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{"created":"2022-01-31T15:06:21.453763+00:00","id":"lit30092","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Scholz","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 11: 476-480","fulltext":[{"file":"p0476.txt","language":"de","ocr_de":"476\nLi it\u00e9ra turberich t.\nAssoziationsbahn, meist durch einen Beiz von der Peripherie, z. B. durch Stofs auf den Daumen und auf das Gehirn fortgeleiteten Chok, durch Schreck; sie sch\u00e4digt die Assoziationsfasern, die durch die Erfahrung verkn\u00fcpft sind.\nDie lokalisierte cerebrale L\u00e4hmung entsteht durch einen (anatomischen) Herd, wobei gleichfalls Assoziationsst\u00f6rungen stattfinden k\u00f6nnen, z. B. optische Aphasie \u2014 auf Grund der unmittelbaren anatomischen Nachbarschaft der Assoziationsfasern. Bei der lokalisierten psychischen L\u00e4hmung k\u00f6nnen aber die physiologisch zusammengeh\u00f6rigen Assoziationsfasern den verschiedensten Teilen des G-rofshirns angeh\u00f6ren.\nDas Wichtige bei diesen Erkrankungen ist die abnorme Verteilung der Spannung in den einzelnen Assoziationsfasern. Der pathologisch verminderten Spannung in einzelnen Gruppen entspricht vermehrte Spannung in anderen; dort L\u00e4hmung, An\u00e4sthesie, Amnesie, hier Kontraktur, Hyper\u00e4sthesie, Zwangsvorstellung.\nSchliefslich m\u00f6gen noch die letzten S\u00e4tze des Vortragenden hier Platz finden.\n\u201eDer wesentliche Unterschied zwischen den bisherigen Untersuchungen (Charcot, Moebius, Janet, Ereud u. A.) und unserer (Sachs und der Verfasser) Auffassung besteht darin, dais wir uns im Gegensatz zu der rein psychologischen Erkl\u00e4rung auf den Boden anatomischer That-Sachen gestellt haben.a \u2014 \u201eUnserer Auffassung zufolge korrigiert sich ein Satz, der bisher als Fundamentalsatz der physiologischen Psychologie galt, dahin: Das Organ des Intellektes ist nicht die Grofshirnrinde im allgemeinen, sondern die Assoziationsfaserung.\nFraenkel (Dessau).\nPatten. The Theory of social forces. Supplement to the annals of the American Academy of Political and Social Science. Philadelphia. Jan. 1896. 151 S.\nDas Studium der Entwickelungsgeschichte kann von zwei Seiten her begonnen werden: einmal von seiten der Biologie durch vergleichend\u00bb anatomische Untersuchungen der ganzen organischen Entwickelungsreihe. Dies ist der induktive Weg. Oder man verf\u00e4hrt deduktiv, indem man aus den Bedingungen, denen die Entwickelung der Organismen unterliegt, also aus den Ursachen der Evolution, auf den Gang dieser selbst schliefst. Diese Bedingungen liegen einzig und allein in der Beschaffenheit der die Organismen umgebenden Welt. Indem jedes Lebewesen nach einer Umgebung trachtet, die ihm m\u00f6glichst wenig des Sch\u00e4dlichen und m\u00f6glichst viel des N\u00fctzlichen bietet, wird es gen\u00f6tigt, seinen k\u00f6rperlichen und geistigen Mechanismus solchem Zwecke gem\u00e4fs immer weiter auszubilden. Die Ursachen der Evolution beruhen somit in letzter Hinsicht auf wirtschaftlichen Prinzipien; diese ihrem Wesen nach n\u00e4her zu bestimmen, ist Aufgabe des Verfassers.