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{"created":"2022-01-31T14:29:21.003237+00:00","id":"lit30094","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"M\u00fcller, G. E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 14: 1-76, 161-196","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"4\nZur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.* 1\nVon\nG. E. M\u00fcllbb.\nKapitel 4.\nDie Sehnervenerregungen und ihre Abh\u00e4ngigkeit von den\nN et zh au tpr oz essen.\n\u00a7 28.\nAnnahme von sechs Grunderr egungen des Sehnerven.\nWir haben im ersten Kapitel einen Weg angegeben, auf welchem man zu der Annahme der sechs retinalen Grundprozesse gelangt. Und in den beiden folgenden Kapiteln haben wir die gegenseitigen Beziehungen dieser sechs Grundprozesse und die Faktoren und Gesetze, nach denen sich das Spiel derselben regelt, n\u00e4her er\u00f6rtert. Die Sehnervenerregungen und die Gr\u00fcnde, welche dazu berechtigen, den sechs retinalen Grundprozessen eine gleiche Zahl von Grunderregungen des Sehnerven entsprechen zu lassen, und andere hieran sich anschliessende Fragen haben uns im Bisherigen nur wenig besch\u00e4ftigt. Dieser uns noch er\u00fcbrigenden Aufgabe wollen wir uns im Folgenden unterziehen, soweit es die Grundtendenzen dieser Abhandlung erfordern.\nUnseren fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen gem\u00e4fs kommen f\u00fcr die innere Psychophysik der Gesichtsempfindungen von vorne herein zwei Hauptannahmen in Betracht.1 Nach der ersteren Auffassung ist die Nervenerregung, die einer Gesichtsempfindung zu Grunde liegt, mag diese nun eine Weifsempfindung oder eine weifsliche Botblauempfindung oder von sonst welcher Beschaffenheit sein, stets ein einfacher Prozefs, der hinsichtlich der\n1 Fortsetzung zu Bd. X. S. 413.\n1 Von anderen, komplizierteren und, nicht ernstlich in Betracht kommenden Annahmen wird hier abgesehen.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIV.\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nG. JE. Muller.\nBeschaffenheit (z. B. Schwingungsart) nach gleich vielen Richtungen stetig ver\u00e4nderlich ist, wie die betreffende Gesichts-empfindung. Und zwar bestimmt sich die jeweilige Qualit\u00e4t und Intensit\u00e4t dieses einfachen Prozesses (abgesehen von zentralen Erregungsursachen) nach den Vorzeichen und absoluten Werten der Intensit\u00e4tsdifferenzen der einander entgegengesetzten Netzhautprozesse, der Differenzen Iw\u2014Is, Ir\u2014lg, Ie\u2014-Zj*\nDieser hier nicht weiter auszuf\u00fchrenden ersteren Ansicht steht die zweite Auffassung gegen\u00fcber, nach welcher es ebenso wie sechs retinale Grundprozesse auch sechs Grunderregungen des Sehnerven gibt, weiche hinsichtlich ihres Vorhandenseins und ihrer Intensit\u00e4ten (abgesehen von den zentralen Erregungsursachen) in der fr\u00fcher (\u00a7 19, S. 343 f.) angegebenen Weise von den Vorzeichen und absoluten Werten der Differenzen Iw\u2014Js, Ir\u2014Ig, Ie\u2014Ib abh\u00e4ngen.\nWir entscheiden uns f\u00fcr diese zweite Ansicht aus folgenden Gr\u00fcnden.\nIn die Augen springt zun\u00e4chst der methodologische Vorzug, den diese Ansicht vor jener ersteren insofern besitzt, als sie anschaulicher ist und eine weniger umst\u00e4ndliche Ausdrucksweise erlaubt.\nZweitens ist darauf hinzuweisen, dafs man zu der Annahme der sechs Grunderregungen des Sehnerven dem in \u00a7 10 (S. 50 u. 57) Bemerkten gem\u00e4fs notwendig gelangt, sobald man die Voraussetzung zu Grunde legt, dafs die Sehnervenerregungen chemischer Natur seien. Entscheidet man sich also f\u00fcr die erstere der beiden hier in Frage stehenden Ansichten, so schliefst man hierdurch die M\u00f6glichkeit aus, dafs die Sehnervenerregungen chemische Vorg\u00e4nge seien. Nun soll allerdings in dieser Abhandlung von einer bestimmten Vorstellung hinsichtlich des Wesens der Nervenprozesse nicht ausgegangen werden. Aber immerhin wird es sich empfehlen, der Darstellung nicht eine solche Annahme zu Grunde zu legen, welche der zur Zeit von den in Betracht kommenden Forschern fast allgemein geteilten Ansicht widerspricht, dafs die Nervenprozesse chemischer Natur seien.\nDrittens ist hier an unsere fr\u00fcheren Betrachtungen in \u00a7\u00a7 8 u. 9 (S. 39 ff. und 45 f.) zu erinnern, aus denen sich zu ergeben schien, dafs, wenn der in einer psychischen Qualit\u00e4tenreihe bestehende Fortschritt durch die von Glied zu Glied stattfindende Abnahme","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n3\nder \u00c4hnlichkeit zu dem empirischen Anfangsgliede und ent-sprechende Zunahme der \u00c4hnlichkeit zu dem empirischen Endglieds der Reihe vollst\u00e4ndig charakterisiert ist und infolge hiervon die Reihe als eine auch prinzipiell begrenzte erscheint, alsdann die Reihe auf eine geradl\u00e4ufige und stetige \u00c4nderung des. Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses zweier psychophysischer Partialprozesse zur\u00fcckzuf\u00fchren ist. Wendet man diesen Satz auf das System unserer Gesichtsempfindungen an, so kommt man in ganz entsprechender Weise, wie wir in \u00a7 10 die sechs retinalen Grundprozesse abgeleitet haben, zur Ableitung der sechs Grunderregungen des Sehnerven. >\nViertens ist hier auf den schon fr\u00fcher geltend gemachten Umstand hmzuweisen, dafs sicher ein sehr bedeutender Teil der F\u00e4lle von Farbenblindheit nicht peripherischen Ursprunges ist.1 Man kann nun z. B. die Thatsache, dafs bei Erkrankung des Sehnerven oder noch h\u00f6her gelegener Teile di\u00a9 Rotempfindung und die Gr\u00fcnempfindung ganz ausfallen k\u00f6nnen, w\u00e4hrend die schwarzweifsen Empfindungen und di\u00a9 Gelb- und die Blauempfindung noch erhalten sind, nicht anders erkl\u00e4ren als so, dafs man sagt, die der Rot- und der Gr\u00fcnempfindung entsprechenden Nervenprozesse erforderten zu ihrem Zustandekommen materielle Substrate oder Konstellationen, welche von den Substraten oder Konstellationen, die f\u00fcr das Zustandekommen jener anderen Empfindungen erforderlich sind, wenigstens teilweise verschieden seien, so dafs in einem Falle, wo die f\u00fcr die Erzeugbarkeit der Rot- und der Gr\u00fcnempfindung erforderlichen materiellen Bedingungen nicht vollst\u00e4ndig vorhanden seien, dennoch jene anderen Gesichtsempfindungen noch\n1 Man vergleiche Leber im Arch. f. Ophthalm. 15, 3, S. 26 ff. und im Handb. d. ges. Augenheilkde., redig. von Gr\u00e4fe und S\u00e4misch, 5. Bd., S. 1036 ff., ferner Steffan, im Arch. f. Ophthalm. 27, 2, S. 1 ff. \u201eDie erworbene Farbenblindheit kommt unter den verschiedenen amblyopischen Zust\u00e4nden vorzugsweise bei Sehnervenleiden und am h\u00e4ufigsten bei Sehnervenatrophie vor. Netzhauterkrankungen sind in der Regel nicht mit ausgesprochener St\u00f6rung des Farbensinnes verbunden, auch wenn sie hochgradige Sehst\u00f6rung her vorrufen.\u201c (Leber). Es ist nicht daran zu denken, die F\u00e4lle von Farbenblindheit, welche in Erkrankungen des Sehnerven oder noch h\u00f6her gelegener Teile ihren Grund haben, s\u00e4mtlich auf trophische St\u00f6rungen zur\u00fcckzuf\u00fchren, welche vom Sehnerven her f\u00fcr die lichtempfindliche Netzhautschicht hervorgerufen worden seien. Schon der pathologisch-anatomische Befund schliefst solche Annahme aus.\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nG. E. ^tUfer.\nerweckbar sein k\u00f6nnten. In gleicher Weise mois man in Hinblick auf die nicht peripherisch bedingten F\u00e4lle von \u00f6elbblan-blindkeit und von totaler Farbenblindheit annehmen, dafs im Nervensysteme die f\u00fcr das Zustandekommen der Gelb- und der Blauempfindung erforderlichen Substrate oder Konstellationen von den f\u00fcr die Erweckbarkeit der sohwarzweilsen Empfindungen erforderlichen materiellen Bedingungen wenigstens teilweise verschieden seien. Zieht man dann weiter in, Betracht, dafs bei einem Ausf\u00e4lle der Bot- und der Gr\u00fcnempfindung (der Gelb- und der Blauempfindung) zugleich die H\u00f6flichkeit bezw. Gr\u00fcnlichkeit ((Weiblichkeit bezw. Bl\u00e4u\u00fcohkeit) aller derjenigen Farben wegfallt, welohe dem Farbent\u00fcchtigen rotgelb, gr\u00fcngelb, rotblau, gr\u00fcnblau u. s. w. erscheinen, so kommt man auf Grand der Erscheinungen der nicht peripherisch bedingten Farbenblindheit notwendig zu folgendem Resultate: Die den Gesichtsempfindungen zu Grunde liegenden Nervenerregungen vollziehen sich an drei (wenigstens einem Teile ihrerKomponenten nach) verschiedenen .Arten von Material. An der ersten Art von Material spielen sich die den schwarzweifsen Empfindungen zu Grunde liegenden Erregungen ab, an der zweiten Art die Gelb- und die Blauerregung, an der dritten die Rot- und die Gr\u00fcnerregung. Die den rotgelben, blauroten, gelbweilsen, graugr\u00fcnen u. s. w. Empfindungen zu Grande liegenden Nerven-prozesse sind Mischprozesse, die sich gleichzeitig an zwei oder drei dieser Arten von Material abspielen.\nGeht man von der Ansicht aus, dafs einer Gesichtsempfindung stets ein einfacher psychophysischer Prozefs zu Grunde liege, der hinsichtlich seiner Qualit\u00e4t (z. B. Schwingungsart) in gleich vielen Richtungen stetig ver\u00e4nderlich sei wie die Gesichtsempfindung, so kann man die im Vorstehenden geltend gemachten Thatsachen der (nicht peripherisch bedingten) Farbenblindheit offenbar entweder gar nicht oder nur dadurch erkl\u00e4ren, dafs man diese Ansicht so wesentlich um\u00e4ndert, dafs sie von den im Vorstehenden angedeuteten Anschauungen in sachlicher Hinsicht nicht verschieden ist.\n\u00a7 29. Er\u00f6rterung der Frage, ob auch die Sehnervenerregungen selbst als einander entgegengesetzte Vorg\u00e4nge anzusehen seien.\nNach dem Bisherigen haben wir sechs Grunderregungen des Sehnerven anzunehmen, von denen je zwei (z. B. die Br und","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n5\n\u00f6-Erregung) durch Einwirkung entgegengesetzter Kr\u00e4fte auf den Sehnerven hervorgerufen werden. Denn' die Kr\u00e4fte, die z. B. bei positivem Vorzeichen der Differenz Ir \u2014 Ig auf die Nervenendigung einwirken, m\u00fcssen in entgegengesetzter Richtung wirken wie die Kr\u00e4fte, die bei negativem Vorzeichen dieser Differenz die Sehnervenendigung beeinflussen. Ferner wissen wir, dafs die entgegengesetzten Kr\u00e4fte, welche der Erweckung der R- und der \u00f6-Erregung zu Grunde liegen \u2014 das Entsprechende gilt von den beiden anderen Erregungspaaren \u2014, auf gleiches Material im Sehnerven wirken, so dafs mit einem Fehlen der J\u00ee-Erregung zugleich auch ein Fehlen der \u00d6-Erregung verbunden ist und umgekehrt. Es fragt sich nun, ob die Sehnervenerregungen, welche einer Farbe und der zugeh\u00f6rigen Gegenfarbe entsprechen, deshalb, weil sie auf Einwirkung entgegengesetzter Kr\u00e4fte auf den Sehnerven beruhen, auch selbst als einander entgegensetzte Vorg\u00e4nge anzusehen sind. Hinsichtlich dieser Frage ist Folgendes zu bemerken.\nDie Sehnervenerregungen sind entweder Vorg\u00e4nge, die durch Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften entstehen, oder Vorg\u00e4nge, welche auf St\u00f6rung eines stabilen Gleichgewichtszustandes beruhen.1 Kommen dieselben durch Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften zu st\u00e4nde, so k\u00f6nnen zwei Sehnervenerregungen, welche, wie z. B. die R- und die G-Erregung, durch Einwirkung entgegen-\n1 Beruht der Vorgang, der in einem materiellen System durch einen Reiz hervorgerufen wird, auf St\u00f6rung eines stabilen Gleichgewichtszustandes, so kehrt das System, wenn es nach Aufh\u00f6ren des Reizes ganz sich seihst \u00fcberlassen wird, wieder in seinen anf\u00e4nglichen Zustand zur\u00fcck, und es kann vom Auftreten des Reizes an bis zur Wiedererreichung des Anfangszustandes selbstverst\u00e4ndlich nicht mehr Energie nach aufsen abgeben, als es bei der Reizeinwirkung in sich aufgenommen hat. Beruht hingegen ein Erregungsvorgang auf Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften, so giebt das System nach Auftreten des Reizes mehr Energie nach aufsen ab, als es bei der Reizeinwirkung in sich auf genommen hat, und der Ruhezustand, den es, wieder g\u00e4nzlich sich selbst \u00fcberlassen, sohliefslich erreicht, ist von dem vor der Reizeinwirkung vorhanden gewesenen Zustande wesentlich verschieden, indem ihm ein geringerer Energieinhalt des Systems entspricht als jenem Anfangszustande. Die oben nicht erw\u00e4hnte Annahme, dafs der eine Teil der Nervenprozesse in einer Ausl\u00f6sung, der ander\u00a9 in einer Anh\u00e4ufung von Spannkr\u00e4ften bestehe, findet ihre Erledigung einerseits durch fr\u00fcher (\u00a7 25, S. 391 f.) Bemerktes, andererseits durch den (in \u00a7 86 n\u00e4her ausgeftihrten) Hinweis darauf, dafs Vorg\u00e4nge der letzteren Art sich nur mit schnell abnehmender Intensit\u00e4t in den Nervenfasern fortpfianzen k\u00f6nnten.","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nG. E. M\u00fblkr.\ngesetzter Kr\u00e4fte auf den Sehnerven entstehen, nicht auch selbst entgegengesetzte Vorg\u00e4nge sein.1 Denn einem Vorg\u00e4nge, der auf Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften beruht, kann nur ein solcher entgegengesetzt sein, bei welchem Spannkr\u00e4fte angeh\u00e4uft werden. Beruhen 'hingegen die Sehnervenerregungen auf St\u00f6rung eines stabilen Gleichgewichtszustandes, so m\u00fcssen zwei Sehnervenerregungen, die durch Einwirkung entgegengesetzter .Kr\u00e4fte auf den Sehnerven entstehen, auch selbst einander entgegengesetzt sein (sowie z. B. elektrische Str\u00f6me, die durch Erzeugung von Potentialdifferenzen von entgegengesetzter Richtung im gleichen Stromkreise entstehen, oder chemische Vorg\u00e4nge, die auf entgegengesetzten St\u00f6rungen eines chemischen Gleichgewichtszustandes beruhen, einander genau entgegengesetzte Vorg\u00e4nge sind). Die Entscheidung der Frage, ob zwei Sehnervenerregungen, die einer Farbe und der zugeh\u00f6rigen Gegenfarbe entsprechen, ebenso wie die entsprechenden Netzhautprozesse als einander entgegengesetzte Vorg\u00e4nge anzusehen seien, h\u00e4ngt also davon ab, ob hinsichtlich des Zustandekommens der Nervenerregungen die Ausl\u00f6sungshypothese, nach welcher dieselben auf Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften beruhen, oder die St\u00f6rungshypothese, nach welcher dieselben durch St\u00f6rung eines stabilen Gleichgewichtszustandes entstehen, im Rechte ist. Wir sind nicht im st\u00e4nde, diese letztere Frage zu entscheiden, und m\u00fcssen uns damit begn\u00fcgen, im Folgenden zu zeigen, dafs die zur Zeit herrschende Vorliebe f\u00fcr die Ausl\u00f6sungshypothese als hinl\u00e4nglich begr\u00fcndet nicht angesehen werden kann.\n1. Man pflegte fr\u00fcher die Erm\u00fcdungserscheinungen der Nerven f\u00fcr die Ausl\u00f6sungshypothese anzuf\u00fchren. Gegenw\u00e4rtig spricht man von einer Unerm\u00fcdbarkeit der Nerven, und zwar mit gutem Grunde, wie wir im \u00a7 34 n\u00e4her zeigen werden.\n1 Bas einfachste Beispiel daf\u00fcr, dafs zwei Kr\u00e4fte, die (zu verschiedenen Zeiten) auf ein und dasselbe Substrat in entgegengesetzter Richtung wirken, beide zur Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften f\u00fchren k\u00f6nnen, ist der Fall, wo wir ein Gewicht, das auf einem Tische liegt, durch eine horizontale Kraft, die das eine Mal in dieser, das andere Mal in genau entgegengesetzter Richtung auf das Gewicht wirkt, \u00fcber den Rand des Tisches hinausschieben. In \u00e4hnlicher Weise k\u00f6nnen auch zwei entgegengesetzte Kr\u00e4fte, die (zu verschiedenen Zeiten) auf ein, und dasselbe molekulare System wirken, in diesem zwei verschiedene Vorg\u00e4nge zur Folge haben, die beiderseits auf Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften beruhen.","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gemehtsempfindungen.\n7\n2, Man st\u00fctzte ferner die Ausl\u00f6sungshypothese fr\u00fcher anoh noch auf das \u201elawinenartige Anschwellen \u201c der Nervenerregung bei ihrer Fortpflanzung. Gegenw\u00e4rtig ist man auf Grund n\u00e4herer Untersuchung des betreffenden Erscheinungsgebietes von der Behauptung eines lawinenartigen Anschwellens der Nervenerregung v\u00f6llig abgekommen und nimmt an, dafs sich die Erregung in den Nerven ohne \u00c4nderung ihrer Intensit\u00e4t fortpflanzt (man vergleiche z. B. Biedebm\u00e0nk, El\u00e9ktrophysiologie, Jena, 1895, S. 520 f.). Nach der Ausl\u00f6sungshypothese ist ein Verhalten letzterer .Art nichts weniger als selbstverst\u00e4ndlich. Denn bezeichnen wir mit Af B, C drei unmittelbar hinter-einander gelegene Querschnitte einer Nervenfaser, so kann nach dieser Hypothese der Querschnitt B bei Ablauf des Erregungsprozesses in ihm mehr Energie nach aufsen abgeben, als er bei der von A her stattfindenden Hervorrufung des Erregungsprozesses in ihm aufgenommen hat. Giebt also der Querschnitt B die gesamt\u00a9 Energie, die er \u00fcberhaupt beim Ablauf des Erregungsprozesses abzugeben vermag, (als einen\nIM\u00bb\nsogenannten Ubertragungsreiz) an den benachbarten Querschnitt G behufs Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften im letzteren ab, so mufs G notwendig in eine Erregung geraten, die intensiver ist als die Erregung von J?, und der weiter gelegene Querschnitt D mufs in eine noch intensivere Erregung versetzt werden, kurz, di\u00a9 Erregung mufs lawinenartig anschwellen, bis sie schliefslich an irgend einer Stelle der (hinl\u00e4nglich lang gedachten) Nervenbahn ihren Maximalwert \u00a9inreicht. Der Umstand, dafs sich die Erregung in den Nerven ohne \u00c4nderung ihrer Intensit\u00e4t fortpflanzt, ist also nach der Ausl\u00f6sungshypothese nur in der Weise erkl\u00e4rbar, dafs man sagt, eine erregte Nervenstelle gebe von der gesamten Energiemenge, die sie \u00fcberhaupt bei Ablauf der Erregung abzugeben verm\u00f6ge, merkw\u00fcrdigerweise immer nur genau so viel Energie als einen sogenannten \u00dcbertragungsreiz an die unmittelbar hinter ihr gelegene Nervenstelle ab, als sie selbst bei Erweckung der in ihr ablaufenden Erregung von der unmittelbar vor ihr gelegenen Nervenstelle \u00fcbernommen habe; der \u00fcbrige Teil jener Energiemenge finde irgendwelche andere Verwendung.\nNach der St\u00f6rungshypothese hingegen ist di\u00a9 Konstanz der Erregungsst\u00e4rke bei der Fortpflanzung der Erregung gewisserma\u00dfen der zun\u00e4chst zu erwartende Fall. Jede erregte","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nG, E. M\u00fcller.\nNervenstelle giebt bei der Fortpflanzung der Erregung dieselbe Energiemenge, die sie von der unmittelbar vor ihr gelegenen Stelle \u00fcbernommen hat, an die unmittelbar hinter ihr gelegene Nervenstelle ab; die St\u00f6rung des betreffenden Gleichgewichtszustandes pflanzt sich ungeschw\u00e4cht von Stelle zu Stelle fort, \u00e4hnlich wie sich auch sonst St\u00f6rungen stabiler Gleichgewichtszust\u00e4nde fortpflanzen.\n3.\tMan f\u00fchrt gelegentlich f\u00fcr die Ausl\u00f6sungshypothese die Thatsache an, \u201edafs Nerven, welche von ihrem, Zentralorgane getrennt sind, nach einiger Zeit degenerieren\u201c. Hierzu ist zu bemerken, dafs auch nach der St\u00f6rungshypothese die Erregbarkeit und Leitungsf\u00e4higkeit eines Nerven von einer gewissen komplizierten Konstitution desselben bedingt ist, deren Erhaltung den normalen Stoffwechsel und die Verbindung mit dem Ern\u00e4hrungszentrum erfordert. Es ist nicht einzusehen, inwiefern die Abh\u00e4ngigkeit der Funktionsf\u00e4higkeit und Funktionst\u00fcchtigkeit der Nervenfasern von dem Stoffwechsel irgendwie zur Entscheidung zwischen den beiden Mer in Rede stehenden Hypothesen dienen k\u00f6nne.\n4.\tAuch die Behauptung, dals der Nervenprozefs chemischer Natur sei, vermag eine Entscheidung zwischen den beiden Mer in Rede stehenden Hypothesen Mcht zu liefern. Denn ganz abgesehen davon, dafs dasjenige, was man bisher f\u00fcr diese Behauptung vorgebracht hat (z. B. die von Biedermann a. a. 0.\nS.\t493 geltend gemachte Thatsache, dafs die Geschwindigkeit der Nervenleitung ebenso wie die Leitungsgeschwindigkeit im Muskel und anderen reizbaren Gebilden von der Temperatur und Jahreszeit abh\u00e4ngig ist), als streng beweisend nicht angesehen werden kann, so handelt es sich Mer gar nicht um, den Gegensatz zwischen chemisch und physikalisch, sondern um den Gegensatz zwischen Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften und St\u00f6rung eines stabilen Gleichgewichtszustandes. Ein stabiler Gleichgewichtszustand, der durch einen Reiz gest\u00f6rt wird, kann auch ein chemischer Gleichgewichtszustand sein.\n5.\tEine Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften erscheint \u00fcberall da im Organismus als zweckm\u00e4fsig, wo es sich um Leistung betr\u00e4chtlicher \u00e4ufserer Arbeit seitens eines Organes handelt, hingegen als eine unvorteilhafte Kraftverschwendung, wo es sich um blofse Fortleitung von Impulsen, die eventuell irgendwo ausl\u00f6send wirken sollen, handelt. Derartige Zweckm\u00e4fsigkeits-","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Paychophysik der Gemchtsempfindungm,\n9\nerw\u00e4gungen sind freilich keineswegs beweisend. Aber noch weniger scheint es angezeigt, von zwei in Frage stehenden Hypothesen ohne hinl\u00e4ngliche Begr\u00fcndung gerade diejenige zu bevorzugen, welche dem Organismus die unzweckm\u00e4fsigere Einrichtung zuschreibt.\n6. Man kann meinen, Folgendes behaupten zu d\u00fcrfen. Wenn wirklich z. B. die R- und die G-Erregung Vorg\u00e4nge entgegengesetzter Art sind, so mufs, wenn die \u00dc-Erregung von einer elektrischen Negativit\u00e4tswelle im Sehnerven begleitet ist, die G-Erregung notwendig von einer elektrischen Positivit\u00e4ts-welle begleitet sein. Beruhen hingegen beide Erregungen auf Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften, so ist zu erwarten, dafs beide von einer gleichsinnigen Stromesschwankung begleitet sind, oder ein Verhalten letzterer Art bereitet wenigstens nicht die mindesten Schwierigkeiten.\nSo ganz einfach ist es indessen nicht, durch Beobachtung der Richtung der Stromesschwankungen im Sehnerven die hier in Rede stehende Frage zu entscheiden. Denn erstens hat man die WeifsValenzen der farbigen Lichter in R\u00fccksicht zu ziehen. Angenommen, der S-, G- und JB-Erregung komme an sich eine positive, der W-, jR~ und 2\u00a3Erregung hingegen eine negative Stromesschwankung zu, so ist es wegen der betr\u00e4chtlichen Weifsvalenzen der gr\u00fcnen und blauen Lichter (zumal dann, wenn man, nicht Spektrallichter anwendet und, wie bei den weiterhin zu erw\u00e4hnenden Versuchen K\u00fchnes der Fall war, mit einer an das Dunkel adaptierten Netzhaut operiert) doch nicht ausgeschlossen, dafs bei Einwirkung von gr\u00fcnem oder blauem Lichte auf das Auge eine negative Schwankung des Demarkationsstromes des Sehnerven zur Beobachtung komme. Allerdings mufs sick dann zeigen, dafs z. B. einem Gr\u00fcn von bestimmter Weifsvalenz eine geringere negative Stromesschwankung entspricht, als einem Rot von gleicher Weifsvalenz.\nZweitens ist zu bedenken, dafs jede direkte Reizung einer Netzhantstelle zugleich von einer indirekten Reizung der benachbarten Netzhautstellen begleitet ist, und dafs das zur Beobachtung kommend\u00a9 elektromotorische Verhalten des Sehnerven von dem Einfl\u00fcsse sowohl der direkt als auch der indirekt gereizten Netzhautstellen abh\u00e4ngt. Angenommen z. B., es entspreche einer G-Erregung eine positive, einer R-Erregnmg","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\n6r\u00bb E. M\u00fcller*\nhingegen eine negative Stromesschwankung im Sehnerven, und es werde durch Licht in einer Anzahl von Sehnervenfasem eine fr-Erregung erweckt, so wird dem Einfl\u00fcsse, den diese {^Erregung auf das zur Beobachtung kommende elektromotorische Verhalten des Sehnerven aus\u00fcbt, der Einflufs entgegengesetzt sein, den auf das letztere die R-Erregung deijenigen Nervenfasern aus\u00fcbt, die den durch das gegebene Licht indirekt gereizten Netzhautstellen zugeh\u00f6ren.1 Und ein solches Gegebensein zweier einander entgegengesetzter Einfl\u00fcsse mufs nat\u00fcrlich die Deutlichkeit der zu erhaltenden elektromotorischen Wirkungen wesentlich verringern und unter Umst\u00e4nden auch die Deutung der erhaltenen Resultate einigermafsen erschweren.\nEndlich drittens kann man fragen, ob wirklich zwei einander entgegengesetzte Sehnervenerregungen von entgegengesetzten elektromotorischen \u00c4nderungen der erregten Nervengtellen begleitet sein m\u00fcfsten. Man kann fragen, ob es wirklich ganz undenkbar sei, dafs, ebenso wie z. B. zwei elektrische Str\u00f6me, die nacheinander einen und denselben Stromkreis in entgegengesetzter Richtung durchfliefsen, trotz ihres Gegensatzes in dem Stromkreise dieselben W\u00e4rme- und Lichtwirkungen zur Folge haben k\u00f6nnen, auch zwei entgegengesetzte Erregungen, die nacheinander in demselben Nerven ablaufen, von gleichsinnigen Stromesschwankungen begleitet seien. Die Beantwortung dieser Frage h\u00e4ngt von der Art und Innigkeit des Zusammenhanges ab, den man zwischen den Nervenerregungen einerseits und den Stromesschwankungen andererseits anzunehmen hat. Dafs nun dieser Zusammenhang ein nur sehr wenig enger ist, scheint sich erstens aus denjenigen Versuchsresultaten zu ergeben, nach denen bei elektrischer Nervenreiz ung, \u201ewobei alle Fasern gleichzeitig und, gleich stark erregt werden, unter Umst\u00e4nden die negative Schwankung auffallend schwach ist oder ganz fehlt___An einem k\u00fcnstlich abgek\u00fchlten Kaninchen\n1 Noch viel komplizierter und f\u00fcr eine weitergehende theoretische Verwertung zur Zeit ganz unzul\u00e4nglich liegen, wie schon fr\u00fcher angedeutet, die Verh\u00e4ltnisse, wenn die \u00d6rtlichkeiten, wo die ableitenden Elektroden angelegt sind, so gew\u00e4hlt sind, dafs di\u00a9 zur Beobachtung kommenden Stromesschwankungen von dem Verhalten nicht blols der Sehnervenfasern, sondern auch noch anderer Teile des Sehorganes, vor allem der Netzhaut (Kontraktion der Zapfenmyoide u. dergl.), abh\u00e4ngen k\u00f6nnen.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"Zm Psychophysik der Qesichtsempfindungm.\n11\nliefe sich keine Spmr negativer Schwankung nach weisen, obschon 'dieselbe Erregung des H\u00fcffcn erven die Muskeln zu st\u00e4rkstem Tetanus anregte\u00ae4, (Biedermann a.a.O. S. 660). Zweitens geh\u00f6rt hierher die Thatsache, dafs die \u201eherzhemmenden V&gus-fasern, deren Erregung eine positive Schwankung des Muskelstromes bedingt, sich selbst in Bezug auf ihr galvanisches Verhalten bei der Erregung in nichts von anderen Nervenfasern unterscheiden\u00ae4 (Biedermann, a. a. O. S. 663). Brittens erinnern wir an die Versuche von Kaiser (Zeitschr, f Biol., 28, 1891, S. 417 ff.), bei denen die tetanisierende Wirkung eines chemischen Nervenreizes durch einen zweiten, an h\u00f6her gelegener Nervenstelle angebrachten Beiz eine Hemmung erfuhr, w\u00e4hrend das Kapillarelektrometer bei Einwirkung eines ebensolchen hemmenden Beizes eine Zunahme der negativen Schwankung anzeigte.1 Endlich viertens kann man hier, allerdings in mehr indirekter Weise, sich auch auf di\u00a9 Thatsache st\u00fctzen, dafs der seiner Kontraktilit\u00e4t und seines Leitungsverm\u00f6gens v\u00f6llig beraubt\u00a9 \u00c4thermuskel dennoch die F\u00e4higkeit besitzt, im Falle elektrischer Durch Str\u00f6mung einen positiv anodischen Nachstrom herzugeben (Biedermann, a. a. O. S. 383 f.). Dieses Verhalten\n1 Kaiser erkl\u00e4rt dies\u00a9 Yersuchsresultate daraus, \u201edafs die von den beiden Beizen erzeugten Erregungswellen mehr oder weniger mit einander verschmelzen und die Amplituden der Schwankungswellen unter den Grenzwert sinken, welcher f\u00fcr die Hervorrufung einer Wirkung auf den Muskel notwendig ist.\u201c Allein wenn zu einem Beize, welcher \u00a9ine Beih\u00a9 von Erregungswellen hervorruft, noch ein anderer Beiz hinzukommt, welcher gleichfalls eine Beihe von Erregungswellen im Nerven bewirkt, so wird es allerdings unter Umst\u00e4nden gelegentlich verkommen, dafs die Wellenberge, welche von dem einen Beize herr\u00fchren, in der Weise in die Wellenth\u00e4ler des von dem anderen Beize herr\u00fchrenden Wellenzuges hineinfallen, dafs \u201edie Amplituden der Schwankungswellen\u201c verringert werden. Aber neben diesem Falle mufs sehr h\u00e4ufig auch der Fall, Vorkommen, wo sich die Wellenberge des einen Wellenzuges auf diejenigen des anderen Wellenzuges superponieren und mithin die Amplituden der Schwankungswellen ausgiebiger ausfallen als bei Einwirkung nur eines Beizes. Nimmt man also an, dafs die Wirkung auf den Muskel von der Amplitude der im Nerven sich folgenden Schwankungswellen ab h\u00e4nge, so ist nach den von Kaiser hinsichtlich der negativen Schwankung erhaltenen Besultaten zu erwarten, dafs sich bei gleichzeitiger Applikation zweier Nervenreize im Vergleich zu dem Falle der Einwirkung nur eines Beizes in wechselnder Weise bald eine Hemmung, bald eine Steigerung, bald ein ann\u00e4herndes Unver\u00e4ndertsein der tetani-sierenden Wirkung ergebe.","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"If\nCr. K M\u00e9Ser.\nbeweist, dafs die elektrische Negativit\u00e4t einer durch einen Beiz ver\u00e4nderten Muskelstelle noch vorhanden sein kann, wo jede Spur eigentlicher Erregbarkeit geschwunden ist. Hach alle dem erscheint es \u00e4ufserst zweifelhaft, ob der Zusammenhang zwischen Nervenerregungen und Stromesschwankungen von der Art sei\u00bb dafe 'einem Gegens\u00e4tze der ersteren zugleich ein entgegengesetztes Verhalten der letzteren entsprechen, m\u00fcsse.\nWas das zur Zeit vorliegende thats\u00e4chliche Material hinsichtlich des elektromotorischen Verhaltens des erregten Sehnerven an belangt, so hat bekanntlich K\u00fchne (Heidelb. Unters. 4. 8. 