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{"created":"2022-01-31T15:04:49.078938+00:00","id":"lit30061","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wreschner, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 11: 442-446","fulltext":[{"file":"p0442.txt","language":"de","ocr_de":"442\nLitteraturbericht.\nP. Natorp. Zu den Vorfragen der Psychologie. Philos. Monatsh. Bd. XXIX. S. 581\u2014611.\nIn einer Antwort auf Volkelts \u201ePsychologische Streitfragen\u201c, Artikel III (Zeitschr. f. Philos, u. philos. Kritik. Bd. 102), sucht Verfasser noch einmal in scharfsinniger Weise und wohl durchdachten S\u00e4tzen seine Stellung zur Aufgabe und Methode der Psychologie darzulegen.\nIn dem ersten, mehr kritischen und polemischen Teile gesteht Verfasser zu, dafs das Ich wohl zum Gegenst\u00e4nde des Vorstellens und Er-kennens gemacht wird, leugnet aber, dafs dies das urspr\u00fcngliche, reine Ich sei, da ja jede Erkenntnis eine Relation sei, die notwendig zwei Termini zur Voraussetzung hat und sich nie mit einem begn\u00fcgen kann. Hiermit sagt Verfasser ausdr\u00fccklich, was ich in meiner Besprechung des VoLKELTseben Aufsatzes (vergl. diese Zeitschrift. Bd. VII. Heft 1) behauptete, dafs er von einem ganz anderen Ichhewufstsein spricht als Volkelt und insofern eine Meinungsverschiedenheit kaum vorliegt. Denn mit diesem Zugest\u00e4ndnisse wird wohl auch Volkelt und mit ihm jeder empirische Psychologe einverstanden sein. Was sollte doch in der That eine Wissenschaft, welche nur die Merkmale ihres Objekts, deren gegenseitige Verkn\u00fcpfung und Beziehung aufzudecken hat, mit einem Gegenst\u00e4nde anfangen, der nach Natorp selbst \u201edas Abstrakteste und Leerste ist, was es nur giebt\u201c. (S. 585.) H\u00e4tte somit der Verfasser jeden. Anlafs zum Streite \u00fcber diesen Punkt beseitigt, so schafft er ihn von neuem, wenn er es sich nicht nehmen lassen will, \u00fcber jenes \u201eAbstrakteste und Leerste\u201c doch einige positive Aussagen zu machen. Schon wenn er es das \u201ereine, urspr\u00fcngliche Ich\u201c nennt, thut er dies und vertritt in einseitigerWeise die KANTSche Theorie, so dafs er all\u2019 die Einw\u00e4nde und Widerspr\u00fcche heraufbeschw\u00f6rt, welche gegen letztere, namentlich von seiten der Empiristen, sich erhoben. Indes k\u00f6nnte man diese Behauptung des V er-fassers nur dann bek\u00e4mpfen, wenn man in der Erkenntnistheorie prinzipiell einen anderen Standpunkt einnimmt, und solange der Apriorismus noch eine berechtigte Theorie ist, ist es des Verfassers gutes Becht, im Sinne des Kritizismus von einem \u201eurspr\u00fcnglichen, reinen Ich\u201c zu sprechen. Anders aber verh\u00e4lt es sich, wenn er das \u201eIch\u201c, welches zum Gegenst\u00e4nde der Psychologie gemacht wird, einen \u201eBehex des urspr\u00fcnglichen Ich im Inhalte\u201c nennt. Dafs ein abstraktes, v\u00f6llig inhaltsleeres Wesen einen Behex im Inhalte haben soll, ist an und f\u00fcr sich bereits wenig verst\u00e4ndlich. Noch unbegreiflicher aber wird die Ansicht des Verfassers, wenn er sie durch das Gleichnis der Spiegelung zu veranschaulichen sucht. Verfasser findet das Verh\u00e4ltnis des Originals eines Spiegelbildes zu letzterem sehr geeignet, um die gegenseitige Beziehung der beiden verschiedenen Ichvorstellungen klar zu machen. Ja, er l\u00e4fst sich von diesem Gleichnisse sogar so sehr blenden, dafs er mit seiner H\u00fclfe die von Herbart aufgeworfene Frage nach der M\u00f6glichkeit des V orstellens des Vorstellens u. s. f. in infinitum zu beantworten sucht. Wie n\u00e4mlich bei fortgesetzter Spiegelung das Bild vom Original sich immer weiter entfernt, immer mehr an Inhalt verliert, um schliefslich dem Originale v\u00f6llig un\u00e4hnlich zu werden, w\u00e4hrend letzteres stets unver\u00e4ndert bleibt, so mufs auch bei fortgesetzter Vorstellung des urspr\u00fcnglichen Ichs ein","page":442},{"file":"p0443.