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{"created":"2022-01-31T15:09:32.885867+00:00","id":"lit30063","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Stern, W.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 11: 447-448","fulltext":[{"file":"p0447.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht\n447\ngelehrten herausgegebenen Bibliothek f\u00fcr Sozialwissenschaft. Eibot stellt sich in einen Gegensatz zu Weissmann und sucht seinen Standpunkt durch eine grofse F\u00fclle von Material zu behaupten. Den Schwerpunkt der Bearbeitung legt der Verfasser, ohne die physiologischen Vorg\u00e4nge unber\u00fccksichtigt zu lassen, auf die psychologische Seite und behandelt demnach zun\u00e4chst die Erblichkeit der Instinkte, der Empfindungsanlagen, des Ged\u00e4chtnisses und der Gewohnheiten, der Intelligenz, der Gef\u00fchle und der Leidenschaften, die Erblichkeit in der Geschichte, die Erblichkeit und den Nationalcharakter, sowie diejenige krankhafter Seelenzust\u00e4nde. Ist hiermit der erste Teil des Werkes ersch\u00f6pft, so werden im zweiten die Gesetze der Vererbung fixiert, welche sodann im dritten auf psychologischem, sittlichem und sozialem Gebiete ihre Anwendung finden. In einem letzten Abschnitte bespricht der Verfasser eingehender die Vererbungstheorien Darwins, Haeckels, Spencers, Galtons, Weissmanns und sucht zum Schl\u00fcsse die gewonnenen Ansichten nochmals \u00fcbersichtlich zusammenzustellen.\tFriedr. Kiesow,\nGeorg Simmel. \u00dcber eine Beziehung der Selektionstheorie zur Erkenntnistheorie. Arch. f. system. Philos. I. S. 34\u201445. 1895.\nEin Gedanke, der schon lange in der philosophischen Atmosph\u00e4re herumschwebt, der aber bisher nur hie und da zu sch\u00fcchternen und fl\u00fcchtigen Andeutungen sich verdichtet hatte, wird hier von Simmel beherzt aufgefalst und in festere Form gekleidet, zugleich aber auch nach einer Seite hin selbst\u00e4ndig weitergebildet. Der allgemeine Grundgedanke ist psychologischer Natur : \u201eUnter den unz\u00e4hligen psychologisch auftauchenden Vorstellungen sind einige, die durch ihre Wirkung f\u00fcr das Handeln des Subjektes sich als n\u00fctzlich, lebensf\u00f6rdernd f\u00fcr dieses erweisen. Diese fixieren sich auf den gew\u00f6hnlichen Wegen der Selektion und bilden in ihrer Gesamtheit die \u201ewahre\u201c Vorstellungswelt.\u201c (S. 39.) Die von Simmel gegebene Ausgestaltung ist wesentlich erkenntnistheoretisch (obgleich er diese Scheidung selbst nicht macht): er glaubt, mit jenem Satze n\u00e4mlich den dualistischen Parallelismus zwischen der gedachten und der objektiven \u201ewahren\u201c Welt, oder auch zwischen unserem Denken und unserem Handeln aufl\u00f6sen zu k\u00f6nnen. \u201eEs giebt gar keine theoretisch g\u00fcltige \u201eWahrheit\u201c, auf Grund deren wir dann zweckdienlich handeln, sondern wir nennen diejenigen Vorstellungen wahr, die sich als Motive des zweckm\u00e4fsigen lebenf\u00f6rdernden Handelns erwiesen haben.\u201c (S. 36.) Die Vorstellung ist nicht ihrem Inhalte nach, sondern als reale psychische Kraft, als Vorstellen, Ausgangspunkt unseres Handelns, und deshalb sind wir gar nicht gen\u00f6tigt, f\u00fcr den Inhalt der n\u00fctzlich wirkenden Vorstellungen ein objektives \u00c4quivalent anzunehmen. S. betrachtet seine Lehre als eine Weiterbildung von Kants Ideengang: \u201eDie Denkformen, die die Welt als Vorstellung erzeugen, werden erst von den praktischen Wirkungen und Gegenwirkungen bestimmt, die unsere geistige Konstitution nach evolutionistischen Notwendigkeiten formen.\u201c (S. 45.)