12off.) an einigen Tierarten (Fischen und Fr\u00f6schen) festgestellt, dais der Demarkationsstrom des Sehnerven bei Einwirkung von Licht auf die Netzhaut eine negative Schwankung erfahrt, di\u00a9 w\u00e4hrend der Dauer des Lichtreizes (mit abnehmender Ausgiebigkeit) bestehen bleibt und bei Abschluss der Be* 'Mehlung von einer abermaligen negativen Schwankung gefolgt ist. Es fragt sich nun, ob sich aus den Resultaten dieser Versuche K\u00fchnes etwas hinsicht\u00fcch der Frage ergiebt, ob solchen Seh nerv enerregungen, die wie z. B. die R- und G-Erregung auf Einwirkung entgegengesetzter Kr\u00e4fte auf den Sehnerven beruhen, auch entgegengesetzte Stromesschwankungen entsprechen. ln dieser Hinsicht kann nach dem oben \u00fcber die Mitwirkung der Weife Valenzen Bemerkten nur wenig Gewicht auf den Umstand gelegt werden, dafe K\u00fchne mehr beil\u00e4ufiger-weise, und zwar mit geringerem Erfolge, auch, mit \u201eleidlich monochromatischem\u201c roten, gelben, gr\u00fcnen oder blauvioletten Lichte operiert hat. Wichtiger kann der Umstand erscheinen, dafe nach K\u00fchnes Versuchen die Beendigung einer Reizung1 durch weifees Licht ebenso wie die Herstellung einer solchen eine negative Stromesschwankung zur Folge hat. Dieses Verhalten scheint darauf hinzu weisen, dafe die S-Erregung, welche dem negativen Nachbild\u00a9 muss weifeen Lichtes entspricht, von einer gleichsinnigen Stromesschwankung begleitet ist, wie die W-Erregung, welch\u00a9 durch das weife\u00a9 Licht unmittelbar erweckt worden ist. Allein diese Deutung wird dadurch einigermafsen unsicher, dafe die Versuche K\u00fchnes nicht am menschlichen Sehorgane, sondern an Sehorganen angestellt sind, betreffs deren wir nicht mit Sicherheit wissen, inwieweit sie hinsichtlich der Arten und Gesetzm\u00e4feigkeit der in ihnen","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungcn.\n13\nablanfenden Vorg\u00e4nge mit dem menschlichen Sehorgane \u00fcbereinstimmend\nAns vorstehenden Darlegungen d\u00fcrfte sich hinl\u00e4nglich ergeben, dafs in der That die zur Zeit herrschende Ausl\u00f6sungshypothese einer gen\u00fcgenden Begr\u00fcndung entbehrt und eine aiohere Entscheidung zwischen der Ausl\u00f6sung\u00ab- und St\u00f6rungshypothese zur Zeit nicht gegeben werden kann, und dafs mithin auch die Frage unentschieden gelassen werden mufs, ob solche Sehnervenerregungen, welche wie z. B. die B- und \u00d6-Erregungen auf Einwirkung entgegengesetzter Kr\u00e4fte aut den Sehnerven beruhen, auch selbst als einander entgegengesetzte Vorg\u00e4nge zu bezeichnen sind.\n\u00a7 30. Weiteres \u00fcber die Sehnervenerregungen und ihre Erweckung durch die Netzhautprozesse.\nWir lassen hier noch eine Seihe verschiedener Ausf\u00fchrungen hinsichtlich der Sehnervenerregungen und ihrer Erweckung durch die Netzhautprozesse folgen, welche zum Teil dazu dienen, einschlagenden Ansichten gegen\u00fcber Stellung zu nehmen.\n1. Hinsichtlich der Art und Weise, wie die Netzhautprozess\u00a9 Anlafs zur Entstehung der Sehnervenerregungen geben, scheinen von vornherein zwei Ansichten in Betracht zu kommen. Nach der \u00a9inen Ansicht, welche von Bernstein ( Untersuchungen \u00fcber den Erregungsvorgang im Nerven- und MuskelsysteMj Heidelberg 1871, S. 133) vertreten worden ist, geht die Beizung der nerv\u00f6sen Substanz von den Netzhautprozessen selbst aus, nach der anderen, von K\u00fchne (Hermanns Handb. d. Physiol 3, 1, S. 327) vertretenen, \u201emehr stofflichen\u201c Auffassung geht die Beizung von den durch die Netzhautprozesse entstehenden Zersetzungsprodukten aus, welche das Verm\u00f6gen besitzen sollen, \u201eSehzellenprotoplasma chemisch zu reizen\u201c.\nK\u00fchne entscheidet sich gegen die erster\u00a9 Ansicht deshalb, weil der Umwandlungsprozeis der Sehstoffe \u201eh\u00f6chstwahrscheinlich mit dem Momente der Entziehung des Lichtes abschliefst,\n1 Setzt man bei Versuchen der in Bede stehenden Art nur einen beschr\u00e4nkten Netzhautbezirk der Einwirkung weifsen Lichtes aus, so ist zu erw\u00e4gen, ob di\u00a9 beim Aufh\u00f6ren der Belichtung eintretende, abermalige negative Schwankung nicht von der successiven Licht-Induktion herr\u00fchren k\u00f6nne. Wir \u00fcbersehen nicht, ob dieser Gesichtspunkt auf die obigen Versuche K\u00fchnes Anwendung findet.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nG. E. M\u00fcller\nw\u00e4hrend das Auge an Nachempfindung bekanntlich jedes andere Sinnesorgan \u00fcberbietet\u201c. Wir brauchen nicht weiter ans-zuf\u00f6hren, dafs unsere Theorie, nach welcher es gleichfalls der Ablauf gewisser Netzhautprozesse selbst ist, welcher erregend wirkt, (wegen der Hereinziehung der photochemischen Induktion) von diesem Einwande nicht getroffen wird* Andererseits ist leicht zu erkennen, dafs K\u00fchnes Ansicht mit unserer Auffassung einen wesentlichen Punkt gemeinsam hat und bei sachgem\u00e4fser Durchf\u00fchrung ganz von selbst auf letztere hinf\u00fchrt. Denn ebenso wie wir annehmen, dafs z. B. die durch weifses Licht direkt bewirkte Umwandlung von N-Material in W-Material nicht unmittelbar selbst, sondern nur mittelbar durch die von ihr hervorgerufene Umwandlung von TT-Material in S-Material erregend auf den Sehnerven wirke, so soll auch nach K \u00fchne der durch das Licht in der Netzhaut bewirkte Zer-setzungsprozefs nicht selbst erregend wirken, sondern die erregende Wirkung soi von den Zersetzungsprodukten ausgehen. Es fragt sich nun weiter, wie diese Zersetzungsprodukte erregend wirken seien. Durch ihre blofse Gegenwart k\u00f6nnen sie nicht erregend wirken,1 sondern nur dadurch, dafs sie (sei es in Gemeinschaft mit anderen Stoffen, sei es ohne solche) als Substrat eines zweiten chemischen Prozesses dienen, welcher entweder selbst oder durch die entstehenden Reaktionsprodukte erregend auf den Sehnerven wirkt. Nimmt man an, dafs dieser zweite chemische Prozefs direkt selbst erregend wirkt, so bekennt man sich zu einer Ansicht, die mit der unsrigen v\u00f6llig tibor-einstimmt. W\u00fcrde man annehmen, dafs dieser zweite Prozefs durch die bei ihm entstehenden Reaktionsprodukte erregend wirke, so w\u00fcrde sich wieder die Frage erheben, ob der dritte chemische Prozefs, durch dessen Hervorrufen diese letzteren Reaktionsprodukte erregend wirken, direkt selbst oder durch die bei ihm entstehenden Zersetzungsprodukte auf den Sehnerven wirken solo, u. s. w. Kurz die Ansicht K\u00fchnes, nach welcher die in der Netzhaut durch Licht hervorgerufenen chemischen Prozesse nicht direkt selbst, sondern durch ihre\n1 Man m\u00fcfiste dann gerade die Hypothese aufstellen, dafs diese Zersetzungsprodukte di\u00a9 Sehnerven erregungen, welche chemische Vorg\u00e4nge seien, auf katalytischem Weg\u00a9 f\u00f6rderten, eine Hypothese, deren Absonderlichkeit und Unzul\u00e4nglichkeit (z. B. den negativen Nachbildern gegen\u00fcber) hier nicht erst weiter dargelegt zu werden braucht.","page":14},{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gceichtsempf\u00eendungcn.\n15\nZersetzungsprodukte erregend wirken sollen, fuhrt bei n\u00e4herer Durchf\u00fchrung ganz von selbst zu den von uns (in \u00a7 21) entwickelten Anschauungen. Zu dieser Behauptung glauben wir um so mehr berechtigt zu sein, als kein Anderer als K\u00fchne selbst in Beziehung auf das Wesen der chemischen Reizungen gelegentlich Folgendes bemerkt(Heidelb.Unters., 4, S. 270): \u201eWenn man die Frage auf die Spitze treibt, wird schliefslich \u00fcberhaupt kaum etwas Anderes \u00fcbrig bleiben, als jeglicher chemischen Ver\u00e4nderung in irritablem Massen in erster Instanz elektrische Erfolge zuzuschreiben, und alle physiologische Reaktion als weitere Folge der elektrischen Ver\u00e4nderung aufzufassen.44 Elektrische Erfolge k\u00f6nnen nicht von ruhenden Zersetzungsprodukten ausgehen, sondern nur von solchen, welche als Substrat eines chemischen Prozesses dienen.\n2.\tTeilt man die Annahme, f\u00fcr welche triftige Gr\u00fcnde vorliegen, dafs die photoohemischen Netzhautprozesse, die unseren Gesichtsempfindungen zu Grunde liegen, in den Aufsengliedem der Zapfen und St\u00e4bchen sich abspielen, so ist es wohl das naheliegendste, mit K\u00fchne (Hermann*s Handb. d. Physiol, 3, 1, S. 327) in dem Protoplasma der Innenglieder denjenigen Teil zu erblicken, in welchem durch die in den Aufsengliedern stattfindenden Netzhautprozesse die von uns als Sehnervenerregungen bezeichneten Vorg\u00e4nge hervorgerufen werden. Denkbar w\u00e4re es allerdings auch, dafs letztere Vorg\u00e4nge schon in den Aufsengliedem selbst ihren Ursprung nehmen.\n3.\tAn Vorstehendes schliefst sich die Frage an, ob sich die sechs Grunderregungen des Sehnerven s\u00e4mtlich in denselben Nervenfasern abspielen sollen, oder etwa den drei optischen Spezialsumen entsprechend drei verschiedene Gattungen oder etwa gar den sechs Grunderregungen entsprechend sechs verschiedene Gattungen von Sehnervenfasern anzunehmen seien. Hierzu ist zu bemerken, dafs von der letzten der hier erw\u00e4hnten drei Annahmen schon deshalb abgesehen werden mufs, weil sie nicht zu dem oben (S. 3 ff.) begr\u00fcndeten Satze stimmt, dafs zwei Nervenerregungen, welche einer Grundfarbe und der dazu geh\u00f6rigen Gegenfarbe entsprechen, auf entgegengesetzten Beeinflussungen eines und desselben Materials beruhen, und unbegreiflich l\u00e4fst, weshalb bei Funktionsst\u00f6rungen der nerv\u00f6sen Sehbahn nicht auch und zwar sehr h\u00e4ufig F\u00e4lle Vorkommen, wo von den sechs Grunderregungen des Sehnerven nur eine","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nG E. MnUtr.\neinzige oder eine Dreizahl ausf\u00e4llt. Die zwei ersten Annahmen vertragen sich beide mit dem Umstande, dais das Erregungspaar jedes der drei optischen Spezialsinne sich an seinem besonderen Materiale abspielt. Allein man kann sich nicht verhehlen, dafs die Annahme dreier verschiedener Fasergattungen1 des Sehnerven mit den Resultaten der modernen anatomischen Untersuchungen der Retina nicht in Einklang zu. bringen ist. Denn nach dieser Annahme sollte man erwarten, dafs auf jeden Zapfen mehrere (drei) zu ihm in besonderem Zusammenh\u00e4nge stehende Sehnervenfasem entfallen, w\u00e4hrend thats\u00e4chlich genau das Umgekehrte der Fall ist, n\u00e4mlich (abgesehen von der Netzhautgrube) jede Sehnervenfaser von einer Mehrzahl einander benachbarter Zapfen oder St\u00e4bchen in ihrem Erregungszust\u00e4nde bestimmt wird (\u201el\u2019impression lumineuse se concentre de plus en plus \u00e4 mesure qu\u2019elle traverse la r\u00e9tine\u201c).* *\nWenn wir annehmen, dafs in einer und derselben Sehnervenfaser eine Sechszahl qualitativ verschiedener Erregungen hervorgerufen werden k\u00f6nne, so wird man uns vielleicht auf die Ansicht verweisen, nach welcher Erregungen, welche in einer und derselben Nervenfaser entstehen, nur Intensit\u00e4ts-, nicht aber auch Qualit\u00e4tsunterschiede zeigen sollen, eine Ansicht, welche mit so vielem Erfolge im Gebiete des H\u00f6rsinnes durch-gef\u00fchrt worden sei und im Gebiete des Hautsinnes durch die Untersuchungen von Bltx, GoIiBSCheedee u. A. eine \u00fcberraschende Best\u00e4tigung gefunden habe. Hierzu ist Folgendes zu. bemerken:\nEine Faser des H\u00f6merven steht mit einem Teile der Grandmembran in Verbindung, welcher nach physikalischen Gesetzen nur durch T\u00f6ne, die einer engbegrenzten Region der Tonskala\n1 Richtiger w\u00e4re es, statt von Fasergattungen, von Neuronenarten zu reden.\n* Man vergleiche Ramos y Cajal in La Cellule^ 11, 1893, S. 243 f. ; Kalliub in den Anat. Heften, 3, 1894, S. 560f. und 572 f. Nat\u00fcrlich w\u00fcrde die Annahme von sechs verschiedenen Gattungen von Sehnervenfasem mit den erw\u00e4hnten anatomischen Untersuchungsergebnissen erst recht nicht vereinbar sein. Best\u00e4nde unser Sehnerv aus drei verschiedenen Fasergattungen, so w\u00fcrde \u00fcbrigens nach dem in \u00a7 8, S. 42 Bemerkten die Erwartung nahe liegen, dafs es uns z. B. bei Gegebensein einer rotblauen Helligkeit m\u00f6glich w\u00e4re, durch geeignete Anstrengung der sinnlichen Aufmerksamkeit uns das Rot oder Blau der Helligkeit gesondert zum. Bewufstsein zu bringen.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n17\nangeh\u00f6ren, in merkbare Schwingungen versetzt werden kann.\n\u2022 Die Art und Funktionsweise des peripherischen Endorganes, mit welchem eine H\u00f6mervenfaser verkn\u00fcpft ist, bringt es also notwendig mit sich, dafs diese Faser nur auf T\u00f6ne, die einander qualitativ sehr nahe stehen, mit Erregung zu reagieren hat (und eine dieser Bestimmung entsprechende spezifische Beschaffenheit besitzt).1 Hingegen stehen die Sehnervenfasern mit peripherischen Endapparaten in Verbindung, deren Art und Funktionsweise es nicht im mindesten ausschliefst, dafs auf eine und dieselbe Sehnervenfaser eine Mehrzahl wesentlich verschiedener Vorg\u00e4nge ein wirke. Es beruht mithin nur auf einer die Besonderheiten der Verh\u00e4ltnisse \u00fcbersehenden Schablonen* haftigkeit des Denkens, wenn man die durch die Eigent\u00fcmlichkeit der peripherischen Endapparate des H\u00f6rsinnes bedingte Thatsaehe, dafs in einer H\u00f6rnervenfaser nur solche Erregungen sich abspielen, die in qualitativer Hinsicht keine oder nur sehr gering\u00a9 Unterschiede darbieten, zu einem Gesetze aufbauscht, nach welchem in jeder Nervenfaser, auch in jeder Faser des Sehnerven, nur Erregungen von einer einzigen Qualit\u00e4t entstehen k\u00f6nnten. Was die Best\u00e4tigung anbelangt, welche letzteres Gesetz durch die Untersuchungen von Blix und Goldscheider im Gebiete des Hautsinnes erfahren haben soll, so hat Kibsow ( Wundts Ph\u00fcos. Studien 1 11, S. 146) bei semen vor kurzem, ver\u00f6ffentlichten Versuchen hier\u00fcber \u201ekaum einen K\u00e4ltepunkt11 gefunden, \u201eauf dem nicht von einem gewissen (bei 47\u00b0\u201460\u00ae C. liegenden) Punkt an eine W\u00e4rmeempfindung beobachtet wurde.\u201c Hiernach scheint die einer W\u00e4rmeempfindung entsprechende Nervenerregung auch in den sogenannten K\u00e4ltenervenfasem entstehen zu k\u00f6nnen; nur ist der mit diesen Nervenfasern verkn\u00fcpfte peripherische Endapparat von der Art, dafs er zwar di\u00a9 Erweckung der der K\u00e4lteempfindung entsprechenden Erregung durch niedere Temperaturen (und inad\u00e4quate Reize) er-\n1 Hierbei fragt sich, ob die Qualit\u00e4t der Erregung, die in einer und derselben H\u00f6mervenfaser entsteht, bei Einwirkung verschiedener (wenn auch einander sehr benachbarter) T\u00f6ne immer dieselbe ist oder je nach der Schwingungszahl des einwirkenden Tones etwas verschieden ausf\u00e4llt. Nach den Ausf\u00fchrungen von St\u00fcmpp (Tonpsychologie, 2, S. 111 ff.) haben wir Grund, das Letztere anzunehmen. Hiernach entspricht die Behauptung, dais die Erregungen einer und derselben Nervenfaser nur Intensit\u00e4t\u00abunterschiede zeigen k\u00f6nnen, nicht einmal im Gebiete des H\u00f6rsinnes streng dem Thatbestande !\nZeitschrift Ar Psychologie XIV.\n2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nleichtert, hingegen die der W\u00e4nneempfindung entsprechende Erregung nur durch sehr hohe Temperaturen erwecken l\u00e4fst. * Wie wenig befriedigend sich endlich die Lehre, dafs jeder Erregungsqualit\u00e4t eine besondere Art von Nervenfasern entsprechen m\u00fcsse, im Gebiete des Gesichtssinnes durchf\u00fchren l\u00e4fst, braucht nach dem Bisherigen kaum erst hervorgehoben zu werden. Wie Bamon y Gajal u. A. ausdr\u00fccklich bemerken, sind die Sehzellen (St\u00e4bchen und Zapfen) im Grunde zu den Neuronen zu rechnen. Soll also wirklich jedes Neuron nur Erregungen von einer einzigen Qualit\u00e4t leiten k\u00f6nnen, so m\u00fcfsten sechs (nach Young-Helmholtz drei) verschiedene Arten von Zapfen existieren, deren jede der Entstehung und Weiterleitung nur einer einzigen Art von Sehnervenerregungen diente. Die Beobachtung l\u00e4fst uns aber eine derartige regelrechte Scheidung der Zapfen in sechs Arten nicht erkennen. Aber angenommen auch, benachbarte Zapfen w\u00e4ren von sechsfach verschiedener Funktion, so w\u00fcrde nach den oben (S. 16) erw\u00e4hnten Ergebnissen der anatomischen Forschung doch anzunehmen sein, dafs die Nervenerregungen, welche benachbarte, zueinander geh\u00f6rige Sehzellen von verschiedener Funktion entstehen lassen, nicht stets nach verschiedenen Sehnervenfasern, sondern sehr h\u00e4ufig nach einer und derselben Sehnervenfaser hingeleitet werden. Nimmt man nur eine einzige Art von Zapfen an, so kommt man vom Standpunkte der hier bek\u00e4mpften Ansicht aus erst recht nicht aus der Verlegenheit. Wir wissen durch Ram\u00f6n y Cajal (a. a. 0. S. 227 ff.), dafs in der Fovea jeder (ganz sicher nicht der Erweckung nur einer einzigen Art von Erregungen dienende) Zapfen mit blofs einer bipolaren Zelle in Verbindung steht, und wir haben nach Helmholtz (Physiol. Optik, 2. Aufl. S. 255 ff.) guten Grund zu der weiteren Annahme, dafs jeder Foveazapfen auch nur mit einer einzigen Sehnervenfaser in Zusammenhang steht. Diese Verh\u00e4ltnisse lassen sich mit dem Dogma, dafs jedes Neuron nur Erregungen einer einzigen Qualit\u00e4t fortleite, absolut nicht vereinen. Erst zeige man uns die M\u00f6glichkeit, dafs jede Zapfenfaser und jede Sehnervenfaser wirklich nur Erregungen von einer einzigen Qualit\u00e4t leite, dann wollen wir weiter \u00fcber jenes Dogma verhandeln.1 Dafs auch die Er-\n\u00ea\n1 Mit jenem Dogma f\u00e4llt notwendigerweise auch die Ansicht, nach welcher die Fortpflanzung der Nervenerregung auf der elektrischen Negativit\u00e4tswelle beruht. Diese Negativit\u00e4t6welle zeigt nur quantitative","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychephysik der Gesichtsempfindungen.\n19\nacheinungen der nicht peripherisch bedingten Farbenblindheit durch die Annahme von 6 verschiedenen Alten von Sehnerven-fasem nicht befriedigend erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnten, ist schon oben hervorgehoben worden.\n4) Es ist Zeitverlust, sich bei der Ansicht aufzuhalten, nach welcher die sogenannten spezifischen Energien den Sinnesnervenfasern abznspreohen sind, weil diese keine wahrnehmbaren Strukturunterschiede zeigen, und lediglich den betreffenden Ganglienzellen zukommen (welche aber ebensowenig wie die Nervenfasern die irrt\u00fcmlich verlangten \u00e4ufserlich erkennbaren Strukturunterschiede darbieten!).1 Wenn Stumpf (Tonpsychol., 2, S. 109 f.) zur Rechtfertigung dieser Ansicht bemerkt, es sei doch von vornherein das Wahrscheinlichste, dafs die spezifischen Energien denselben Sitz hatten, wie die Empfindungen, und diese keinen anderen als die zentralen Ganglienzellen, so verstehen wir erstens nicht, welche Gesichtspunkte biologischer oder sonstiger Art es als das Wahrscheinlichste erscheinen lassen, dafs die spezifischen Energien nur denjenigen Teilen der sensorischen Nervenbahnen zukommen, in denen die Empfindungen unmittelbar ausgel\u00f6st werden, und zweitens m\u00f6chten wir den Beweis f\u00fcr die Voraussetzung kennen lernen, dafs nur die zentralen Ganglienzellen, und nicht vielmehr die zentralen Neuronen in ihrer Ganzheit die St\u00e4tten seien, wo die Empfindungen unmittelbar hervorgerufen werden. Die Ansicht vom, aus\u00dfchliefslichen Sitze der spezifischen Energien in den\nUnterschiede; mithin k\u00f6nnte auch eine mit ihrer H\u00fclfe in der Nerven faser fortgepflanzte Erregung nur quantitative Verschiedenheiten zeigen. F\u00e4llt die Ansicht, nach welcher die Fortpflanzung der Nervenerregung auf der elektrischen Negativit\u00e4tswelle beruht, so f&llt endlich auch die M\u00f6glichkeit, die im polarisierten Nerven einge treten en Erregbarkeits\u00e4nderungen auf den Satz vom polarisatorischen Inkrement zur\u00fcckzuf\u00fchren (man vergleiche Hermann in seinem Handb. d. Physiol, 2, 1, S. 195 \u00a3.). Es scheint uns also einigermafsen wichtig, dafs man endlich dazu \u00fcbergehe, zu zeigen, wie die modernen anatomischen Anschauungen von den Verh\u00e4ltnissen in der Netzhaut mit der Ansicht vereinbar seien, dafs jede Sehnervenfaser und bipolare Zelle und Zapfenfaser nur Erregungen von einer einzigen Qualit\u00e4t leite. Macht man die Fortpflanzung der Nervenerregung von der Kernleiternatur der Nervenfasern abh\u00e4ngig, so wird man sich \u00fcbrigens mit Ramon t Cajal auch wegen der Frage auseinandersetzen m\u00fcssen, wo der Kernleiter an denjenigen Stellen bleibe, wo die Erregung von einem Neuron auf ein anderes \u00fcbergeht.\n1 Man vergleiche 'hierzu z. R. Hering in, Loto\u00df, 5, 1884, 8* 116 f.","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\n&. E. Muller,\nzentralen Ganglienzellen, wie sie auch in der obigen Auslassung Stumpfs hervortritt, scheint von der anatomischen Anschauung auszugehen, da\u00df zwischen den zentralen Ganglienzellen einerseits und den peripherischen Sinnesapparaten andererseits die Sinnesnervenfasem Telegraphendr\u00e4hten vergleichbar als einziges und ununterbrochenes Verbindungsmittel ausgespannt seien. Da nun,, wie Stumpf (a. a. 0.) geltend macht, Halluzinationen auch 'bei Atrophie der betreffenden Sinnesnerven verkommen, so folgt', dais die zentralen Ganglienzellen der Sitz der Empfindungen sind, nnd die Frage scheint sich zu erheben, ob sie nicht auch der ausschlie\u00dfliche Sitz der spezifischen Energien seien. Thats\u00e4chlich sind aber bekanntlich in die sensorischen Nervenbahnen an verschiedenen Orten (z. B. schon in der Betina) Seihen von Ganglienzellen eingeschaltet, ebenso wie sich andererseits die Nervenzellenforts\u00e4tze auch innerhalb der Gro\u00dfhirnrinde finden. In Hinblick auf diesen Sachverhalt erscheint die Ansicht, dafs die zentralen Ganglienzellen (und nicht die zentralen Neuronen) der Sitz der Empfindungen seien, und vor allem die Annahme, da\u00df dieselben zugleich auch der ausschlie\u00dfliche Sitz der spezifischen Energien seien, als ein Produkt willk\u00fcrlichen Denkens. Letztere Annahme, nach welcher die Ganglienzellen die \u201e Erfolgsorgane u sind, in denen der in den Nervenfasern fortgeleitete, in allen Nervenfasern die gleiche Beschaffenheit besitzende Vorgang (etwa die Negativit\u00e4tswelle) di\u00a9 unseren Empfindungen zu Grunde liegenden Erregungen erst hervorruft, beruht in leicht ersichtlicher Weise auf der Voraussetzung, dafs der in einer und derselben Nervenbahn fortgeleitete Vorgang qualitative Verschiedenheiten nicht darbiete. Wir haben gesehen, wie unhaltbar diese Voraus. Setzung ist. In welchem Lichte sich endlich jene Annahme nach der modernen Lehre vom einheitlichen Neuron, nach welcher die Ganglienzelle nur in nutritiver Hinsicht eine beherrschende Stellung im Neuron einnimmt, darstellt, und wie unbegreiflich und unhaltbar es sein w\u00fcrde, wenn man etwa in der Kette von Neuronen, welche eine sensorische Nervenbahn bilden, nur dem letzten (zentralsten) Glied\u00a9 die spezifischen Energien zusprechen wollte, braucht nach dem Bisherigen nicht erst ausgeflihrt zu werden.\n5) Wie sich aus dem Fr\u00fcheren ergiebt, liegt unseren Ausf\u00fchrungen die Voraussetzung zu Grunde, da\u00df entgegengesetzte","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychopkystk der Gesichtsempfindungen.\n21\nNetzbautprozesse nur nach Mafsgabe der Differenz ihrer Intensit\u00e4ten auf den Sehnerven wirken, dafs also z. B., wenn ein B-Prozefs und ein ff-Prozefs in einem und demselben Zapfen gegeben sind, alsdann durch diese Prozesse nicht gleichzeitig B-Erregung und ff- Erregung im Sehnerven hervorgerufen wird, sondern, je nachdem das Vorzeichen der Differenz Jr\u2014Jg positiv oder negativ oder gleich 0 ist, entweder nur B-Erregung oder nur ff- Erregung oder keine von beiden Erregungen erweckt wird. Es fragt sich nun, ob wir diese Voraussetzung, dafs sich entgegengesetzte Netzhautprozesse bei ihrer Einwirkung auf eine 'und dieselbe Sehnervenfaser gegenseitig kompensieren, nur als eine allerdings sehr plausible Annahme einf\u00fchren oder einen Beweis f\u00fcr dieselbe zur Verf\u00fcgung haben. In dieser Hinsicht ist Folgendes zu bemerken.\nWir k\u00f6nnen beweisen, dafs Nervenerregungen, welche wie die B- Erregung und ff-Erregung durch entgegengesetzte Kr\u00e4fte hervorgerufen werden, sich nicht gleichzeitig nebeneinander in einer und derselben nerv\u00f6sen Bahn (Nervenfaser u. dergl.) fortpflanzen k\u00f6nnen. Angenommen also, bei gleichzeitigem Vor-handensein eines B- nnd eines ^-Prozesses in einem Zapfen entst\u00e4nde in der ersten Schicht der sich ansch\u00fcefsenden nerv\u00f6sen Bahn eine B- und eine ff-Erregung, so w\u00fcrden sich dennoch diese beiden Erregungen nicht nebeneinander in der Nervenbahn fortpflanzen, sondern es wurde nur die erstere oder letztere oder keine von beiden Erregungen weitergeleitet werden, indem f\u00fcr die St\u00e4rke der weitergeleiteten Erregung die Intensit\u00e4tsdifferenz der beiden in der ersten Schicht der nerv\u00f6sen Bahn vorhandenen Erregungen mafsgebend w\u00e4re. Es l\u00e4uft also die Sache in dem soeben angegebenen Falle auf dasselbe hinaus, wie wenn die beiden in einem und demselben Zapfen vorhandenen entgegengesetzten Netzhautprozesse nur nach Maisgabe der Differenz .ihrer 'Intensit\u00e4ten auf die nerv\u00f6se Sehbahn erregend wirken. Den Beweis f\u00fcr die Behauptung, dafs sich Nervenerregungen, die auf Einwirkung entgegengesetzter Kr\u00e4fte beruhen, nicht nebeneinander in derselben nerv\u00f6sen Bahn fortpflanzen k\u00f6nnen, f\u00fchren wir folgendermafsen.\nHinsichtlich der Art und Weise, wie sich die Nervenerregung von einer von derselben bereits ergriffenen Schicht einer Nervenbahn, welche hier kurz als die Vorschicht be. zeichnet werden m\u00f6ge, auf die unmittelbar folgende, an der","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"G. E. M\u00fbllet.\n22\nErregung noch nicht beteiligt\u00a9 Schicht (Nachschicht) fortpflanzt, sind von vornherein zwei Annahmen denkbar. Man kann n\u00e4mlich erstens meinen, dafs die Fortpflanzung der Erregung durch molekulare Einzelwirkung, d. h. dadurch zu st\u00e4nde komme, dafs einzelne Molek\u00fcle der Vorschicht, welche durch den Er-regungsprozefs ver\u00e4ndert sind, oder gewiss\u00a9 Zersetzungsprodukte der von dem Erregungs vor gange betroffenen Molek\u00fcle der Vor-schioht infolge der W\u00e4rmebewegung und etwaiger anderer Kr\u00e4fte .in un,mittelbare N\u00e4he zu einzelnen Molek\u00fclen (oder Gruppen zusammengeratener Molek\u00fcle) der NaehscMcht geraten und diese Molek\u00fcle durch unmittelbare Einwirkung irgendwelcher Art zum Eintritt in den Erregungszustand veranlassen. Zweitens kann man annehmen, dafs die Fortleitung der Erregung durch Schicht en Wirkung, d. h. in der Weise erfolge, dafs die Wirkung, welche ein an dem Erregungszust\u00e4nde beteiligter Bestandteil der Vorschicht auf die unerregte Naoh-schicht aus\u00fcbt, sich direkt oder indirekt auf diese ganze Schicht oder wenigstens \u00a9inen gewissen Umkreis derselben erstreckt, und dafs mithin die Wirkungen, welche s\u00e4mtliche an dem Erregungsprozesse beteiligte Molek\u00fcle der Vorschicht auf die Nachschicht aus\u00fcben, infolge eines Zusammenfallens der Wirkungssph\u00e4ren dieser Molek\u00fcle nicht unabh\u00e4ngig voneinander verlaufen, sondern sich durch gegenseitige Verst\u00e4rkung oder Schw\u00e4chung zu einer einheitlichen Gesamtwirkung auf die Nachbarschaft vereinen. Auf Schichtenwirkung w\u00fcrde z. B. die Fortleitung der Nervenerregung dann beruhen, wenn sie den Anschauungen Hermanns entsprechend dadurch zu st\u00e4nde k\u00e4me, dafs der durch die elektrische Negativit\u00e4t der erregten Schicht bedingte Aktionsstrom diese Schicht selbst in Anelektro-tonns, hingegen die Nachschicht in Katelektrotonus versetzt. Eine Schichtenwirkung stellt ferner z. B. auch die elektrostatische Kraft dar, welche bei der Diffusion eines Elektrolyten dem Vorause\u00fcen der beweglicheren Jonen entgegen wirkt (Nernst, a. a. O. S. 308).\nWie nun leicht zu erkennen, k\u00f6nnen sich in dem Falle, dafs die Leitung durch molekulare Einzelwirkung erfolgt, Erregungen, welche durch Einwirkung entgegengesetzter Kr\u00e4fte entstehen, nebeneinander in dem leitenden Organ\u00a9 fortpflanzen. Denn facht das \u00a9ine Molek\u00fcl der Vorschicht den \u00a9inen Erregungszustand in einem Molek\u00fcle oder Molek\u00fclaggregat .der Nach-","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Pmfdh&physik der Gesichtsempfindungen.\n23\nSchicht an, so kann gleichzeitig ein anderes Molek\u00fcl der Vorschicht den auf der entgegengesetzten Kraftwirkung beruhenden Erregungszustand in einem, anderen Molek\u00fcle oder Molektll-aggregate der Nachschicht hervorrufen. Bei der Leitung durch molekulare Einzelwirkung gehen die der Leitung zu Grunde liegenden Wechselwirkungen zwischen den Molek\u00fclen der Vorschicht und denjenigen der Nachsohicht ganz unabh\u00e4ngig von* einander vor sich. Ganz anders hingegen im Falle der Leitung durch Schichtenwirkung. Angenommen, es gingen von den verschiedenen Bestandteilen der erregten Vorschicht ,Kr\u00e4fte aus, welche zum Teil in diesem, zum anderen Teil in genau entgegengesetztem Sinne auf die Bestandteile der noch unerregten Nachschicht wirken, so w\u00fcrden sich, falls die Nervenleitung durch Schichtenwirkung zu st\u00e4nde kommt, diese entgegengesetzten Kr\u00e4fte nach Mafsgabe ihrer Intensit\u00e4ten gegenseitig hemmen, und di\u00a9 Vorschicht w\u00fcrde \u00fcberhaupt nur mit der \u00fcberwiegenden dieser beiden einander entgegengesetzten Tendenzen zur aktuellen Einwirkung auf -die Nachschicht gelangen, in dieser nur den der \u00fcberwiegenden Tendenz entsprechenden Erregungszustand hervorrufen.\nNach Vorstehendem haben wir, um darzuihun, dafs sich Erregungen, die auf Einwirkung entgegengesetzter Kr\u00e4fte beruhen, nicht nebeneinander in einer und derselben Nervenbahn fortpflanzen k\u00f6nnen, nur noch den Beweis zu bringen, dafs die Nervenleitung nicht durch molekulare Einzelwirkung, sondern durch Schichtenwirkung zu stand\u00a9 kommt. Dieser Nachweis ist leicht zu erbringen. Beruht n\u00e4mlich die Nervenleitung auf molekularer Einzelwirkung, so mufs die Erregung bei ihrer Fortpflanzung schnell an Intensit\u00e4t verlieren. Denn von den am Erregungszustande beteiligten Molek\u00fclen oder den Erregungsprodukten der Vorschicht wird stets nur ein geringer Prozentsatz sofort in diejenige N\u00e4h\u00a9 zu Molek\u00fclen der Nachschicht geraten, bei welcher eine erregende Wirkung auf die letzteren Molek\u00fcle m\u00f6glich ist ; von den in den Erregungszustand hinein-gezogenen Molek\u00fclen oder den Erregungsprodukten der Nach-Schicht wird wiederum nur ein geringer Bruchteil auf einzelne Molek\u00fcle oder Molek\u00fclaggregate der dritten Schicht erregend wirken u. s. f. Beruht hingegen die Nervenleitung auf Schichtenwirkung, so braucht die Nervenerregung1 bei ihrer Fortpflanzung' nicht an Intensit\u00e4t abzunehmen, sondern kann konstant bleiben","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nG. JE. Muller.\nund, falls es sich bei der Erweckung der Erregung um Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften handelt, sogar lawinenartig anschwellen. Nun wissen wir, dafs nichts weniger als eine schnelle Abnahme der Erregungsintensit\u00e4t bei der Nervenleitung stattfindet. Mithin ergiebt sich, dafs letztere nicht auf molekularer Einzelwirkung beruht.