurt).\nArthur Allin. \u00dcber das Grundprinzip der Assoziation. Diss. Berlin,\nMayer & M\u00fcller. 1895. 81 S.\nDie bekannte Uneinigkeit \u00fcber die Grundformen der Vorstellungsverbindung hat den Verfasser, wie schon so manchen Anderen, ver-anlafst, die Frage wieder aufzugreifen. Vom psychophysischen Parallelismus ausgehend, betont er zun\u00e4chst, dafs .Wahrnehmen kein Wiedererkennen auf Grund der \u00c4hnlichkeitsassoziation ist. Der diesem entsprechende physiologische Prozefs ist vielmehr der gleiche, wie bei der Ber\u00fchrungsassoziation. \u201eDer mit den Eigenschaften abed versehene Gegenstand wird oft wahrgenommen; eine funktionelle Disposition im Gehirn wird erworben, dafs beim Wahrnehmen von a b die Erregung sich von ihren Mervenzentren AB in die Zentren C D fortpflanzt. Die psychische Erscheinung aber ist ein einheitliches Ganze, der Gegenstand {ab c d).u Den durch \u00e4ufsere Reize entstandenen Teil, a b, bezeichnet Verfasser als das Sinnliche, den durch innere, cd, als Pr\u00e4senta-bilienel ement der Wahrnehmung. \u201eWas das Bewufstsein betrifft, sind beide Elemente gleichwertig Empfindungen. Die Inhalte der beiden Elemente werden als wirklich betrachtet, eine der Haupteigenschaften der Wahrnehmung.\u201c \u201eDer Unterschied der Wahrnehmung von der Sinnest\u00e4uschung besteht demnach in etwas sehr \u00c4ufserlichem, n\u00e4mlich dem thats\u00e4chlichen Vorhandensein desjenigen Teiles des \u00e4ufseren Gegenstandes, der dem Pr\u00e4sentabilienelement entspricht.\u201c Als Bewufstseins-thatsachen sind Sinnest\u00e4uschung und Wahrnehmung gleichwertig; darum nennt A. erstere unvollst\u00e4ndige Wahrnehmung (Illusion). In\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nLitter aturb er ieht.\nder D\u00e4mmerung h\u00e4lt man z. B. ein weifses Tuch f\u00fcr eine weifsgekleidete Person. W\u00e4hrend den Farbenempfindungen, dem sinnlichen Elemente, eine \u00e4ufsere Wirklichkeit entspricht, fehlt diese dem Pr\u00e4sentabilien-element. Die Illusion ist also eine Folge fester Assoziation, w\u00e4hrend Edmund Parish sie aus gest\u00f6rter Assoziation erkl\u00e4rt. {\u00dcber die Trugwahrnehmung. Leipzig, Abel. 1894.) Die vollst\u00e4ndige Wahrnehmung zerlegt er in zwei Gruppen: 1. Erg\u00e4nzend e oder integrierende Wahrnehmungen, auf deren Wirkungen beim Verarbeiten der Gesichtseindr\u00fccke schon Berkeley in seiner New theory of vision hingewiesen hat, und bei der das Schwergewicht liegt \u201eauf dem Einflufs fr\u00fcherer Erfahrungen, auf dem Hinzuf\u00fcgen, Hineinlesen von Elementen, die durch die Sinnesorgane nicht empfunden werden und doch den Anschein von Empfundenwerden ebensogut besitzen, wie die Empfindungen selbst.\u201c 2. Symbolische Wahrnehmungen, wo das sinnliche Element keinen wesentlichen Bestandteil des wahrgenommenen Gegenstandes bildet, sondern nur als Zeichen daf\u00fcr dient, wie wir z. B. in einem Gesichte in Wirklichkeit nur gewisse Ver\u00e4nderungen wahrnehmen, aber durch diese Zeichen die ihnen zu Grunde liegenden Stimmungen der Freude u. s. f. Beide Elemente wechseln in ihrem Umfange gegeneinander, verschmelzen aber in einer Art psychischer Chemie, wie die von A. so genannte, allerdings undeutlich gezeichnete Wiedererkennungstheorie will.\nA. geht alsdann \u00fcber auf das Wiedererkennen, als die Voraussetzung des Wahrnehmens, und polemisiert zun\u00e4chst gegen H\u00f6eedings bekannte Theorie, welche das Wiedererkennen auf eine \u00c4hnlichkeitsassoziation zur\u00fcckf\u00fchrt. Wenn ich auch den Verfasser hinsichtlich des Gesamtergebnisses im Recht glaube, so m\u00f6chte ich doch wieder H. in Schutz nehmen gegen die scharfe Kritik seiner Terminologie. Abgesehen davon, dafs dem Verfasser H.\u2019s Grundrifs nicht in der Originalsprache vorlag, mufs man doch bedenken, dafs H. hier in gewissem Sinne neue Wege einschlug. Selten wird gleich auf das erste Mal der deckende Ausdruck gefunden, selbst f\u00fcr das richtig Gedachte.