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n443\nGlied in der Reihe kommen, wo das Objekt der Vorstellung sich v\u00f6llig verfl\u00fcchtigt hat, also die Reihe beendet ist \u2014 vorausgesetzt, dafs schon bei dem ersten G-liede das Ich als Objekt nicht das des Subjekts ist. Diese Ausf\u00fchrungen haben bei oberfl\u00e4chlicher Betrachtung etwas un-gemein Bestechendes, und man begreift es, wenn Verfasser sagt: \u201eDafs der Grundirrtum, der auf diesen Abweg (sc. die idealistische Philosophie Fichtes) gef\u00fchrt hat, sich von meiner Vorstellungsweise aus glatt und einfach aufl\u00f6st, schien mir eine nicht zu verachtende Probe, auf deren Richtigkeit\u201c (S. 584). Bei Lichte besehen, verwickelt sich jedoch Verfasser gerade mit diesem Gleichnisse in einen derart unl\u00f6slichen Widerspruch mit seinen eigenen Ausf\u00fchrungen, dafs es nur wunder nimmt, wie er ihn \u00fcbersehen konnte. Denn wie kann man \u201edas Abstrakteste und Leerste, was es nur giebt\u201c, mit dem Originale des Spiegelbildes vergleichen. Ist doch dieses durch und .durch Inhalt und Realit\u00e4t, unterscheidet sich gerade dadurch von allen seinen Reflexen, namentlich aber von dem letztm\u00f6glichen, welches nur durch seine Inhaltsleere so fadenscheinig und abgeblafst und dem Original so un\u00e4hnlich ist. Wollte Verfasser konsequent verfahren, so m\u00fcfste er gerade mit diesem letztm\u00f6glichen Spiegelbilde das reine Ich vergleichen. Allerdings w\u00fcrde damit die \u201eUrspr\u00fcnglichkeit\u201c dieses reinen Ich und die Reflexnatur des Objekts der Psychologie hinf\u00e4llig werden \u2014 vielleicht nicht im Widerspruche mit den Thatsachen.\nNeben dem urspr\u00fcnglichen Ich weist Verfasser auch dieBewufst-heit als Objekt der Psychologie zur\u00fcck. Und dies offenbar mit Recht. Schon in meiner Besprechung der VoLKELTSchen Arbeit wies ich darauf hin, dafs nach Natorp die Bewufstheit merkmallos ist und deshalb doch unm\u00f6glich Gegenstand einer empirischen Wissenschaft werden kann. Man kann daher dem Verfasser nur zustimmen, wenn er die hierauf bez\u00fcglichen Angriffe Volkelts einfach mit dem Hinweise auf den Begriff \u201eBewufstheit\u201c, wie er ihn einmal gefafst wissen will, zur\u00fcckweist. Etwas anderes ist ja allerdings die Frage, ob thats\u00e4chlich das Verhalten des Ich zum Inhalte stets das n\u00e4mliche, ohne jedwede qualitative Verschiedenheit ist. Verfasser selbst erblickte bereits in seiner \u201eEinleitung\u201c in dem F\u00fchlen und Streben einige Schwierigkeiten f\u00fcr seinen Standpunkt Er unternimmt es daher, hier das Wesen dieser beiden Bewufstseins-erscheinungen, welche nach ihm letzten Endes denselben psychischen Thatbestand ausmachen, etwas n\u00e4her zu erkl\u00e4ren, und sucht es in dem ewigen Flusse und unzertrennlichen Zusammenh\u00e4nge aller psychischen Erscheinungen, welchem die feste und ruhende Punkte in dem Strome des inneren Geschehens schaffende Vorstellung nicht gerecht wird. \u201eAuf solchem Nach- und Vorauswirken des in der bestimmten Form der Vorstellung nicht Gegenw\u00e4rtigen beruht das Unsagbare, Unendliche, das sich in keinem deutlicheren Ausdruck bezeichnen l\u00e4fst als in dem des Strebens, der Tendenz\u201c (588). Ganz abgesehen davon, dafs eine derartige Theorie den Thatsachen nicht v\u00f6llig gerecht wird, und die einfache Identifizierung des aktiven Strebens und passiven F\u00fchlens doch allzu k\u00fchn ist, giebt jedenfalls Verfasser hier in Wirklichkeit ein verschiedenes Verhalten des Ich zum Inhalte oder qualitative Unterschiede in der","page":443},{"file":"p0444.txt","language":"de","ocr_de":"444\nLitteraturbericht.