\nZu dem gleichen Resultate gelangt man, wenn man die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Nervenerregung in Betracht zieht. Beruhte die Nervenleitung auf molekularer Einzelwirkung, so k\u00f6nnte sie nur von der Ghr\u00f6fsenordnung der Diffusionsgeschwindigkeit sein, welche gel\u00f6ste Salze u. dergL im Wasser besitzen. Denn die Kr\u00e4fte, welche im Falle von Leitung durch molekulare Einzelwirkung einzelne Molek\u00fcle oder Erregungsprodukte der jeweilig erregten Schicht in die darauf folgende Schicht hineinf\u00fchren, sind von derselben Art, wie diejenigen Kr\u00e4fte, welche bei der Diffusion gel\u00f6ster Stoffe im Spiele sind. Nun ist die Diffusionsgeschwindigkeit solcher Stoffe ganz unvergleichbar geringer als die Geschwindigkeit der Nervenleitung. \u201eMan denke sich in einem prismatischen Gef\u00e4fse von grofser H\u00f6he den Boden 10 cm hoch mit Kochsalzl\u00f6sung bedeckt, welche 10 g Salz enth\u00e4lt. Dar\u00fcber sei in beliebig grofser H\u00f6he reines Wasser geschichtet. Bis durch Diffusion 1 mg Kochsalz den ein Meter \u00fcber dem Boden genommenen Querschnitt des Gef\u00e4fses passiert hat, werden 319 Tage vergehen. Von Rohrzucker w\u00fcrde unter denselben Bedingungen erst nach 2 Jahren und 7 Monaten, von Eiweifs erst nach 14 Jahren ein Milligramm auf ein Meter H\u00f6he gelangen(Fick, Medic. Physik, 3. Aufl., S. 29 f.). Es ist also ganz unm\u00f6glich, die that-s\u00e4chliche Geschwindigkeit der Nervenleitung mit der Annahme zu vereinen, dafs letztere Leitung durch molekulare Einwirkung erfolge.1\n1 Wollte man vom Standpunkte dieser Annahme aus behaupten, dafs die Geschwindigkeit der Nervenleitung in hohem Grade dadurch gef\u00f6rdert werde, dafs in den von der Erregung ergriffenen Molek\u00fclen oder Molek\u00fclgruppen gewissermafsen eine Explosion eintrete, durch welche einzelne Bestandteile derselben ebenso wie nach anderen Richtungen auch in der Leitungsrichtung mit grofser Geschwindigkeit fortgeschleudert w\u00fcrden, so w\u00fcrde zu entgegnen sein, dafs, wenn der Erregungsprozefs im Nerven wirklich von der hier angedeuteten explosiven Art w\u00e4re, alsdann die erregte Nervenstelle (mindestens f\u00fcr das Bolometer) eine sehr deutliche Temperaturerh\u00f6hung erkennen lassen m\u00fcfste, was nach den Versuchen von Rolleston (\u25a0Journ... of Physiol. 11. 1890. S. 208 ff.) nicht der Fall ist.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"%utr Psychophystk der Gesichtsempfindungen,\n26\nAns Vorstehendem ergiebt sich, dafs die Nervenleitung auf Schichten Wirkung beruht und mithin Nervenerregungen, die durch Einwirkung entgegengesetzter Kr\u00e4fte entstehen, sich nicht nebeneinander in einer und derselben Leitungsbahn fortpflanzen k\u00f6nnen. Folglich sind wir dem oben (auf S. 21) Bemerkten gem\u00e4fs berechtigt, die Voraussetzung, dafs entgegengesetzte Netzhautprozesse, die sich nebeneinander in demselben Zapfen oder St\u00e4bchen abspielen, nur nach Mafsgabe ihrer Intensit\u00e4tsdifferenz erregend auf den Sehnerven wirken, nicht blofs als eine sehr plausible, sondern auch als eine wohl-begrundbare Voraussetzung zu bezeichnen.\n\u00a7 81. Zur Erkl\u00e4rung des Simultankontrastes.\nWie schon in \u00a7 27 (Bd. X. S. 408, Anm.) beil\u00e4ufig hervorgehoben, besitzt, die Theorie der Gegenfarben dem Vorzug, dafs nach ihr .zwischen einem Netzhautprozesse, der durch Licht direkt erweckt wird, und demjenigen Prozesse, der durch diesen direkt erweckten Prozefs in den benachbarten Netzhautstellen durch sogenannte Kontrastwirkung hervorgerufen wird, allgemein die einfache Beziehung besteht, dafs beide Prozesse einander genau entgegengesetzt sind. Nach keiner der anderen psychophysischen Ansichten \u00fcber die Gesichtsempfindungen gilt Entsprechendes. Fafst man vom Standpunkte irgend einer dieser Ansichten aus die Kontrasterscheinungen in dem Satze zusammen, dafs jede Farbe in ihrer Nachbarschaft diejenige Farbe hervorrufe, welche mit ihr in bestimmtem Intensit\u00e4ts-Verh\u00e4ltnisse gemischt die Empfindung des reinen Weifs ergebe, so wird man mit diesem Satze (der \u00fcbrigens vermutlich nicht einmal streng g\u00fcltig ist, vergl. S. 34) denjenigen F\u00e4llen nicht gerecht, wo es sich nur um Kontrast zwischen verschiedenen schw\u00e4rzweifsen Lichtfl\u00e4chen handelt. Geht man andererseits von den F\u00e4llen der letzteren Art aus und sucht dieselben in irgend einer Regel zusammenzufassen (indem man etwa die schwarzweifsen Empfindungen irrt\u00fcmlicherweise f\u00fcr Empfindungen ansieht, die nur hinsichtlich ihrer Intensit\u00e4t verschieden seien, und die betreffenden Kontrasterscheinungen im Sinne \u00fcberwundener Anschauungen auf eine \u00dcbersch\u00e4tzung des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses gegebener Empfindungen zur\u00fcckf\u00fchrt u.dergl.), so palst alsdann diese Regel wiederum nicht auf jene F\u00e4lle, wo eine farbige Fl\u00e4che in ihrer Umgebung die Komplement\u00e4rfarbe","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\nG\u00bb E. M\u00fcller.\nhervorruft. Es besitzt also di\u00a9 Theorie der Gegenfarben dadurch, dafa sie die Erscheinungen des Simultankontrastes in einer einfachen, allgemeing\u00fcltigen Regel zusammenzufassen verstattet, unleugbar einen wesentlichen Vorzug. Es fragt sich nun aber, ob es nicht m\u00f6glich ist, auf Grund dieser Theorie noch einen wesentlichen Schritt weiter in der Erkl\u00e4rung des Simultankontrastes zu tbun. Dies ist in der That der Fall, wie im Nachstehenden gezeigt werden soll.\nWir schicken zuv\u00f6rderst eine einfache energetische Betrachtung voraus. Es seien zwei aneinander angrenzende Ge-' bilde A und B gegeben, zwischen denen zun\u00e4chst Energiegleichgewicht besteht, indem sich die zwischen beiden Gebilden bestehenden Intensit\u00e4tsdifferenzen der verschiedenen Energiearten gegenseitig gerade kompensieren.1 Falls nun an dem Gebilde A durch, einen von aufsen her hervorgerufenen Vorgang Vm die Intensit\u00e4t einer Energieart Et eine Erh\u00f6hung erf\u00e4hrt, so mufs von dem Gebilde A ein gewisses Energiequantum auf das Gebilde B \u00fcbergehen, und zwar soll nun dieser Energie\u00fcbergang in der Weise stattfinden, dafs an B ein Vorgang Vh auftritt, bei welchem die von A hinweggehende Energiemenge von der Art E1 in eine andere Energie art Et umgewandelt wird. Besteht zwischen den beiden Gebilden ein\u00a9 Beziehung der soeben angegebenen Art, so wird \u2014 und dies ist der hier aufzustellende Satz \u2014 in dem Falle, wo wir das energetische Gleichgewicht beider Gebilde dadurch st\u00f6ren, dafs wir durch irgendwelche von aufsen her (nicht von A her) stattfindende Einwirkung auf B in diesem den Vorgang F* hervor-rufen, das Gebilde A notwendig eine Ver\u00e4nderung erfahren, welche jener Ver\u00e4nderung F. genau entgegengesetzt ist, d. h. eine Ver\u00e4nderung, bei welcher an A die Intensit\u00e4t der Energieart E, sinkt und der gesamte Energieinh&it von A eine Abnahme erleidet. Man denke sich z. B. ein zylindrisches Gefafs, in welchem sich ein Kolben, ohne Reibung bewegen, kann. Auf den Kolben 'wirke von 'unten her der .Druck eines eingeschlossenen Gases, von oben her eine Last, welche dem Drucke des Gases zun\u00e4chst das Gleichgewicht h\u00e4lt. Falls wir nun den Druck des Gases (die Intensit\u00e4t der Volumenenergie desselben), etwa durch Verdampfung von Fl\u00fcssigkeit, steigern (der Vorgang\n1 Man vergleiche Mer eventuell Ostwajld,\nO., IL, 1, S. 46 f.","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"25ur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n27\nF#), so wird das aus Kolben und Last bestehend\u00a9 zweite Gebilde \u00a9ine Aufw\u00e4rtsbewegung erfahren (der Vorgang Vb), indem ein Teil der Volumenenergi\u00a9 des Gases unter Umwandlung in Distanzenergie auf dieses zweite Gebilde \u00fcbergeht* Hieraus folgt nach obigem Satze, dafs} wenn sich das hier betrachtete System im Gleichgewicht befindet und dieses Gleichgewicht dadurch gest\u00f6rt wird, dafs wir von aufsen her (z. B. durch \u00a9ine \u25bcon oben her wirkende mechanische Zugkraft) eine Aufw\u00e4rtsbewegung des Kolbens und der Last bewirken, alsdann bei diesem Vorg\u00e4nge das Gas eine Abnahme seines Druckes (eine Iktensit\u00e4tsabnahme seiner Volumenenergie) erfahren mufs. Oder, um noch ein zweites Beispiel anzuf\u00fchren, man nehme an, dafs, wenn das Gebilde A eine Temperaturerh\u00f6hung erfahrt, alsdann durch die W\u00e4rmemenge, welche von A auf B \u00fcbergeht, in B \u00a9in chemischer Vorgang Vh hervorgerufen werde, bei welchem, W\u00e4rme in chemische Energie umgewandelt wird. Ist dies der Fall, so mufs nach dem obigen Satz\u00a9 dann, wenn wir den chemischen Vorgang Vb in dem Gebilde B von aufsen her durch irgendwelche (weder in B noch in A von anderweiten merkbaren Wirkungen begleitete) Kr\u00e4fte, z. B. strahlende Energie, her vorrufen, das Stattfinden dieses Vorganges Vh notwendig davon begleitet sein, dafs das Gebilde A W\u00e4rme an B abgiebt und mithin die Temperatur von A sinkt.\nStehen also zwei Gebilde A und B in solcher Beziehung zueinander, dafs ein Vorgang Fa, welcher darin besteht, dafs di\u00a9 Intensit\u00e4t einer Energieart Et in A steigt, an und f\u00fcr sich an dem Gebilde B von einem Vorg\u00e4nge Vh gefolgt ist, bei welohem eine von A auf B \u00fcbergehende Energiemenge von der Art E% sich in Energie einer anderen Art E% umwandelt, so wird dann,-wenn wir den Vorgang Vb durch irgend eine \u00e4ufsere (nicht \u00fcber A stattfindende) und von sonstigen Nebenwirkungen freie Einwirkung hervorrufen, das Stattfinden dieses Vorganges F* notwendig davon begleitet sein, dais in A ein Vorgang stattfindet, welcher darin besteht, dafs die Intensit\u00e4t jener Energieart Et sinkt, welcher also genau entgegengesetzt ist wie der Vorgang Fa, dessen Auftreten in A (bei Abwesenheit anderweiter Einfl\u00fcsse) das Eintreten des Vorganges Vb in B zur Folg\u00a9 hat.1\n1 Man kann diesen wohl schon an und f\u00fcr sich plausiblen, anderweiten Beziprozitatss\u00e4tzen verwandten Satz unschwer ableiten, wenn","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nG. K M\u00eaUer.\nMittels vorstehenden Satzes l\u00e4fst sich nun leicht eine Erkl\u00e4rung des Simultankontr&stes geben, wenn man annimmt, dafs sich von jedem durch Licht gereizten Zapfen (oder St\u00e4bchen) aus in Mer kurz als Kontrastbahnen zu 'bezeichnenden Bahnen ein V organg (V er mittelungs vor g a n g) weiter verbreite, auf dessen Weiterleitung bis zu den benachbarten Zapfen die von dem. gereizten Zapfen ausgehende sogenannte Kontrastwirkung beruhe. Man sehe das Gebilde A, von welchem im Obigen die Bede ist, Ms die lichtempfindliche Schicht eines Zapfens an, und das Gebilde B sei diejenige ScMcht der Kontrast-bahnen, welche in unmittelbarer Nachbarschaft und Wechsel-Wirkung zur ZapfenscMcht A steht. Bei neutraler Stimmung der Netzhaut besteht Energiegleichgewicht zwischen beiden Gebilden. Wird durch ein wirkendes licht in der ZapfenscMcht A am Vorgang Vm hervorgerufen, welcher in einem \u00dcberwiegen bestimmter Reaktionen (z. B. W-Re&ktionen) \u00fcber die genau entgegengesetzten Reaktionen (S-Reaktionen) besteht, so tritt infolge davon in ScMcht B ein bestimmter Vermittelungs-vorgang Vh ein, der sich (\u00e4hnlich wie sich die Nervenerregung in ihren Bahnen fortpflanzt) in den Kontrastbahnen weiter verbreitet. Wird aber umgekehrt das Energiegleichgewioht zwischen der ZapfenscMcht A und jener ScMcht B dadurch gest\u00f6rt, dafs von den entfernteren ScMchten der Kontrast-bahnen her in B der Vorgang Vh hervorgerufen wird, so mufs dies nach obigem Satze zur Folge haben, dafs in der ZapfenscMcht A ein Vorgang entsteht, welcher jenem Vorg\u00e4nge Vm genau entgegengesetzt ist (in einem \u00dcberwiegen der S-Reaktionen \u00fcber die W-Reaktionen besteht). Bewirken wir also in einem\nman z. B. die von Ostwald a. o. a. O. anges teilten energetischen Betrachtungen au Grunde legt. Scheinbare Abweichungen von der G\u00fcltigkeit dieses Satzes treten auf, wenn das Stattfinden des Vorganges F* in dem Gebilde B noch andere Vorg\u00e4nge hervorruft, welche auf A in erheblichem Grade zur\u00fcckwirken. Angenommen z. B., es sei F\u00bb ein Vorgang, welcher an sich mit W\u00e4rmebindung verkn\u00fcpft ist und durch eine Erh\u00f6hung der Temperatur von A hervorgerufen werden kann, welcher aber nach Erreichung eines bestimmten Grades zu einer mit starker W\u00e4rme-bildung verbundenen, pl\u00f6tzlichen Explosion f\u00fchrt, so wird allerdings dann, wenn wir den Vorgang Fi durch irgend eine nicht fiber A gehende Einwirkung hervorrufen, dem Gebilde A so lange W\u00e4rme entzogen werden, als F\u00bb noch nicht jenen explosiven Vorgang erweckt hat. Sobald aber letzterer ein tritt, mufs selbstverst\u00e4ndlich auch A eine Erw\u00e4rmung erfahren.","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n29\nZapfen oder Komplexe von Zapfen durch Licht einen positiven oder negativen Wert der Differenz Jw\u2014Jt, Jr\u2014Jg oder Je\u2014Jit so muf\u00df nach obigem Satze der Vermittelungsvorgang, der sich von diesem Zapfen oder Zapfenkomplexe aus in den Kontrastbahnen nach den benachbarten Zapfen hin verbreitet, auf diese letzteren notwendig in genau entgegengesetztem Sinne, n\u00e4mlich im Sinne des Eintretens eines negativen bezw. positiven Wertes jener Differenz wirken.1\nMacht man also die Annahme, dafs die verschiedenen Zapfen und St\u00e4bchen durch irgend welche Kontrastbahnen, in denen sich ein vermittelnder Vorgang verbreiten k\u00f6nne, miteinander verbunden seien, \u2014 und jede \u00fcberhaupt in Betracht kommende Theorie des Simultankontrastes muls echliefslioh irgendwelche auf besonderen Bahnen sich ver-breitende Vermittelungsvorg\u00e4nge annehmen, welche die verschiedenen Netzhautstellen oder nerv\u00f6sen Partien in Wechselwirkung bringen, \u2014 so l\u00e4fst sich vom Standpunkt unserer Theorie aus, nach welcher zwischen einem durch Licht direkt erweckten und dem durch dasselbe Licht indirekt hervorgerufenen Netzhautprozesse die einfache Beziehung des direkten Gegensatzes besteht, mit Hilfe der obigen einfachen energetischen Betrachtung (die vieleicht noch anderweite Anwendung im\n1 Will man sich die Art und Weise, wie nach obiger Erkl\u00e4rung der Simultankontrast zu st\u00e4nde kommt, an einem einfachen Beispiele veranschaulichen, so nehme man an, dafs der durch Licht in einem Zapfen hervorgerufene Netzhautprozels einfach in einer Temperaturerh\u00f6hung bestehe, und dafs demgem\u00e4fs der durch diesen Netzh&utprozefs bewirkte VermittelungsVorgang in irgend einem Vorg\u00e4nge, etwa chemischer Art, bestehe, hei welchem W\u00e4rme gebunden wird. Alsdann mufs das An-kommen dieses Vermittelungsvorganges an einem benachbarten ruhenden Zapfen notwendig von einer Temperatnrabnahme desselben begleitet sein. Um auf die wirklichen Verh\u00e4ltnisse \u00fcberzugehen, hat man in diesem Beispiele an Stelle der Temperaturzunahme und -abnahme entgegengesetzte Intensit\u00e4ts\u00e4nderungen chemischer Prozesse zu setzen. Bei unserer Unbekanntschaft mit dem eigentlichen Wesen der chemischen Prozesse l\u00e4fst sich weiteres hierzu gegenw\u00e4rtig nicht bemerken. \u2014\nWir hatten fr\u00fcher (\u00a7 21, S. S53. Anmerkung 1) unentschieden gelassen, ob die Kontrastwirkungen von dem, ersten oder zweiten der beiden Teilvorg\u00e4nge ausgehen, aus denen sich jeder durch Licht in dem Sehepithele hervorgerufene Prozefs zusammensetzt. Wie sich aus Obigem ergiebt, haben wir uns f\u00fcr das zweite Glied dieser Alternative (nicht ohne Gr\u00fcnde) entschieden.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nG. E. M\u00fcller.\nGebiete der Physiologie zu finden vermag) das Zustandekommen des Simultankontrastes ohne weiteres erkl\u00e4ren. Verbindet man dagegen jene Annahme mit irgend einer anderen psychophysischen Ansicht \u00fcber die Gesichtsempfindungen, so bleibt es nach wie vor v\u00f6llig r\u00e4tselhaft, weshalb die Kontrastwirkungen gerade so sind, wie sie thats\u00e4chlich ausfallen, weshalb z. B. Blau gerade Gelb und Bot gerade Gr\u00fcn in seiner Umgebung durch Kontrast hervorzurufen strebt. Nach der von uns vertretenen Theorie l\u00e4fst sich ohne weiteres angeben, weshalb die durch eine Farbe erweckte Kontrastfarbe mit der Farbe des komplement\u00e4ren Nachbildes \u00fcbereinstimmt. Nach den von der Theorie der Gegenfarben abweichenden Ansichten hingegen bleibt diese Uebereinstimmung v\u00f6llig unverst\u00e4ndlich.\nOb die Kontrastbahnen, welche die lichtempfindlichen Schichten der verschiedenen Zapfen und St\u00e4bchen miteinander verbinden, Nervenbahnen sind oder nicht, kann hier dahingestellt bleiben. Man kann geneigt sein, hier auf die sogenannten horizontalen Zellen der \u00e4ufseren gangli\u00f6sen Schicht (inneren K\u00f6rnerschicht) zu verweisen, insbesondere auf diejenigen derselben, welche der absteigenden Forts\u00e4tze entbehren und nur horizontale Forts\u00e4tze entsenden. Es ist kaum m\u00f6glich, diesen Zellen nebst ihren Forts\u00e4tzen eine andere Funktion zuzuschreiben als diejenige, welche ihnen Bamon y Cajal (a. a. O., S. 139, 242) zuschreibt, n\u00e4mlich die Funktion, mehr oder weniger weit voneinander entfernte Zapfen oder St\u00e4bchen in Zusammenhang zu einander zu bringen. Indessen ist nicht zu \u00fcbersehen, dafs die von uns angenommenen Kontrastbahnen besondere Bahnen sind, welche die lichtempfindlichen Schichten der verschiedenen Zapfen und St\u00e4bchen in Zusammenhang zueinander bringen, w\u00e4hrend die horizontalen Zellen nur als Verbindungsglieder zwischen den inneren Endteilen der Zapfen- und St\u00e4b chenfasern gelten k\u00f6nnen. Mithin ist durch den Nachweis jener horizontalen Zellen der Beweis f\u00fcr die Existenz besonderer Kontrastbahnen nerv\u00f6ser Natur noch nicht erbracht. Es ist auch nicht im mindesten die Annahme n\u00f6tig, dafs der die Kontrastwirkungen vermittelnde Vorgang eine Nervenerregung sei.1 Fast jeder einfache Vorgang, der durch\n1 Der Umstand, dafs diese (von uns fr\u00fcher bevorzugte) Annahme bei dem gegenw\u00e4rtigen Stande unseres Wissens andererseits auch nicht als v\u00f6llig ausgeschlossen gelten kann, ist der Grund davon, dafs diese","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Zm Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n31\neinen, Netzhautprozefs in, der Umgebung der erregten lichtempfindlichen Partien hervorgerafen wird und sich weiter verbreitet, kann nach dem Obigen als Vermittler der Kontrastwirkungen dienen,* 1\nIm Vorstehenden sind wir in \u00dcbereinstimmung mit vielen Forschem von der Voraussetzung ausgegangen, dafs die Kontrastwirkungen durch Vorg\u00e4nge, die an der Peripherie des Sehorganes (der lichtempfindlichen Netzhautschicht) stattfinden, und nicht durch Vorg\u00e4nge zentraler Art zu, stand\u00a9 kommen. Es erhebt sich die Frage, ob wir diese Voraussetzung nur als ein# zur Erkl\u00e4rung der Erscheinungen dienliche Annahme einf\u00fchren oder anderweite positive Gr\u00fcnde f\u00fcr dieselbe besitzen, Hierzu ist Folgendes zu bemerken.\nWie wir fr\u00fcher (\u00a7 27, S. 407) gezeigt haben, l\u00e4fst sich der Simultankontrast, wenn man ihn als peripherisch bedingt ansieht, als eine sehr zweckm\u00e4fsige Einrichtung darstellen, die dahin wirkt, die Netzhautstellen f\u00fcr bevorstehende Lichtreize wohl vorzubereiten und nach geschehener Lichteinwirkung schneller wieder auf den nomalen Erregbarkeitszustand zu bringen.2 Nimmt man hingegen einen zentralen Ursprung des\nAusf\u00fchrungen zur Erkl\u00e4rung des Simultankontrastes ihre Stelle in diesem von der Mitbeteiligung der Seinervenerregungen handelnden Kapitel behalten laben.\n1 Auch ein Vorgang, bei welchem eine Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften stattfindet, kann als ein solcher Vermittelungsvorgang dienen. Man muls (im Sinne der Ausf\u00fchrungen, welche Ostwald, a. a. O , H., 1, S. 516 f., 1087 f. \u00fcber die \u201emetastabilen Gebilde\u201c gegeben bat) bedenken, dafs ein Vorgang, bei welchem eine Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften stattfindet, im Grunde stets aus 2 Teilvorg\u00e4ngen besteht, n\u00e4mlich erstens aus einem Vorg\u00e4nge, bei welchem gewiss\u00a9 Widerst\u00e4nde \u00fcberwunden werden, und zweitens aus einem Vorg\u00e4nge, bei welchem die Umwandlung der Spannkr\u00e4fte in anderweite Energie stattfindet. Auf Grund der Teilvorg\u00e4nge der ersteren Art k\u00f6nnten solche Prozesse, bei denen \u00a9s zur Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften kommt, sehr gut als Vermittler der Kontrastwirkungen dienen.\n* Unsere Ansicht, dafs der Simultankoiitrast dazu diene, in dem Falle, wo wir einem Gesichtsobjekt den Blick zuwenden, die durch das Objekt bereits gereizten Netzhautstellen sich schneller erholen zu lasseu und die durch das Objekt erst noch zu reizenden Netzhautstellen in geeigneter Weise vorzubereiten, scheint eine wertvoll\u00a9 Best\u00e4tigung durch die Untersuchungen von Charpentier ( Arch, de physiol., 1896, S. 677 ff.) gefunden zu haben, nach denen die Kontrastwirkungen, die von einem Lichtobjekte ausgehen, sich in ganz besonderem Grade in der Richtung","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nG. E. M\u00fcller.\nSixzmltankontr&stes an, so f\u00e4llt mindestens die an zweiter Stelle genannte zweckm\u00e4fsige Wirksamkeit desselben hinweg. Denn die Thatsaohen, welche zur Behauptung einer Unerm\u00fcdbarkeit der Nerven gef\u00fchrt haben, schliefsen die M\u00f6glichkeit v\u00f6llig aus, dafs ein Teil der nerv\u00f6sen Sehbahn durch eine Lichteinwirkung, die nur Brachteile einer Minute dauert, in merkbarem Grade erm\u00fcdet werde.\nWichtiger ist der folgende Gesichtspunkt. Wie soeben in Erinnerung gebracht worden ist und weiterhin (\u00a7 34 und 86) noch n\u00e4her ausgef\u00fchrt werden wird, haben wir guten Grund, den negativen Nachbildern und \u00fcberhaupt allen Erscheinungen des Gesichtssinnes, welche man auf eine durch die Lichteinwirkung bewirkte Erm\u00fcdung oder Modifikation des Erregbarkeitszustandes zur\u00fcckgef\u00fchrt hat, wesentlich peripherische Entstehungsursachen unterzulegen. Da nun die Vorg\u00e4nge, welche unseren durch Kontrast bewirkten Gesichtsempfindungen (Modifikationen von Gesichtsempfindungen) zu Grunde liegen, in ganz gleicher Weise wie die durch direkte Netzhautreizung im Sehorgan hervorgerufenen Ver\u00e4nderungen zur {Entstehung von negativen Nachbildern und von Erregbarkeitsmodifikationen Anlafs geben,* 1 so m\u00fcssen jene Vorg\u00e4nge notwendig gleichfalls\ndes B&dius, welcher die Macula lutea mit dem Netzhautbilde des Objektes verbindet, auf der Netzhaut verbreiten. Was die erw\u00e4hnte geeignete Vorbereitung anbelangt, welche bei einer Blickbewegung die durch das betreffende Gesichtsobjekt zu reizenden Netzhautstellen durch die dem Netzhautbilde des letzteren vorauslaufende Kontrastwirkung erfahren, so wird durch diese Kontrastwirkung erreicht, da\u00a3a in dem Momente, wo das Objekt eine Netzhautstelle direkt reizt, die demselben entsprechende Erregung nicht erst ein allm\u00e4hliches Anklingen beginnt, sondern sofort schon mit einem erheblichen Betrage vorhanden ist. Denn z. B. die dem Netshautbilde eines weifsen Objektes vorauslaufende Vermehrung des IV-Materiales auf Kosten des ^-Materiales mufs notwendig zu. Folge haben, dafi in dem, Momente, wo das Bild des weifsen Objektes auf eine durch diese Kontrastwirkung vorbereitete Netzhautstelle f\u00e4llt, in letzterer sofort die W-Beaktionen schon bedeutend \u00fcber die 5-Reaktionen \u00fcberwiegen.\n1 Es ist wohl nicht n\u00f6tig, diese Behauptung n\u00e4her zu begr\u00fcnden, s. B, an die schon von Herin\u00f6 (Zur Lehre vom Lichtginne S. 7) gelegentlich erw\u00e4hnte Thatsache zu erinnern, dais der Lichthof, welcher das negative Nachbild einer weifsen Scheibe umgiebt, zuweilen sichtbar ist, wenn das Nachbild der Scheibe \u201egar nicht dunkler ist als der Grund \u00fcberhaupt, obwohl es dunkler ist als der Hof.w Der Lichthof stellt sich in solchen F\u00e4llen ganz unzweifelhaft als eine Nachwirkung des Dunkelhofes dar, welcher das Bild der hellen Sch\u00fcbe als Kontrasterscheinung umgab.","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n33\nperipherischen Ursprunges sein. W\u00e4ren sie zentralen Ursprunges, so k\u00f6nnten sie nicht von Folgeerscheinungen begleitet sein, die nachweislich auf peripherischem Gebiete liegen.\nEinen Versuch, welcher alle zentralen, sogenannten psychologischen, Deutungen des Simultankontrastes kurz und b\u00fcndig widerlegt, hat Hsbing in dieser Zeitschrift1, 1890, S. 23 ff. mitgeteilt. Einen Beweis daf\u00fcr, dafs der Simultankontrast peripherischen Ursprunges in unserem Sinne sei, d. h. auf Vorg\u00e4ngen beruhe, die sich an und zwischen den verschiedenen Partien der lichtempfindlichen Netzhautschicht abspielen, liefert dieser Versuch allerdings nicht, da er sich z. B. auch mit der Annahme vertragen w\u00fcrde, dafs der Simultankontrast durch Vorg\u00e4nge zu st\u00e4nde komme, die sich lediglich zwischen den nerv\u00f6sen Teilen der Betina abspielen.\nDie obige Theorie des Zustandekommens des Simultankontrastes l\u00e4fst sich nat\u00fcrlich in ihren Konsequenzen eingehender entwickeln. Wie schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt, Hegt indessen ein n\u00e4heres Eingehen auf die Kontrasterscheinungen, ihre Gesetze und Wirkungen au\u00dferhalb der Aufgaben dieser Abhandlung.\nVon vornherein kann man daran denken, die Erscheinungen des Simultankontrastes vom Standpunkte der Theorie der Gegenfarben aus einfach daraus zu erkl\u00e4ren, dafs bei Einwirkung von Licht auf eine Netzhautstelle die Produkte der an dieser Stelle hervorgerufenen Netzhautprozesse teils direkt, teils mit Hilfe des Blutstromes in die benachbarten Netzhautstellen hin\u00fcberdiffundierten. Wirke z. B. weifses Licht auf eine Netzhautstelle ein, so werde nach dem Fr\u00fcheren an dieser Stelle ^Material angeh\u00e4uft. Indem nun ein Teil dieses S-Materiales in die benachbarten Netzhautstellen \u00fcberwandere, m\u00fcfse in denselben notwendig ein \u00dcbergewicht der S-Reaktionen \u00fcber die W-Reaktionen entstehen. Die hier angedeutete Erkl\u00e4rungsweise scheitert indessen daran, dafs sie bei der schon auf S. 24 f. hervorgehobenen Langsamkeit der Diffusionsvorg\u00e4nge die von verschiedenen Forschern erwiesene fast momentane Entstehung des Simultankontrastes nicht zu erkl\u00e4ren vermag.\nNun hat allerdings Ebbinghaus (diese Zeitsehr. 5. S. 204) geltend gemacht, dafs zwischen einer gereizten Netzhautstelle und ihrer Umgebung zweifellos elektrische Potentialdifferenzen entst\u00fcnden, welche in elektrischen Str\u00f6men ihren Ausgleich f\u00e4nden, deren elektrolytische und kataphorische Nebenwirkungen den Stoffaustausch der betreffenden Netzhautstellen wesentlich beschleunigten. Allein angenommen z. B., eine durch rotes Licht gereizte Netzhautstelle werde negativ elektrisch, und dasselbe gelte von einer durch gelbes Licht gereizten Stelle, so kann ich eine rote und gelbe Lichtfl\u00e4che, von denen die eine die andere um-giebt, mit solchen Lichtst\u00e4rken hersteilen, dafs zwischen den durch die erstere und den durch die letztere Lichtfl\u00e4che gereizten Netzhautstellen gar keine elektrischePotentialdifferenz besteht. Alsdann m\u00fcfsten nach der obigen Annahme von Ebbinghaus die rote und die gelbe Lichtfl\u00e4che innerhalb der hier in Betracht kommenden Zeiten gar keine merkbare Kontrastwirkung auf einander aus\u00fcben ; denn alsdann w\u00fcrde ja der\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIV.\t3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"34\nG. E. M\u00fcller.\nStoffaustausch zwischen den durch diese Liohtfl\u00e4chen gereizten Netzhautteilen nur mittels des Blut Stromes und der langsamen Dififusionsvor-gftnge stattfinden. Es ist wohl nicht n\u00f6tig, das hier gegen die obige EBBiNGHA\u00fcssche Annahme erhobene Bedenken noch weiter auszuftthren.\nAuf Grund der Mer von uns vertretenen Theorie des Simultankontrastes l\u00e4isfc sich leicht auch die Frage beantworten, inwieweit die Farbe, welche in einem an sich farblosen Felde durch Kontrast erweckt wird, genau komplement\u00e4r zur Farbe des Kontrast erregenden Feldes sein mufs. Entspricht der Farbe des letzeren Feldes nur \u00a9in einziger chromatischer Netzhautprozefs, ist dieselbe also eine der vier Urfarben, so kann der Farbe des Kontrastfeldes gleichfalls nur ein einziger chromatischer Netzhautprozefs entsprechen, und zwar mufs derselbe derjenige Netzhautprozefs sein, welcher dem der Farbe des Kontrast erregenden Feldes zu Grunde liegenden Netzhautprozefs genau entgegengesetzt ist. Ist also di\u00a9 Farbe des Kontrast erregenden Feldes eine Urfarbe, so ist die Kontrastfarbe notwendig zu derselben komplement\u00e4r. Falls hingegen der Farbe des ersteren Feldes zwei chromatische Netzhautprozesse (z, B. Br und 15-Frozeis) entsprechen, so werden freilich in den dem Kontrastfelde entsprechenden Netzb entstell en di\u00a9 beiden entgegengesetzten Netzhautprozesse (G- und B-Prozefs) erweckt werden. Wie aber nicht weiter ausgef\u00fchrt zu werden pflegt, haben wir gar keine Garantie daf\u00fcr, dafs das Intensit\u00e4tsVerh\u00e4ltnis dieser beiden letzteren Prozesse genau so ausfalle, dafs ein Lichtreiz, welcher bei Einwirkung auf eine neutral gestimmte Netzhautstelle genau die Empfindung der in dem Kontrastfelde bestehenden F\u00e4rbung hervorruft, die reine Weifsempfindung bewirken kann, falls er mit der Farbe des Kontrast erregenden Feldes in einem geeigneten Inten sit\u00e4tsVerh\u00e4ltnisse gemischt wird. Ist also die Farbe des Kontrast erregenden Feldes keine Urfarbe, so braucht die Kontrastfarbe nicht komplement\u00e4r zu derselben zu sein. Es ist mithin einigermafsen irrig, wenn man meint, dafs Versuche, bei denen sich gezeigt hat, dafs die Kontrastfarbe nicht immer komplement\u00e4r zu der Kontrast erweckenden Farbe ist, die Unzul\u00e4nglichkeit der \u00dcEBiNGschen Erkl\u00e4rung des Simultankontrastes ergehen. Dieser Irrtum ist noch bedenklicher, wenn bei den betreffenden Versuchen (man vergleiche Abkey in den Proc. of the B. Soe. of London, 56, 1894, S. 221) die Bestimmung dar\u00fcber, welche Farben zu einander komplement\u00e4r seien, ohne weiteres auf Grund der Voraussetzung erfolgt ist, dafs das Licht einer bestimmten elektrischen oder anderen k\u00fcnstlichen Lichtquelle als rein weifses Licht zu betrachten sei. Wir brauchen ferner nicht erst auf die Schwierigkeiten hinzu weisen, welche f\u00fcr Versuche der Mer in Rede stehenden Art daraus entspringen, dafs sich aus dem in \u00a7 22 (S. 369 f.) angef\u00fchrten Grund\u00a9 der Farbenton eines Kontrast erregenden Feldes und des zugeh\u00f6rigen Kontrastfeld es notwendig mit der Betrachtungsdauer \u00e4ndert, falls di\u00a9 F\u00e4rbung des ersteren Feldes nicht mit einer Urfarbe \u00fcbereinstimmt.