\nA. selbst bestimmt Erinnerung und Wieder er kennen als \u201ePhantasmata -f- etwas Hinzugedachtem\u201c. \u201eDiese Phantasmata (Definition?) k\u00f6nnen entweder Wahrnehmungen oder Vorstellungen sein und beziehen sich immer auf den wahrgenommenen, bezw. vorgestellten Gegenstand, nicht auf die fr\u00fcheren Wahrnehmungen, resp. Vorstellungen. Das \u201ehinzugedachte Etwas\u201c ist das Bewufstwerden einiger eigent\u00fcmlichen Merkmale, die den Phantasmata anhaften, wodurch wir wissen, dafs der fragliche Gegenstand (nicht die alte Wahrnehmung) schon fr\u00fcher wahrgenommen, resp. vorgestellt wurde, z. B. Mangel an Lebhaftigkeit und Best\u00e4ndigkeit gegen\u00fcber der peripherisch angeregten Erscheinung sowie an bestimmter Lokalisation u. dergl. Auf dieses durch assoziierte Nebenumst\u00e4nde vermittelte Erkennen f\u00fchrt A. das von H\u00f6ffding, K\u00fclpe u. Anderen als eigene Art betrachtete unmittelbare Wiedererkennen zur\u00fcck und bek\u00e4mpft darum scharf, manchmal nicht ohne Kleinlichkeit, die doch schliefslich auf jene Wiedererkennungstheorie hinauskommende Lehre Helmholtz\u2019 und Exners von den unbewufsten Schl\u00fcssen.\nAuch f\u00fcr die Assimilation liefert A. den Beweis, dafs zu ihrer","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n165\nErkl\u00e4rung die Ber\u00fchrungsassoziation ausreicht. Kurz, alle Erscheinungen, welche man auf echte Ahnlichkeitsassoziation gr\u00fcndete, lassen sich ebensogut, ja besser aus der Ber\u00fchrungsassoziation begreifen, so dafs Verfasser zum gleichen Ergebnis kommt, wie James, K\u00fclpe, M\u00fcnsterberg, Lehmann, Referent und Andere. Nur \u00fcber die Kontrastassoziation hat er sich nicht ge\u00e4ufsert. Selbst f\u00fcr die Aufmerksamkeit gewinnt A. hieraus eine zureichende Erkl\u00e4rung, ohne dafs man, wie Wundt, einen ganz neuen Prozefs, die Apperzeption, einzuschieben braucht.\nDamit schliefst die interessante Untersuchung. Sie h\u00e4tte freilich noch einmal \u00fcberarbeitet und ausgefeilt werden sollen, dann w\u00e4ren die Begriffsbestimmungen deutlicher und sch\u00e4rfer, die Sprache klarer und sicherer und last not least der Druckfehler weniger. Das sind Dinge, welche die Wirkung der scharfsinnigen Arbeit, die nicht ohne Litteraturkenntnis \u2014 es fehlen allerdings Namen, wie M\u00fcnsterberg, Lehmann, Eerri \u2014 geschrieben ist, merklich beeintr\u00e4chtigen. Im grofsen und ganzen aber begr\u00fclst Referent die Untersuchung, um so mehr, als sie seine eigenen Resultate (\u00dcber die Grundformen der Vorstellungsverbindungen.\u201c Philos. Monatsh. XXVIII. S. 385ff., 513 ff.) durchg\u00e4ngig best\u00e4tigen.\tM. Ofener (Aschaffenburg).\nBergemann. Ged\u00e4chtnis-theoretische Untersuchungen und mnemotechnische\nSpielereien im Altertum. Arch. f. Gesch. d. Philos. Neue Folge. Bd. I.\nS. 336\u2014352 u. 481\u2014497. 1895.\nDer Verfasser giebt uns hier einen \u00dcberblick \u00fcber die antiken Ged\u00e4chtnistheorien, die auch heute noch manches Interesse haben. Neues freilich findet sich kaum darin. Es sind die meist seit langem gesicherten Ansichten wieder zusammengestellt, ohne dafs der wissenschaftliche Zweck der Arbeit, etwa Kritik entgegenstehender Meinungen u. dergl., recht ersichtlich w\u00e4re. Dieser Umstand, sowie das in den allerbescheidensten Grenzen bleibende Eingehen auf die Speziallitteratur und das Hereinziehen mit dem Thema nur in loserer Verbindung stehender Momente, legen den Gedanken nahe, dafs der Verfasser sich urspr\u00fcnglich an einen weiteren Leserkreis als denjenigen dieser Zeitschrift wenden wollte, schliefslich aber aus irgendwelchen Gr\u00fcnden seine \u00fcbrigens verl\u00e4ssigen Untersuchungen hier ver\u00f6ffentlichte.\nNach ein paar Worten \u00fcber Parmenides und Diogenes von Apollonia giebt er eine \u00fcbersichtliche Darstellung von Platos Ansichten. Warum allerdings bei Plato die pvrjprj mehr psychophysisch sein soll als die clvct[xvrjGig, ist nicht einzusehen. Es m\u00fcfste denn die F\u00e4higkeit psychophysischer sein als die entsprechende Th\u00e4tigkeit. Hier h\u00e4tte sich der Verfasser \u00fcbrigens mit Windelband auseinandersetzen k\u00f6nnen, welcher (Geschichte der Philosophie im Altertum S. 277) pvrjprj schon hier als unwillk\u00fcrliches, dv\u00e2fxvrjGt\u00e7 als willk\u00fcrliches Erinnern auf-fafst, eine Unterscheidung, die wir erst Aristoteles zuzuschreiben gewohnt sind.\nIn \u00e4hnlich ausf\u00fchrlicher Weise wird des Aristoteles Ged\u00e4chtnislehre behandelt, welche er meines Erachtens mit Recht als grofsen Fortschritt \u00fcber Plato hinaus betrachtet. Dafs er auch damit in direkten","page":165}],"identifier":"lit30020","issued":"1896","language":"de","pages":"163-165","startpages":"163","title":"Arthur Allin: \u00dcber das Grundprinzip der Assoziation. Diss. Berlin, Mayer & M\u00fcller. 1895. 81 S.","type":"Journal Article","volume":"11"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:05:18.183271+00:00"}