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{"created":"2022-01-31T15:13:05.980058+00:00","id":"lit30062","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Kiesow, Friedr.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 11: 446-447","fulltext":[{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nLitter ahirbericht.\nlosen Bewufstseinsthatsachen und ihren objektiven Korrelaten giebt Verfasser zu, ohne jedoch aus ihr eine Verschiedenheit der physischen und psychischen Erscheinungen abzuleiten. Vielmehr bestehe in diesem Gegens\u00e4tze zwischen dem Bestimmungslosen der Erscheinung und ihrer Bestimmung durch den \u201eGegenstand\u201c das Wesen der Erkenntnis und der Erfahrung als eines endlosen Prozesses. Hierin liege auch der Wert der Mathematik begr\u00fcndet, welche durch geeignete Gestaltung des Verfahrens die M\u00f6glichkeit an die Hand gebe, das Bestimmungslose immer genauer zu bestimmen und aus den Datis der Erfahrung immer besser die wahre Gestalt des Natur Vorganges zu konstruieren. Von diesem Standpunkte aus will Verfasser das Wesen des von Volkelt v\u00f6llig verkannten kritischen Idealismus beurteilt wissen. Nach diesem giebt es keinen Unterschied zwischen Subjekt und Objekt als zweier getrennter Existenzen, sondern nur als zweier verschiedener Seiten in der Erkenntnis. Das Absolute \u00fcbersteigt unsere Erkenntnis \u00fcberhaupt. \u2014 Diese S\u00e4tze enthalten viel nichtiges und Wahres. Man sieht, dafs Verfasser gleichsam in seinem Elemente ist, wenn er sich in erkenntnistheoretischen \u00dcberlegungen ergeht, wie er ja selbst seine Ausf\u00fchrungen mit dem Satze schliefst: \u201eDas eigent\u00fcmliche Arbeitsfeld des Philosophen aber ist und bleibt \u2014 die Erkenntniskritik\u201c (S. 611). Dafs aber die Konsequenzen aus diesen erkenntnistheoretischen S\u00e4tzen die Existenz der empirischen Psychologie irgendwie in Pr\u00e4ge stellen und den Standpunkt des Verfassers recht-fertigen, dafs es neben einer sorglichen, methodisch fortschreitenden, durch kein metaphysisches Vorurteil beirrten physiologischen Untersuchung nur noch eine Psychologie als etwas \u201evergleichsweise Nebens\u00e4chliches\u201c, ohne \u201egrofse positive Enth\u00fcllungen\u201c, nur als L\u00f6sung \u201eselbstgeschaffener metaphysischer Verwickelungen\u201c geben kann, scheint mir eine geradezu ungeheuerliche Behauptung zu sein. Gerade Verfasser bringt in das Problem, welches er sich gestellt hat, metaphysische Voraussetzungen hinein und beantwortet von ihnen aus in einer ungl\u00fcckseligen Vermischung von Erkenntnistheorie und Psychologie, rein spekulativ Pr\u00e4gen, welche nur an der Hand von Thatsachen zu beantworten sind. Mag man auch mit Hecht vom erkenntnistheoretischen Standpunkte aus den psychophysischen Dualismus leugnen, innerhalb der Erfahrung bleibt er doch zu Hecht bestehen und bietet eine gen\u00fcgend sichere Grundlage f\u00fcr die Trennung zweier Forschungsgebiete. Auch Volkelt spricht ja nur von einer erschlossenen transsubjektiven K\u00f6rperwelt, also von einer K\u00f6rperwelt, die nur innerhalb und unter Voraussetzung der Bewufstseinsthatsachen existiert.\nArthur Wreschner (Berlin).\nTh. Ribot. Die Vererbung. Psychologische Untersuchung ihrer Gesetze, ethischen und sozialen Konsequenzen. F\u00fcnfte v\u00f6llig neu bearbeitete Auflage. Autorisierte deutsche Ausgabe von Dr. Hans Kurella. 410. S, Bibliothek f\u00fcr Sosialwissenschafk Bd. 1. Leipzig, Georg H. Wigands Verlag. 1895.