\nWundt (Physiol Psychol, 4. Aufl. 1, S. 538) wendet gegen die Mer vertretene physiologische Auffassung des Simultankontrastes ein, dafs dieselbe z. B. nicht zu erkl\u00e4ren verm\u00f6ge, dafs \u201eeine Fl\u00e4che von geringer","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n35\nHelligkeit dann den st\u00e4rksten Kontrasteinflufs erf\u00e4hrt, wenn auch der induzierende Heiz von geringer Helligkeit ist.\u201c Dazu ist Folgendes zu bemerken.\nBezeichnen wir, wie fr\u00fcher, mit w und s die Intensit\u00e4t der vorhandenen W- und S-Erregung, so besitzt die Summe (to + 8) einen Minimalwert (w0 + \u00ab0)> wenn die zentrale Sehsubstanz ganz sich selbst \u00fcberlassen ist und von der Netzhaut her weder in der einen noch in der anderen Richtung einen Antrieb erh\u00e4lt. Wirkt dagegen ein W- oder S-Reiz auf eine Netzhautstelle ein, so steigt nach Mafsgabe der St\u00e4rke des Reizes in der zugeh\u00f6rigen Partie der Sehsubstanz der Wert der Summe (w + s\\ indem, zwar s bezw. w abnimmt, aber w be,zw, s eine Zunahme erf\u00e4hrt, die \u00fcber die Abnahme von 8 bezw. w \u00fcber wiegt.* 1 * * * Von diesem Verhalten \u00fcberzeugt man sieb leicht z. B. durch folgenden Versuch, Man stelle sich auf einer Rotationsscheibe einen mittleren Ring her, der z, B. aus 320\u00b0 Tuch schwarz und 40\u00b0 (auf Tuchschwarz aufliegendem) Rot besteht und innen und aulsen von hellem Weifs umgeben ist. Auf einer zweiten Rotationsscbeibe stelle man sieb einen gleich breiten Ring von ganz derselben Zusammensetzung her, der jedoch innen und aufsen von Tuchsohwarz umgeben ist. Auf einer dritten Scheibe endlich enthalte der mittlere Ring neben 40\u00b0 von jenem (auf Tuchschwarz au\u00fciegenden) Rot noch 320\u00ae helles Weifs und sei \u00fcberdies behufs Hebung seiner Helligkeit aufsen und innen von Tuchsohwarz umgeben. Werden nun die drei Scheiben in hinl\u00e4nglich schnelle Rotation versetzt, so erscheint der mittlere Ring auf der zweiten Scheibe sehr deutlich r\u00f6tlich, auf der ersten noch gerade merkbar r\u00f6tlich, auf der dritten Scheibe endlich vermag man keine Spur von R\u00f6tlichkeit zu entdecken.8 Dieses Resultat erkl\u00e4rt sich in einfacher Weise daraus, dafs der Wert, den die Summe (i\u00a91 + \u00ab) in den durch den mittleren Ring erregten Teilen der Sehsubstanz besitzt, bei Betrachtung der zweiten Scheibe von dem obigen Minimalwerte (wo -f- so) nur wenig verschieden ist, bei Betrachtung der ersten Scheibe hingegen erheblich gr\u00f6fser ist als jener Mimimalwert, weil durch die Kontrastwirkung des umgebenden Weifs zwar w verringert, aber 8 in noch h\u00f6herem Grade gesteigert ist, und bei Betrachtung der dritten Scheibe endlich wegen der starken TP-Reizung sogar sehr viel gr\u00f6fser ist als jener Minimal wert. Aus diesem Verhalten der Summe (w + s) ergiebt sich nach dem Axiom der Mischempfindungen (\u00a7 5) ohne weiteres, dafs die R-Erregung, welche dem auf allen drei Scheiben in gleicher St\u00e4rke und Ausdehnung gegebenen Rot des mittleren Ringes entspricht, bei der zweiten Scheibe eine betr\u00e4chtlich h\u00f6here R\u00f6tlichkeit\n1 Dafs z. B. bei Einwirkung eines TP-Reizes die Zunahme von w gr\u00f6fser ist als die Abnahme von 8, begreift sieb leicht, wenn man bedenkt, dafs wir uns bei der Abnahme von s dem Nullpunke n\u00e4hern, \u00dcber den hinaus eine weitere Verringerung nicht m\u00f6glich ist.\n1 Um den Einfluis der Variabilit\u00e4t der Pupifienweite auszuschliefsen,\nkann man die Mitte zwischen der ersten und zweiten und dann die Mitte\nzwischen der zweiten und dritten Scheibe fixieren oder die Scheiben durch\nein in einem Kartonst\u00fcck angebrachtes L\u00f6chelchen betrachten.\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\nG. E. M\u00fcllen\nder Empfindung bewirken mufs, als bei der ersten oder vollends gar der dritten Scheibe.1\nWill man also auf einem Felde von geringer Helligkeit den Kontrast-emflufs einer umgebenden farbigen Fl\u00e4che m\u00f6glichst deutlich beobachten, so darf man selbstverst\u00e4ndlich dieser Fl\u00e4che nicht eine betr\u00e4chtliche Helligkeit geben ; denn sonst wird infolge des Helligkeits-kontrastes f\u00fcr die dem Kontrastfelde entsprechenden Teile der Sehsubstanz die Summe (w + 8) zu grofs, und die Kontrastfarbe erscheint au\u00ae demselben Grunde weniger deutlich, aus welchem bei dem vorstehend erw\u00e4hnten Versuche das Bot auf dem von Weils umgebenen Binge der ersten Scheibe weniger deutlich erkennbar ist als auf dem von Schwarz umgebenen, gleichbeschaffenen Binge der zweiten Scheibe. Und Wundt hat durch die obenerw\u00e4hnte Auslassung nur das Eine bewiesen, dafs ihm sehr einfache psychophysische Betrachtungen, die jedem mit Hkbinoh Darlegungen nur einigermafsen Vertrauten v\u00f6llig gel\u00e4ufig sind, durchaus fremd sind.* *\nWenn bei dem obigen Versuche der mittlere Bing der dritten Soheibe gar keine Spur von B\u00f6tlichkeit erkennen l\u00e4fst, so kommt bei Erkl\u00e4rung dieser Erscheinung aufser dem soeben angedeuteten Gesichtspunkte noch ein zweiter Umstand in Betracht, n\u00e4mlich der Umstand, dafs in der von dem, hellweissen Binge gereizten Netzhautstelle sofort ein retinaler Anpassnnggzustand sich entwickelt, infolge dessen der rote Bingabschnitt dieser Scheibe einen betr\u00e4chtlich schw\u00e4cheren B-Prozefs bewirkt, als der rote Ringabschnitt der beiden anderen Scheiben. Wie schon fr\u00fcher angedeutet, lassen sich viele Erscheinungen des Simult&n-k ont ras tes ohne eine Ber\u00fccksichtigung der retinalen Anpassung absolut nicht verstehen. Setzen wir bei konstant erhaltener Helligkeit der Kontrast erregenden Fl\u00e4che dem Kontrastfelde Weifs zu, so \u00e4ndert sich der retinale Anpassungszustand der dem Kontrastfelde entsprechenden Netzhautstelle, wovon der auf diese Stelle ausge\u00fcbte Kontrasteinfiufs nicht ebenso betroffen wird, wie der auf dieselbe einwirkende Lichtreiz. Hieraus erkl\u00e4rt sich ohne weiteres die (neuerdings von Prktoei und Sachs n\u00e4her untersuchte) Thataache, dafs f\u00fcr di\u00a9 Kompensierung eines und desselben Kontrasteinflusses ein umso intensiverer farbiger Lichtreiz n\u00f6tig ist, je mehr Weifs dem Kontrastfelde zugesetzt ist. Aus der Wirksamkeit der retinalen Anpassung erkl\u00e4rt sich ohne weiteres auch die zweite von den soeben genannten Forschern n\u00e4her untersuchte Thatsache, dafs der von einem farbigen Felde ausgehende Kontrasteinfiufs\n1 Wie diejenigen, welche eine besondere S-Erregung nicht annehmen, sondern die Schwarzempfindung nur f\u00fcr eine wenig intensive Woifs-empfindung ansehen, den Umstand erkl\u00e4ren wollen, dafs bei dem obigen Versuche der mittlere Bing der ersten Scheibe weniger r\u00f6tlich erscheint als derjenige der zweiten Scheibe, beibt v\u00f6llig unerfindlich.\n* Aus unseren obigen Darlegungen l\u00e4fst sich unschwer folgern \u2014 und die Beobachtung best\u00e4tigt diese Folgerung, \u2014 dafs die Behauptung Kibschmann\u2019s {WundVs Philos, Studien, 6, 1891, 474 ff.), der simultane Farbenkontrast komme am besten zur Geltung, wenn der Helligkeitskontrast ausgeschlossen oder auf ein Minimum reduziert sei, in ihrer Allgemeinheit nicht richtig ist.","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichts emp \u00dfndung en.\n37\nbei konstanter farbiger Valenz dieses Feldes und unter sonst gleichen Umstanden umso geringer ist, je gr\u00f6fser die Weilsvalenz dieses Feldes ist.1 * * * * * * 8 Wenn Pestobi und Sachs (Pfl\u00fcgers Arch., 60,1895, S. 77) die erster\u00a9 der beiden soeben erw\u00e4hnten Thatsachen darauf zurtickf\u00fchren, dafs das dem Kontrastfelde zugesetzte Weifs unter dem Einfl\u00fcsse des Kontrastes eine der Kontrastfarbe entsprechende chromatische Valenz erhalte, so l\u00e4fst sich diese (Ihr die zweite der hier erw\u00e4hnten Thatsachen v\u00f6llig versagende) Erkl\u00e4rung direkt durch Versuche ausschlielsen, wie gezeigt werden wird. Wie schon fr\u00fcher (\u00a7 23, S. 383) bemerkt, werden die hier ber\u00fchrten Dinge (einschliefslich der damit eng zusammenh\u00e4ngenden Frage nach der Entstehungsweise des binokularen Kontrastes*) den Gegenstand einer besonderen Untersuchung bilden.\nWundt (a. a. O. S. 653) f\u00fchrt gegen die Erkl\u00e4rung des Simuitan-kontrastes durch peripherische Vorg\u00e4nge auch noch di\u00a9 Beobachtung an, dafs an einer erblindeten zentralen Stelle seines eigenen rechten Auges bei der Einwirkung verbreiteter Farbeneindr\u00fccke auf die Umgebung regelm\u00e4fsig Kontrastfarben auftreten. \u201eZuerst wird die erblindete Stelle mit der Umgebung gleichfarbig gesehen; nach kurzer Zeit stellt sich dann aber die Kontrastfarbe ein.\u201c Hierzu ist zu bemerken, dafs die n\u00e4heren Angaben, welch\u00a9 Kisbchmann (Wundts Philos. Stud. 8. 1898. S. 290 und 430) \u00fcber das Verhalten der angeblich erblindeten Stell\u00a9 des W\u00fcNDTSchen Auges macht, und auf welche Wuhdt selbst verweist, zu der angef\u00fchrten Mitteilung Wuhdts nicht gen\u00fcgend stimmen. W\u00e4hrend Wundt selbst berichtet, dafs die erblindete Stelle zun\u00e4chst mit der Umgebung gleichfarbig gesehen werde, erscheint nach Kirschmanns Mitteilung die auf die \u201eerblindete\u201c ringf\u00f6rmige Stelle projizierte Partie zun\u00e4chst farblos (hellgrau), geht aber dann in einen farbigen Eindruck \u00fcber, der auf Gelb von violettem, auf Gr\u00fcn von rotem, auf Blau von gelbem F\u00e4rbenton ist; auf Bot und Purpur indessen erscheint die Kontrastfarbe nicht, vielmehr werden beide Farben von der \u201eerblindeten\u201c Stelle als br\u00e4unlich empfunden. Es ist nat\u00fcrlich unzul\u00e4ssig, \u00a9inen Fall, der zu zwei einander so widersprechenden Berichterstattungen Anl&fs geben konnte, zur Entscheidung irgendwelcher Fragen heranzuziehen.*\n1 Selbstverst\u00e4ndlich ist bei Er\u00f6rterung der oben ber\u00fchrten Frage,\nwefshalb man, um auf einem Felde von geringer Helligkeit den st\u00e4rksten\nKontrasteinflufs zu erzielen, dem induzierenden Felde gleichfalls eine geringe Helligkeit geben mufs, auch das hier erw\u00e4hnte Verhalten der\nretinalen Anpassung zu beachten.\n* \u201eMan lege auf \u00a9ine schwarze Fl\u00e4che einen weifsen Streifen, spalte letzteren durch Schielen in ein Doppelbild und bring\u00a9 vor das recht\u00a9 Auge ein blaues, vor das linke ein graues Glas.\u201c Bewirken bei diesem\nVersuche diejenigen Stellen der linken Netzhaut, auf denen sich der graue Streifen abbildet, eine \u00c4nderung des retinalen Anpassungszustandes\nder korrespondierenden Stellen der rechten Netzhaut, von der Art, daJb letztere Stellen f\u00fcr Lichteinwirkungen minder empf\u00e4nglich werden als ihre Umgebung, so k\u00f6nnen diese Stellen infolge des Kontrasteinflusses, den sie seitens der benachbarten, von dem blauen Lichte st\u00e4rker getroffenen Netzhaut\u00dftellen des rechten Auges erfahren, eine gelbliche F\u00e4rbung des zweiten Streifenbildes bewirken.\n8 Wenn Wundt mitteilt, dafs die Stelle des Skotoms zun\u00e4chst in der Farbe der Umgebung erscheine, so ist man veranlafst, das Skotom","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nG. B. M\u00fcller.\nEndlich wendet Wuxdt (a. a. O. S. 539) gegen die Erkl\u00e4rung des Simultan-kontrastes durch antagonistische Irradiation noch ein, dafs, wenn diese Erkl\u00e4rung richtig w\u00e4re, \u201eso m\u00fcfste, wenn man an der rotierenden Scheibe die \u00e4ufseren und inneren Sektoren von komplement\u00e4rem Farbenton . . . * w\u00e4hlt, der mittler\u00a9 Bing ebenso grau erscheinen wie beim Hinwegfallen der induzierenden Farben. Letzteres ist aber nicht der Fall, sondern entweder bleiben die Kontrastfarben als getrennte farbige Binge sichtbar, die unmittelbar an einander stofsen, oder, wenn man den grauen Bing sehr schmal nimmt, so greifen die Kontrastfarben \u00fcber einander, w\u00e4hrend der Bing selbst bald farblos,bald schwach gef\u00e4rbt, immer aber zugleich durch-sichtig erscheint, so als wenn die eine Farbe in der anderen gespiegelt w\u00fcrde.\u201c Diese Auslassung ist uns v\u00f6llig unbegreiflich. Da die Kontrast* Wirkung bei zunehmender Entfernung von der Kontrast erweckenden Fl\u00e4che nachweislich abnimmt, so mufs selbstverst\u00e4ndlich auch nach der von Wubdt bek\u00e4mpften Ansicht das ringf\u00f6rmige Kontrastfeld, falls es nicht sehr schmal genommen ist, in zwei unmittelbar aneinander anstoisende, farbige Binge zerfallen. Nimmt mau dasselbe sehr schmal, so mufs es je nach den Umst\u00e4nden merkbar farblos oder in dieser oder jener Farbe erscheinen. Was endlich die behauptete Durchsichtigkeit des Binges anbelangt, so mois ich erstens behaupten, ela Cs dieselbe unter\nzun\u00e4chst als ein negatives anzusehen. Nach Kibschmanks Mitteilung, dafs die Stelle des Skotoms zun\u00e4chst farblos erscheine, hat man das Skotom f\u00fcr ein positives zn halten. Aufserdem scheint die Mitteilung Kibschxahhs, dam Bot und Violett an der betreffenden Stelle br\u00e4unlich empfunden w\u00fcrden, darauf hinzuweisen, dafs an der \u201eihrer empfindenden Elemente v\u00f6llig beraubten\u201c Netzhautstelle noch eine gewisse Empf\u00e4nglichkeit f\u00fcr Bot besteht. Nach der Darstellung Kibschmakbs ist der Fall solchen F\u00e4llen \u00e4hnlich, wo das Skotom durch pathologische Tr\u00fcbungen irgendwelcher vor der lichtempfindlichen Schicht befindlicher Netzhautteile (und zwar solche Tr\u00fcbungen, bei denen di\u00a9 Durchl\u00e4ssigkeit f\u00fcr rotes Licht nicht v\u00f6llig aufgehoben ist) bedingt ist (man vergleiche Tbeitkl im Arch. f. Ophthalm. 31. 1. S. 259ff., insbesondere S. 276 ff). Ist ein Skotom von der soeben erw\u00e4hnten Art, so ist ein Auftreten von Kontrastwirkungen in den f\u00fcr Lichtreize nicht mehr in normaler Weise zug\u00e4nglichen Teilen des Sehepitheles nichts weniger als ausgeschlossen. \u00dcbrigens ist zu beachten, dafs in der hier in Bede stehenden Beziehung ganz ebenso, wie ein\u00a9 vor der lichtempfindlichen Schicht befindliche, ophthalmoskopisch nachweisbare Tr\u00fcbung ^Exsudat u. der gl.) auch jedwede pathologische Aflektion wirken muss, welche zur Folge hat, dafs ein retinaler Anpassungszustand, der unter normalen Umst\u00e4nden nur bei starker Lichteiuw irk u ng ein tritt, (z. B. eine sehr entwickelte Innenstellung des Pigmentes) an einer bestimmten Netzhautstelle andauernd besteht. Auch hei einer Affektion der letzteren Art kann beim Blicken auf eine einfarbige Fl\u00e4ch\u00a9 an der betroffenen Stelle die Kontrastfarbe auftreten. Es ist eigent\u00fcmlich, dais die Ophthalmologen dem Verhalten der Skotome in Beziehung auf den Simultankontrast keine Aufmerksamkeit geschenkt zu haben scheinen. Aufser den obigen Angaben von Wujtdt und Kirsch-Muni haben wir \u00fcber diesen Punkt nur noch die beil\u00e4ufige Mitteilung von Filbhnb (Arch. f. Ophthalm. 31. 2. S. 15) ausfindig machen k\u00f6nnen, die freilich gleichfalls sehr viel an beweiskr\u00e4ftiger Ausf\u00fchrlichkeit und Bestimmtheit zu w\u00fcnschen \u00fcbrigl\u00e4fst und uns keinerlei Sicherheit daf\u00fcr gew\u00e4hrt, dafs die beobachteten Kontrasterscheinungen nicht einfach Erscheinungen successiven Kontrastes waren.","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gmchtsempfindungen.\n39\nden von Wundt angegebenen Umst\u00e4nden weder von mir noch von sonst Jemandem hier wahrgenommen werden kann. Zweitens ist zu bemerken, dafs 'die behauptete Durchsichtigkeit des Ringes, falls sie best\u00e4nde, nichts weiter ergeben w\u00fcrde, als die h\u00f6chst selbstverst\u00e4ndliche That-* sache, dafs in gleicher Weise wie solche Erregungen, welche durch direkte Netzhautreizung entstehen, auch solche, welche auf indirekter Netzhautreizung beruhen, zentralen Einfl\u00fcssen unterliegen k\u00f6nnen.\nNach Vorstehendem d\u00fcrfen wir uns eines Eingehens auf die Lehre, welche Wundt selbst \u00fcber das Zustandekommen des Simultankontrastes aufstellt, f\u00fcglich entschlagen, eine Lehre, die in ihrer Unklarheit nicht einmal den Versuch macht, die Frage zu beantworten, weshalb denn ein Grau, wenn es im Verh\u00e4ltnis zu einem Gelb gesch\u00e4tzt wird, uns gerade blau erscheint, hingegen rot erscheint, wenn es in Beziehung auf benachbartes Gr\u00fcn empfunden wird.\n\u00a7 32. Die theoretische Bedeutung der binokularen\nFarbenmischung.\nLassen wir auf eine Netzhautstelle des einen Auges farbiges, z. B. gelbes, Licht und auf die korrespondierende Stell\u00a9 des anderen Auges komplement\u00e4rgef\u00e4rbtes (blaues) Licht einwirken, so nehmen wir bei geeignetem Versuchsverfahren eine Farbe wahr, die ihrem Farbenton nach entweder mit dem einen oder mit dem anderen der beiden ein wirkenden Lichter \u00fcberein-fltimmt (entweder \u00a9in gelbliches oder ein bl\u00e4uliches Grau ist) oder \u00a9in ganz farbloses Grau ist.1 Es entsteht also durch binokulare Mischung zweier komplement\u00e4rer Farben niemals eine Gesichtsempfindung, deren Farbenton man nicht auch durch unokulare Mischung, d. h. dadurch hersteUen k\u00f6nnte, dafs man beide Farben in einem geeigneten Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse mit einander gemischt auf nur ein Auge ein wirken l\u00e4fst. Dieses Verhalten ist keineswegs selbstverst\u00e4ndlich. Stellt man sich z. B. auf den Standpunkt der fr\u00fcher (\u00a7\u00a7 14 ff.) er\u00f6rterten Komponententheorie des W-Prozesses, nach welcher bei unokularer Mischung gelben und blauen Lichtes der TV-Prozefs\n1 Man vergleiche hier\u00fcber Hering in Hermanns Handb. d. Physiol. 3. 1. S. 691 ff. und W. H. R. Rivers in den Proc. of the Cambridge Philos. Society. Vol. VIII. Pt. V. S. 273 ff. Bei Hering findet man N\u00e4heres \u00fcber die Helligkeit der durch binokulare Mischung entstehenden Empfindung sowie \u00fcber die Art des geeigneten Versuchs verfahr \u00a9ns und die Umst\u00e4nde, unter denen Wettstreit der Sehfelder oder Glanz eintritt. Wir haben keinen Anlafs, auf diese Punkte hier einzugehen.","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nG, E, M\u00fcUer.\ndurch ein positives Zusammenwirken beider Lichtarten, etwa dadurch entsteht, dais die durch beide Lichtarten bewirkten Spaltungen gemeinsam zu einem chemischen Verbindungs-Vorg\u00e4nge\u00bb welcher der TV-Prozels sei, fuhren, so ist nicht ein-zusehen, weshalb man durch binokulare Mischung jener beiden Farben gleichfalls nur eine gelbliche oder bl\u00e4uliche oder ganz farblose Empfindung, nicht aber eine gelbblaue Empfindung erh\u00e4lt. Denn bei der binokularen Mischung' kommen ja die beiden Lichtarten gar nicht zu einem photochemischen Zusammenwirken der angedeuteten Art. Nach der Komponenten-theorie ware also zu erwarten, dafs bei der binokularen Mischung von Gelb und Blau (Bot und Gr\u00fcn) eine ausgepr\u00e4gte blaugelbe (rotgrune) Empfindung entstehe.\nGanz anders nach der von uns vertretenen Theorie. Da nach derselben die -E-Erregung und die B-Erregung durch entgegengesetzt\u00a9 Kr\u00e4fte entstehen und sich demzufolge (dem auf S. 21 ff. Bemerktem gem\u00e4fs) nicht neben einander in einem und demselben Nervenorgan fortpflanzen k\u00f6nnen, so ist nach dieser Theorie zn erwarten, dais bei binokularer Mischung von Gelb und Blau je nach dem Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisse beider lichter und je nach dem Verhalten der inneren Faktoren entr weder eine bl\u00e4uliche oder eine gelbliche oder eine ganz farblose Granempfindung entstehe. Die Entstehung einer gelb-blauen Empfindung hingegen ist v\u00f6llig ausgeschlossen; denn sie wurde voraussetzen, dafs Erregungen, die durch entgegengesetzte Kr\u00e4fte entstehen und fortgepflanzt werden, sich in einen und denselben Bezirk des Nervensystems hinein neben einander fortpianzen k\u00f6nnten*\n\u00a7 33. Vom zentralen Ursprung der Empfindung\ndes subjektiven Augengran.\nSetzt man den Fall, dafs sieb die Netzhaut in v\u00f6llig neutraler Stimmung befinde und die nerv\u00f6se Sehbahn gleichfalls keinerlei (mechanischer, elektrischer oder chemischer) Beizung ansgesetzt sei, so besteht nach unseren fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen (\u00a7 6, S. 37 und \u00a7 20, S. 344f.) dennoch innerhalb der zentralen Sehsubstanz eine Erregung, und zwar eine solche, welche im wesentlichen aus TV- und S-Erregung zusammengesetzt ist. Ist die Stimmung der Netzhaut nicht neutral, sondern die","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophyeik der Gemehteempfindungen,\n41\nIntensit\u00e4tsdifferenz I*\u2014lt\u201e die zwischen dem TT-Prozesse und dem, /S-Prozesse besteht, von einem, endlichen positiven oder negativen Werte, so wird di\u00a9 W-Erregung erh\u00f6ht und die & Erregung verringert bezw. die erster\u00a9 Erregung herabgesetzt und die letztere verst\u00e4rkt. Denn da die W- und \u00c4-Erregung, wie fr\u00fcher gesehen, auf entgegengesetzten Krafteinwirkungen beruhen, so mufs ein auf die zentrale Sehsubstanz einwirkender , \u00ab\u00ab\nVorgang (Ubertragungsreiz), welcher im Sinne einer Erh\u00f6hung der ersteren Erregung wirkt, zugleich im Sinne einer Schw\u00e4chung der letzteren wirken, und umgekehrt.\nNat\u00fcrlich beruht die endogene Erregung der Sehsubstanz auf der W\u00e4rmebewegung. Denn die letztere ist der einzige Kraftfaktor, welcher Vorg\u00e4nge, deren Hervorrufung Krafteinwirkungen entgegengesetzter Art erfordert, gleichzeitig und nebeneinander hervorzurufen vermag. 'Infolge der W\u00e4rm,\u00a9-' bewegung finden in jedem materiellen System, das sich im sog. chemischen Gleichgewicht befindet, thats\u00e4ch\u00fcoh fortw\u00e4hrend entgegengesetzte chemische Umsetzungen mit gleicher Lebhaftigkeit statt, und man kann unter Umst\u00e4nden sogar berechnen, mit welcher St\u00e4rke die einander entgeg\u00eangesetzten Umsetzungen in einem gegebenen, im chemischen Gleichgewichtszust\u00e4nde befindlichen System vor sich gehen (Nernst, a. a. 0. S. 458 f). Ebenso wie entgegengesetzte chemische Reaktionen vermag die W\u00e4rmebewegung nat\u00fcrlich auch noch anderweite entgegengesetzte Vorg\u00e4nge an, in oder zwischen den einzelnen Molek\u00fclen eines materiellen Systems gleichzeitig und nebeneinander hervorzurufen. Es w\u00fcrde demnach v\u00f6llig verfehlt sein, wenn man uns ein wenden wollte, dafs es ein Widerspruch sei, wenn wir ein\u00a9 aus W- und ^-Erregung bestehende endogen\u00a9 Erregung der Sehsubstanz ann\u00e4hmen und doch zugleich die Behauptung aufstellten, dafs di\u00a9 MV- und die S-Erregung auf entgegengesetzten Krafteinwirkungen beruhten, und dafs ein und derselbe von der Netzhaut ausgehende Antrieb niemals im Sinne einer Steigerung beider Erregungen zugleich wirken k\u00f6nne.\nWas die Frage anbelangt, wie es komme, dafs im Gebiete des Gesichtssinnes, nicht aber auch in anderen Sinnesgebieten, eine fortw\u00e4hrende endogene Erregung besteht, so haben wir schon fr\u00fcher (\u00a727, S. 41 lf.) erw\u00e4hnt, welcher besonderen, f\u00fcr die \u00fcbrigen Sinnesgebiete nicht ebenfalls bestehenden Aufgabe","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nG. E. M\u00fcller.\ndie endogen\u00a9 Erregung der Sehsubstanz dient. Dieser Aufgabe \u2022wegen besteht 'in, der Sehsubstanz \u00a9ine solche Labilit\u00e4t oder Beweglichkeit derjenigen Verh\u00e4ltnisse, welche f\u00fcr das Eintreten der W- und S-Erregung mafsgebend sind, dafs diese beiden Erregungen schon beim Ruhestand infolge der W\u00e4rmebewegung mit solcher St\u00e4rke stattfinden, dafs sie das Bewufstsein in merkbarem Grade zu bestimmen verm\u00f6gen. Angenommen, die Nervenerregungen seien chemische Vorg\u00e4nge, so w\u00fcrde man zu sagen haben, der Sehsubstanz sei des fr\u00fcher erw\u00e4hnten Zweckes wegen \u00a9ine solch\u00a9 chemische Zusammensetzung gegeben, dafs in. ihr zwei auf entgegengesetzten Krafteinwirkungen beruhende Erregungen bereits beim Ruhezust\u00e4nde erhebliche, f\u00fcr das Bewufstsein ins Gewicht fallende Werte besitzen.\nDer Satz, dafs die Empfindung des subjektiven Augengrau nicht darauf beruhe, dafs auch in der ruhenden Netzhaut infolge der W\u00e4rmebewegung fortw\u00e4hrend PF-Prozesse und S-Prozess\u00a9 stattfinden \u2014 denn diese beiden Prozesse k\u00f6nnen ja dem Fr\u00fcheren gem\u00e4fs nur nach Mafsgabe ihres Intensit\u00e4tsunterschiedes f\u00fcr die zentrale Sehsubstanz merkbar werden \u2014, sondern (soweit nicht zuf\u00e4llige \u2018innere Reizungen oder Nachwirkungen \u00e4ufeerer Reize im Spiele seien) rein zentralen Ursprunges sei, besitzt so grofse Wichtigkeit, dafs es w\u00fcnschenswert ist, denselben noch direkt durch positive Thatsachen bewiesen zu sehen. Dieser Beweis soll im Nachstehenden gegeben werden.\nEs liegt nahe, die Frage, ob die Empfindung des subjektiven Augengrau peripherischen oder zentralen Ursprunges sei, in einfacher Weise durch Erfahrungen an Erblindeten entscheiden zu wollen. Indessen w\u00fcrde der Umstand, dafs ein Individuum, das infolge einer Sch\u00e4digung des \u00e4ufseren Sehorganes sein Sehverm\u00f6gen verloren hat, allm\u00e4hlich auch die Empfindung des subjektiven Augengrau verloren hat, durchaus nichts gegen di\u00a9 Annahme eines zentralen Ursprunges dieser Empfindung beweisen. Denn es w\u00fcrde nicht fern liegen, solche F\u00e4lle dadurch zu erkl\u00e4ren, dafs f\u00fcr eine andauernde Funktion\u00bb-fahigkeit der zentralen Teile des Sehorganes ein Erhaltensem und Fungieren der Retina erforderlich sei.1 Ein Ausfall der\n1 \u201eWenn ... den infolge peripherer Ursachen Erblindeten die Empfindung des Dunkeln abhanden kommt, so erkl\u00e4rt sich dies entweder dadurch, dafs das optische Wahmehmungszentrum in der L\u00e4nge der Zeit mit in atrophischen Zustand geriet ..oder dafs keinerlei Erregungen","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Zwr Psychopkysik der Gesichtsempfindungen.\n43\nEmpfindung des subjektiven Augengrau in F\u00e4llen von Erblindung, wo der Verdacht einer direkten Sch\u00e4digung der zentralen Teile des Sehorganes nicht v\u00f6llig ausgeschlossen ist, w\u00fcrde vollends gar nichts besagen. Wenn andererseits Individuen in der Zeit, welche einer Erblindung (z. B, infolge von Augenexstirpation) unmittelbar folgt, noch allerlei subjektive Lichterschemungen beobachten, \u2019wie dies schon Joh. M\u00fcller (Handb. d. Physiol., 2, Coblenz 1840, S. 261) hervorgehoben hat, so ist dies auch kein Beweis daf\u00fcr, dafs die unter normalen Umst\u00e4nden vorhandene Empfindung des subjektiven Augengrau zentralen Ursprunges ist. Denn in solchen F\u00e4llen k\u00f6nnen von der erkrankten Peripherie oder der Operationsstelle noch allerlei innere Reize abnormer Art ausgehen. Die Erfahrungen an Blinden sind also nicht in so einfacher und leichter Weise, 'wie es von vornherein erscheinen kann, zur Entscheidung der hier in Rede stehenden Frage zu verwenden. \u00dcberdies hat man sich, so sehr man sich auch neuerdings mit der Psychologie der Blinden zu besch\u00e4ftigen scheint, unseres Wissens bisher \u00fcberhaupt noch gar nicht mit der Frage besch\u00e4ftigt, inwieweit es Blinde giebt, die auch bei Abwesenheit abnormer innerer Reize zu jeder Zeit dann, wenn sie die Aufmerksamkeit auf ihr Sehorgan richten, noch eine gewisse Gesichtsempfindung, n\u00e4mlich die Empfindung des subjektiven Augengrau, erhalten. Nur eine Mitteilung von J. Plateau {Cosmos Les Mondes, 1882, S. 129 ff.) ist vielleicht als ein Beitrag zur Beantwortung dieser Frage zu betrachten. Derselbe berichtet von sich selbst, dafs er nach Verlauf von vierzig Jahren seit seiner vollst\u00e4ndigen Erblindung (in Folge von Aderhautentz\u00fcndung) bei auf das Sehorgan gerichteter Aufmerksamkeit stets noch gewisse Gesichtsempfindungen, n\u00e4mlich die Empfindungen verschiedener (zuweilen etwas r\u00f6tlicher) Nuancen des Grau, des Hellen oder Dunkeln habe.\nWeit reichlicher sind in der uns hier interessierenden Beziehung die vorliegenden Mitteilungen \u00fcber die nur umschriebenen Defekte des Gesichtsfeldes, die Skotome. Dieselben werden ids absolute oder relative bezeichnet, je nachdem\nentweder von seiten der noch erhaltenen optischen Leitung oder der Rinde selbst, entgegengesetzt dem Falle Plateau, auf die optischen Empfindungszeilen ein wirkten\u201c (B. Wilbeand, Die Seelenblindheit, Wiesbaden 1887, S. 82).","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nG. E. M\u00fcller.\nes sich um einen g\u00e4nzlichen Ausfall oder nur um eine Schw\u00e4chung der Empfindlichkeit f\u00fcr die betreffende Region des Sehfeldes handelt. Man unterscheidet ferner positive und negative Skotome. Im Falle des absoluten positiven Skotom\u00ab nimmt der Patient bei Tagesbeleuchtung an der betreffenden Stelle des Sehfeldes fortw\u00e4hrend einen schwarzen Fleck wahr. Im Falle des negativen Skotoms hingegen kommt der Defekt dem Patienten nicht ohne weiteres zum Bewufstsein. Der Defekt i\u00e4fst sich vielmehr \u00e4hnlich wie der blinde Fleck nur durch eine eingehende Untersuchung des Gesichtsfeldes feststellen. Die positiven Skotome finden sich vor allem in solchen F\u00e4llen, wo es sich nm eine Erkrankung der Retina oder Chorioidea handelt.1 Sie finden sich aber auch in solchen F\u00e4llen, wo der Sehnerv erkrankt ist. So hat Tbeitel selbst (Arch, f. OphthaJm., 25, 1879, 3, S. 46) ein positives Skotom in einem Falle von Opticnsatrophie beobachtet. Ferner finden sich positive Skotome, und zwar zuweilen solche absoluter Art, bei der Tabaksamblyopie, bei welcher der prim\u00e4re Sitz der Erkrankung sich im Sehnerven befindet (Gboenouw, Arch. f. Opthahn 38, 1, S. Iff). Fh\u00e6hi\u0153 (ebenda, 31, 2, S. 25) stellte, w\u00e4hrend er an einem Tabaksskotome litt, Versuche \u00fcber die Gesichts\u00ab empfindungen an, welche bei Druck auf den Augapfel entstehen. Hierbei sah er \u201edie Stelle des Skotoms lange Zeit nach Beginn des Druckes am Feuerspiel\u00a9 g\u00e4nzlich unbeteiligt und im Besitz\u00a9 ihres normalen (.in neuerer Zeit gegen die Norm immer ausgesprochen verst\u00e4rkten) Eigenlichtes verbleibend, w\u00e4hrend rings herum das prachtvolle Bild sich abspielte. Erst nach l\u00e4ngerem Druck\u00a9 beteiligte sich auch diese Partie\u201c. Dieser (zu der erw\u00e4hnten Ansicht Tbeitels gleichfalls nicht stimmende) Versuch zeigt in anschaulicher Weise, wie die Empfindung des subjektiven Augengrau noch ungeschm\u00e4lert bestehen kann, w\u00e4hrend die entsprechenden Sehnervonfasem hochgradig in ihrer Erregbarkeit herabgesetzt sind.