\nBei den niedersten, statischen, d. h. an ihren Ort gebundenen, Organismen gen\u00fcgt eine Vervollkommnung ihrer k\u00f6rperlichen Leistungs-","page":476},{"file":"p0477.txt","language":"de","ocr_de":"LitteraturberichL\n477\nf\u00e4higkeit, am einer H\u00e4ufung von Gefahren siegreich zu begegnen. Komplizierter liegen die Verh\u00e4ltnisse hei h\u00f6heren Lebewesen. Hier gilt der wichtige Grundsatz: Aussicht auf Weiter en twickelung haben nur diejenigen Individuen, die der bisherigen Umgebung zu entrinnen und neue, geeignetere \u00f6konomische Verh\u00e4ltnisse zu finden verstehen. Nicht der Erste unter Gleichen schreitet in der Entwickelung fort, sondern der, welcher sich einer Mitbewerbung unter gleichgestellten Nebenbuhlern zu entziehen weifs. Das konservative Moment mag f\u00fcr den Augenblick noch so m\u00e4chtig sein, \u2014 es kann auf die Dauer aggressiven Tendenzen, die neue Lebensbedingungen suchen und schaffen, nicht widerstehen. Dieser Satz galt fr\u00fcher, er gilt auch jetzt und f\u00fcr alle Zukunft.\nVon ganz besonderer Bedeutung wird dieses Gesetz in der Erkl\u00e4rung des sozialen Fortschrittes. W\u00e4hrend in der Urzeit das Tier so gut wie der Mensch als einzelner dem einzelnen feindlich gegen\u00fcberstand und demnach nur primitive k\u00f6rperliche und geistige Kr\u00e4fte zur Entwickelung bringen konnte, beginnt, sobald die Menschheit sich bis zur Bildung von Genossenschaften erhoben hat, ein m\u00e4chtiger Aufschwung. Die durch ein soziales Band erstarkten Individuen steigen gewaltig empor \u00fcber ihre fr\u00fcheren Genossen, nicht so sehr dadurch, dafs sie dieselben unterjochen, als vielmehr durch eine grofsartige Erweiterung ihrer Lehensbedingungen, d. h. durch Erschliefsung immer neuer \u201eUmgebungen\u201c (environments). Die ganze soziale Evolution ist eine Folge der Notwendigkeit, immer zweckm\u00e4fsigere Mittel und Wege zu ersinnen, um die Fesseln der bisherigen Umgebung, die zu eng wird, zu sprengen und mit neu erwachsenen geistigen Waffen der Welt um sich herum andere, g\u00fcnstigere Daseinsverh\u00e4ltnisse abzuzwingen. Dieser Fortschritt ist unaufhaltsam, denn er ist notwendig, \u2014 notwendig, solange bis die Welt, in der wir leben, unseren Bestrebungen selbst eine Grenze setzt, indem sie uns keine M\u00f6glichkeit der Progression mehr bietet, d. h. bis wir auf unserem Planeten in der That die h\u00f6chstm\u00f6gliche, idealste Stufe sozialer Vollkommenheit erreicht haben \u2014, und sollte es je eine solche Grenze geben? Das Mittel aber, mit H\u00fclfe dessen wir den Fortschritt bewirken, liegt in unseren geistigen Funktionen. Soziale und geistige Evolution gehen einander parallel.\nDie psychologischen Einzelheiten, in die Verfasser zur Erl\u00e4uterung der geistigen Entwickelung aus einfachen zu immer h\u00f6heren Formen in ziemlich breiter Ausf\u00fchrung eingeht, k\u00f6nnen wir der K\u00fcrze halber f\u00fcglich \u00fcbergehen. Seine Absicht geht vor allem dahin, zu zeigen, dafs der geistige Mechanismus sich in zweierlei Weise beth\u00e4tigt, in Verstandes-und Gef\u00fchls\u00e4ufserungen. Beide Kr\u00e4fte entfalten sich unter dem Zwang, neue Lebensbedingungen zu suchen, und stellen somit die \u201eErfordernisse zum \u00dcberleben\u201c (requisites of survival) dar. Aber sie entwickeln sich zu gleichen Zeiten nicht in gleicher St\u00e4rke, sondern bald \u00fcberwiegt das eine, bald das andere Geistesverm\u00f6gen, je nachdem es die Umst\u00e4nde erfordern. Auf dunklen und unsicheren Bahnen, angespornt von \u00e4ufserst lebhaften Triebfedern, die dem Gef\u00fchl entspringen, bewegt sich zun\u00e4chst der Fortschritt einem nur undeutlich erkannten Ziele zu. Ein blinder, aber machtvoller Drang \u00fcbernimmt die Bolle des Pfadsuchers, und hinter","page":477},{"file":"p0478.txt","language":"de","ocr_de":"478\nLitter aturbericJit.