\nDie vorliegende sch\u00f6ne \u00dcbersetzung des RiBOTSchen Werkes bildet den ersten Band der von H. Kurella in Gemeinschaft mit anderen Fach-","page":446},{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht\n447\ngelehrten herausgegebenen Bibliothek f\u00fcr Sozialwissenschaft. Eibot stellt sich in einen Gegensatz zu Weissmann und sucht seinen Standpunkt durch eine grofse F\u00fclle von Material zu behaupten. Den Schwerpunkt der Bearbeitung legt der Verfasser, ohne die physiologischen Vorg\u00e4nge unber\u00fccksichtigt zu lassen, auf die psychologische Seite und behandelt demnach zun\u00e4chst die Erblichkeit der Instinkte, der Empfindungsanlagen, des Ged\u00e4chtnisses und der Gewohnheiten, der Intelligenz, der Gef\u00fchle und der Leidenschaften, die Erblichkeit in der Geschichte, die Erblichkeit und den Nationalcharakter, sowie diejenige krankhafter Seelenzust\u00e4nde. Ist hiermit der erste Teil des Werkes ersch\u00f6pft, so werden im zweiten die Gesetze der Vererbung fixiert, welche sodann im dritten auf psychologischem, sittlichem und sozialem Gebiete ihre Anwendung finden. In einem letzten Abschnitte bespricht der Verfasser eingehender die Vererbungstheorien Darwins, Haeckels, Spencers, Galtons, Weissmanns und sucht zum Schl\u00fcsse die gewonnenen Ansichten nochmals \u00fcbersichtlich zusammenzustellen.\tFriedr. Kiesow,\nGeorg Simmel. \u00dcber eine Beziehung der Selektionstheorie zur Erkenntnistheorie. Arch. f. system. Philos. I. S. 34\u201445. 1895.\nEin Gedanke, der schon lange in der philosophischen Atmosph\u00e4re herumschwebt, der aber bisher nur hie und da zu sch\u00fcchternen und fl\u00fcchtigen Andeutungen sich verdichtet hatte, wird hier von Simmel beherzt aufgefalst und in festere Form gekleidet, zugleich aber auch nach einer Seite hin selbst\u00e4ndig weitergebildet. Der allgemeine Grundgedanke ist psychologischer Natur : \u201eUnter den unz\u00e4hligen psychologisch auftauchenden Vorstellungen sind einige, die durch ihre Wirkung f\u00fcr das Handeln des Subjektes sich als n\u00fctzlich, lebensf\u00f6rdernd f\u00fcr dieses erweisen. Diese fixieren sich auf den gew\u00f6hnlichen Wegen der Selektion und bilden in ihrer Gesamtheit die \u201ewahre\u201c Vorstellungswelt.\u201c (S. 39.) Die von Simmel gegebene Ausgestaltung ist wesentlich erkenntnistheoretisch (obgleich er diese Scheidung selbst nicht macht): er glaubt, mit jenem Satze n\u00e4mlich den dualistischen Parallelismus zwischen der gedachten und der objektiven \u201ewahren\u201c Welt, oder auch zwischen unserem Denken und unserem Handeln aufl\u00f6sen zu k\u00f6nnen. \u201eEs giebt gar keine theoretisch g\u00fcltige \u201eWahrheit\u201c, auf Grund deren wir dann zweckdienlich handeln, sondern wir nennen diejenigen Vorstellungen wahr, die sich als Motive des zweckm\u00e4fsigen lebenf\u00f6rdernden Handelns erwiesen haben.\u201c (S. 36.) Die Vorstellung ist nicht ihrem Inhalte nach, sondern als reale psychische Kraft, als Vorstellen, Ausgangspunkt unseres Handelns, und deshalb sind wir gar nicht gen\u00f6tigt, f\u00fcr den Inhalt der n\u00fctzlich wirkenden Vorstellungen ein objektives \u00c4quivalent anzunehmen. S. betrachtet seine Lehre als eine Weiterbildung von Kants Ideengang: \u201eDie Denkformen, die die Welt als Vorstellung erzeugen, werden erst von den praktischen Wirkungen und Gegenwirkungen bestimmt, die unsere geistige Konstitution nach evolutionistischen Notwendigkeiten formen.\u201c (S. 45.)\nEs ist h\u00f6chst dankenswert, dafs diese Ideen einmal zur Diskussion gestellt werden; freilich wird bei derselben, des bin ich sicher, so","page":447}],"identifier":"lit30062","issued":"1896","language":"de","pages":"446-447","startpages":"446","title":"Th. Ribot: Die Vererbung. Psychologische Untersuchung ihrer Gesetze, ethischen und sozialen Konsequenzen. F\u00fcnfte v\u00f6llig neu bearbeitete Auflage. Autorisierte deutsche Ausgabe von Dr. Hans Kurella. 410 S. Bibliothek f\u00fcr Sozialwissenschaft. Bd. 1. Leipzig, Georg H. Wigands Verlag. 1895","type":"Journal Article","volume":"11"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:13:05.980064+00:00"}