\nEs zeigt sich also, dafs bei Vorhandensein eines positiven Skotoms die Funktion der entsprechenden Teile der Netzhaut\n1 Tbeitel {Arch. f. OpMtmlm31, 1, S. 259 ff.) ist der .Ansicht, \u201edafs das positive Skotom eine entoptische Erscheinung ist, dafs die Kranken den Schatten ihrer getr\u00fcbten Netzhaut sehen\u201c. Diese Auffassung passt unzweifelhaft f\u00fcr eine Anzahl von F\u00e4llen, aber, wie sich aus dem oben Angef\u00fchrten ergiebt, keineswegs f\u00fcr alle F\u00e4lle.","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindunyen.\n45\nund sog\u00bb des Sehnerven gest\u00f6rt oder ganz aufgehoben sein kann, und dafs nur eine, sei es zentral entstandene, sei es vom Sehnerven her veranlafste Aufhebung der Funktion zerebraler Teile des Sehorgans das positive Skotom ausschliefst und ein negatives Skotom bedingt. Dieser Thatbestand beweist ohne weiteres die Richtigkeit unserer Ansicht vom zentralen Urspr\u00fcnge des subjektiven Augengrau.\nDem Unterschiede, der zwischen den positiven und negativen Skotomen besteht, ganz analog ist der Unterschied, welcher zwischen dem hemianopischen Schwarzsehen und hemianopischen Nichtsehen besteht. Nach den Ausf\u00fchrungen, welche Dufour1 \u00fcber diesen Punkt gegeben hat, ist das (von Dufour selbst in einem Falle beobachtete) hemianopische Schwarzsehen, bei welchem in deijenigen H\u00e4lfte des Gesichtsfeldes, f\u00fcr welche das Sehen aufgehoben ist, das subjektive Augengrau wahrgenommen wird, dann vorhanden, wenn die L\u00e4sion oder St\u00f6rung vor der Occipitalrinde befindliche Teile der Sehbahn, z. B. den einen tractus opticus, betroffen hat. Das hemianopische Nichtsehen hingegen, bei welchem in der betreffenden H\u00e4lfte des Gesichtsfeldes \u00fcberhaupt nichts wahrgenommen wird, in der Regel auch der Mangel des halben Gesichtsfeldes von dem (nur im allgemeinen \u00fcber eine Mangelhaftigkeit seines Sehverm\u00f6gens klagenden) Patienten gar nicht erkannt wird, ist dann vorhanden, wenn eine Sehsph\u00e4re des Grofshims vor\u00fcbergehend oder andauernd aufser Funktion gesetzt ist. Wir brauchen nicht weiter auszuf\u00fchren, wie sehr diese Darlegungen von Dufour mit unserer Behauptung eines zentralen Ursprunges der endogenen Erregung des Sehorganes \u00fcb er einstimmen. *\n1 Revue m\u00e9dicale de la Suisse romande IX. 1889. Diese Abhandlung war mir unzug\u00e4nglich und ist mir nur durch das Referat im Neurol. Centralbl. 9, 1890, 8. 48 bekannt.\n8 Weitere auf das hemianopische Schwarz sehen bez\u00fcgliche Beobachtungen und Bemerkungen finden sich bei \u00c2. Sikgrist in Mitteilungen am Kliniken umd medizinischen Instituten d. Schweiz, 1. Reihe, Heft 10, 1894, S, 825 ff ; M\u00f6bius, Die Migr\u00e4ne, Wien, 1894, S. 107 f. ; A. Pick, in Berl Mn. Wochenschr. 1894: S. 1068 ; L. Mauthner, Vortr\u00e4ge aus dem Gesamt-gebiete der Augenheilk\"Wiesbaden, 1881, S. 362 u. 509 f. Wie leicht zu begreifen, kommen auch F\u00e4lle von Affektion der kortikalen Sehsph\u00e4re vor, wo nicht die endogene Erregung der Sehsubstanz ber\u00fchrt wird, sondern nur die F\u00e4higkeit der letzteren, durch die im Sehnerven entstandenen Erregungen beeinflufst zu werden, herabgesetzt oder ganz auf-","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nG, BMutier,\nAls ein weiterer Beweis f\u00fcr letztere Behauptung ist endlich die Thatsaehe anzuf\u00fchren, dafs, wenn das Ange durch Bruck auf den Augapfel blind f\u00fcr ein wirkendes Licht gemacht wird, dann immer noch die Empfindung des subjektiven Augengrau bestehen bleibt (man vergleiche z. B. A. E. Fick und A. G\u00fcebkk im Arch, f. Ophth. 36, 2, S. 284). R\u00fchrte letztere Empfindung von irgendwelchen in der Netzhaut sich abspielenden Prozessen her, so m\u00fcfste die durch den Bruck bewirkte Unerregbarkeit sich auch in einem Ausbleiben oder auff\u00e4lligen Ver\u00e4ndertsein der Empfindung des subjektiven Augengrau \u00e4ufsem. \u2014\nWie weit sich die unter normalen Umst\u00e4nden bestehende endogene Erregung des Sehorgans peripheriew\u00e4rts erstreckt, ob sie sich auch bis in den Sehnerven hinein erstreckt oder nicht, kann Mer dahingestellt bleiben, Auf jeden Fall wird, sobald die Bifferenz I*\u2014It einen von Null verschiedenen Wert Lt, die am meisten peripheriew\u00e4rts gelegene derjenigen\n\u00abim\nannr\nSchichten, innerhalb deren die endogene Erregung besteht, im Sinne einer Erh\u00f6hung oder Erniedrigung der TF-Erregung und Schw\u00e4chung bezw. Verst\u00e4rkung der S-Erregung ver\u00e4ndert, mnd diese Schicht giebt dann an die zentralw\u00e4rts n\u00e4chstfolgende Schicht einen \u00dcbertragungsreiz ab, der die in letzterer bestehende Erregung in gleichem Sinne \u00e4ndert, diese Schicht wirkt hierauf in, gleichem Sinne auf die ihr n\u00e4chstfolgend\u00a9 Schicht u. s. w.\n\u00a7 34, Bie Unerm\u00fcdbarkeit der Nerven.\nWie sich aus dem Fr\u00fcheren ergiebt, schreiben wir ebenso wie den positiven Nachbildern auch den negativen Nachbildern und allen sogenannten Erm\u00fcdungserscheinungen des Gesichtssinnes einen im wesentlichen peripherischen Ursprung zu. Bie nerv\u00f6sen Teile des Sehorganes sind (innerhalb der hier in Be-\ngehoben ist. Die Affektion betrifft nicht die innere Th\u00e4tigkeit der optischen Empfindungsneuronen, sondern etwa nur die Funktion gewisser Kontaktstellen oder gewisser Schaltneuronen. Die Ausf\u00fchrungen von Dufoub bed\u00fcrfen also in dieser Beziehung einer Erg\u00e4nzung. Dafs endlich Krankheitsherde, welche einen unterhalb der kortikalen Sehsph\u00e4re gelegenen Teil der nerv\u00f6sen Sehhahn durchsetzen, ihre Wirkungen mitunter auch bis in die Sehsph\u00e4re hinein erstrecken und die endogene Erregung der Sehsubstanz (z. B. durch Bewirkung irgend welcher chemischer Ver\u00e4nderungen) zu Ende bringen k\u00f6nnen, bedarf nicht erst der Erw\u00e4hnung.","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen,\n47\ntracht kommenden Grenzen) unerm\u00fcdbar. \u00c4, Fick \u00e4ulsert sieb in seinem Kompendium der Physiologie (4. Aufl. Wien 1891,\nS. 220) folgendermafsen : \u201eDas verh\u00e4ltnism\u00e4fsig ziemlich langsame Entstehen \u2014 Anklingen \u2014 das noch langsamere Vergehen \u2014 Abklingen \u2014 der Lichtempfindung, sowie die bedeutende Erm\u00fcdbarkeit haben ihren Sitz jedenfalls nur in den eigent\u00fcmlichen Anhangsapparaten der Sehnerven, in welchen die Bestrahlung chemische Prozesse ausl\u00f6st. Denn die eigentliche Nervenfaser bat keine Eigenschaften, welche derartige Erscheinungen erkl\u00e4ren liefse. Sie erm\u00fcdet fast gar nicht, die Erregung entsteht in ihr merklich gleichzeitig mit dem Beize und dauert nur eine kaum mefsbare Zeit nach Aufh\u00f6ren des Beizes.u Mit dieser Auslassung Fxcks stehen die von uns entwickelten Anschauungen in vollem Einklang. Bei der Wichtigkeit indessen, welche die Annahme einer (relativen) Unerm\u00fcdbarkeit der Nerven f\u00fcr unsere bisherigen und nachfolgenden Ausf\u00fchrungen besitzt, scheint es uns angezeigt, im Nachstehenden die Berechtigung dieser Annahme etwas n\u00e4her zu er\u00f6rtern.\t)\nDen Ausgangspunkt der Untersuchungen, welche zu dieser Annahme gef\u00fchrt haben, bilden Versuche von Bernstein [Pfl\u00fcgers Arch., 15, 1877, S. 289 ff.), welche zeigten, dafs der Muskel viel schneller erm\u00fcdet als der motorische Nerv. Wbdbnbky (Centralbl. f. d. medic. Wissensch. 1884, S. 65 ff) konstatierte sp\u00e4terhin, dafs der n. ischiadicus z. B. nach sechsst\u00fcndiger unaufh\u00f6rlicher Tetanisierung bei m\u00e4fsiger Beizst\u00e4rke noch keine Ersch\u00f6pfung seiner Erregbarkeit entdecken l\u00e4fst. Walker [Brain, Vol. XIV, 1891, S. 181 ff.) zeigte kurze Zeit darauf, dafs der gereizte motorische Nerv, nachdem er aufgeh\u00f6rt hat, auf den Muskel zu wirken, noch lange Zeit seine Erregbarkeit bewahrt. A. Maschek (Wien. Ber. 95, 1887, 3. Abt., S. 109 ff.) fand, dafs bei Kaltfr\u00f6schen eine auf 12\u201414 Stunden ausgedehnte Beizung eines Nerven keine nachweisbare Erm\u00fcdung der gereizten Stelle bewirkt. Hierbei war es gleichg\u00fcltig, ob die benutzten Induktionsstr\u00f6me den Nerven in konstanter oder wechselnder Sichtung durchflossen. Bowbitch (Arch. f. Amt u. Physiol1890, S. 505 ff.) beseitigte \u201eden letzten Zweifel an der Bef\u00e4higung des S\u00e4ugetiernerven, ohne Erm\u00fcdung kr\u00e4ftige und andauernde Beizung \u00fcberstehen zu k\u00f6nnen.a Szana (ebenda. 1891, S. 315 ff.) erwies die Unerm\u00fcdbarkeit f\u00fcr die","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nG, E. Muller.\nherzhemmenden Fasern des n. vagus. Edes (Journ. of Physiol., 13, 1896, S. 431 ff.) fand, dais der Aktionsstrom des motorischen Nerven durch eine f\u00fcnfst\u00fcndige Reizung keine Verringerung erf\u00e4hrt. Lambert (Contribution \u00e0 V\u00e9tude de la r\u00e9sistance des nerfs \u00e0 la fatigue, Th\u00e8se, Nancy, 1894) endlich erbrachte f\u00fcr Nerven sekretorischer Art (chorda tympani des Hundes) den Nachweis, dafs sie ungemein lange Zeit erregt werden k\u00f6nnen, ohne ihre Erregbarkeit einzub\u00fcfsen. Lambert hebt am Schl\u00fcsse seiner Abhandlung mit Recht hervor, dafs alle unsere k\u00fcnstlichen Reize den Nerven mehr oder weniger sch\u00e4digen, und dafs der letztere seinem nat\u00fcrlichen Reize gegen\u00fcber vermutlich eine noch gr\u00f6fsere Ausdauer besitze, als er den bei diesen Untersuchungen benutzten k\u00fcnstlichen Reizen gegen\u00fcber bekundet habe.\nNach den Resultaten aller dieser Untersuchungen1 erscheint es nicht ungerechtfertigt, auch der nerv\u00f6sen Sehbahn die Unerm\u00fcdbarkeit zuzuschreiben. Allein man wird uns einwenden, dafs die Unerm\u00fcdbarkeit bisher nur von den L\u00e4ngsfasern der Nervenb\u00fcndel erwiesen sei, nicht aber auch von den an die Sinnesnerven sich anschliefsenden zentralen Teilen, um die es sich hier vor allem mit handle. Diese zentralen Teile und ebenso auch die nerv\u00f6sen Schichten der Netzhaut selbst enthielten aufser den Nervenfasern (Nervenzellenausl\u00e4ufern) auch noch Nervenzellen; und es sei fraglich, ob auch diese an der Unerm\u00fcdbarkeit teiln\u00e4hmen. Diesem Einwande gegen\u00fcber ist Folgendes zu bemerken.\nNach den modernen Anschauungen ist das Neuron ein einheitliches Ganzes, dessen Ern\u00e4hrung von der Nervenzelle, vielleicht von dem Kerne derselben, geleitet wird.2 3 Den Axenzylinderfortsatz m\u00fcssen wir nach den obigen Resultaten f\u00fcr un erm\u00fcdbar erkl\u00e4ren. Wenn wir nun annehmen, der Nerven-prozefs sei nicht ein Vorgang, der ohne merkbaren Stoffverbrauch stattfindet \u2014 f\u00e4nde er ohne einen solchen statt, so k\u00f6nnte schon von vornherein von einer Erm\u00fcdung der Nervenzellen durch denselben keine Rede sein \u2014, sondern vielmehr ein Vorgang, mit welchem ein erheblicher Stoffverbrauch ver-\n1 Vermissen l\u00e4fst sich nur noch die (schon von Maschek, a. a. O.\nS. 128, als w\u00fcnschenswert bezeichnete) Untersuchung dar\u00fcber, ob auch die marklosen Nervenfasern unerm\u00fcdbar sind.\n3 Man vergleiche z. B. von Lenhoss\u00e9k, Der feinere Bau des Nerven-ystems im Lichte neuester Forschungen. 2. AufL, Berlin, 1895, S. 112 ff.","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesteh tsempfindungen.\n49\nbund en ist, so 'haben wir die Unerm\u00fcdbarkeit der Axenzylinderforts\u00e4tze darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs der bei der Erregung derselben stattfindende Stoffverbrauch durch die von der Nervenzelle geleitete Ern\u00e4hrung fortw\u00e4hrend wieder ausgeglichen ward. Sollen wir nun annehmen, dafs der durch den Nervenprozefs bewirkte Stoffverbrauch gerade in dem Zentrum der Ern\u00e4hrung des ganzen Neuron, in der Nervenzelle, langsamer und unzul\u00e4nglicher durch die Ern\u00e4hrung ausgeglichen werde, als in den \u00fcbrigen Teilen des Neuron ? Kurz, uns will bed\u00fcnken, dafs die modernen Anschauungen von dem einheitlichen, in der Nervenzelle sein Ern\u00e4hrungszentrum besitzenden Neuron mit der Annahme, dafs die Nervenzellen leichter erm\u00fcdbar seien als die Nervenfasern, v\u00f6llig unvertr\u00e4glich sind.\nEin\u00a9 noch wesentlicher\u00a9 St\u00fctze der Ansicht, dafs di\u00a9 sogenannten Erm\u00fcdungserscheinungen des Sehorganes nicht auf eine Erm\u00fcdung nerv\u00f6ser Teile, sondern auf Vorg\u00e4nge in der lichtempfindlichen Netzhautschicht zu beziehen seien, gewinnen wir, wenn wir das Verhalten des Gesichtssinnes bei anhaltender Beizung mit dem entsprechenden Verhalten des H\u00f6rsinnes vergleichen. Wie Stumpf gelegentlich hervorhebt, k\u00f6nnen wir einen Ton \u00a9ine halb\u00a9 Stunde lang h\u00f6ren, ohne dafs er uns schw\u00e4cher erscheint als zu Anfang. Die Erm\u00fcdbarkeit des H\u00f6rsinnes ist so gering,1 dafs man v\u00f6llig berechtigt ist, zu zweifeln, ob \u00fcberhaupt die nerv\u00f6se H\u00f6rsubstanz auch nur die geringste Erm\u00fcdung erfahre, und ob nicht vielmehr alles dasjenige, was man als eine Erm\u00fcdungserscheinung im Gebiete des H\u00f6rsinnes bezeichnet hat, nur auf Ver\u00e4nderungen des peripherischen Sinnesapparates und der Verhaltungsweise der bei\n1 Man vergleich\u00a9 hierzu Stumpf, Tonpsychologie, 1, S. 18, 360 ff. Stumpf meint, dafs eine Erm\u00fcdung des H\u00f6rsinnes durch sehr intensiv\u00a9 Ger\u00e4usche aus der von Mach festgestellten Thatsache folge, dafs ein schwaches Ger\u00e4usch, das schnell auf ein sehr starkes folgt, unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden nicht wahrgenommen wird, wohl aber zur Wahrnehmung kommt, wenn man sich di\u00a9 beiden Geh\u00f6rg\u00e4nge w\u00e4hrend der Einwirkung des sehr starken Ger\u00e4usches zuh\u00e4lt und dann schnell \u00f6ffnet. Dieses Verhalten erkl\u00e4rt sich indessen ohne weiteres durch die Annahme, dais der zum Schutze des Ohres gegen starke T\u00f6ne fungierende Trommelfellspanner bei Erzeugung des sehr starken Ger\u00e4usches in einen (nicht sofort wieder r\u00fcckg\u00e4ngig werdenden) Kontraktionszustand gerate, wenn dieses Ger\u00e4usch bei offenen Geh\u00f6rg\u00e4ngen einwirke, hingegen sich nicht kontrahiere, wenn es bei verschlossenen Geh\u00f6rg\u00e4ngen eintrete.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIV.\t4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"60\nG. K M\u00fcller*\nden Gehorsempfindungen beteiligten motorischen Organe be-\n* \u2022\u2022\nrnhe. Etwas den negativen Nachbildern \u00c4hnliches wird \u00fcberhaupt nicht im Gebiete des H\u00f6rsinnes beobachtet. Wendet man uns also trotz des Obigen ein, dais die Unerm\u00fcdbarkeit nur f\u00fcr die Nervenfasern erwiesen sei und nicht f\u00fcr die Nervenzellen, so fragen wir, ob sich nicht ebenso wie in der Sehbahn auch in der H\u00f6rbahn Nervenzellen vorfinden, und ob es nicht das Richtige sei, anzunehmen, dafs die Sehbahn nicht mehr erm\u00fcdbar sei als die H\u00f6rbahn, und dafs der grofse Unterschied, der hinsichtlich der Erm\u00fcdbarkeit zwischen dem Sehorgane und dem H\u00f6rorgane besteht, eben darauf beruhe, dafs die peripheren Endapparate des ersteren als St\u00e4tten chemischer Vorg\u00e4nge durch \u00a9mwirkende Beize 'viel leichter .in, ihrer Erregbarkeit ver\u00e4ndert werden, als die zur Aufnahme mechanischer Einwirkungen bestimmten Endapparate des H\u00f6rsinnes. Andere Sinnesgebiet\u00a9, z. B. dasjenige des Geschmacksinnes, zeigen 'wiederum eine gr\u00f6fsere Erm\u00fcdbarkeit als der H\u00f6rsinn. Es l\u00e4fst sich aber leicht zeigen, dafs diese anderen Sinnesgebiete gerade solche sind, f\u00fcr welche sich ohne weiteres begreifen l\u00e4fst, dafs eine andauernde, starke Beizung die Empfindlichkeit der peripheren Endapparate schnell herabsetzt.\nNeben der geringen Erm\u00fcdbarkeit, welche sich im Gebiete des H\u00f6rsinnes findet, spricht endlich auch noch die lange Andauer mancher Schmerzempfindungen mit ungeschw\u00e4chter Intensit\u00e4t1 sowie das Vorkommen lange Zeit andauernder, sogenannter stabiler Halluzinationen (z. B. des kontinuierlichen Halluzinationsbildes eines feurigen Abgrundes) mit Nachdruck f\u00fcr die Annahme, dafs die zentralen Teile des Nervensystems an der Unerm\u00fcdbarkeit teilnehmen.\nVielleicht wird man uns die Pr\u00e4ge entgegenhalten, woher denn \u00fcberhaupt noch die von Mosso in so \u00fcberzeugender Weise nachgewiesene Willenserm\u00fcdung und die uns Allen nur allzubekannte Erschlaffung des Denkens und der Aufmerksamkeit herr\u00fchre, wenn auch die Nervenzellen unerm\u00fcdbar seien. Bei dieser Frage w\u00fcrde man zweierlei \u00fcbersehen haben, n\u00e4mlich erstens den Umstand, dafs, wenn auch ein Neuron als einzelnes\n1 Langen DORFF ( CentraM. f. d. medic. Wi&t., 1891, S. 146) hat beil\u00e4ufig darauf aufmerksam gemacht, dafs das stundenlange Andauern mancher Schmerzen (z. B. Zahnschmerzen) mit unverminderter St\u00e4rke f\u00fcr die Unerm\u00fcdbarkeit der sensiblen Nerven spreche.","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n51\nGanzes von uns als unerm\u00fcdbar betrachtet werden kann, dennoch sehr wohl eine Erm\u00fcdbarkeit im Nervensystem bestehen kann, n\u00e4mlich eine solche, welche die Leichtigkeit betrifft, mit welcher die Erregung von einer Bahn auf eine andere, von einem Neuron auf ein anderes \u00fcbergeht, Nicht die Neuronen an sich, sondern die sogenannten Kontaktstellen zwischen ihnen, sind diejenigen Teile, an denen sich eine Erm\u00fcdungswirkung zeigen kann. Zweitens w\u00fcrde man bei der obigen Frage \u00fcbersehen haben, dafs mancherlei, was man kurzweg auf Erm\u00fcdung zu beziehen pflegt, mindestens zum Teil auf Hemmung zur\u00fcckzuf\u00fchren ist, d. h. darauf, dafs die Erregung eines nerv\u00f6sen Organes durch den Einflufs anderer Teile des Nervensystems entweder schon bei ihrem Entstehen oder erst bei ihrer Fortpflanzung auf der ihr zukommenden normalen Bahn eine Schw\u00e4chung erf\u00e4hrt oder \u00fcberhaupt ganz an ihrer Entstehung oder Fortpflanzung auf der normalen Bahn verhindert wird. So scheint z. B. schon der von Fbenkel (Neurol. Centralbl. 12,1893, S. 434 ff.) beobachtete Fall, in welchem Verlust der Erm\u00fcdungsempfindungen mit einer bedeutenden Steigerung der motorischen Leistungsf\u00e4higkeit verbunden war, darauf hinzuweisen, dafs die sogenannte Willenserm\u00fcdung zu einem Teile darauf beruht, dafs die durch die peripherischen Erm\u00fcdungseffekte bewirkten sensorischen Erregungen einen hemmenden Einflufs auf gewisse, bei der betreffenden Leistung mit beteiligte, motorische Nervenorgane aus\u00fcben.1\nSehen wir uns von dem soeben angedeuteten Standpunkte aus zun\u00e4chst die Thatsachen der sogenannten Willenserm\u00fcdung etwas n\u00e4her an! Stellt man \u00fcber letztere Versuche in der von Mosso angegebenen Weise an, so lange, bis schliefs-lieh eine merkbare Hebung des Gewichtes durch den Willen nicht mehr m\u00f6glich ist, so hat man das Bewufstsein, den Willen bei allen Hebungen in ann\u00e4hernd gleicher Weise anzustrengen. Nicht die St\u00e4rke des Willensimpulses scheint uns\n1 Auch Sommer (Zeitschr. f. Psychiatrie, 50, 1894, S. 255) l\u00e4fst bei der Katalepsie neben der Konzentration des Bewufstseins auf die Innervation der Muskulatur eine Ausschaltung des Erm\u00fcdungsgef\u00fchles beteiligt sein. Und neuerdings sind auch Hoch und Kr\u00e4pelin (Kr\u00e4pelins Psychol Arbeiten, 1, 8. 476 ff.) zu dem Resultate gekommen, dafs die Thatsachen der sogenannten Willenserm\u00fcdung \u201edie Folge einer Reflexhemmung durch die bei der Muskelarbeit gebildeten Zerfallsstoffe\u201c seien.\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"62\n0. E. M\u00fcller.\nim Verlaufe der Hebungsreihe abzunehmen, sondern nur seine Wirkung. \u201eDas heifst, wer den Versuch macht\u201c, sagt Mosso selbst (Arch. f. Amt. u. Physiol, 1890\u00bb S. 116), \u201ehat das Bewxtlst-sein, stets mit der gleichen Kraft zu ziehen, 'und zwar trotzdem, dafs es dabei Momente giebt, in welchen es nicht gelingt, das Gewicht zu bewegen, und wieder andere, in welchen man es hebt.\u201c* 1 Deutet dieses Verhalten darauf Mn, dafs die unseren Willensimpulsen zu Grunde liegenden zentralen Nervenprozesse bei der Erm\u00fcdung schw\u00e4cher und schw\u00e4cher werden? Weist uns die anscheinende Konstanz der Willensimpulse und die trotz derselben stattfindende Abnahme der Arbeitsleistung nicht vielmehr auf die Annahme Mn, dafs die letztere Abnahme, soweit sie nicht auf einer Erm\u00fcdung des Muskels und einer Verringerung der EinwirkungsftMgkeit beruht, welche die motorische Endplatte dem Muskel gegen\u00fcber besitzt\u00bb darin ihren Grund habe, dafs der Widerstand, den die den Willensimpulsen entsprechenden motorischen Erregungen bei ihrer zentrifugalen Weiterverbreitung an bestimmten SteEem (z. B. den Vorderh\u00f6mem des B\u00fcckenmarkes) zu \u00fcberwinden haben, im Verlaufe der Hebungsreihe immer st\u00e4rker und st\u00e4rker und zuletzt ganz un\u00fcberwindbar wird?* Steht es zu dieser Annahme nicht im besten Einkl\u00e4nge, dafs, wie der Augenschein bei jeder hml\u00e4nghch lange fortgesetzten Hebungsreihe zeigt und auch Mosso selbst (Arch, f Amt. u. Physiol, 1890, S. 118) hervorgehoben hat\u00bb die Willensbem\u00fchungen, das Gewicht zu heben\u00bb bei fortschreitender Erm\u00fcdung von immer lebhafteren 'und ausgedehnteren Mitbewegungen begleitet werden? Diese bei zunehmender Erm\u00fcdung eintretenden und sich immer weiter steigernden Mitbewegungen lassen doch auf nichts weniger schliefsen, als darauf,\n1 Im gleichen Sinne \u00e4ufsert sich Mosso in seiner Schrift Uber die ErmUdung (Leipzig, 1892) S. 99, sowie Lombard im Joum. of Physiol., 13\u00bb 1892, S. 7.\n1 Diese Zunahme des F ortpflanzungs- oder \u00dcbergangs widerstand es kann auf verschiedenem Wege zu st\u00e4nde kommen: erstens durch eine den physiologischen Kontakt gewisser Neuronen irgendwie sch\u00e4digende Erm\u00fcdungswirkung (z. B. Ansammlung von Erm\u00fcdungsprodukten)\u00bb zweitens durch eine reflektorische Hemmung, welche von denjenigen sensorischen Nervenfasern ausgeht, deren Erregungszustand auf irgendwelchem Wege von der Thfttigkeit und dem Erm\u00fcdungsgrade der betreffenden Muskeln beeinflufst wird, und drittens auf beiderlei Weise zugleich. Man vergleiche zu dem Obigen auch Lombard, a. a. O. S. 53 ff.","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Qmchtiempfindungm.\n53\ndafs die den Willensimpulsen entsprechenden zentralen Erregungen im Verlaufe der Hebungsreihe immer schw\u00e4cher und schw\u00e4cher werden, sondern erkl\u00e4ren sich in einfachster Weise, wenn man annimmt, dafs diese Erregungen bei eingetretener Erm\u00fcdung noch in ungef\u00e4hr gleicher (oder gelegentlich sogar in noch h\u00f6herer) Intensit\u00e4t erzeugt werden, wie bei Beginn der Hebungsreihe, dafs sich ihnen aber auf ihrer Bahn zu den bei der beabsichtigten Hebung zu erregenden motorischen Nervenfasern ein durch den Einflufs der Erm\u00fcdung immer mehr gesteigerter Widerstand entgegenstellt, infolge dessen sie sich in anderen motorischen Bahnen weiter verbreiten und diese oder jene Mitbewegungen her vorrufen.\nEine an der Peripherie gelegene Stelle des kortiko-musku-l\u00e4ren Leitungssystems, an welcher bei zunehmender Erm\u00fcdung\nmm\nder Ubergangswiderstand anw\u00e4chst, stellt die motorische Endplatte dar. Der Zusammenhang, der zwischen motorischer Nervenfaser und erregbarer Substanz der Muskelfaser besteht, ist ja in histologischer Hinsicht dem Zusammenh\u00e4nge ganz \u00e4hnlich, der zwischen einem Neuron und einem anderen Neuron besteht, an welches das Fibrillenb\u00e4umchen des ersteren herantritt. Walleb. hat bekanntlich zuerst festgestellt, dafs in einem Erm\u00fcd un gsstad ium, wo der motorische Nerv noch sehr wohl erregbar ist und auch der Muskel bei direkter Tetanisierung sich noch als erregbar bekundet, dennoch die Tetanisierung des Nerven nicht mehr auf den Muskel zu wirken vermag, und er hat dieses Verhalten mit Hecht darauf bezogen, dafs durch die Erm\u00fcdung eine Undurchl\u00e4ssigkeit der motorischen Endplatte f\u00fcr die Erregung bewirkt werde. Auch Abblous (Arch, de Physiol. 5. 1893. S. 437 ff.) ist neuerdings auf Grund experimenteller Untersuchungen zu dem Resultate gekommen, dafs bei der Erm\u00fcdung ein\u00a9 Beeintr\u00e4chtigung der Funktion der motorischen Nervenendorgane eintrete, indem durch die bei der Muskalth\u00e4tigkeit gebildeten Erm\u00fcdungsgifte gewissermafsen eine Art Autokurarisation bewirkt werde. Noch neuere best\u00e4tigende Versuche \u00fcber diesen Punkt liegen von Santbsson (Shand. Arch. f. Physiol. 5. 1895. S. 395ff.) vor.\nMan hat einen Beweis f\u00fcr di\u00a9 Erm\u00fcdbarkeit der Nervenzellen auch in der Erm\u00fcdbarkeit der Reflexe, d. h. in der Thatsaohe erblickt,1 dafs die Reflexbewegung, die einem\n1 Man vergleiche z. B. Ch. Eichst, Physiologie des museles et des nerfs. Paris 1882. S. 722ff.","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nG. E. M\u00fcller.\nbestimmten Beize entspricht, bei fortgesetzter Wiederholung des letzteren immer schw\u00e4cher und schw\u00e4cher wird und zuletzt ganz ausbleibt. Diese Thatsache erkl\u00e4rt sich indessen ohne weiteres durch die Annahme, dafs bei fortgesetzter Wiederholung des Beizes der \u00dcbergangswiderstand f\u00fcr die von dem Beize hervorgerufene Erregung an einer oder mehreren Stellen der Reflex bahn immer gr\u00f6fser und gr\u00f6fser wird.\nWerfen wir nun noch einen kurzen Blick darauf, wie es mit der geistigen Erm\u00fcdung steht. Die geistige Erm\u00fcdung \u00e4ufsert sich im wesentlichen in dreifacher Weise. Erstens fallen die Assoziationen, welche bei erm\u00fcdetem Zustande durch eine gegebene Anzahl von Wiederholungen einer Vorstellungsfolge gestiftet werden, schw\u00e4cher aus, als die Assoziationen, welche bei frischem Zustande durch eine gleich\u00a9 Anzahl von Wiederholungen \u00a9iner gleichartigen Vorstellungsfolge bewirkt werden. Zweitens f\u00fchren fr\u00fcher gestiftete Vorstellungsassoziationen bei eingetretener Erm\u00fcdung seltener zu den entsprechenden Reproduktionen, als es unter sonst gleichen Umst\u00e4nden der Fall ist. Endlich drittens wird durch die Erm\u00fcdung di\u00a9 Zeit verl\u00e4ngert, welche zwischen einer Vorstellung und der Reproduktion einer anderen, mit dieser Vorstellung assoziierten Vorstellung durchschnittlich verfliefst. Aus diesen durch Versuche leicht nachweisbaren drei Erm\u00fcdungswirkungen1 lassen sich die komplizierteren Erscheinungen der geistigen Erm\u00fcdung unschwer ableiten, l\u00e4fst sich z. B. leicht die Thatsache erkl\u00e4ren, dafs bei eingetretener\n1 Als eine, wenigstens f\u00fcr gewisse Individuen bestehende, vierte Erm\u00fcdungswirkung mag Mer noch die folgende angef\u00fchrt werden. Es giebt Individuen, bei denen Vorstellungen, welche in der letzten Zeit \u00f6fter dagewesen sind oder die Aufmerksamkeit stark gefesselt haben, eine hohe Tendenz besitzen, frei ins Bewufstsein zu steigen, und sich dem Bewufstsein h\u00e4ufig ganz von selbst wieder aufdr\u00e4ngen. Diese Tendenz zum freien Steigen, welche Vorstellungen der angedeuteten Art anhaftet, wird nun durch die geistige Erm\u00fcdung noch erheblich gesteigert, und zwar selbstverst\u00e4ndlich mit der Wirkung, dafs die Gedanken ein\u00a9 gewisse Monotonie annehmen und fast dieselben Bahnen zu oft wiederholten Malen durchlaufen. Nach neuerdings ver\u00f6ffentlichten Versuchsresultaten von Aschaffenburg (Kr\u00e4pelins Psychol Arbeiten. 1. S. 278) scheint die hier erw\u00e4hnte Erm\u00fcdungswirkung auch bei solchen Individuen vorzukommen, hei denen unter normalen Umst\u00e4nden eine st\u00e4rkere Tendenz dagewesener Vorstellungen zum freien Steigen nicht hervortritt. Man vergleiche hierzu auch von S\u00f6lder im Neurol Centralbl 14. 1895. S. 958, sowie A. Pick im Arch. /. Psychiatr. 23. 1891. S. 896 ff.","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Paychophysik der Gesteh teempftndungen.\n55\nErm\u00fcdung unsere Apperzeption gegebener Eindr\u00fccke weniger schnell und reichhaltig ausf\u00e4llt, dafs kompliziert\u00a9 Vorstellungsbilder bei erm\u00fcdetem Zustande weniger vollst\u00e4ndig und deutlich ausfallen als bei voller Frische, u. dergl. m. Wir brauchen nicht weiter auszuf\u00fchren, dafs die hier angedeuteten Erscheinungen geistiger Erm\u00fcdung nicht darauf Hinweisen, dafs bei eingetretener Erm\u00fcdung di\u00a9 an der Vorstellungs- und Denkth\u00e4tig-keit beteiligten \u201eNervenzen tren\u201c aus Mangel an erregbarem, Material di\u00a9 ihnen zu Teil werdenden Reizungen nur noch schwach zu beantworten verm\u00f6gen, sondern vielmehr darauf, dafs bei \u00a9ingetretener Erm\u00fcdung die Leichtigkeit geschm\u00e4lert ist, mit welcher die Nervenerregungen auf gewisse ander\u00a9 Bahnen \u00fcbergehen. Nicht in einer Herabsetzung der Intensit\u00e4t der Erregungen, welche die betreffenden Nervenorgane zu entwickeln verm\u00f6gen, \u00e4ufsert sich die geistige Erm\u00fcdung, sondern darin,, dafs die Promptheit und Vollst\u00e4ndigkeit leidet, mit welcher sozusagen di\u00a9 Koordination derjenigen Neuronen, fungiert, die bei den betreffenden Geistesth\u00e4tigkeiten Zusammenwirken m\u00fcssen.\nGanz Entsprechendes gilt endlich von der sogenannten Abstumpfung der sinnlichen Aufmerksamkeit. Das Geklapper der M\u00fchlr\u00e4der kommt dem M\u00fcller gew\u00f6hnlich gar nicht mehr zum Bewufstsein; achtet er aber einmal darauf, so vernimmt er es mit derselben St\u00e4rke 'wie fr\u00fcher. Sind derartige Erscheinungen sogenannter Abstumpfung der sinnlichen Aufmerksamkeit auf Ersch\u00f6pfung zentraler Nervente\u00fc\u00a9 oder nicht vielmehr auf Ver\u00e4nderungen gewisser (durch die willk\u00fcrliche sinnliohe Aufmerksamkeit modifizierbarer) zentraler \u00dcbergangs widerst\u00e4nde zu beziehen? Mach (Grundlinien der Lehre von den Bewegungsempfindungen. S. 58) teilt gelegentlich folgenden Versuch mit: \u201eKlemmt man eine Taste des Harmoniums fest und beobachtet den konstanten Ton durch etwa eine halbe Stunde, so kann man zwar keine allm\u00e4hliche Abschw\u00e4chung des Klanges wahrnehmen, aber \u00a9in Oberton nach dem anderen tritt jetzt in voller Deutlichkeit hervor.