\nih.ni folgt der pr\u00fcfende, hemmende und sichtende Verstand. W\u00e4hrend so das Empfindungslehen durch Erweckung kr\u00e4ftiger Impulse den Weg in ein neues, unbekanntes Land zeigt, baut die Vernunft das einmal er-rungene Gebiet mit weiser \u00dcberlegung aus.\nGerade die \u00c4ufserungen des Gef\u00fchlslebens \u2014 Instinkt, Phantasie, Idealismus, Glaube, sittliche Kraft \u2014, die bei der W\u00fcrdigung des sozialen Fortschrittes bisher zu gering geachtet wurden, spielen eine weit gr\u00f6fsere Bolle im sozialen Leben, als der n\u00fcchterne Verstand, ja sie erscheinen dazu bestimmt, f\u00fcr die Zukunft die ausschlaggebenden Faktoren der Evolution zu werden. Wir stehen augenblicklich unter dem Zeichen des Beginns einer neuen, bedeutungsvollen, vielleicht der bedeutungsvollsten, Epoche in der gesellschaftlichen Entwickelung. W\u00e4hrend bisher das Streben jedes Individuums sowohl wie jeder Genossenschaft, jedes Volkes etc. dahin ging, in eine vor Gefahren und Sch\u00e4dlichkeiten m\u00f6glichst gesch\u00fctzte Umgebung zu gelangen, w\u00e4hrend die ganze Menschheitsgeschichte sich charakterisierte durch immerw\u00e4hrende K\u00e4mpfe gegen \u00e4ufsere Feinde allerlei Art, so dafs es nicht m\u00f6glich wurde, sich ruhigen Besitzes zu erfreuen, ist die Kulturmenschheit jetzt so weit vorgeschritten, dafs sie als unbestrittene Herrin der Welt nur noch danach zu trachten braucht, ihr Leben sch\u00f6ner und w\u00fcrdiger zu gestalten: nicht mehr Vermeidung von Gefahren, sondern m\u00f6glichste Aneignung des Angenehmen und Schaffung gesunder sozialer Verh\u00e4ltnisse wird das Prinzip des Handelns. Aus der \u201eSchmerz-\u00d6konomie\u201c (pain-economy) treten wir \u00fcber zur \u201eLust\u00fckonomie\u201c (pleasure-ec\u00f6nomy).\nAber der \u00dcbergang vollzieht sich nicht leicht. Das Jahrtausende lange Verweilen in der \u201eSchmerz-\u00d6konomie\u201c hat unseren geistigen Mechanismus und damit die ganze soziale Evolution in hervorragender Weise beeinflufst. Verfasser stellt die Frage auf: Wie w\u00fcrde der Entwickelungsgang sich gestaltet haben, wenn wir nicht erst jetzt in das Stadium der \u201eLust-\u00d6konomie\u201c eingetreten w\u00e4ren, sondern wenn eine solche von Anfang an existiert, d. h. wenn es keine \u00e4ufseren Gefahren durch Feinde, elementare Ereignisse, Hungersnot u. dergl. gegeben h\u00e4tte? Sein fingierter \u201eSocial Commonwealth\u201c stellt ein solches ideales Gemeinwesen dar, in welchem Furcht und Schmerz ungekannte Dinge sind. Hier haben die sozialen Kr\u00e4fte freies Spiel: der Einzelne erkennt fr\u00fchzeitig, dafs seine Interessen, die ja keinen \u00e4ufseren Angriffen ausgesetzt sind, am ersten gef\u00f6rdert werden, wenn er sie denen der Gesellschaft unterordnet, daher die \u00f6konomische Entwickelung rasch und lebhaft vor sich geht. Die einzigen Gefahren, die der Gesellschaft drohen, entspringen den mannigfachen Formen der Versuchung, der Arbeitsscheu und des Leichtsinns, wie sie bei der Gr\u00f6fse materiellen Keichtums und Wohlergehens erkl\u00e4rlich sind. Gegen diese \u00dcbel hat der Mensch des Idealstaates allein zu k\u00e4mpfen, \u2014 denn andere kennt er ja nicht. Die Individuen und Familien, welche den Versuchungen durch Schaffung ethisch-\u00e4sthetischer Ideale immer h\u00f6herer Natur siegreich widerstehen, werden \u00fcberleben und Ge\u00bb nerationen erzeugen, die ihrerseits wiederum geeignetere \u201eErfordernisse zum \u00dcberdauern\u201c ausbiiden, bis schliefslich ein Menschentypus entsteht, der jeder Neigung zu Laster und S\u00fcnde einen un\u00fcbersteiglichen Wall","page":478},{"file":"p0479.