\n\u201eBewufstheit\u201c (Streben \u2014 Widerstreben, Lust \u2014 Unlust) zu. Wie versucht nun Verfasser aus diesem Dilemma sieb zu ziehen? Das urspr\u00fcngliche Ich mufs dem Inhalte gegen\u00fcber sich indifferent verhalten; folglich kann das ablehnende oder annehmende Ich nicht das urspr\u00fcngliche Ich und das ablehnende oder annehmende Verhalten selbst nicht die Bewufst-heit im Sinne des Verfassers sein. Eine derartige Beweisf\u00fchrung krankt doch geradezu bereits an einer Petitio principii. Dafs das Verhalten des Ich zum Inhalte stets indifferent sein mufs, war ja gerade das thema probandum. Sodann aber stimmt auch diese Beweisf\u00fchrung schlecht zu den Thatsachen, wie Verfasser selbst wohl gemerkt hat: \u201eDafs wir uns thats\u00e4chlich nie in dieser Indifferenz finden, hat seinen einfachen Grund darin, dafs wir eben niemals jenes reine und leere Ich sind\u201c (S. 590). Hier sind doch in wunderlicher Weise einer Theorie zuliebe die Thatsachen auf den Kopf gestellt. Vras soll man sich unter einem Ich denken, das in Wirklichkeit nie das Ich ist! Derartige Konsequenzen h\u00e4tten doch den Verfasser zu einer Nachpr\u00fcfung der Richtigkeit und Haltbarkeit seiner Pr\u00e4missen veranlassen m\u00fcssen. Sieht er sich doch thats\u00e4chlich an anderer Stelle gezwungen, seinen merkmallosen Begriff der Bewufstheit wieder preiszugeben : \u201eEs w\u00fcrde sich sogar recht-fertigen lassen, die Bewufstheit vorzugsweise im Gef\u00fchl und Streben zu finden\u201c (591).\nAm Schl\u00fcsse seiner Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Data der Psychologie weist Verfasser noch die Behauptung, dafs er die Bewufstseinsf or m aus der Psychologie ausscheide, damit zur\u00fcck, dafs er unter Bewufstseins-inhalt nicht nur den Stoff, sondern auch die Verbindungs we is en des Bewufstseins verstanden wissen will.\nIn Bezug auf Ziel und Weg der psychologischen Forschung beantwortet Verfasser den Vorwurf einer Verwechselung von Gegenstand und Ausgangspunkt der wissenschaftlichen Erkenntnis mit der Erkl\u00e4rung, dafs er es unbegreiflich finde, wie Volkelt nach seinen eigenen Annahmen noch eine Psychologie neben den Naturwissenschaften gelten lassen k\u00f6nne. \u201eIch gestehe, dafs ich nicht ahne, was Volkelt sagen will\u201c (594). Zun\u00e4chst ist nicht einzusehen, warum dieser Streitpunkt das Ziel und den Weg der Psychologie betreffen soll. Man sollte doch meinen, dafs hier wie in den bisher besprochenen Fragen es sich um den Gegenstand, nur nicht mehr um einen bestimmten, sondern um den Gegenstand der Psychologie \u00fcberhaupt im Unterschiede von dem der Naturwissenschaften handelt. Sodann aber erscheint mir der Standpunkt Volkelts durchaus nicht so unverst\u00e4ndlich. Volkelt hatte behauptet, \u201edafs es f\u00fcr alle erkl\u00e4rende Wissenschaft nur eine Art von Gegenst\u00e4nden als Ausgangspunkt giebt: die Inhalte, die dem Bewufstsein erscheinen\u201c. Sobald aber eine Erkl\u00e4rung dieser Inhalte versucht wird, trennen sich die Wege, indem entweder der Bewufstseinsinhalt selbst oder die auf Grund desselben erschlossene transsubjektive K\u00f6rperwelt erkl\u00e4rt wird. Jenes thut die Psychologie, dieses die Naturwissenschaft. Diesen an und f\u00fcr sich recht klaren Gedankengang setzt Volkelt in leicht verst\u00e4ndlichen S\u00e4tzen auseinander. Allerdings ist