\u201c Dieser Versuch scheint uns nichts weniger als eine eingetretene \u201eErsch\u00f6pfung\u201c irgendwelcher Nervente\u00fc\u00a9 zu beweisen, sondern 'vielmehr \u00a9in sch\u00f6nes Beispiel daf\u00fcr darzustellen, dals die \u00dcbergangswiderst\u00e4nde und die Koordinationen der Neuronen dasjenige im Nervensystem sind, was durch eine andauernde Erregung affiziert werden kann.","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nG, E. M\u00fcUer.\nEs ist nicht zu \u00fcbersehen, dale sich selbstverst\u00e4ndlich nicht blos der Betrag des \u00dcbergangswiderstandes, der bei unerm\u00fcdetem Zustande von der Erregung an der \u00dcbergangsstelle zwischen zwei Neuronen zu \u00fcberwinden ist, sondern auch der Grad und die Art der Beeinflussung, welche der \u00dcbergangswiderstand durch eine andauernde oder oft wiederholte Inanspruchnahme\nder \u00dcbergangsstelle erfahrt, darnach bestimmt, was f\u00fcr die betreffenden Wesen im Kampfe ums Dasein das Zweckm\u00e4fsigste ist. Es ist zweckm\u00e4fsig, dafs die Muskeln nach starker Inanspruchnahme durch den Willen oder sonstige von den Zentralorganen ausgehende Impulse vor weiteren Erregungen durch derartige Ursachen gesch\u00fctzt werden. Denn anderenfalls w\u00fcrden gelegentlich nicht blos die Kraftvorr\u00e4te der beteiligten Muskeln v\u00f6llig verbraucht werden, sondern es w\u00fcrde auch das Blut hinsichtlich seines Gehaltes an Kraftvorr\u00e4ten stark ersch\u00f6pft und der gesamte Organismus mit Erm\u00fcdungsprodukten, die hemmend auf die verschiedenen Funktionen einwirken, \u00fcberschwemmt werden. Um diesen sch\u00e4dlichen Wirkungen einer zu starken Inanspruchnahme der Muskeln durch zentrale Erregungsvorg\u00e4nge einigerma\u00dfen vorzubeugen, treten bei Erm\u00fcdung von Muskeln nicht blos die Erm\u00fcdungsempfindungen mit ihrem einer weiteren Ausf\u00fchrung der betreffenden Bewegungen ung\u00fcnstigen Einfl\u00fcsse auf, sondern in den Zentralorganen und an den motorischen Nervenendigungen wachsen zugleich auch allm\u00e4hlich \u00dcbergangswiderst\u00e4nde heran, welche die. betreffenden Muskeln immer mehr vor neuen Erregungsimpulsen sch\u00fctzen.1 Da ferner, wie vor allem die Versuche Mossos gezeigt haben, auch bei der Denkth\u00e4tigkeit Erm\u00fcdungsgifte entstehen, welche auf die Funktion von Organen, in welche sie gelangen, hemmend einwirken, so ist es zweckm\u00e4fsig, dafs auch bei andauerndem\nangestrengten Denken sich \u00dcbergangswiderst\u00e4nde heranbilden, welche die Leichtigkeit und Schnelligkeit der Vorstellungsreproduktion herabsetzen. Fafst man endlich die Bahnen der Sinnesnervenerregungen ins Auge, so zeigt sich leicht, dafs da andere Einrichtungen zweckm\u00e4fsig sind, als in den motorischen\n1 Auch die hemmende Wirkung, welche nach Mosbos Versuchen die bei der Anstrengung bestimmter Muskeln entstandenen Erm\u00fcdungsgifte auf die Th\u00e4tigkeit ander weit er Muskeln aus\u00fcben, dient in leicht ersichtlicher Weise dazu, einer weiteren \u00dcberschwemmung des Organismus mit Erm\u00fcdungsgiften entgegen zu wirken.","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen,\n57\nBahnen,. Es ist zweckm\u00e4fsig, dafs ein Sinneseindruck, sobald er apperzipiert ist und eventuell die erforderlichen Mafsregeln veranlagt hat, sofort von der B\u00fchne des Bewusstseins verschwinde und anderen Wahrnehmungen Platz mache, allerdings mit der M\u00f6glichkeit, sowohl sich gelegentlich dem Bewufstsein wieder von selbst aufzudr\u00e4ngen, als auch durch die willk\u00fcrliche sinnliche Aufmerksamkeit hinsichtlich seines Daseins und seiner Beschaffenheit jeder Zeit der Kontrolle des Bewufstseins unterworfen werden zu g\u00f6nnen. Es ist aber nicht zweckm\u00e4fsig, dafs bei l\u00e4ngerer Andauer oder \u00f6fterer Wiederholung eines Sinnesreizes sich Vorg\u00e4nge in der sensorischen Nervenbahn entwickeln, welche die Sinnesnervenerregung, wenn sie das Bewufstsein bestimmt, nur noch in abgeschw\u00e4chtem Grade auf letzteres einwirken lassen und sozusagen ein\u00a9 Abschw\u00e4chung des Sinnesreizes vort\u00e4uschen. Wohl aber 'ist es zweckm\u00e4fsig, dafs ein andauernder oder oft wiederholter Sinnesreiz, der alle Mafsregeln, zu deren Ergreifung er Anlafs geben kann, schon l\u00e4ngst hervorgerufen hat, allm\u00e4hlich immer mehr an Kraft verliere, bis zu einer Beeinflussung des Bewufstseins vorzudringen. Es ist z. B. nicht zweckm\u00e4fsig, dafs das Geklapper der M\u00fchlr\u00e4der dem M\u00fcller, soweit \u00a9s demselben noch zum Bewufstsein kommt, im Lauf\u00a9 der Zeit immer schw\u00e4cher und schw\u00e4cher erscheine, sondern nur zweckm\u00e4fsig, dafs es immer weniger die Kraft besitze, die anderweiten Sinneswahmehmungen und die Gedanken des M\u00fcllers zu st\u00f6ren. Man w\u00fcrde also wohl ein nur sehr wenig eindringendes biologisches Denken verraten, wenn man sagen w\u00fcrde, in den sensorischen Nervenbahnen m\u00fcsse ein\u00a9 andauernde oder oft wiederholte Erregung gleiche Wirkungen haben wie in den motorischen Bahnen. Di\u00a9 letzteren Bahnen f\u00fchren zu Organen, an deren andauernder oder oft wiederholter Erregung wir h\u00e4ufig ein Interesse haben, deren zu starke Inanspruchnahme jedoch dem Organismus nachteilig ist. Hier ist also bei starker Inanspruchnahme der Muskeln eine allm\u00e4hliche Entwickelung von \u00dcbergangswiderst\u00e4nden angebracht. Was dagegen das sensorische Gebiet anbelangt, so ist zun\u00e4chst nicht bekannt, dafs das l\u00e4nger\u00a9 Vorhandensein von Empfindungen an und f\u00fcr sich, d. h. soweit dasselbe nicht zu schwierigen Apperzeptionen und Denkoperationen oder zu Gem\u00fctszust\u00e4nden f\u00fchrt, \u00e4hnlich wie eine andauernde starke Muskel-th\u00e4tigkeit, von nachteiligen Wirkungen f\u00fcr den Organismus","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"68\nG. E. Muller.\nbegleitet sei. Zweitens ist \u00fcberdies der Mechanismus der sinnlichen Aufmerksamkeit, um uns kurz so auszudrucken, zweck-m\u00e4fsigerweis\u00a9 so eingerichtet, dafs eine und dieselbe sensorische Erregung das Bewufstsein \u00fcberhaupt immer nur sehr kurze Zeit hindurch ununterbrochen zu beeinflussen vermag. Was h\u00e4tte es also f\u00fcr einen Zweck, wenn ein\u00a9 und dieselbe Erregung eines Sinnesnerven bei ununterbrochener Andauer oder \u00f6fterer Wiederholung infolge herangewachsener \u00dcbergangswiderst\u00e4nde mit immer schw\u00e4cherer Intensit\u00e4t zur Einwirkung auf das Bewufstsein k\u00e4me? Ein solches Verhalten w\u00fcrde h\u00f6chstens dazu dienen, uns zu Irrt\u00fcmem hinsichtlich der \u00e4ulseren Reizvorg\u00e4nge zu verleiten. Zweckm\u00e4fsig erscheint allein eine solche Einrichtung, bei welcher eine andauernde oder oft wiederholte Sinnesreizung den Mechanismus der sinnlichen Aufmerksamkeit in der Weis\u00a9 bestimmt, dafs sie immer mehr an Kraft verliert, die sinnliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.\nWir halten also im Hinblick auf die fr\u00fcher angef\u00fchrten Thatsachen und die im Vorstehenden angedeuteten Erw\u00e4gungen an dem Satze fest, dafs die sensorischen Nervenbahnen unerm\u00fcdbar seien, d. h., dafs eine und dieselbe auf eine sensorische Nervenbahn ausge\u00fcbte Reizung (z. B. eine und dieselbe von der lichtempfindlichen Netzhautschicht auf die nerv\u00f6se Sehbahn ausge\u00fcbte Reizung) immer dieselbe Empfindung zur Folge habe, soweit die durch dieselbe erweckte sensorische Nervenerregung \u00fcberhaupt zur Einwirkung auf das Bewufstsein kommt. Die Erscheinungen der sogenannten Willenserm\u00fcdung, der Erlahmung des Denkens u. dergl. m. verm\u00f6gen uns in dieser Hinsicht in keiner Weise zu beirren. Vielleicht wird man die Frage aufwerfen, wie es m\u00f6glich sei, dafs ein\u00a9 andauernde oder oft hintereinander wiederholte Erregung zwar in den motorischen, nicht aber auch in den sensorischen Nervenbahnen ein Ent-stehen von XJbergangswiderst\u00e4nden (oder Anwachsen bereits vorhandener Widerst\u00e4nde) bewirke. Auf diese Frage w\u00fcrde, abgesehen von anderem, zu erwidern sein, dafs, wie z. B. das Kurare die Funktion der motorischen, nicht aber auch der sensorischen Nervenendigungen beeintr\u00e4chtigt und \u00e4hnliche Sonderwirkungen von zahlreichen anderen Giften bekannt sind, es auch nicht im mindesten zu verwundern ist, wenn die Erm\u00fcdungsgifte zweckm\u00e4fsigerweise zwar di\u00a9 motorischen, nicht","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n59\naber auch die sensorischen Nervenbahnen durch Bewirkung von \u00dcbergangswiderst\u00e4nden affi zieren.\nWie sich aus Vorstehendem hinl\u00e4nglich ergiebt, ist f\u00fcr uns die Unerm\u00fcdbarkeit der Nerven keineswegs mit der Annahme verkn\u00fcpft, dafs die Th\u00e4tigkeit der Nerven ohne chemischen Stoffverbrauch vor sich gehe, wenn auch der chemische Umsatz in diesen blofsen Leitungs- und Regulierungsorganen im Vergleich zu demjenigen St off verbrauche, der in den Arbeit leistenden Organen, z. B. den Muskeln, stattfindet, nur gering sein d\u00fcrfte. Nur lassen wir der reservierten Stellung gem\u00e4fs* die wir in Beziehung auf die Frage nach dem Wesen der Nervenprozesse einnehmen, ganz dahingestellt, ob der in den Neuronen stattfindende Stoffumsatz daraus entspringe, dafs die Nervenprozesse selbst chemischer Natur seien, oder vielmehr nur darauf beruhe, dafs die komplizierte Struktur der Nervensubstanz nur dureh einen fortw\u00e4hrenden Stoffwechsel erhalten werden kann, einen Stoffwechsel, welcher bei Stattfinden der eigentlichen Nervenprozesse sozusagen durch eine Art von Nebenwirkung oder Abnutzungswirkung noch eine Steigerung erfahre. Auf jeden Fall ist f\u00fcr die Aufrechterhaltung der Unerm\u00fcdbarkeit der Nerven erforderlich, dafs die in denselben stattfindenden chemischen Umwandlungen m\u00f6glichst schnell durch die Ern\u00e4hrung wieder ausgeglichen werden. Behufs dieser Ausgleichung sind diejenigen (grauen) Partieen der Zentralorgane, wo sich starke Anh\u00e4ufungen von Ganglienzellen befinden, der ern\u00e4hrenden Wirkung des Blutstromes besonders stark unterworfen; und es begreift sich leicht, dafs die Ern\u00e4hrungszentren (Ganglienzellen) andauernd gereizter Neuronen histologisch nachweisbare Ver\u00e4nderungen erkennen lassen. Mit welcher Intensit\u00e4t die Neuronen f\u00fcr die Aufrechterhaltung ihrer Unerm\u00fcdbarkeit sorgen, wie sehr dieselben alle anderen Organe an \u201enutritiver Attraktion\u201c f\u00fcr das N\u00e4hrmaterial des Blutes tibertreffen, ergiebt sich vor allem auch aus der Thatsache, dafs bei sehr lang (etwa gar bis zum Hungertode) fortgesetztem Hungern das Nervensystem von allen Organen den geringsten Stoffverlust erleidet, n\u00e4mlich einen solchen, der.fast gleich Null ist.\nNat\u00fcrlich bed\u00fcrfen die im Vorstehenden entwickelten Gesichtspunkte noch in verschiedener Richtung der n\u00e4heren Ausf\u00fchrung und Erg\u00e4nzung, und in gewisser Hinsicht w\u00e4re es vielleicht besser gewesen, wenn wir uns darauf beschr\u00e4nkt h\u00e4tten, unter Bezugnahme auf die im Eing\u00e4nge dieses Paragraphen (S. 47) erw\u00e4hnte Auslassung Ficks und die darauf angef\u00fchrten Versuchsresultate f\u00fcr die nerv\u00f6se Sehbahn dieselbe relative Unenn\u00fcdbarkeit zu postulieren, welche f\u00fcr die nerv\u00f6se H\u00f6rbahn nachweislich besteht. Wir haben es indessen doch f\u00fcr angezeigt gehalten, wenigstens anzudeuten, zu welchen Anschauungen man gelangt, wenn man die f\u00fcr die Unerm\u00fcdbarkeit der Nerven sprechenden Thatsachen mit den anscheinend ganz anders gearteten Erscheinungen der Willenserm\u00fcdung, der Erschlaffung des Denkens u. dergl. in Einklang zu bringen sucht. ' Wie man sieht, f\u00fchrt ein Bestreben letzterer Art zu Anschauungen, die sich ganz in einer Linie mit denjenigen modernen Ansichten bewegen,","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nG. E. M\u00fcller.\nnach denen manche oder wom\u00f6glich alle Beeinflussungen und Komplikationen der Nervenleitung, die man bisher in die Ganglienzellen verlegt hat, an solche Stellen zu verlegen sind, wo verschiedene Neuronen in Kontakt zu einander treten. Die Thatsachen n\u00f6tigen uns\u00bb bemerkt Morat in einer diesen letzteren Standpunkt ganz uneingeschr\u00e4nkt geltend machenden Abhandlung,1 der Nervenzelle nur die Funktion zuzuschreiben, das Zentrum der Entwickelung und Ern\u00e4hrung des Neurons zu sein. In der Leitungsbahn der Nervenerregung stellt di\u00a9 Nervenzelle keine irgendwie wichtige Etappe dar. Die wichtigen Etappen sind vielmehr am Beginn und am Ende des Neurons. Wir m\u00f6chten indessen nicht unterlassen, darauf hinzu weisen, dafs die Nervenzellen, weil sie eben als Zentren der Ern\u00e4hrung (schon in Folge der grofsen Oberfl\u00e4che, die sie durch ihre zahlreichen Protoplasmaforts\u00e4tze besitzen) den Einfl\u00fcssen des Em\u00e4hrungsstromes zug\u00e4nglicher sind als die Nervenfasern, auch den erregenden oder hemmenden Einfl\u00fcssen, welche die chemische Beschaffenheit des Blutes teils in besonderen F\u00e4llen, teils in periodischer Weise aus\u00fcbt, weit zug\u00e4nglicher sein m\u00fcssen als die Nervenfasern. Es ist daher schon von vorneherein zu erwarten, dafs die Nervenzellen im allgemeinen nicht blos der Einwirkung von Giften zug\u00e4nglicher sind als die Nervenfasern, sondern auch die Ausgangsst\u00e4tten derjenigen Nervenerregungen sind, welche die Folge irgendwelcher chemischer Ver \u00c4nderungen des Ern\u00e4hrungsstromes sind.\n\u00a7 35. Erkl\u00e4rung der quantitativen Singularit\u00e4t der\nschwarzweifsen Empfindungen.\nUnter der quantitativen Singularit\u00e4t der schwarzweifsen Empfindungen verstehen wir di\u00a9 schon fr\u00fcher (\u00a76, S. 31) erw\u00e4hnte Thatsache, dafs die Empfindung einer und derselben Graun\u00fcance nicht mit merkbar verschiedenen Intensit\u00e4ten vorkommt. Den Gr\u00fcnden, aus denen, und den Einschr\u00e4nkungen, mit denen diese Thats\u00e4che besteht, gelten die nachfolgenden Ausf\u00fchrungen.\nDie im wesentlichen aus W- Erregung und S- Erregung sich zusammensetzende endogene Erregung der zentralen Sehsubstanz ist den Darlegungen von \u00a7 33 gem\u00e4fs von der Temperatur und dem Erregbarkeitszustande der Sehsubstanz abh\u00e4ngig. Die Temperatur der Sehsubstanz ist als merkbar konstant anzusehen ; dasselbe gilt nach den Ausf\u00fchrungen des vorstehenden Paragraphen von der Erregbarkeit. Folglich sind\n1 Arch, de Fhy&iol. 7, 1895, S. 200 ff. Die Abhandlung von Morat l\u00e4fst eine Ber\u00fccksichtigung der in Biedermanns Ekktrophysiologie, S. 497 f. erw\u00e4hnten Untersuchungen vermissen.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n61\nwir zu der Behauptung berechtigt, dafs die endogene Erregung, welche in der Sehsubstanz besteht, wenn in der Netzhaut neutrale Stimmung herrscht und auch sonst kein Beiz (mechanischer oder sonstiger Art) auf die nerv\u00f6se Sehbahn wirkt, merkbar konstant und unabh\u00e4ngig von demjenigen ist, was vorher in der Sehsubstanz geschehen ist.\t,\nWird die neutrale Stimmung der Netzhaut in der Weise gest\u00f6rt, dafs die Differenz Iw\u2014It einen positiven oder negativen Wert annimmt, so mufs diesem Werte von\t\u20141,\nwegen der Konstanz der Temperatur und Erregbarkeit der Sehsubstanz stets eine und dieselbe Modifikation der endogenen Erregung der letzteren entsprechen, d. h, stets eine und dieselbe Intensit\u00e4t der IF-Erregung und eine und dieselbe Intensit\u00e4t der ^-Erregung zugeh\u00f6ren. Kurz, wegen der Konstanz der Temperatur und Erregbarkeit der Sehsubstanz ist die in der letzteren vorhandene Erregung eine eindeutige Funktion der Differenzen \u2014Iaj In\u2014Iv I9\u2014J*.1 Dem Fr\u00fcheren (\u00a7 20, S. 343 f.) gern\u00e4fs weicht die IF-Erregung von demjenigen Intensit\u00e4tswerte, den sie bei v\u00f6lligem Sichselbst\u00fcberlassensein der zentralen Sehsubstanz besitzt, umsomehr nach oben oder nach unten ab, je gr\u00f6iser, absolut genommen, der positive bezw. negative Wert der Differenz Iw\u2014I, ist, w\u00e4hrend die ^-Erregung umso intensiver ist, je weniger der Wert Iv\u2014I, in positiver Richtung, bezw. je mehr derselbe in negativer Richtung verschoben ist. Es ist also infolge der Konstanz der Temperatur und Erregbarkeit der Sehsubstanz die Intensit\u00e4t der IF-Erregung eine eindeutige Funktion des Wertes I*\u2014J\u201e und zugleich ist auch die Intensit\u00e4t der ^Erregung eine eindeutige Funktion desselben Wertes oder, was auf dasselbe hinauskommt, eine eindeutige Funktion der Intensit\u00e4t der VF-Erregung, und zwar eine Funktion von der Art, dafs ganz allgemein der st\u00e4rkeren IF-Erregung die schw\u00e4chere ^-Erregung zugeh\u00f6rt. Hieraus ergiebt sich, dafs die Empfindung einer und derselben Grau-\n1 Wie nicht weiter ausgefllhrt zu werden braucht, ist jeder die nerv\u00f6se Sehbahn treffende innere Beiz, z. B. mechanischer Art, bestimmten Werten der obigen drei Differenzen \u00e4quivalent. Nur eine Temperatur-\u00c4nderung der Sehsubstanz w\u00fcrde in ihrer psychophysischen Wirkung nicht durch Herstellung bestimmter Werte obiger drei Differenzen ersetzbar sein (vergleiche S. 41).","page":61},{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"62\nO. JS. JU\u00fcll&t.\nnuance nicht mit verschiedenen Intensit\u00e4ten Vorkommen kann. Denn k\u00e4me die Empfindung einer und derselben Graunuance mit verschiedenen .Intensit\u00e4ten vor, so m\u00fcfste es m\u00f6glich sein, dafs bei einer Zunahme der W-Erregung die S-Erregung eine in gleichem Verh\u00e4ltnisse stattfindende Erh\u00f6hung erfahre. Dies ist aber thats\u00e4chlich unm\u00f6glich ; denn nach Vorstehendem ist jede Verst\u00e4rkung der W-Erregung von einer Abnahme der S-Erregung begleitet, und umgekehrt. Mithin ist es uns gelungen, das Hauptproblem, das \u00fcberhaupt zu allen diesen unseren psychophysischen Untersuchungen \u00fcber die Gesichtsempfindungen den Anstofs gegeben hat, zu l\u00f6sen, n\u00e4mlich das Problem: wie ist die Theorie der Gegenfarben zu gestalten, damit sie die quantitative Singularit\u00e4t der schwarzweifsen Empfindungen ohne Zuhilfenahme des in \u00a7 2 er\u00f6rterten, f\u00fcr \u00fchs unannehmbaren HERiNGsohen Satzes zu erkl\u00e4ren vermag?\nIm Vorstehenden ist von der Frage, ob die quantitative Singularit\u00e4t der schwarzweifsen Empfindungen absolut oder nur mit Ann\u00e4herung und gewissen Einschr\u00e4nkungen bestehe, ganz abgesehen worden. In dieser Beziehung ist nun zu bemerken, dafs wir die hier in Betracht kommenden Verh\u00e4ltnisse nur im Groben beurteilen k\u00f6nnen, z. B. nur mit voller Sicherheit behaupten k\u00f6nnen, dafs die Empfindung eines mittleren Grau niemals die Intensit\u00e4t und Eindringlichkeit eines betr\u00e4chtlich helleren Welfs besitzt. Es ist zu bedenken, dafs auch die Bedingungen, an welche nach dem Vorstehenden die quantitative Singularit\u00e4t der schwarzweifsen Empfindungen gebunden ist, nicht absolut streng erf\u00fcllt sein k\u00f6nnen. Die Temperatur und die Erregbarkeit der Sehsubstanz unterliegen ganz sicher gewissen, wenn auch nur geringen Schwankungen. Und es versteht sich von selbst, dafs wir die Unerm\u00fcdbarkeit der Sehsubstanz nur in demjenigen relativen Sinne anzunehmen brauchen, in welchem dieselbe angenommen werden mufs, um den Satz von der quantitativen Singularit\u00e4t der schwarzweifsen Empfindungen mit derjenigen G\u00fcltigkeit, welche er thats\u00e4chlich besitzt, zu erkl\u00e4ren.\nEs erhebt sich nun aber die Frage, ob es neben den soeben angedeuteten, nicht ins Gewicht fallenden und mehr zuf\u00e4lligen Abweichungen von diesem Satze nicht noch ganz anders geartete Abweichungen von demselben giebt. Es fragt sich n\u00e4mlich, erstens, ob das Vorstellungsbild einer","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n63\nGraunuance gem\u00e4fs der sogenannten Schw\u00e4che, welche es in der Regel im Vergleich zu der Empfindung der gleichen Grau-nnance besitzt, nicht einfach als eine Vorstellung anzusehen ist, welche sich von letzterer Empfindung lediglich durch eine weit geringere Intensit\u00e4t und Eindringlichkeit unterscheidet. Die Thatsache, dafs das Vorstellungsbild einer bestimmten Nuance des Grau oder Weifs im allgemeinen schw\u00e4cher erscheint, als die Empfindung derselben Nuance, und zugleich doch auch von jeder dunkleren Grauempfindung wesentlich verschieden ist, l\u00e4fst sich nach unseren bisherigen Entwickelungen unschwer erkl\u00e4ren.1\nZweitens kann man fragen, ob nicht pathologische F\u00e4lle \u2022 Vorkommen, wo die Intensit\u00e4ten, welche die endogene W-Erregung und ^-Erregung bei neutraler Stimmung der Netzhaut und Abwesenheit innerer (z. B. mechanischer) Reize der nerv\u00f6sen Sehbahn besitzen, erheblich ver\u00e4ndert sind und mithin auch die Empfindungen der verschiedenen Graunuancen mit anderen Intensit\u00e4ten Vorkommen, als unter normalen Ver-h\u00e4ltnissen der Fall ist.\nEs w\u00fcrde zu weit abf\u00fchren, wollten wir an dieser Stelle nun auch in eine (an und f\u00fcr sich hier wohl angebrachte) psychophysische Er\u00f6rterung der Besonderheiten des binokularen Sehens sowie der Erscheinungen des Glanzes eintreten. Was die Thatsache anbelangt, dafs ein und dasselbe Objekt uns bei unokularer und binokularer Betrachtung ann\u00e4hernd gleich hell erscheint, so liegt es nahe, dieselbe sowie \u00fcberhaupt die G\u00fcltigkeit des Satzes \u201evom komplement\u00e4ren Anteil der beiden Netzh\u00e4ute am Sehfelde\" (Hering in Herrn anns Handbuch d. Fhsysiol. 3,1, S. 596) auf diejenige Wechselbeziehung zur\u00fcckzuf\u00fchren, in welcher die beiden Netzh\u00e4ute hinsichtlich ihrer retinalen Anpassungszust\u00e4nde zu einander stehen. Man kann aber auch an ein\u00a9 Mitbeteiligung von Regulierungen zentraler Art denken.\nNehmen wir an, die W- und S- Erregung der zentralen Sehsubstanz seien einander direkt entgegengesetzte chemische Umsetzungen, welche sich in dem Falle, wo neutrale Stimmung in der Netzhaut herrscht und die Sehsubstanz sich v\u00f6llig seihst \u00fcberlassen ist, gegenseitig gerade das Gleichgewicht halten, so besteht im lezteren Falle in der Sehsubstanz ein Zustand, hei welchem sich die Energi\u00e8 der Sehsuhstanz in keiner\n1 Wie man die nicht selten vertretene Ansicht, dafs die den visuellen Vorstellungsbildern zu Grunde liegenden Nervenprozesse genau in denselben nerv\u00f6sen Teilchen stattf\u00e4nden, wie die den Gesichts emp fin dung en entsprechenden Nervenprozesse, mit der Thatsache der endogenen Erregung der Sehsubstanz vereinen will, ist uns v\u00f6llig unerfindlich. Nach dieser Ansicht m\u00fcssten sich die visuellen Vorstellungsbilder stets in das Sehfeld des subjektiven Augengrau einzeichnen, was bekanntlich nur bei solchen Vorstellungsbildern der Fall ist, welche halluzinatorische St\u00e4rke besitzen.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\n(\nWeise \u00e4ndert, bei welchem aber f\u00fcr die molekular-mechanische Betrachtung sehr vieles in der Sehsubstans geschieht, und welcher auch in psychophysischer Hinsicht keineswegs bedeutungslos ist, sondern die Unterlage der Empfindung des subjektiven Augengrau bildet. Der hier angenommene (keineswegs unm\u00f6gliche) Fall zeigt uns, da Is es schwerlich ein sehr gl\u00fccklicher Gedanke ist, wenn Lasswitz (ArcA f. sys Um. Phtlos1, 1895, S. 46 ff.) von der Einf\u00fchrung der energetischen Betrachtungsweise in die innere Psychophysik das Heil der letsteren erwartet, und erinnert uns daran, dafs eine Theorie der Materie nur dann als ausreichend geltend kann, wenn sie zugleich der Psychophysik als eine gen\u00fcgende Unterlage su dienen vermag. Denn die Gesetsm\u00e4fsig-kei ten der unmittelbar gegebenen Inhalte k\u00f6nnen nur durch eine solche Theorie der Materie einen Ausdruck finden, welche die von ihr supponierten materiellen Vorg\u00e4nge mittels einer konsequenten psychophysichen Gesetzm\u00e4ssigkeit in Beziehung zu den unmittelbar gegebenen Bewu\u00dftseinsinhalten zu bringen vermag.\n\u00a7 36. Assimilation und Dissimilation.\nWir stellen uns hier nicht die Aufgabe, die von uns vertretene Modifikation der Theorie der Gegenfarben hinsichtlich aller Einzelheiten und Konsequenzen mit derjenigen Form zu vergleichen, welche Hering selbst dieser Theorie gegeben hat. Nur einige Hauptpunkte allgemeinerer Art sollen in dieser Beziehung hier zur Sprache gebracht werden.\n1.\tWie nach unseren Anschauungen infolge der Schwankungen, welche die vorhandenen Mengen der Sehstoffe erleiden, in der Netzhaut ein und dasselbe Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis zwischen W- und S-Prozefs bei verschiedenen absoluten Intensit\u00e4tswerten beider Vorg\u00e4nge stattfinden kann, so kann nach Hering (z. B. Zur Lehre vom Lichtsinn, S. 99ff.) in der zentralen Sehsubstanz ein und dasselbe Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis zwischen der W- und S-Erregung bei sehr verschiedenen absoluten Intensit\u00e4tswerten beider Erregungen stattfinden. Da nun aber die Empfindung einer und derselben Graunuance nicht mit merkbar verschiedenen Intensit\u00e4ten vorkommt, so sieht sich Hering gen\u00f6tigt, den in \u00a7 2 er\u00f6rterten, unannehmbaren psychophysischen Satz aufzustellen. Wir hingegen bed\u00fcrfen dieses Satzes nicht, wie im vorstehenden Paragraphen gezeigt worden ist.\n2.\tMan hat schon von jeher der HerinGschen Theorie gegen\u00fcber die Frage aufgeworfen, wie es m\u00f6glich sei, dafs die 8chwarzweif8en Empfindungen Vorkommen, w\u00e4hrend doch nach","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n65\ndieser Theorie zwischen Weif\u00ab und Schwarz derselbe Antagonismus bestehen soll, welcher zwischen Eot und Gr\u00fcn, Gelb und Blau besteht und ein Vorkommen der rotgr\u00fcnen und gelb-blauen Empfindungen v\u00f6llig ausschliefst. Dieser scheinbare Widerspruch, in den die Theorie der Gegenfarben den schwarz-weifsen Empfindungen gegen\u00fcber ger\u00e4t, ist durch unsere Ausf\u00fchrungen (\u00a7 6, S. 31\u00a3, \u00a7 20, S. 343 ff., \u00a7 33, S. 40ff) v\u00f6llig beseitigt.\n3. Nach Herings Theorie mufs bei vollendeter Adaptation an eine bestehende Helligkeit, mag diese Helligkeit eine hohe oder geringe sein, stets diejenige (neutrale) Grauempfindung vorhanden sein, welcher eine TF-Erregung und S-Erregung von genau derselben Intensit\u00e4t zu Grunde liegen. Denn der Zustand der vollendeten Adaptation an eine Helligkeit ist nach Hering dadurch charakterisiert, dafs sich die vorhandene Assimilation und Dissimilation gegenseitig gerade das Gleichgewicht halten,1 Nun k\u00f6nnen wir allerdings den Fall der v\u00f6lligen Adaptation an eine gegebene Helligkeit aus verschiedenen Gr\u00fcnden nicht streng verwirklichen (vergleiche \u00a7 22, S. 365\u00a3), es sei denn allenfalls, dafs es sich um die Adaptation an eine minimale Helligkeit handele. Aber trotzdem k\u00f6nnen wir auf Grund der Erfahrungen, die wir bei l\u00e4ngerem Fixieren heller Fl\u00e4chen oder bei l\u00e4ngerem Aufenthalte in m\u00f6glichst gleichf\u00f6rmig erleuchteten, nirgends schwarze oder dunkelgraue Flecke oder Gegenst\u00e4nde enthaltenden, hellen B\u00e4umen machen, mit einiger Sicherheit die Behauptung aufstellen, dafs der v\u00f6lligen Adaptation an eine starke Helligkeit nicht dieselbe mittlere Grauempfindung entspricht, welche bei vollendeter Adaptation an eine schwache oder gar minimale Helligkeit vorhanden ist. Es scheint uns also di\u00a9 HERiNOsche Theorie auch deshalb zu einem, Bedenken Anlafs zu geben, weil sie dem Zustande der v\u00f6lligen Adaptation an eine gegebene Helligkeit stets eine und dieselbe Grauempfindung entsprechen l\u00e4fst, mag die gegebene Helligkeit sein, welche sie wolle. Wie sich aus den Ausf\u00fchrungen, die wir in \u00a7 22 (insbesondere S. 366) gegeben haben, ohne weiteres ergiebt, unterliegen di\u00a9 von uns vertretenen Anschauungen nicht dem gleichen Bedenken. Nach unseren Entwickelungen ist dann, wenn in der Netzhaut der Zustand stofflichen Gleich-\n1 Man vergleiche z. B. Hering im Arch, fi Ophthaim, 87, 8. 8. 30f. Zeitschrift f\u00fcr Psychologie XIV.\t6","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"66\nG. E, M\u00fcller.\ngewichte erreicht ist, die Differenz 2\u00bb\u2014I, um so gr\u00f6fser, Je starker die ein wirkende Helligkeit ist.\n4.\tWenn Hering die negativen Nachbilder und \u00fcberhaupt die sog. Erm\u00fcdungserscheinungen des Gesichtssinnes nicht auf besondere peripherische Vorg\u00e4nge, sondern auf die in jeder lebendigen Substanz stattfindenden Vorg\u00e4nge der Assimilation und Dissimilation und ihre Wechselbeziehung zu einander zur\u00fcckf\u00fchrt, so erhebt sich die Frage, weshalb di\u00a9 \u00fcbrigen Sinne nicht s\u00e4mtlich die gleichen Erm\u00fcdung\u00bb- und Nachbilderscheinungen beobachten lassen, wie der Gesichtssinn. Auch im Gebiete des H\u00f6rsinnes und des Tastsinnes z. B. mufs nach den Anschauungen Herings neben der Dissimilation eine Assimilation stattfinden. Warum nun lassen uns beide Sinne nicht ebenso wie der Gesichtssinn negative Nachbilder beobachten? Der hier erhoben\u00a9 Ein wand, der sich, 'wie leicht zu erkennen, 'in verallgemeinerter Form \u00fcberhaupt gegen jede Theorie richten l\u00e4fst, welch\u00a9 die negativen Nachbilder und die damit zusammenh\u00e4ngenden Erm\u00fcdungserscheinungen des Gesichtssinnes nicht auf besondere periphere Vorg\u00e4nge, sondern auf irgendwelche allgemeine Eigenschaften der Nervensubstanz oder der lebenden Substanzen \u00fcberhaupt zur\u00fcckfuhrt, f\u00e4Ut um so schwerer ins Gewicht, weil, wie wir fr\u00fcher gesehen haben, eine in strengem Anschl\u00fcsse an die Thatsachen und Anschauungen der physikalischen Chemie stattfindende Durchf\u00fchrung der allgemein geteilten Annahme, dafs di\u00a9 Lichtstrahlen chemisch\u00a9 Vorg\u00e4nge im Sehepithel\u00a9 hervorrufen, ganz ohne Weiteres \u00a9ine befriedigende physikalisch-chemisch\u00a9 Erkl\u00e4rung der positiven und negativen Nachbilder und der gesamten Erm\u00fcdungserscheinungen des Gesichtssinnes an die Hand giebt.1\n5.