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n479\nentgegensetzt und nur an -unsch\u00e4dlichen Gen\u00fcssen und Freuden Gefallen findet. Die immerw\u00e4hrende Bildung neuer \u00f6konomischer Prinzipien einerseits und neuer ethischer Triebe andererseits gehen Hand in Hand, bis endlich die soziale Gemeinschaft dem h\u00f6chsten Grade von Vollkommenheit in wirtschaftlicher, \u00e4sthetischer und moralischer Beziehung entgegenreift.\nDie normale soziale Entwickelung hat sich nun unter dem Einflufs der \u201eSchmerz-\u00d6konomie\u201c bisher in wesentlich anderer Weise vollzogen. Moralische und religi\u00f6se Gef\u00fchle waren bereits vorhanden, bevor noch eigentlich soziale Probleme zur Wirksamkeit kamen. Die Furcht vor \u00e4ufseren Gefahren, insbesondere den schreckhaften elementaren Ereignissen, gab religi\u00f6sen Instinkten fr\u00fchzeitig ihren Ursprung und liefs gewisse sittliche Normen erstehen. In wirtschaftlicher Hinsicht \u00fcberwogen die Interessen des Individuums bis in sp\u00e4te Zeiten hinein die der Gesamtheit, ja die Einsicht, dafs der Einzelne sich selbst am besten f\u00f6rdert, wenn er der Allgemeinheit dient, ist noch heute kaum in das Bewufstsein der grofsen Menge, ja selbst nicht einmal aller Gelehrten gedrungen. Nunmehr aber, wo die zivilisierte Menschheit die Welt sich immer mehr ihren Zwecken unterworfen hat, wo Angst und Schmerz nicht mehr die alleinigen Triebfedern des Handelns sind, sondern wir uns unseres Besitzes zu erfreuen beginnen, da m\u00fcssen wir auch nach neuen geistigen Mitteln forschen, die unseren Fortschritt am zweck-m\u00e4fsigsten leiten k\u00f6nnen. Und diese Mittel sind uns gegeben nicht in den schwachen Kr\u00e4ften unseres Verstandes, sondern in der weitaus machtvolleren Handhabe, die in unserem Gef\u00fchlsleben wurzelt. Die treibenden Kr\u00e4fte sozialer Entwickelung sind im wesentlichen moralischer Natur, und daraus ergiebt sich die grofse Wichtigkeit der Ein\u00fcbung hoher ethischer und \u00e4sthetischer Lebensformen. Das Gef\u00fchl der Solidarit\u00e4t, der Verantwortlichkeit des Einzelnen gegen\u00fcber der Gesamtheit, der Altruismus, verm\u00f6ge dessen es einem jeden Freude bereitet, dem Wohl des sozialen Organismus f\u00f6rderlich zu sein, Vertiefung unserer sittlichen, religi\u00f6sen und \u00e4sthetischen Ideale \u2014 das sind die Gewalten, die den Fortschritt leiten m\u00fcssen und leiten werden. Sobald die Bedingungen der alten Umgebung nicht mehr gen\u00fcgen und die Entwickelung nach neuen, zweckm\u00e4fsigeren Formen ringt, wird der kr\u00e4ftigere Teil der Gesellschaft seine sittlichen Forderungen h\u00f6her und h\u00f6her stellen, um sich \u00fcber seine Genossen zu erheben. Wer ihm widerstrebt und nicht nachfolgt, bleibt als unsozial vom Fortschritt ausgeschlossen.\nWir sehen, auch in Zukunft wird es noch Kampf und Gegens\u00e4tze geben, ja diese d\u00fcrfen nicht fehlen, denn ohne Bivalit\u00e4t w\u00fcrde Stagnation in der sozialen Entwickelung eintreten. Aber der Kampf richtet sich nicht mehr wie fr\u00fcher gegen die Schrecknisse der Natur und gegen \u00e4ufsere politische Feinde, sondern gegen innere Gegner, d. h. gegen die, welche die von der Gesellschaft aufgestellten idealen Forderungen nicht erf\u00fcllen wollen oder k\u00f6nnen. Er vollzieht sich immerw\u00e4hrend, aber langsam und gleichsam ohne Waffen: je geistig h\u00f6her die Gesellschaft steigt, je lebendiger die sozialen Instinkte werden, desto breiter wird ganz von selber die trennende Kluft zwischen ihr und denen, die","page":479},{"file":"p0480.txt","language":"de","ocr_de":"480\nLitteraturbericht.