hierbei auf die Transsubjektivit\u00e4t der K\u00f6rperwelt wohl zu achten; in der Analyse der VoLKELTschen Ansicht durch","page":444},{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n445\nNatorp findet sie jedoch nicht gen\u00fcgende Ber\u00fccksichtigung und noch weniger W\u00fcrdigung. Denn wenn Natorp hier in der Gesellschaft der Naturforscher Schutz gegen die empirischen Psychologen sucht und sich darauf beruft, dafs jeder Naturforscher es doch mit dem Erfahrbaren und nicht dem Erschlossenen zu thun habe, so bleibt nur das Eine r\u00e4tselhaft, wie ein derart gewiegter Kenner des Kritizismus sich zu einem solchen Wortspiele und einer so allt\u00e4glichen und unkritischen Deutung des Begriffs \u201eErfahrung\u201c hatte hinreifsen lassen k\u00f6nnen. Wenn es auch die Naturwissenschaft mit dem empirisch Gegebenen zu thun hat, so ist doch damit nicht jedes Schlufsverfahren bei ihren Objekten ausgeschlossen, wie viele Naturforscher ja selbst zugeben. Es giebt eben gewisse Schl\u00fcsse, die so h\u00e4ufig und geradezu schon \u201eunbewufst\u201c gethan werden, dafs ihre Existenz selbst dem wissenschaftlichen Forscher nur klar wird bei besonderem Anlasse (z. B. bei Sinnest\u00e4uschungen) oder als Frucht erkenntnistheoretischer \u00dcberlegung. Auch kann das auf diesem so einfachen und so oft zur\u00fcckgelegten Wege Erschlossene aus mancherlei Gr\u00fcnden der Erkl\u00e4rung eher und sicherer zug\u00e4nglich sein, als das unmittelbar Gegebene. Ein Gegenstand in einiger Entfernung ist auch leichter und deutlicher zu erkennen, als in unmittelbarster N\u00e4he.\nFesteren Grund und Boden scheinen mir die Einw\u00e4nde Natorps gegen die VoLKETsche Unterscheidung eines Wahrnehmungsraumes und eines Baumes des Naturgeschehens zu haben. Schon in meiner Besprechung der VoLKELTSchen Arbeit erschien mir diese Distinktion unverst\u00e4ndlich, und auch heute kann ich ihre Berechtigung nicht einsehen. In gleicher Weise erkl\u00e4rte ich auch schon in der erw\u00e4hnten Besprechung die eindeutige Bestimmtheit der Erscheinungen in der psychischen Zeit nach Zugleich- und Nacheinandersein f\u00fcr eine unhaltbare Annahme. Ich kann daher Natorp nur zustimmen, wenn er diesen Satz Volkelts, sowie die Behauptung, dafs die eindeutige Bestimmung des Zeitverlaufs durch die Kausalit\u00e4t ein \u201eKANTSch.es Vorurteil\u201c sei, bek\u00e4mpft\nNach diesen kritischen Bemerkungen setzt Verfasser noch einmal kurz seine Meinung \u00fcber den vorliegenden Gegenstand auseinander. Wenn wir auch nie den absoluten Baum und die absolute Zeit erlangen k\u00f6nnen, so beziehen wir doch alle Wahrnehmungen auf einen Baum und eine Zeit. Denn nur dadurch ist eine fortw\u00e4hrende Korrektur unserer unmittelbaren Wahrnehmungen, eine Vergleichung unserer Wahrnehmungen untereinander, wie auch mit denen Anderer m\u00f6glich.\nWas die r\u00e4umliche Beschaffenheit der Bewufstseinsthatsachen anlangt, so giebt Verfasser hier zu, dafs es sich nur um eine Beziehung der Bewufstseinserscheinungen auf den Baum handelt, jedoch um eine wesentliche und allen Bewufstseinsthatsachen eigene Beziehung. Denn auch das F\u00fchlen und Streben kann von dem Hier und Jetzt nicht losgerissen werden, und selbst der abstrakteste Gedanke lehnt sich an sinnliche Modifikationen an. Hier hat Verfasser dem Begriffe der Beziehung einen derart weiten Umfang gegeben und fast allen Inhalt genommen, dafs er zu einem leeren und nichtssagenden Worte herabgesunken und jeder Streit um ihn ein nutzloser Wortstreit ist.\nEine un\u00fcberbr\u00fcckbare Kluft zwischen den fliefsenden, bestimmungs-","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nLitter ahirbericht.