\nEs ist h\u00f6chst dankenswert, dafs diese Ideen einmal zur Diskussion gestellt werden; freilich wird bei derselben, des bin ich sicher, so","page":447},{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nLitter a turbericht.\nmanches an den SiMMELSchen Ausf\u00fchrungen lebhafte Anfechtungen erfahren. Da hier nicht der Ort zu einer ausf\u00fchrlicheren Auseinandersetzung ist, so seien nur kurz folgende Bedenken angedeutet: 1. Wenn zugleich die n\u00fctzliche Vorstellung die wahrheitsschaffende ist, woher kam der Mensch \u00fcberhaupt zu einer Scheidung der beiden Begriffe? Zudem gilt durchaus nicht jede n\u00fctzliche Vorstellung als wahr, und es h\u00e4tte dem SiMMELSchen Satze zum mindesten die KANTSche Formulierung gegeben werden m\u00fcssen: Ich bilde den Begriff der Wahrheit so, dafs die \u201ewahr\u201c genannte Vorstellung Ursache einer allgemeinen N\u00fctzlichkeit sein m\u00fcsse. 2. So richtig der psychologische Grundgedanke ist, so wenig ist es doch zul\u00e4ssig, in der N\u00fctzlichkeit den einzigen Quell des Wahrheitsbegriffes sehen zu wollen und daraufhin sich berechtigt zu glauben, die Annahme einer objektiven Realit\u00e4t anzuzweifeln. Die N\u00fctzlichkeit ist nur ein Motiv unter vielen, auf Grund deren wir Vorstellungen objektivieren, ich nenne hier als weitere nur ganz kurz: den Consensus omnium, die Scheidung zwischen dem nur singul\u00e4r Erlebbaren (unserem Innenleben) und dem vielf\u00e4ltig Erlebbaren (den \u00e4ufseren Eindr\u00fccken), die Scheidung zwischen dem passiven In-sich-Aufnehmen oder Erleiden und der aktiven Selbstth\u00e4tigkeit.\tW. Stern (Berlin).\nQueyrat. L\u2019abstraction et son r\u00f4le dans l\u2019\u00e9ducation intellectuelle. Paris, F\u00e9lix Alcan. 1895. 148 S.\nP. F. Thomas. La suggestion. Son r\u00f4le dans l\u2019\u00e9ducation. Paris. F\u00e9lix Alcan. 1895.\nDiese beiden Arbeiten geh\u00f6ren zu der grofsen Zahl franz\u00f6sischer Schriften, die einzelne psychologische Fragen in kurzer, durchsichtiger und gemeinverst\u00e4ndlicher Weise behandeln und f\u00fcr die P\u00e4dagogik zu verwerten suchen. Der Name einer Monographie kommt ihnen jedoch nur in psychologischer Beziehung zu ; in p\u00e4dagogischer Hinsicht sind sie d\u00fcrftig zu nennen. Deutsche Schriften dieser Art haben ihre St\u00e4rke da, wo jene ihre schw\u00e4chste Seite zeigen. Eine gr\u00f6fsere Wechselwirkung zwischen deutscher und franz\u00f6sischer psychologisch-p\u00e4dagogischer Lit-teratur w\u00e4re in beiderlei Interesse sehr zu w\u00fcnschen.\n\u00dcber den Inhalt der an erster Stelle genannten Schrift haben wir nichts N\u00e4heres zu bemerken. Was das Buch von Thomas anlangt, so scheint uns der Begriff der Suggestion etwas zu weit gefafst zu sein. Hier ist, wie z. B. bei Schmidkunz, so ziemlich alles Suggestion. F\u00fcr den P\u00e4dagogen ist das am wertvollsten, was sich auf die Psychologie der Kinderl\u00fcgen bezieht. Eine monographische Behandlung dieses Gegenstandes von demselben Verfasser w\u00e4re sehr zu w\u00fcnschen.\nUfer (Altenburg).\n1.\tE. Riecke. Lehrbuch der Experimentalphysik. 1. Band: Mechanik, Akustik, Optik. XVI u. 418 S. mit 368 Textfiguren. Leipzig 1896. Veit & Co.\n2.\tE. Blasius. Physikalische \u00dcbungen f\u00fcr Mediziner. IX u. 238 S. mit 65 Abb. Leipzig 1895. S. Hirzel.\nJe mehr die Psychologie aus einer Wissenschaft, die nur am Schreibtisch ihre F\u00f6rderung findet, sich umgestaltet zu einer Wissenschaft,","page":448}],"identifier":"lit30063","issued":"1896","language":"de","pages":"447-448","startpages":"447","title":"Georg Simmel: \u00dcber eine Beziehung der Selektionstheorie zur Erkenntnistheorie. Arch. f. system. Philos. I. S. 34-45. 1895","type":"Journal Article","volume":"11"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:09:32.885873+00:00"}