\ndem Fortschritt nicht gewachsen sind. Der Fehler des modernen Sozialismus liegt darin, dafs er diese Differenzierung der Tauglichen und Untauglichen zu hemmen sucht; er vergifst die Lehre, die ihm die soziale Evolution von ihrem fr\u00fchesten Beginne an predigt, dafs Entwickelung nur m\u00f6glich ist auf Kosten der minder beg\u00fcnstigten Elemente. Erkl\u00e4rlich ist die grofse Lebhaftigkeit des modernen sozialen Gleichheitsprogramms einzig und allein durch die lange Periode der \u201eSchmerz-\u00d6konomie\u201c, die eine eigenartige Moral zur Entfaltung brachte; jetzt, wo der \u00dcbergang sich vollzieht zu einer neuen grofsen Epoche, werden die bisher nur schwach ausgepr\u00e4gten wahrhaft sozialen Instinkte allm\u00e4hlich immer mehr erstarken, bis sie die alleinigen Triebfedern in der Weiterentwickelung der Menschheit darstellen.\nDas ist in kurzem der Gedankengang, den der Verfasser verfolgt. Die soziale Evolution wird von einem grofsen, allgemeinen Gesichtspunkte aus erkl\u00e4rt, dessen Bedeutung vor allem wohl darin liegt, dafs er die soziale Kraftentfaltung als eine Folge gewisser unab\u00e4nderlicher Gesetze erkennen lehrt. Die Entwickelung der menschlichen Gesellschaft ist eine durchaus systematische, und alle ihre einzelnen Phasen sind herausgeboren aus dem Zwang, in immer neue Lebensverh\u00e4ltnisse einzutreten, die weniger mit H\u00fclfe der Intelligenz, als mittelst ethischer Kr\u00e4fte erschlossen werden. Bisher fehlte es an einer solchen Erkenntnis der Prinzipien, auf welche sich der gesellschaftliche Fortschritt aufbaut, fast ganz. Die National\u00f6konomie ber\u00fccksichtigt zu wenig, warum und warum gerade so und nicht anders der soziale Organismus sich entwickeln mufste; auch liegen ihr die \u00f6konomischen Fragen der Gegenwart und n\u00e4chsten Zukunft mehr am Herzen als die weit vorausliegenden Ziele der Evolution. Der praktische Sozialreformer seinerseits, der in dem Wachsen der Intelligenz den einzigen Ausweg aus sozialen Mifs-st\u00e4nden erblickt, sieht nicht, welchen Weg die Entwickelung genommen. Seine Lehren sind daher h\u00e4ufig kaum mehr als Tr\u00e4umereien, sein System ist unwissenschaftlich und daher falsch; es gebricht ihm an der notwendigsten Kenntnis der sozialen Vorgeschichte und vor allem der Kr\u00e4fte, die haupts\u00e4chlich den Fortschritt bewirken. Als Wissenschaft, d. h. als wissenschaftliches System, ist die Soziologie noch jung, \u2014- bisher war sie nicht viel mehr als eine locker zusammengef\u00fcgte Kette von Einzelbetrachtungen, denen es an gemeinsamer, prinzipieller Grundlage gebrach.\nAus diesem Grunde ist das Buch des Verfassers wertvoll, und es verschl\u00e4gt nichts, wenn man ihm in manchem nicht durchaus zustimmen kann. Handelt es sich doch blofs um eine \u201eTheorie\u201c der sozialen Kr\u00e4fte, \u2014 und eine Theorie geniefst den Vorzug, nicht auf ihre absolute Wahrheit, sondern nur auf einen mehr oder minder hohen Grad von Wahrscheinlichkeit gepr\u00fcft zu werden.\tScholz (Bonn).","page":480}],"identifier":"lit30092","issued":"1896","language":"de","pages":"476-480","startpages":"476","title":"Patten: The Theory of social forces. Supplement to the annals of the American Academy of Political and Social Science. Philadelphia. Jan. 1896. 151 S.","type":"Journal Article","volume":"11"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:06:21.453769+00:00"}