\nlosen Bewufstseinsthatsachen und ihren objektiven Korrelaten giebt Verfasser zu, ohne jedoch aus ihr eine Verschiedenheit der physischen und psychischen Erscheinungen abzuleiten. Vielmehr bestehe in diesem Gegens\u00e4tze zwischen dem Bestimmungslosen der Erscheinung und ihrer Bestimmung durch den \u201eGegenstand\u201c das Wesen der Erkenntnis und der Erfahrung als eines endlosen Prozesses. Hierin liege auch der Wert der Mathematik begr\u00fcndet, welche durch geeignete Gestaltung des Verfahrens die M\u00f6glichkeit an die Hand gebe, das Bestimmungslose immer genauer zu bestimmen und aus den Datis der Erfahrung immer besser die wahre Gestalt des Natur Vorganges zu konstruieren. Von diesem Standpunkte aus will Verfasser das Wesen des von Volkelt v\u00f6llig verkannten kritischen Idealismus beurteilt wissen. Nach diesem giebt es keinen Unterschied zwischen Subjekt und Objekt als zweier getrennter Existenzen, sondern nur als zweier verschiedener Seiten in der Erkenntnis. Das Absolute \u00fcbersteigt unsere Erkenntnis \u00fcberhaupt. \u2014 Diese S\u00e4tze enthalten viel nichtiges und Wahres. Man sieht, dafs Verfasser gleichsam in seinem Elemente ist, wenn er sich in erkenntnistheoretischen \u00dcberlegungen ergeht, wie er ja selbst seine Ausf\u00fchrungen mit dem Satze schliefst: \u201eDas eigent\u00fcmliche Arbeitsfeld des Philosophen aber ist und bleibt \u2014 die Erkenntniskritik\u201c (S. 611). Dafs aber die Konsequenzen aus diesen erkenntnistheoretischen S\u00e4tzen die Existenz der empirischen Psychologie irgendwie in Pr\u00e4ge stellen und den Standpunkt des Verfassers recht-fertigen, dafs es neben einer sorglichen, methodisch fortschreitenden, durch kein metaphysisches Vorurteil beirrten physiologischen Untersuchung nur noch eine Psychologie als etwas \u201evergleichsweise Nebens\u00e4chliches\u201c, ohne \u201egrofse positive Enth\u00fcllungen\u201c, nur als L\u00f6sung \u201eselbstgeschaffener metaphysischer Verwickelungen\u201c geben kann, scheint mir eine geradezu ungeheuerliche Behauptung zu sein. Gerade Verfasser bringt in das Problem, welches er sich gestellt hat, metaphysische Voraussetzungen hinein und beantwortet von ihnen aus in einer ungl\u00fcckseligen Vermischung von Erkenntnistheorie und Psychologie, rein spekulativ Pr\u00e4gen, welche nur an der Hand von Thatsachen zu beantworten sind. Mag man auch mit Hecht vom erkenntnistheoretischen Standpunkte aus den psychophysischen Dualismus leugnen, innerhalb der Erfahrung bleibt er doch zu Hecht bestehen und bietet eine gen\u00fcgend sichere Grundlage f\u00fcr die Trennung zweier Forschungsgebiete. Auch Volkelt spricht ja nur von einer erschlossenen transsubjektiven K\u00f6rperwelt, also von einer K\u00f6rperwelt, die nur innerhalb und unter Voraussetzung der Bewufstseinsthatsachen existiert.\nArthur Wreschner (Berlin).\nTh. Ribot. Die Vererbung. Psychologische Untersuchung ihrer Gesetze, ethischen und sozialen Konsequenzen. F\u00fcnfte v\u00f6llig neu bearbeitete Auflage. Autorisierte deutsche Ausgabe von Dr. Hans Kurella. 410. S, Bibliothek f\u00fcr Sosialwissenschafk Bd. 1. Leipzig, Georg H. Wigands Verlag. 1895.\nDie vorliegende sch\u00f6ne \u00dcbersetzung des RiBOTSchen Werkes bildet den ersten Band der von H. Kurella in Gemeinschaft mit anderen Fach-","page":446}],"identifier":"lit30061","issued":"1896","language":"de","pages":"442-446","startpages":"442","title":"P. Natorp: Zu den Vorfragen der Psychologie. Philos. Monatsh. Bd. XXIX. S. 581-611","type":"Journal Article","volume":"11"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:04:49.078944+00:00"}