\tVielleicht wird man nun vom Standpunkte der Hhbling-schen Theorie aus einwenden, dafs wir die grofse Analogie ganz \u00fcbers\u00e4hen, di\u00a9 zwischen dem Verhalten der Gesichtsempfindungen einerseits und dem Verhalten, welches der motorische Nerv bei Schliefsung und \u00d6ffnung eines ihn. durch-fliefsenden konstanten Stromes zeige, andererseits bestehet. Leiten wir durch \u00a9inen motorischen Nerven einen konstanten\n1 Weitere Bemerkungen, welche die Frage nach dem Urspr\u00fcnge der Erm\u00fcdungserscheinungen des Gesichtssinnes betreffen, folgen am Schl\u00fcsse dieses Paragraphen.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gestehtaempfindungen.\n67\nStrom, so erhalten wir an der (physiologischen) Kathode erh\u00f6hte Erregbarkeit und Erregung, an der .Anode eine Verringerung der Erregbarkeit und eventuell eine Hemmung vorhandener Erregung, \u00f6ffnen wir den Strom, so kehren sich die Verh\u00e4ltnisse um ; wo zuvor erh\u00f6hte Erregbarkeit bestand, zeigt sich Herabsetzung der Erregbarkeit, und wo zuvor die Erregbarkeit verringert war, tritt Erh\u00f6hung der Erregbarkeit und Erregung auf. Die Analogie zu der Umkehrung, welche die Vorg\u00e4nge in der Netzhaut dem, Auftreten der negativen Nachbilder entsprechend nach Beendigung einer gegebenen Lichteinwirkung erfahren, liegt auf der Hand. Wird eine Netzhautstelle z. B. durch rotes Licht gereizt, so wird in derselben JB-Prozefs hervorgerufen, in den umgebenden Netzhautstellen hingegen tritt ein G-Prozefs und eine Verringerung der Rotempf\u00e4nglichkeit auf. Sistieren wir die Einwirkung des roten Lichtes, so kehren sich die Verh\u00e4ltnisse um : wo vorher R-Prozefs bestand, zeigt sich verringerte Eotempf\u00e4ngliehkeit und G-Prozefs, und wo zuvor G-Prozefs und herabgesetzte Eotempf\u00e4ngliehkeit herrschte, tritt jetzt ein E-Prozefs auf. Der Analogie, welche hiernach zwischen dem Verhalten der Gesichtsempfindungen und den Erscheinungen des galvanisch gereizten motorischen Nerven besteht, wird Hering dadurch gerecht, dafs er nicht blofs den Empfindungen von Eot und Gr\u00fcn, Gelb und Blau, Weiis und Schwarz Vorg\u00e4nge zu, Grunde legt, welche im Verh\u00e4ltnisse von Assimilation und Dissimilation zu einander stehen, sondern aufserdem auch annimmt, dafs bei galvanischer Durchstr\u00f6mung des motorischen Nerven an der Anode die Assimilation, an der Kathode hingegen die Dissimilation gef\u00f6rdert werde. Die Folge einer solchen Wirksamkeit des galvanischen Stromes muls sein, dafs nach \u00d6ffnung des Stromes an der Anode die Dissimilation, an der Kathode hingegen die Assimilation \u00fcberwiegt.1 Alles dasjenige, was diese Anschauungen Herings leisten, l\u00e4fst sich nun aber auch noch durch eine andere Auffassung erreichen. Man nehme an, dafs, ebenso wie durch\n1 Man vergleiche Hering, Zur Theorie der Vorg\u00e4nge in der lebendigen Substanz (Lotos, Neue Folge, 9,1889), 8. 58ff.; Bimdiemann, Elektrophysiologie, S. 723ff. Auf Einzelheiten und Besonderheiten, welche die Wirksamkeit des einen Nerven oder Muskel durchfiiefsenden elektrischen Stromes betreffen, kann hier nat\u00fcrlich nicht eingegangen werden.\n6*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\na E. Mutier.\neinen Lichtreiz in der neutral gestimmten Netzhaut das Gleichgewicht zwischen entgegengesetzten chemischen Prozessen gest\u00f6rt wird, auch durch einen elektrischen Strom., welch\u00ab einen motorischen Nerven durchliefst, das Gleichgewicht zwischen zwei in diesem sich fortw\u00e4hrend abspielenden ohemischen Vorg\u00e4ngen, welche keineswegs eigentliche Nerven-prozesse seien und kurz als der A-Vorgang 'und if-Vorgang bezeichnet werden m\u00f6gen, gest\u00f6rt werde, und zwar finde diese St\u00f6rung, wie leicht zn begreifen, an der (physiologischen) Anode und Kathode in entgegengesetztem Sinne statt. An der Anode trete ein \u00dcberwiegen des A-Vorganges, mithin eine Ansammlung\nmm\nvon A-Material ein, an der Kathode hingegen finde ein Uber\u00ab wiegen des A-Vorganges und eine Anh\u00e4ufung von A-Material statt. Das \u00dcberwiegen des A-Vorganges wirke die Erregbarkeit steigernd und erregend auf die betreffenden Nervenstellen, das \u00dcber wiegen des A-Vorganges hingegen hemmend und die Erregbarkeit herabsetzend (ganz \u00e4hnlich wie in der Netzhaut ein \u00dcberwiegen des iS-Prozesses \u00fcber den TV-Prozefs in genau entgegengesetztem Sinne auf die Sehnervenendigungen wirkt, wie ein \u00dcberwiegen des TV-Prozesses \u00fcber den \u00c4-Prozefs). Macht man diese Voraussetzungen, so ergiebt sich ohne Weiteres, dafs nach \u00d6ffnung des Stromes an der Anoden stelle der A-Vor gang \u00fcberwiegt und dementsprechend erh\u00f6hte Erregbarkeit und Erregung vorhanden ist, an der Kathodensteil.\u00a9 hingegen ein \u00dcberwiegen des A-Vorganges eintritt, welches an 'und. f\u00fcr sich von einer herabgesetzten Erregbarkeit und eventueller Hemmung begleitet ist.\nWir brauchen nicht weiter auszuf\u00fchren, dafs nach den hier angedeuteten Anschauungen die Analogie, welche zwischen dem Auftreten der negativen Nachbilder des Gesichtssinnes einerseits und der bei der Stromes\u00f6ffnung im motorischen Nerven eintretenden Umkehrung der Erregharkeitsverh\u00e4ltmsse andererseits besteht, sich in der einfachsten Weise erkl\u00e4rt, n\u00e4mlich daraus, dafs es sich sowohl bei der Einwirkung der Lichtreize auf das Sehepithel als auch bei der Einwirkung des elektrischen Stromes auf den motorischen Nerven um St\u00f6rungen eines chemischen Gleichgewichtszustandes handelt, welche nach Aufh\u00f6ren der betreffenden St\u00f6rungsursache (des Lichtreizes, der elektrischen Durchstr\u00f6mung) nach dem Gesetz\u00a9 der chemischen","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Pmjchophysik der Gcmchtsempfindungen.\n69\nM&ssenwirkung notwendig von Vorg\u00e4ngen gefolgt sind, welche in genau, entgegengesetzter Richtung vor eich gehen.1\nEbenso bedarf es nicht weiterer Ausf\u00fchrung, dafs die von uns hier vertretene Auffassung f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Erscheinungen des vom elektrischen Strome durchflossenen Nerven oder Muskels ebenso viel leistet, wie die Ansicht Herings, indem sie so zu sagen \u00fcberall an Stelle der letzteren substituiert werden kann. Auf die Frage, ob unsere Auffassung (die insofern, als sie die Beeinflussung des motorischen Nerven durch den elektrischen Strom als ein\u00a9 Art chemischer Reizung ansieht, nichts weniger als neu ist) in Vergleich zu der Ansicht Herings nicht \u00fcberdies noch gewisse Vorz\u00fcge besitze, soll hier nicht eingegangen werden.2\nUns will also bed\u00fcnken, dafs die H\u00dfRiNGsche Lehre von der Assimilation und Dissimilation entsprungen ist aus einer Betrachtung solcher Erscheinungsgebiete (Gesichtssinn, elektrisch durchstr\u00f6mter Nerv oder Muskel), in denen die Reizung der betreffenden erregbaren Gebilde durch St\u00f6rungen chemischer Gleichgewichtszust\u00e4nde vermittelt wird. Da die Beziehung zwischen Assimilation und Dissimilation, wie Hering dieselbe darstellt, in mancherlei Hinsicht \u00e4hnlich ist und \u00e4hnliche Konsequenzen mit sich bringt, wie die Beziehung zwischen zwei chemischen Reaktionen, von denen di\u00a9 ein\u00a9 die Umkehrung der anderen ist, so hat sich die HeringscJi\u00a9 Lehr\u00a9 f\u00fcr diese Erscheinungsgebiete als fruchtbar erwiesen. Sie versagt aber notwendig in allen denjenigen Sinnesgebieten, wo die ad\u00e4quate Reizung nicht durch St\u00f6rungen chemischer Gleichgewichtszust\u00e4nde vermittelt wird, z. B. im Gebiete des H\u00f6rsinnes.\n6. Man kann nun aber \u00fcberdies auch fragen, ob Hering bei\n1 Es bedarf nicht erst der Erw\u00e4hnung, dafs der Pall der Einwirkung \u25bcon Licht auf die lichtempfindliche Netzhautschicht mit dem Palle der elektrischen Durchstr\u00f6mung eines motorischen Nerven wegen gewisser Besonderheiten des letzteren Falles (polarisatorische Wirkungen des elektrischen Stromes u. dergl. m.) nicht in jeder Beziehung in eine Linie zu stellen ist.\n1 Man k\u00f6nnte hier z. B. an die Verlegenheit ankn\u00fcpfen, in welcher lieh die HiRiKosche Ansicht der Thatsache gegen\u00fcber befindet, dafs der nicht blofs der Kontraktilit\u00e4t, sondern auch des Leitungsverm\u00f6gen\u00bb v\u00f6llig beraubte \u00c4thermuskel noch sehr wohl die F\u00e4higkeit besitzt, nach Durchstr\u00f6mung durch den elektrischen Strom einen positiv anodischen N&chstrom zu liefern (man vergleiche Biedermann, Elektrophysiologie, a 388 f.).","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nG\u00bb E* M\u00fcller,\nsemer Zur\u00fcckf\u00fchrung vieler Erscheinungen auf die zwischen Assimilation und Dissimilation bestehende Beziehung dieser letzteren Beziehung nicht 'mitunter solche Eigenschaften zugeschrieben habe, welche derselben .in, Wirklichkeit nicht zukommen. Unter der Dissimilation versteht Hering die chemische Zersetzung oder Umwandlung erregbaren Materiales. Unter der Assimilation versteht er nicht denjenigen 'Vorgang, welcher der Dissimilation direkt entgegengesetzt ist und m einer R\u00fcckbildung der Erregungsprodukte zu erregbarem Materiale besteht, sondern einen Vorgang, der darin besteht, dafs \u201eN\u00e4hrstoffe aufgenommen, von der lebendigen Substanz angeeignet und zu Bestandteilen ihrer selbst gemacht werden\u201c (Hering, Zur Theorie der Vorg\u00e4nge in der lebendigen Substanz, S. 36.), Es ist also die Assimilation die Herstellung von erregbarem Material (D-Material), welche auf Grand gewisser Stoffe (von A-Material) erfolgt, die durch den Ern\u00e4hrungsstrom der betreffenden Schicht zugef\u00fchrt smdf zu einem Teile aber auch Produkte vorheriger Dissimilation (D-Produkt) sein k\u00f6nnen. Hiernach zeigen die Assimilation und Dissimilation, wie auch Hering selbst a. a. 0. S. 40 anerkennt, eine Gegens\u00e4tzlichkeit nur insofern, als der eine Vorgang im Sinne einer Vermehrung, der andere aber im Sinne einer Verringerung des 2>-Materiales sich geltend macht. \u201eAber diese beiden Prozesse sohlielsen sich nicht gegenseitig aus, sondern finden gleichzeitig statt\u201c (Hering); sie stehen auch keineswegs in einem solchen Verh\u00e4ltnisse zueinander, dafs eine Steigerung des einen Vorganges notwendig zugleich mit einer Schw\u00e4chung des anderen oder Erschwerung der Ausl\u00f6sbarkeit des anderen verbunden ist. Im Gegenteil, eine Steigerung des Verbrauches eines erregbaren Materiales ist in der Regel von einer Steigerung der Stoffzufuhr und Assimilation begleitet, und eine Zunahme der letzteren ist im allgemeinen mit einer Steigerung des Stoffverbrauches verbunden.\nWenn also Hering (Zur Lehre vom Lichtsinn, S. 120) behauptet: \u201eGemischtes Licht erscheint farblos, wenn es sowohl f\u00fcr die blaugelbe als f\u00fcr die rotgr\u00fcne Substanz ein gleichstarkes Dissimilierungs- wie Assimilierangsmoment setzt, weil dann beide Momente sich gegenseitig auf heben und die Wirkung auf die schwarzweifse Substanz rein hervortritt\u201c,1 so verm\u00f6gen\n1 Mau vergleiche hierzu die ganz entsprechenden Ausf\u00fchrungen Ten Hering, Zur Lehre vom Lichtsinn, S. 127, sowie Pfl\u00fcgers \u00c4rch., 4t, 1887, S. 34 ff.","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Zwt Pmjchqphysik der Gesteh tsempfmdungen.\n71\nwir dem soeben Bemerkten gem\u00e4fs nicht einzusehen, inwiefern ein gleichstarkes Dissimilierungs- und Assimilierongsmoment sich in dem Sinne gegenseitig aufheben k\u00f6nnen, dafs weder A\u00dfsimilierung noch Dissimilierung eintritt. Wenn ein Beiz vorhanden ist, welchem an und f\u00fcr sich eine gesteigerte Umwandlung von A-Material in D-Material entspricht, und gleichzeitig ein zweiter Reiz gegeben ist, welchem an und f\u00fcr sich eine gleich lebhafte Umwandlung von D-Material in D-Produkt entspricht, so kann das gemeinsame Resultat beider Reize nur das gleichzeitige Stattfinden einer gesteigerten Assimilation und einer gleichstarken gesteigerten Dissimilation sein, wobei die Menge des D-Materials konstant bleibt. Wie die Gleichzeitigkeit beider Reize die Wirkung Null ergeben k\u00f6nne, verm\u00f6gen wir 'nicht zu erkennen.\nMan setze ferner den Fall, dafs rotes Licht l\u00e4ngere Zeit hindurch ununterbrochen auf das Auge wirke, und zwar eine Dissimilation hervorrufe. Alsdann mufs nach Hebings Anschauungen w\u00e4hrend der Einwirkung des roten Lichtes die entsprechende Assimilierung, also die Gr-Erregung, immer mehr zunehmen, und zuletzt, wenn das Auge v\u00f6llig an das rote Licht adaptiert ist, mufs die Gr-Erregung mit genau derselben Intensit\u00e4t stattfinden wie die R-Erregung, ebenso wie das Auge bei stattfindender Adaptation an ein\u00a9 gegeben\u00a9 weiise Helligkeit nach Hering (Arch. f. Ophthalm., 37, 3, S. 30f.) sich immer mehr demjenigen Zustande n\u00e4hert, wo die S-Erregung mit gleicher Intensit\u00e4t stattfindet wie die W- Erregung und mithin die neutrale Grauempfindung vorhanden ist. Bei der allm\u00e4hlich sich vollziehenden Adaptation an das rote Licht m\u00fcfste also die Rotempfindung einen immer deutlicher werdenden Stich ins Gr\u00fcnliche annehmen und zuletzt zu einer mittleren \u00dfotgrtn-empfindung werden. Davon ist aber in Wirklichkeit nicht die Rede. Weshalb davon in Wirklichkeit nicht die Rede ist, und weshalb \u00fcberhaupt die rotgr\u00fcnen und gelbblauen Empfindungen in unserer Erfahrung nicht Vorkommen, dar\u00fcber vermag man nicht Rechenschaft zu geben, wenn man den Gegensatz, der zwischen den psychophysischen Vorg\u00e4ngen des Gesichtssinnes 'besteht, nur als denjenigen Gegensatz, ansieht, der zwischen Assimilation und Dissimilation besteht. Wollte man annehmen, dafs das rote Licht nicht blofs im Sinne einer Steigerung der Dissimilierung, sondern zugleich auch im Sinne einer Minderung der zugeh\u00f6rigen Assimilierung wirke, so w\u00fcrde zu bemerken","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\na K Mmr.\nsein, dais diese Annahme nicht blofs durchaus willk\u00fcrlicher Art w\u00e4re, sondern auch dem Organismus eine eminente Unzweek-m\u00e4fsigkeit zuschriebe \u2014 denn eine Herabsetzung der Assimilation bei gesteigerter Dissimilation w\u00e4re \u00e4ufserst unzweck-m\u00e4fsig \u2014 und unseren sonstigen physiologischen. Erfahrungen durchaus widerspr\u00e4che, z. B. der Thatsache, dafs bei gesteigerter Th\u00e4tigkeit eines Organes die Blutzirkulation in demselben sofort an Lebhaftigkeit zuzunehmen pflegt, was schwerlich dazu geschieht, um einer herabgesetzten Assimilation zu dieneu. \u00dcbrigens hat auch schon Hering selbst (Zur Theorie der Vorg\u00e4nge in der lebendigen Substanz, S. 40) hervorgehoben, dafs auch bei andauernder Einwirkung eines solchen Reizes, welcher eine Dissimilation f\u00f6rdert und die zugeh\u00f6rige Assimilation mindert, schliefslich ein Zustand eintreten m\u00fcfste, bei welchem die Assimilation und Dissimilation gleich stark ausfallen.\nMan kann nun endlich noch fragen, ob nicht wenigstens in energetischer Hinsicht ein Gegensatz zwischen Assimilation und Dissimilation bestehe, insofern durch den einen Vorgang eine Zunahme, durch den anderen aber eine Abnahme des Energieinhaltes der beteiligten Stoffe bewirkt werde. Aber auch auf diese Frage mufs die Antwort verneinend lauten. Stellt man sich n\u00e4mlich auf den He rin eschen Standpunkt, so erscheint der Umstand auffallend dafs sich neben den beiden Vorg\u00e4ngen der Umwandlung von A-Material in D-Material und der Umwandlung von D-Material in D-Produkt nicht auch die beiden entgegengesetzten Vorg\u00e4nge, die R\u00fcckbildung von D-Material in A-Material und von D-Produkt in ,D-Material, merkbar machen. Nach unseren Ausf\u00fchrungen in \u00a7 25 (S. 390, 392), deren allgemeiner Bedeutung und Wichtigkeit wir uns sehr wohl bewufst sind, ist dieser Umstand darauf zur\u00fcckzuf\u00fchren, dafs der Energieinhalt des D-Materials weit gr\u00f6fser ist, als derjenige des D-Produkts, und zugleich auch das A-Material noch einen weit gr\u00f6fseren Energieinhalt besitzt als das D-Material.1 Zu dem Resultate, dafs durch diejenigen Nervenprozesse, welche Assimilationsvorg\u00e4nge darsteilen sollen,\n1 In der That behauptet auch Biedermann (Elektrophysiologie, 3. 519), dafs \u201ees sich bei der Nervenreizung ohne Zweifel ganz ebenso wie btt der direkten Muskelreizung, ja wohl \u00fcberhaupt bei einer irgendwie bewirkten Erregung einer lebenden Substanz stets um Ausl\u00f6sung von Spannkr\u00e4ften handelt\u201c.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophy&ik der Gesichtsempfindungen.\n73\nkeine Zunahme des Energieinhaltes der betreffenden Teile bewirkt wird, gelangt man \u00fcbrigens auch noch auf einem anderen Wege. Man braucht n\u00e4mlich nur in R\u00fccksicht zu ziehen, dafs einerseits nicht die mindeste Berechtigung daf\u00fcr vorhanden ist, anzunehmen, dafs sich diese Nervenprozesse, im Unterschiede von anderen, mit abnehmender Intensit\u00e4t fortpflanzen, dafs aber andererseits Vorg\u00e4nge, durch welche eine Zunahme des Energieinhaltes der betroffenen Stellen (z. B. eine Anh\u00e4ufung chemischer Spannkr\u00e4fte daselbst) bewirkt wird, sich nur1 mit abnehmender Intensit\u00e4t weiterverbreiten k\u00f6nnen. Denn wenn eine Nervenstelle bei ihrer Erregung durch die vorhergehende Stelle mehr Energie aufnimmt, als sie an die n\u00e4chstfolgende Stelle abgiebt, so bedeutet dies, dafs sie auf die letztere Stelle einen schw\u00e4cheren \u00dcbertragungsreiz aus\u00fcbt, als sie selbst seitens der ersteren erfahren hat, dafs also die Erregung bei ihrer Fortpflanzung an St\u00e4rke verliert.\nIm Grunde sind also Herings Assimilation und Dissimilation zwei chemische Vorg\u00e4nge, die beide von einer bedeutenden Abnahme des Energieinhaltes der beteiligten Stoffe begleitet sind und sich nicht wesentlich anders zu einander verhalten, als zwei Dissimilierungsvorg\u00e4nge, von denen der eine das Dis-similierungsprodukt des anderen noch zu weiterer Zersetzung bringt. Wir glauben nicht, dafs di\u00a9 Beziehung, die zwischen diesen beiden Vorg\u00e4ngen besteht, dazu geeignet ist, zur Erkl\u00e4rung derjenigen Erscheinungen der Sinnesphysiologie und Nerven- und Muskellehre zu dienen, welche auf einen gewissen Antagonismus von Vorg\u00e4ngen hindeuten. Diese Assimilation und Dissimilation schliefsen einander keineswegs aus und hemmen sich in keinerlei Weise. Es ist nicht einzusehen, weshalb der eine von diesen beiden Vorg\u00e4ngen auf einen Muskel in entgegengesetztem. Sinne wirken m\u00fcsse, wie der andere. Und es ist nichts weniger als selbstverst\u00e4ndlich, dafs, wenn einem D-V or gange eine elektrische Negativit\u00e4tswelle zugeh\u00f6re, alsdann dem zugeh\u00f6rigen A-Vorg\u00e4nge eine elektrische Positivi-titswelle entspreche. Es war gewifs ganz im Sinne einer wissenschaftlichen Methodologie, wenn Hering die antagonistischen Beziehungen, welche nach seinen Nachweisungen di\u00a9 Psycho-pkysik der Gesichtsempfindungen zwischen den bei Erweckung dieser Empfindungen beteiligten Vorg\u00e4ngen anzunehmen hat, zun\u00e4chst auf die gegenseitige Beziehung bereits bekannter","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nG. K. Malier.\nVorg\u00e4nge, der Assimilation nnd Dissimilation, zur\u00fcokzuf\u00fchren versuchte. Aber die Beziehung zwischen diesen beiden Vorg\u00e4ngen scheint uns nicht diejenige Leistungsf\u00e4higkeit f\u00fcr die Erkl\u00e4rung jener Erscheinungen zu besitzen, welche ihr von Hebing und nach seinem Beispiele von anderen Forschem zugeschrieben wird.\n\u00ab\nDa wir nicht im Mindesten in Abrede stellen, dafs auch die Neuronen dem Stoffwechsel unterliegen, so wird man vielleicht die Frage stellen, welche psychophysische Bolle wir selbst der Assimilation zu-schrieben, die in den psychophysischen St\u00e4tten der Sehsph\u00e4re stattfinde* Auf diese Frage l&fst sich Verschiedenes erwidern. Erstens, dafs wir \u00fcberhaupt noch gar nicht sicher wissen, ob die psychophysischen Prozesse chemischer Natur sind, bezw. ob jeder in den psychophysischen St\u00e4tten sich abspielende chemische Vorgang einen psychophysischen Prozefs hervorzurufen vermag. Zweitens kann man meinen (zumal vom Standpunkte der in \u00a7 29 er\u00f6rterten Ausl\u00f6sungshypothese aus), dais die Umwandlung der N\u00e4hrstoffe in erregbares Material und die R\u00fcckbildung erregbaren Materials in N\u00e4hrstoffe Vorg\u00e4nge seien, welche beide mit nur sehr geringen \u00c4nderungen der Energieinhalte der beteiligten Stoffe verliefen und im Vergleich zu den eigentlichen Erregungsprozessen nur ein verschwindendes psychophysisches Gewicht bes&fsen. Endlich drittens kann man sagen, dafs die Bildung neuer psychophysischer Substanz vielleicht \u00dcberhaupt nicht an denjenigen St\u00e4tten geschehe, welche den Schauplatz der psychophysischen Prozesse darstellen. Das Material f\u00fcr letztere Prozesse werde vielmehr an anderen Pl\u00e4tzen gebildet und durch Diffusion und noch andere Kr\u00e4fte nach den Schaupl\u00e4tzen der psychophysischen Th\u00e4tigkeit hingef\u00fchrt. Es w\u00fcrde nichts weniger als zweck-m\u00e4fsig sein, wenn die Empfindungen, welche zur Wahrnehmung der f\u00fcr uns wichtigen Vorg\u00e4nge der Aufsenwelt und unseres eigenen Organismus bestimmt seien, fortw\u00e4hrend durch diejenigen Vorg\u00e4nge beeinflu\u00dft und gest\u00f6rt w\u00fcrden, welche lediglich der Herstellung neuer psychophysischer Substanz dienen. Deshalb sei letztere Herstellung ganz au\u00dferhalb der St\u00e4tten der psychophysischen Prozesse verlegt.\nEine eingehendere Stellungnahme zur Theorie Herings ist dadurch erschwert, dafs derselbe auf die Frage, inwieweit nun die negativen Nachbilder und \u00fcberhaupt alle von ihm auf die Beziehung zwischen Assimilation und Dissimilation zur\u00fcckgef\u00fchrten Erscheinungen des Gesichtssinnes peripherischen oder zentralen Ursprunges seien, gar nicht n\u00e4her eingeht (man vergleiche z. B. Herings Auslassung im Arch.f Ophthaktu, 87, 8, S. 34 f.). An manchen Stellen (z. B. Pfl\u00fcgers ArcA, 41,1887, S. 89) tritt freilich eine Neigung Herings, die f\u00fcr das Verhalten der Gesichtsempfindungen ma\u00dfgebende Assimilation und Dissimilation als zentrale Vorg\u00e4nge anzusehen, deutlich hervor.\nMit unserer Ansicht, dafs di\u00a9 Nachbilder und Erm\u00fcdungserscheinungen des Gesichtssinnes wesentlich peripherischen Ursprunges seien, stimmt die Mehrzahl der Forscher \u00fcberein, welche sich \u00fcber diesen","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gemchtsanpfindungen.\n75\nPunkt ge\u00e4ufsert 'haben. Bie Gr\u00fcnde, welche f\u00fcr diese Ansicht .angef\u00fchrt werden, verm\u00f6gen wir indessen nicht immer als beweisend anzuerkennen. So scheinen uns s. B. die Thatsachen, welche Einer (Pfl\u00fcgers Arth,, 11, 1875, S. 414 f., S. 581 ff.; Wien, Ber, 65, 1872, S. 59ff.; Bepertorium der Physik, 1884, S. 874 ff.) f\u00fcr die Behauptung eines retinalen Ursprunges der Nachbilder anf\u00fchrt, zuin Teil im Hinblick auf die von Filehke (Arch. f. Ophthahn 82, 2, S. 17 ff) gegen Eines geltend gemachten Thatsachen und Gesichtspunkte, einer gen\u00fcgenden Beweiskraft zu entbehren.\n\u00c4ufserst befremdend ist die Art und Weise, wie Filbhne (a. a. O. S. 4ff.) die sog. Starrblindheit benutzt, um einen zerebralen Ursprung der Nachbilder und der Kontrasterscheinungen darzuthun. Jeder mit Hbbimos Nachweisungen einigermafsen Vertraute erkennt unschwer, dafs die sogenannte Starrblindheit im wesentlichen einfach auf der simultanen Liohtinduktion und den Ver\u00e4nderungen beruht, welche eine andauernde Lichteinwirkung an der Erregbarkeit der unmittelbar betroffenen Netzhautstellen hervorruft.\nBetreffs der gleichfalls befremdenden Argumente, welche Parinaud (Gm, dm h\u00f4pitaux, 55, 1882, S. 459f.) f\u00fcr die Annahme eines zerebralen Ursprunges der Nachbilder angef\u00fchrt hat, gen\u00fcgt es, auf die Kritik von Exkeb (Bepert. d, Physik,, 1884, S. 377) zu verweisen.* 1 Binet (La psychologie du raisonnement, Paris, 1886, S. 47) f\u00fchrt f\u00fcr die Ansicht von Pabinaud den Umstand an, dafs das Nachbild zuweilen noch lange Zeit nach dem urspr\u00fcnglichen Sinneseindruck auftrete. Als Beispiele hierf\u00fcr nennt er eine Anzahl von F\u00e4llen, in denen s\u00e4mtlich es sich nicht um Nachbilder, sondern um Wiederholungsbilder (Erscheinungen des Sinnesged\u00e4chtnisses) handelt. Letztere Erscheinungen, die in der That in einem Ged\u00e4chtnisse der Nervensubstanz ihren Grund haben, sind aber von den Nachbildern ganz wesentlich verschieden. Bie\u00ae erhellt z. B. schon daraus, dafs die Wiederholungsbilder uns auch fr\u00fchere Bewegungen von Gesichtsobjekten wieder vorf\u00fchren k\u00f6nnen, was die Nachbilder niemals verm\u00f6gen (man vergleiche hier\u00fcber Fbohnxb, Elan, d, Psychoph2, S. 498 ff).\nIn eklatanter Weise w\u00fcrde die Annahme eines peripherischen Ursprunges der Nachbilder erwiesen sein, wenn sieh zeigen liefse, dafs Lichtempfindungen, welche an einer Versuchsperson, der ein Augapfel enukleiert ist, lediglich durch mechanische Beizung des Sehnerven bewirkt werden,1 keine negativen, Nachbilder hinterlassen, w\u00e4hrend Lichtempfindungen von ganz gleicher Beschaffenheit, welche durch ad\u00e4quate Beizung der Netzhaut des noch erhaltenen Auges hervorgerufen werden, von deutlichen negativen Nachbildern begleitet werden.\nVielleicht wird man meinen, dafs Mr einen zentralen Ursprung der negativen Nachbilder solche F\u00e4lle spr\u00e4chen, wo durch Willensanstrengung bis zu sinnlicher Deutlichkeit verst\u00e4rkte Vorstellungsbilder von entsprechenden negativen Nachbildern gefolgt gewesen sein sollen, oder f\u00fcr\n1 Man vergleiche auch Belababbb im immcaf\u00bb Joum. of Psychol2. 1889, S ,826 ff.\n1 Ober Lichtempfindungen, welche nach Enukleation des Augapfels durch mechanische Beizung des Opticusstumpfes hervorgerufen wurden, berichtet Schmidt-Simples, Centrabl. f. d. med, Wim., 1882, \u00a7. 8f.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\n0. E. M\u00fcller.\neine im Trtnme gesehene Farbe nach dem unmittelbar darauf erfolgten Erwachen noch das zugeh\u00f6rige negative Nachbild wahrgenommen worden sein solL Alle F\u00e4lle dieser Art sowie verwandte Beobachtungen an Hypnotisierten besitzen f\u00fcr ein kritisches Denken nicht die mindeste Beweiskraft.1 Denn erstens mufs man sich h\u00fcten, Trugw&hrnehmungen, welch\u00ab anf illusorischer Auffassung peripherischer Eindr\u00fccke beruhen und selbstverst\u00e4ndlich von den diesen Eindr\u00fccken entsprechenden negativen Nachbildern begleitet sind, far Zust\u00e4nde rein zentralen Ursprunges zu nehmen. Zweitens ist zu bedenken, dafs da, wo das Halluzinationsbild eines Gegenstandes mit bestimmter F\u00e4rbung auftritt, leicht auch das Halluzinationsbild eines gleichen Gegenstandes mit komplement\u00e4rer F\u00e4rbung wird entstehen k\u00f6nnen, Wer sich z. B. das Vorstellungsbild eines blauen Mantels bis zu sinnlicher Deutlichkeit zu steigern vermag, wird sieh (hei geeigneter Suggestion) leicht auch hinterher noch das Vorstellungsbild eine\u00ab gelben Mantels bis zu gleicher Deutlichkeit erheben.\n1 Man vergleiche hierzu z. B. Parish, \u00dcber die Trugi\u00dfahmehmungen, Leipzig 1894, S. 138 ff.\n(Schlaft folgt im n\u00e4chsten Heft.)","page":76},{"file":"p0161.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\nVon\nGL E. M\u00fclleb.\n(Schlafs.)\nKapitel 5.\nDie besondere Funktionsweise der Stftbehen.\n\u00a7 37. Historisches.\nWir haben noch die Aufgabe, denjenigen Ansichten gegen\u00fcber, welche seit k\u00fcrzerer oder l\u00e4ngerer Zeit hinsichtlich der besonderen Funktionsweise der St\u00e4bchen ausgesprochen worden sind, in zusammenfassender und erg\u00e4nzender Weise Stellung zu nehmen. Denn unsere fr\u00fcheren Bemerkungen \u00fcber die Bedeutung des Sehpurpurs dienten im wesentlichen nur dazu, die Rolle des Sehpurpurs vom physikalisch-chemischen Standpunkte aus zu beleuchten. . Auf eine n\u00e4here Aufz\u00e4hlung aller Vorteile, welche diese Ansicht von der Bedeutung des Sehpurpurs f\u00fcr die Erkl\u00e4rung der Erscheinungen bietet, konnte im Fr\u00fcheren nicht eingegangen werden. Dies soll nun im Nachstehenden geschehen.\nZun\u00e4chst einige Notizen in historischer Hinsicht. Max Schultze (Arch, f. mikrosJc. Ami. 2. 1866. S. 247 ff.) hat wohl zuerst die Ansicht aufgestellt, dafs, w\u00e4hrend die Zapfen sowohl dem Lichtsinn als auch dem Farbensinn dienten, die St\u00e4bchen nur Helligkeitsempfindungen vermitteln k\u00f6nnten, wobei sie allerdings \u201ef\u00fcr quantitative Lichtperzeption einen Vorzug vor den Zapfen besitzen.\u201c Schultze gr\u00fcndete diese Ansicht haupts\u00e4chlich auf die Resultate vergleichend-anatomischer Untersuchungen, insbesondere die Thatsache, dafs in der Netzhaut vieler Nachttier\u00a9 die St\u00e4bchen der Zahl nach oder wenigstens\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie .XIV.\t11","page":161},{"file":"p0162.txt","language":"de","ocr_de":"162\nG. E. M\u00fcller.\nder Gr\u00f6fsenentwickelung nach vorherrschen,1 w\u00e4hrend die Netzhaut anderer Tiere, bei denen unzweifelhaft die Farbenwahrnehmung eine grofse Bolle spielt, ein reichliches Vorhandensein oder \u00dcberwiegen der Zapfen erkennen l\u00e4fst.\nDieser Ansicht Schultzes f\u00fcgte R. Ed, Liesegang (in seinem Photogr. Arch. No. 686. 1891. S. 117) die Annahme hinzu, dafs die durch die St\u00e4bchen vermittelte Helligkeitsempfindung \u201e durch die photochemische Zersetzung des Sehpurpurs bedingt ist Deshalb werden auch sehr lichtschwache Objekte nicht so genau durch die Fovea centralis, als vielmehr von den herumliegenden Netzhautbezirken wahrgenommen.u Auch finden wir bereits bei Liesegang die Bemerkung, dafs die totale Farbenblindheit auf einem Ausf\u00e4lle der Zapfenth\u00e4tigkeit beruhe.\nIn Frankreich verband Parinaud* bereits im Jahre 1881 mit der Annahme, dafs wir in den St\u00e4bchen einen nur dem Lichtsinn dienenden Apparat bes\u00e4fsen, die weitere .Annahme, dafs die Funktion der St\u00e4bchen auf dem Sehpurpur beruhe; und Parinaud wandte als erster diese Ansicht auf die Hemeralopie an, in. der Weise, dafs er letztere auf eine mangelhafte Sehpurpurprodnktion zur\u00fcckf\u00fchrte. Wie Parinaud hervorhebt, sind Tiere (H\u00fchner und Tauben), welche des Sehpurpurs entbehren, nachtblind. Parinaud unterscheidet ausdr\u00fccklich zwei lichtempfindliche Apparate in der Netzhaut, den Zapfenapparat, welcher sowohl blofse Helligkeitsempfindungen als auch Farbenempfindungen vermittele, und den St\u00e4bchenapparat, welcher nur Helligkeitsempfindungen entstehen lass\u00a9 und dem Sehen im Dunkeln diene. Diese Funktion der St\u00e4bchen werde durch das Fluoreszenzverm\u00f6gen des Sehpurpurs* * * * * 8 und aufserdem noch durch ein\u00a9 chemische Th\u00e4tigkeit desselben, vermittelt Er konst\u00e4tierte sp\u00e4terhin die (auch von von Kries gefundenen nd\n1 Man vergleiche hierzu die kritischen Bemerkungen von W. Krause\nin Schmidts Jahrb. d. ges. Med. 249. 1896, S. 203 ff.\n* Compt rend. 93. 1881. S. 286 f.; 99. 1884 S. 937 ff; 101.1885. S. 821 ff;\nArch. g\u00e9n. de m\u00e9d. 7. S\u00e9rie. 7. T. 1881. S. 411 ff; AL\u00ab\u00ab. d}ocul. 112. 1894.\nS. 228 ff\n8 In Wirklichkeit kommt ein wesentliches Fluoreszenzverm\u00f6gen nicht dem Sehpurpur selbst, sondern dem Zersetzungsprodukte desselben, dem Sehweifs, zu, und auch dieses wird aufser vom \u00dcberviolett h\u00f6chstens nur noch vom Violett erregt (K\u00fchne in Herman ns Handb. d. PhysioL 3. 1,8. 287 ff)","page":162},{"file":"p0163.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n163\nin gleicher Weise verwertete) Thatsache, dafs durch die Dunkeladaptation die absolute Empfindlichkeit fur die gr\u00fcnen und blauen Strahlen weit mehr gesteigert wird, als f\u00fcr die langwelligeren Strahlen, und er f\u00fchrte dieses Verhalten, sowie die andere Thatsache, dafs fur das Dunkelauge alle Farben (mit Ausnahme des Kot) bei geringer Intensit\u00e4t farblos werden, darauf zur\u00fcck, dafs die besonderen Beth\u00e4tigungsweisen des Dunkelauges im wesentlichen nur auf der Funktion der St\u00e4bchen beruhen. Als eine wichtige Best\u00e4tigung dieser Ansicht f\u00fchrte er ferner an, dafs nach seinen Beobachtungen ein\u00a9 Spektralfarbe, welche nur auf die .Netzhautgrub\u00a9 einwirkt, auch bei ein getretener Dunkeladaptation niemals farblos erscheint. Auch das PuRKiNjEsche Ph\u00e4nomen f\u00fchrt Parinaud (\u00e4hnlich wie von Kries) auf die Zusammensetzung unseres Sehorganes aus dem St\u00e4bchen- und Zapfenapparat zur\u00fcck.\nDie Ansicht Parinauds, dafs die Hemeralopie auf eine mangelhafte Sehpurpurproduktion zur\u00fcckzuf\u00fchren sei, wurde von verschiedenen Forschem angenommen, z. B. von K\u00fcschbert (Dtsch. med. Wochenschr. 1884. S. 342), welcher darauf aufmerksam machte, dafs nach K\u00fchnes Untersuchungen die Netzhaut der Nachtraubtiere, insbesondere der Eulen, auffallend reich an Sehpurpur sei. Hemeralopie ist nach K\u00fcschbert nichts Anderes, als \u201everlangsamte Adaptation an verminderte Beleuchtung\u201c.\n\u2014Treitel (Arch. f. OpMhalm. 31. 1. S. 139 ff., 33. 1. S. 31 ff. und 2. S. 73 ff.), welcher letztere Ansicht vom Wesen der Hemeralopie eingehend vertrat, sprach sich, allerdings nur mit Reserve, auch f\u00fcr die Annahme aus, dafs diese Beeintr\u00e4chtigung der F\u00e4higkeit, sich an das Dunkel zu adaptieren, auf einer Herabsetzung der Sehpurpurproduktion beruhe.\nDurch die Theorie von Ebbinghaus, nach welcher die Umwandlung des Sehpurpurs in Sehgelb den Gelbprozefs und die Umwandlung des Sehgelb in Sehweifs den Blauprozefs darstellt, wurde die Aufmerksamkeit weiterer Kreise wieder auf den Sehpurpur gelenkt. A. K\u00f6nig (Berl. Ber. 1894. S. 577 ff.) wies auf Grund eigener Untersuchung der Absorptionsverh\u00e4ltnisse des Sehpurpurs darauf hin, \u201edafs die Absorption in dem Sehpurpur proportional ist dem Reiz werte des Lichtes 1. bei totaler Farbenblindheit und 2. bei Dichromaten und Trichro-maten auf so niederer Helligkeitsstufe, dafs noch keine Farbenunterscheidung m\u00f6glich ist.\u201c Er entdeckte ferner gleichfalls\n11*","page":163},{"file":"p0164.txt","language":"de","ocr_de":"164\nG, F. M\u00fclkr.\ndie Thatsacke, dafs innerhalb der Fovea monochromatisches Licht im allgemeinen sofort mit einem farbigen Charakter \u00fcber die Schwelle tritt. Diese Nachweisnngen K\u00f6nigs gaben den Anstofs zu den Untersuchungen, welche von K\u00e4trs1 \u00fcber die Funktion des St\u00e4bohenapparates ver\u00f6ffentlicht hat. von Krlks erblickt gleichfalls in dem St\u00e4bohenapparat einen Apparat, der zur Wahrnehmung im, Dunkeln bestimmt sei, nur Helligkeitsempfindungen liefere und in seiner Funktion wesentlich auf dem Verhalten des Sehpurpurs beruhe, der nach den fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen von von Kb\u0153s direkt selbst den Sehstoff der St\u00e4bchen darstellt. Er hat (ganz abgesehen von denjenigen seiner Aufstellungen, die sich in \u00e4hnlicher, wenn auch sum Teil weniger eingehender Weise auch bei Pabinaud finden) das besondere Verdienst, gezeigt zu haben, wie sich die bisher behaupteten Abweichungen von der Konstanz der Farbengleichungen und diejenigen Resultate, welche zur Behauptung eines Wandems des neutralen Punktes im Spektrum der Gelb-blausiohtigen Anlafs gegeben haben, unschwer erkl\u00e4ren lassen, wenn man die Zusammensetzung unseres Sehorganes aus den beiden verschieden funktionierenden Apparaten, dem Zapfen-und dem St\u00e4bchenapparate, ber\u00fccksichtigt. Die urspr\u00fcnglich iron ihm gehegte Vermutung, dafs auch die Erscheinungen des wiederkehrenden Sehens (recurrent vision) in einfacher Weise ans dieser Duplizit\u00e4t unseres Sehapparates zu erkl\u00e4ren seien, fand von Kmms bei n\u00e4herer Untersuchung allerdings nicht best\u00e4tigt. Wohl aber f\u00fchrte ihn letztere Untersuchung zur Feststellung der Thatsache, dafs das Ph\u00e4nomen des 'wiederkehrenden Sehens in der st\u00e4bohenfreien Gegend des Fixationspunktes ausbleibt (so wie es auch f\u00fcr einen Hemeralopischen nicht zu bestehen schien) und in wesentlichem Grade von dem Adaptationszustande des Auges abh\u00e4ngt..\n\u00a7 38. Die besondere Funktionsweise der St\u00e4bchen\nund ihre Konsequenzen.\nDie Stellung, welche wir den im Vorstehenden erw\u00e4hnten Thatsachen und Anschauungen gegen\u00fcber einnehmen, dr\u00fcckt sich in folgenden S\u00e4tzen aus:\n1 Ber, d, naturf, Ges, m Freiburg, 1894. B<L 9. Heft 2 (1); diese Zeitschr. 9. 1896. S. 81 ff, (2); 12. 1896. S. Iff. (3) und 8. 81 ff. (4); Arch, f, Opkthakm. 42. 3. S. 95 ff. (5); Central, f, Physiol, 8. S. 694 ff. (6).","page":164},{"file":"p0165.txt","language":"de","ocr_de":"Zur JPsychophysik der Gesichtsempfindungen.\n165\n1.\tDie St\u00e4bchen stellen in der That \u00a9men Dtmkelapparat, d. h. einen Apparat dar, welcher zur Wahrnehmung im Dunkeln weit besser bef\u00e4higt ist als der Zapfenapparat, und zwar vollf\u00fchren sie diese Verrichtung mittelst des Sehpurpurs.\n2.\tDer Sehpurpur erf\u00fcllt seine Funktion als Adaptationsstoff1 dadurch, dafs er als optischer Sensibilisator f\u00fcr di\u00a9 Erweckung des W-Prozesses dient und aufserdem auch noch das Volumen der St\u00e4bchenaufsenglieder beeinflufst (\u00a7 23, S. 377 ff., \u00a7 26, R 400ff.).\n3.\tDie eigentlichen Sehstoff\u00a9, welche den TV- und ^-Prozessen zu Grunde 'liegen (das 2V-, TT- und S-Material), sind in den Zapfen und St\u00e4bchen dieselben. Demgem\u00e4fs sind auch die IV- und S-Prozesse in beiden Arten von Gebilden von ganz gleicher Qualit\u00e4t.\n4.\tDie St\u00e4bchen dienen nicht ausschUefslioh der Wahrnehmung im Dunkeln, sondern unterst\u00fctzen auch die Wahrnehmungen des Hellauges.\nDie Ansicht, dafs di\u00a9 chromatischen Netzhautprozesse nur in den Zapfen, nicht auch in den St\u00e4bchen ausgel\u00fcst werden k\u00f6nnen, ist nicht unwahrscheinlich, aber noch nicht streng erwiesen. Man st\u00fctzt diese Ansicht h\u00e4ufig auf die Behauptung,* dafs entsprechend der Abnahme, welch\u00a9 der Farbensinn bei zunehmendem Abstande von der Macula lutea erfahre, auch die Zahl der Zapfen bei zunehmender Entfernung von der Macula immer geringer werde. Allem schon Max Schultze (a. a. 0.\nS.\t225 f.) ist letzterer Behauptung mit Bestimmtheit entgegengetreten: \u201eMit Ausnahme des gelben Fleckes und seiner allern\u00e4chsten Umgebung, in welcher die Zapfen noch etwas dichter stehen, ist, soweit meine Beobachtungen reichen, ein Unterschied in der Verteilung von St\u00e4bchen und Zapfen in verschiedenen Regionen der menschlichen Retina nicht vorhanden.\u201c Dasselbe wie M. Schultze hat neuerdings wiederum W. Kbause (Schmidts Jahrb\u00fccher d. in- u. ausl. ges. Med., 1896, S. 98) mit Entschiedenheit behauptet.\nDie Annahme, dafs die chromatischen Netzhautprozesse nur\n1 Daft der Sehpurpur nur als eine Adaptationssubstanz anzusehen sei, hat schon Ohr. Ladd Franklin (Psychol. Rev. 1. 1895. S. 146 f.) hervorgehoben gegen\u00fcber der Behauptung K\u00f6nigs, dafs der Sehpurpur den zur Erweckung der Grau- und der Blauempfindung (!) dienlichen Sehstoff darstelle.","page":165},{"file":"p0166.txt","language":"de","ocr_de":"166\nG, K. M\u00fcller.\nin den Zapfen entstehen, wird an Wahrscheinlichkeit sehr bedeutend gewinnen, wenn mit Sicherheit nachgewiesen wird, da\u00a3s ein Ausfall der Zapfenfunktion stets mit totaler Farbenblindheit verbunden ist. Die Ansicht indessen, dafs jeder Fall von totaler Farbenblindheit einfach auf einen Ausfall der Zapfenth\u00e4tigkeit zurtickzufuhren sei, ist als eine sehr irrige zu bezeichnen. Die totale Farbenblindheit kann sehr verschiedenen (peripherischen oder zentralen) Ursprunges sein. In eklatantester Weise wird die soeben erw\u00e4hnte Ansicht durch den bekannten, von F\u00f6bsteb (Arch. f. Ophthdm., 36, 1, S. 94 ff.) beobachteten Fall zentraler St\u00f6rung widerlegt, in welchem der noch fungierende Teil beider Sehorgane total farbenblind war und sich auf die Macula lutea beschr\u00e4nkte. Auch mag hier daran erinnert werden, dafs es ganz unm\u00f6glich ist, die verschiedenen Arten partieller Farbenblindheit (Mangel des Eotgr\u00fcnsinnes und Mangel des Gelbblausinnes) in \u00e4ufserlicher Weise durch den Ausfall der Funktion besonderer Arten anatomisch unterscheidbarer Netzhautelemente zu erkl\u00e4ren.\n5.\tWie auch sonst die Beimischung eines optischen Sensibilisators zu einem lichtempfindlichen Gemische die photochemischen Wirkungsf\u00e4higkeiten, welche die verschiedenen Spektralfarben dem Gemische gegen\u00fcber besitzen, in ihrer St\u00e4rke ver\u00e4ndert, so haben wir auch den verschiedenen Spektralfarben in Beziehung auf die St\u00e4bchen gewissermafsen zwei Hauptarten von Weifsvalenzen, n\u00e4mlich ff-Weilsvalenzen und D-Welfsvalenzen (WeifsValenzen des Hellauges und des Dunkelauges) zuzuschreiben. Die i\u00ef-Weifs Valenzen der Spektralfarben kommen in Betracht, wenn die St\u00e4bchen arm an Sehpurpur sind, und sind mit den Weifs Valenzen, welche die Spektalfarben f\u00fcr die Zapfen besitzen, wesentlich identisch. Die ff\u00bbWeifsvalenzen bestehen f\u00fcr die purpurreichen, an das Dunkel adaptierten St\u00e4bchen. Denken wir uns den Purpurgehalt der St\u00e4bchen von einem geringen Werte an, wie ein solcher den St\u00e4bchen des Hellauges zukommt, allm\u00e4hlich mehr und mehr erh\u00f6ht, so \u00e4ndern sich die Weifsvalenzen der Spektralfarben f\u00fcr die St\u00e4bohen in der Weise, dafs an die Stelle der -ff-Weifsvalenzen solche Werte treten, welche sich den D - Weifsvalenzen immer mehr n\u00e4hern und zuletzt ganz mit diesen \u00fcbereinstimmen.\n6.\tAus Vorstehendem lassen, sich ohne Weiteres die Bedingungen ableiten, unter denen eine Mischungsgleichung bei","page":166},{"file":"p0167.txt","language":"de","ocr_de":"2ktr Fsychophysik der Gesichtsempfindungen.\n167\neiner in gleichem Verh\u00e4ltnisse stattfindenden Intensit\u00e4ts\u00e4nderung der beteiligten Lichter konstant bleibt.\nEine Misohungsgleichung bleibt konstant, wenn die betreffenden Lichter nur auf die Macula lutea wirken und mithin die St\u00e4bchenvalenzen derselben ganz aufser Betracht bleiben (von Kbies, 2, S. 91, und 3, S. 25).\nEine Mischungsgleichung bleibt ferner g\u00fcltig, auch wenn die betreffenden Lichter ausschliefslich oder wenigstens zum Teil auf extramakulare Netzhautstellen wirken, falls die Netzhaut an das Belle adaptiert ist und dieser Zustand der Heladaptation w\u00e4hrend der Versuche sich nicht merkbar \u00e4ndert. Bei diesem Zustande ist die Menge des in den St\u00e4bchen vorhandenen Sehpurpurs so gering, dafs die f\u00fcr die St\u00e4bchen bestehenden WeifsValenzen der verschiedenen Lichter wesentlich mit den Weifs Valenzen \u00fcbereinstimmen. Demgem\u00e4fs besteht auch, wie von Kbies (3, S. 25) bemerkt, f\u00fcr die Helgleiohungen nur ein geringf\u00fcgiger Unterschied zwischen Fovea und Nachbarteilen.\n\u00c4ndert sich dagegen bei Versuchen, bei denen die betreffenden Lichter auch auf extramakulare Netzhautstellen wirken, der Adaptationszustand in merkbarem Grade, so dafs die Lichter bei geringer Intensit\u00e4t auf erbeb\u00fcch purpurreiohere St\u00e4bchen wirken als bei hoher Intensit\u00e4t, so m\u00fcssen die f\u00fcr hohe Intensit\u00e4ten geltenden Mischun gsgleichungen sich nach Absohw\u00e4chung aller Lichter in dem Sinne als unrichtig erweisen, dafs dasjenige Gemisch, welchem die h\u00f6heren B-WeLfs Valenzen zukommen, einen \u00dcberschufs von farbloser Helligkeit erh\u00e4lt (von Kbebs, 2, S. 102).1\n1 Hierher geh\u00f6rt auch die Erw\u00e4hnung der soeben ver\u00f6ffentlichten Versuche von K\u00f6nig {Bert Ber., 1896, 8. 945 ff.), nach denen ein weils erscheinendes Gemisch zweier Komplement\u00e4rfarben, welches hei Betrachtung mit dem Hellauge gleich hell erscheint, wie ein weifses Vergleichslicht von der physikalischen Zusammensetzung des Sonnenlichtes, je nach den Wellenl\u00e4ngen der beiden Komplement\u00e4rfarben heller oder dunkler erscheint als das Vergleichslicht, wenn man Gemisch und Vergleichslicht nach hinl\u00e4nglicher Abschw\u00e4chung mit dem Dunkelauge betrachtet. Auch hier erscheint selbstverst\u00e4ndlich das Gemisch der beiden Komplement\u00e4rfarben bei der Betrachtung mit dem Dunkelauge heller oder dunkler als das Vergleichslicht, je nachdem die ZMVerte der Weifsvalenzen f\u00fcr das Gemisch gr\u00f6fser oder kleiner sind als f\u00fcr das Vergleichslicht. Diese Versuche von K\u00f6nig haben nichts ergehen, was sich auf Grund der hier vertretenen Auffassung der St\u00e4bchenfunktion nicht vorhersehen liefs.","page":167},{"file":"p0168.txt","language":"de","ocr_de":"168\nG. E. M\u00fcller.\nEs versteht sich nach Vorstehendem von selbst, dafs unter den in Bede stehenden Umst\u00e4nden eine Mischnngsgleichnng bei herabgesetzter Intensit\u00e4t der Lichter sich umso merkbarer in der angegebenen Bichtung als ung\u00fcltig erweisen wird, auf je gr\u00f6fserem Felde sie beobachtet wird, d. h. je mehr die betreffenden Empfindungen von dem Verhalten der f\u00fcr die St\u00e4bchen bestehenden Weifsvalenzen abh\u00e4ngig sind. Auch m\u00fcssen nat\u00fcrlich die individuellen Verschiedenheiten, welche hinsichtlich des Purpurgehaltes der St\u00e4bchen sowie hinsichtlioh der Schnelligkeit bestehen, mit welcher sich derselbe naoh Verdunkelung des Gesichtsfeldes vermehrt, hier eine wesentliche Bolle spielen.\n7. Es ist hier nooh die Thatsache zu erkl\u00e4ren, dafs bei den von Hiking (Pfl\u00fcgers Arch. 49, 1891, S. 563 ff.) und von von Hippel (\u00dcber totale angeborene Farbenblindheit, Berlin, 1894) n\u00e4her untersuchten und noch anderen Achromaten (total Farbenblinden) die Weifsvalenzen der Farben auch bei gew\u00f6hnlicher Helligkeit mit den Weilsvalenzen des normalen Dunkelauges \u00fcbereinstimmten und sich als unabh\u00e4ngig von der absoluten Lichtst\u00e4rke erwiesen. Um diese Thatsache zu verstehen, muis man eine bisher nicht weiter ber\u00fccksichtigte Eigent\u00fcmlichkeit, welche die Aohromaten von dem hier in Bede stehenden Typus zeigten, in Erw\u00e4gung ziehen. Hering berichtet n\u00e4mlich von seinem Farbenblinden Folgendes: \u201eHelles Licht bel\u00e4stigt ihn. Bei grofser Helligkeit tritt Flimmern und Verschwimmen der Sehobjekte ein. In der D\u00e4mmerung sieht er sehr gut, \u00fcberhaupt bei schwacher Beleuchtung besser als bei starker.\" (S. 564). .In einem sehr schwach beleuchteten Baume unterschied der Farbenblinde besser als ich und andere Farbent\u00fcchtige; besonders in der ersten Zeit nach der Verdunkelung des Raumes war dies auffallend\" (S. 575). Genau dasselbe beriohtet von Hippel (a. a. O. S. 2 f.) von seiner Farbenblinden. Die Blendung durch helles Lioht, das gute Sehen in der D\u00e4mmerung, das Vorhandensein eines die Norm \u00fcbertreffenden Sehens namentlich in der ersten Zeit naoh der Verdunkelung des Baumes, alle diese an beiden Aohromaten in ganz gleicher Weise beobachteten Erscheinungen, die doch auch in Erw\u00e4gung gezogen sein wollen, erkl\u00e4ren sioh in einfachster Weise, wenn man annimmt, dais bei diesen Farbenblinden die St\u00e4bchen sich einer sehr lebhaften Sehpurpurproduktion erfreuten, so dafs dieselben auch beim Bestehen einer gew\u00f6hnlichen Helligkeit noch reich an Seh-","page":168},{"file":"p0169.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gmchteempfindttngen.\n169\npurpur waren. Verhielt sich aber der Sehpurpurgehalt der St\u00e4bchen dieser .Annahme entsprechend, so waren f\u00f6r diese Individuen die Weifsvalenzen der verschiedenen Farben auch bei gew\u00f6hnlicher Helligkeit mit den D-Weifsvalenzen merkbar identisch, und eine bei gew\u00f6hnlicher Helligkeit hergestellte Farbangleichung mufste sich als merkbar unabh\u00e4ngig von der Lichtst\u00e4rke erweisen, weil eben auch bei (nicht blendenden) h\u00f6heren Helligkeiten die D- W eifs Valenzen der Lichter noch die mafsgebenden waren.1\nF\u00fcr den Umstand, dafs in den Augen der Achromaten von dem hier er\u00f6rterten Typus eine so lebhafte Sehpurpurproduktion stattfindet, lassen sich Erkl\u00e4rungen unschwer erdenken. Man kann z. B. annehmen, dafs gewisse N\u00e4hrstoffe sowohl bei der Herstellung chromatischer Sehstoffe als auch beim Aufbau des Sehpurpurs Verwendung finden. Komme nun aus irgend welchem Grunde die Bildung der chromatischen Sehstoffe in Wegfall, so werde nat\u00fcrlich der Herstellung des Sehpurpurs die gesamte Menge jener N\u00e4hrstoffe zur Verf\u00fcgung gestellt. Man kann fragen, ob durch den soeben angedeuteten Gesichtspunkt nicht auch die Thatsache zu erkl\u00e4ren sei, dafs die auf der Mitwirkung des Sehpurpurs beruhenden Abweichungen von der Konstanz der Farbengleichungen gerade bei manchen Dichromaten besonders deutlich hervorgetreten sind (man vergleiche z. B. von Kins, 2, S. 107 und 5, 108 ff.)\nAuch dasjenige, was von den \u00fcbrigen Achromaten der hier in Bede stehenden Art in allerdings weniger eingehender Weise mitgeteilt wird, stimmt zu der Annahme, dafs bei den Achromaten von diesem Typus die St\u00e4bchen sich einer besonders lebhaften Sehpurpurproduktion erfreuen. Der von K\u00f6nio und Dieterici (diese Zeitschrift 4, S. 263 ff.) und Uhthoff (Arch, f. Ophthalm., 32, 1, S. 201) untersucht\u00a9 Achromat, der aller-\n1 Angenommen, bei den hier in Bede stehenden Achromaten habe nur die chromatische Th\u00e4tigkeit der Zapfen, nicht aber auch ihre W-und ^-Erregbarkeit gefehlt, so w\u00fcrde man in dem Falle, dafs man nur mit sehr kleinen zu fixierenden (auf der Macula lutea sich v\u00f6llig abbildenden) Feldern operiert h\u00e4tte, gefunden haben, dafs die Weifsvalenzen nicht die B-Werte, sondern die H- Werte besafsen. War hingegen bei diesen Farbenblinden die Zapfenth\u00e4tigkeit \u00fcberhaupt ganz ausgefallen, so w\u00fcrde man, auch bei Versuchen mit sehr kleinen zu fixierenden Feldern gefunden haben, dale die Welfsvalehzen die B-Werte besafsen.","page":169},{"file":"p0170.txt","language":"de","ocr_de":"170\nG. E. M\u00fcller*\ndings zugleich einen m\u00e4fsigen Grad von Albinismus zeigte, war \u201eausgesprochener Nyktalop, eine helle volle Tagesbeleuchtung beeintr\u00e4chtigt wegen der Blendung seine Sehsch\u00e4rfe . . . . w\u00e4hrend bei sehwachen Beleuchtungsintensit\u00e4ten seine Sehsch\u00e4rfe unverh\u00e4ltnism\u00e4fsig gut ist, ja relativ gerechnet entschieden h\u00f6her als beim normalen \u00c4uge.11 Und Bonders (Arch, f. Ophtkalm., 30,1, S. 80) berichtet \u00fcber den von ihm beobachteten Achromaten, bei welchem die Weifsvalenzen der Farben gleichfalls schon bei gew\u00f6hnlicher Helligkeit die D-Werte besa\u00dfen, dafs herabgesetzte Sehsch\u00e4rfe und Lichtscheu bestand. \u201eStarkes Licht, zumal Tageslicht blendete; nur bei gem\u00e4\u00dfigtem Lichte wurde gut und andauernd gesehen.44 Wenn Bonders weiter berichtet, da\u00df zugleich \u201eTorpor\u201c bestanden habe, nach Adaptation sei zwei oder dreimal mehr Licht n\u00f6tig gewesen, um \u00a9inen Helligkeitseindruck hervorzurufen oder die Figuren in dem K\u00e4stchen von F\u00f6rster zu unterscheiden, so scheint uns diese Mitteilung nur eine interessante Best\u00e4tigung unserer Auffassung des Sehpurpurs zu enthalten. Es ist festgestellt (Eder, a. a. O. I, 1, S. 262 'und II, S. 38), da\u00df optische Sensibilisatoren in zu starker Konzentration die Lichtempfindlichkeit der betreffenden Gemische nicht erh\u00f6hen, sondern sogar bedeutend herabdr\u00fccken. Findet nun wirklich bei den Achromaten der hier in Rede stehenden Art eine abnorm lebhafte Sehpurpurproduktion statt, so steht zu vermuten, dafs gelegentlich ein Fall vorkommt, wo bei der Dunkeladaptation der Sehpurpurgehalt der St\u00e4bchen so hohe Werte erreicht, da\u00df die Reizbarkeit der St\u00e4bchen stark verringert ist. Ein solcher Fall scheint der von Bonders beobachtet\u00a9 gewesen zu sein. Lichtscheu einerseits und Torpor nach Dunkeladaptation erscheinen von vomeherein als zwei Ph\u00e4nomene, deren Nebeneinanderbestehen schwer begreiflich sei. Ihr Nebeneinanderbestehen in dem\nBoNDiRSschen Fall\u00a9 l\u00e4\u00dft sich aber ohne Weiteres verstehen.\n#\nwenn man unsere Ansicht von der sensibilisatorischen Rolle des Sehpurpurs in konsequenter Weise durchf\u00fchrt.\nDa nicht anzunehmen ist, da\u00df bei allen Achromaten die Sehpurpurproduktion eine abnorm\u00a9 Lebhaftigkeit besitzt, z. B. der zur Erkl\u00e4rung einer solchen abnorm lebhaften Sehpurpurproduktion oben angef\u00fchrte Gesichtspunkt v\u00f6llig f\u00fcr solche F\u00e4lle versagt, wo die totale Farbenblindheit durch eine Affektion des Sehnerven oder noch zentralerer Teile bewirkt ist, so ist","page":170},{"file":"p0171.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n171\nes nichts weniger als zu verwundern, dal's auch von solchen Achromaten berichtet wird, bei denen die spektrale Helligkeitsverteilung bei gew\u00f6hnlicher Beleuchtung dieselbe war wie bei den Farbent\u00fcchtigen, also das Maximum der Helligkeit im Gelb und nicht im Gr\u00fcn lag. Hierher geh\u00f6ren der von Beckkr {Arch, f, Ophihalm., 25, 2, S. 205ff.), der von Sch\u00f6ler und Uhthofi und die beiden von K\u00f6nig1 beobachteten F\u00e4lle. In keinem dieser F\u00e4lle wird uns berichtet, dafs der Farbenblinde bei ver-h\u00e4ltnism\u00e4fsig nicht hoher Lichtintensit\u00e4t durch Blendung gest\u00f6rt worden sei, nach pl\u00f6tzlicher Verdunkelung des Baumes hingegen besser als normale Personen gesehen habe.\nIn einem von Maonus (dessen Originalbericht mir unzug\u00e4nglich war) anscheinend nur unzul\u00e4nglich untersuchten, von K\u00f6nig (a. a. O. S. 376 f.) erw\u00e4hnten Falle scheint allerdings die spektrale Helligkeitsverteilung ihr Maximum f\u00fcr den Achromaten gleichfalls im Gelb gehabt zu haben, w\u00e4hrend zugleich Lichtscheu bestand. Indessen Lichtscheu allein kann sehr verschiedenen Ursprunges sein, in Albinismus, ungen\u00fcgender Pigmentwanderung u. a. m. ihren Grund haben, und weist durchaus nicht ohne Weiteres auf eine besondere Lebhaftigkeit der Sehpurpurproduktion hin.\nMit den meisten der bisher berichteten F\u00e4ll\u00a9 von totaler Farbenblindheit \u2014 man vergleiche die lange Liste bei L. Mauthnbb, Farbenlehre, Wiesbaden, 1894, S. 114 ff. \u2014 l\u00e4fst sich in den uns hier interessierenden Beziehungen gar nichts anfangen, weil sie hinsichtlich der f\u00fcr uns wichtigen Punkte gar nicht oder nur ganz ungen\u00fcgend untersucht sind. Dies gilt z. B. auch von dem von Kestssig {Mitteil, aus d. ophthabniatr. Klinik in T\u00fcbingen, 2, 1890, S. 282 ff.) berichteten Falle.\nDafs die Lage des Maximums der spektralen Helligkeitsverteilung bei den Achromaten der hier an erster Stelle er\u00f6rterten Art von der Pigmentierung der Augenlinse nicht unabh\u00e4ngig ist, braucht nach dem Fr\u00fcheren (\u00a7 6, S. 80) hier nicht nochmals bemerkt zu werden.\nWas die in vielen F\u00e4llen totaler Farbenblindheit beobachtet\u00a9 Herabsetzung der Sehsch\u00e4rfe anbelangt, so hat von Keiks (6, S. 696 f.) gezeigt, \u201edafs die St\u00e4bchensehsch\u00e4rfe der Normalsehenden und die Sehsch\u00e4rfe jener total Farbenblinden sich innerhalb \u00e4hnlicher (nicht einmal sehr weiter) Grenzen.... bewegen. Zun\u00e4chst scheint daher die Annahme nicht ausgeschlossen, dafs in den erw\u00e4hnten F\u00e4llen von totaler Farbenblindheit lediglich Mangel oder Funktionsunf\u00e4higkeit des Zapfenapparates vorliegt, w\u00e4hrend die sonstigen Verh\u00e4ltnisse, insbesondere die r\u00e4umliche Verteilung der St\u00e4bchen, mit der Norm \u00fcbereinstimmen.\u201c (\u00dcber das verschiedene Verhalten der Zapfen- und der St\u00e4bchensehsch\u00e4rfe vergleiche man die vorl\u00e4ufige Mitteilung von J. K\u00f6stbb im CentralbL /*. Physiol. 10. 1896. S. 488 ff.)\nDurch unsere obigen Ausf\u00fchrungen scheint der Einwand erledigt, den\n1 Man vergleiche \u00c0, K\u00f6nig in den Beibr. z. Psychol. lind' Physiol, d. Sinnesorg., Hamburg und Leipzig 1891, 8. 377 ff.","page":171},{"file":"p0172.txt","language":"de","ocr_de":"172\nG . E M\u00fblkr*\nvon Kuss (2, S. 117) gegen die Annahme einer nur sensibilisatorischen Wirksamkeit des Sehpurpurs erhebe und darauf gr\u00fcndet, dafs \u201edie Helligkeitsverteilung im Spektrum f\u00fcr die Monochromaten keine oder jedenfalls keine sehr auff\u00e4llige Abh\u00e4ngigkeit von absoluter Lichtst\u00e4rke und Adaptationssustand su zeigen scheint.\u201c Die von von Kan\u00bb urspr\u00fcnglich zu Grunde gelegte Annahme, dafs der Sehpurpur ein Sehstoff und zwar der ausschlie\u00dfliche Sehstoff1 der St\u00e4bchen sei, scheint uns, abgesehen von dem fr\u00fcher (\u00a7 23, S. 377 ff.) Bemerkten, sehr schwer mit der von K\u00fchne (Hermanns Handb. d. Physio 8, 1, 8. 831) festgestellten That-sache vereinbar zu sein, dale \u201eKaninchen, welche keine Zapfen oder keine purpurfreien Sehzellen zu besitzen scheinen\u201c, mit v\u00f6llig ausgeblichener Netzhaut \u201eganz gewifs sehen\u201c. Auch der Umstand, dafs (soweit nicht die Pigmentierung der Macula lutea st\u00f6rend wirkt) die Hellgleichungen auf allen Teilen der Netzhaut dieselben sind, Ist der Annahme, dafs die IT-Prozesse in den St\u00e4bchen von anderer Art seien und an anderen Substraten sich abspielten, als in den Zapfen, nicht gerade g\u00fcnstig. Wie schon angedeutet, hat von Kries (4, S. 182) neuerdings seine Stellung gegen\u00fcber der von uns vertretenen Auffassung vom Sehpurpur etwas ge\u00e4ndert.\n8.\tEin\u00a9 zu d\u00fcrftige Sehpurpurproduktion mu\u00df notwendig Hemeralopie zur Folg\u00a9 haben, und es ist kein Zweifel, daft manche File von Hemeralopie anf einer zu geringen Lebhaftigkeit der Sehpurp Urproduktion beruhen.1 Soweit die Hemeralopie letzteren Ursprunges ist, m\u00fcssen bei dem Hemeralopen die durch das Eingreifen des Sehpurpurs bedingten Abweichungen von der Konstanz der Farbengleichungen weniger deutlich hervortreten, als der Norm nach der Fall ist.\n9.\tDie spektrale Kurve der D-Weifsvalenzen ist mit der Kurve der Weifsvalenzen identisch, die man bei eingetretener Dunkeladaptation erh\u00e4lt, und die man mit gr\u00f6sserer oder geringerer Ann\u00e4herung auch unter gew\u00f6hnlichen Beleuchtungs-Verh\u00e4ltnissen bei denjenigen Achromaten erh\u00e4lt, deren Netzh\u00e4ute sich durch eine abnorm lebhafte Sehpurpurproduktion auszeichnen. \u00dcber die spektrale Kurve der if-Weifsvalenzen hingegen erhalten wir Auskunft durch die spektrale Helligkeits-\n1 Man vergleiche von Kries, 5, S. 119 ff. Nach den Beobach taugen von Scumidt-Kimplez (Augenheilkunde, 5. AufL, 8. 143) trifft die Ansicht, dafs die Hemeralopie auf einer V erlangs&mung der Adaptation beruhe, nur in einzelnen F\u00e4llen zu. Es wird aber nat\u00fcrlich auch solche Individuen geben, bei denen der Sehpurpurgebalt der St\u00e4bchen selbst nach sehr langem Aufenthalt im .Dunkeln keinen gen\u00fcgenden Wert besitzt, und vielleicht auch solche, bei denen die St\u00e4bchenth\u00e4tigkeit \u00fcberhaupt fehlt.","page":172},{"file":"p0173.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n173\nVerteilung, welche solche Achromaten, bei denen eine gesteigerte Sehpnrpurproduktion nicht besteht, bei vollendeter Helladaptation ergeben. Auch eine Bestimmung der Weifsvalenzen der Farben mittelst der peripherischen Farbenblindheit muls, falls sie bei vollendeter Helladaptation ausgefilhrt wird und bei solcher \u00fcberhaupt gen\u00fcgend sichere Resultate liefert,1 gleichfalls die (f\u00fcr die oxtramakularen Netzhautteile g\u00fcltigen) H-WeifsValenzen ergeben. Die beiden neutralen Stellen im Spektrum der Gelbblaublinden k\u00f6nnen gleichfalls \u00fcber das Verh\u00e4ltnis, in welchem die If-Weifsvalemzen dieser Stellen zueinander stehen, Auskunft geben.8 Ferner k\u00f6nnen auch die des BotgrUnsinnes entbehrenden partiell Farbenblinden zur ungef\u00e4hren Bestimmung der Verh\u00e4ltnisse dienen, * * in denen die H-Weifsvalenzen solcher Spektralfarben, die einer und derselben \u201eEndstrecke\u201c angeh\u00f6ren, zueinander stehen. Endlich scheint es fast, insbesondere nach den von Schenk (Pfl\u00fcgers Arch., 64, 1896, S. 624 ff.) mitgeteilten Ver\u00ab Suchsresultaten, als ob auch die Vbn Rood eingefuhrte und von Schenk weiter entwickelte \u201eIntermittenzmethodeu zur Bestimmung der JT-Weifsvalenzen gegebener Farben (und zwar zun\u00e4chst Pigmentfarben) dienlich sein k\u00f6nne.\nWie schon angedeutet, unterscheidet sich die spektrale Kurve der H - W eifs valenzen von der spektralen Kurve der D- Weifsvalenzen dadurch, dafs das Maximum bei ersterer im Gelb, bei letzterer im Gr\u00fcn liegt, und dafs \u00fcberhaupt (entsprechend den Absorptionsverh\u00e4ltnissen des Sehpurpurs) die gr\u00fcnen und blauen T\u00f6ne in letzterer Kurve weit g\u00fcnstiger gestellt sind als in ersterer. Indessen gilt der Satz, dafs die roten T\u00f6ne ebenso wie hinsichtlich der D-Werte auch hin-\n1 \u00dcber die Schwierigkeiten, die es hat, di\u00a9 peripherische Farbenblindheit bei ewgetretener Helladaptation zu konstatieren, vergleiche man Hiring in Pfl\u00fcgers Arch., 60, 1895, S. 533 f.\n* Bei dem von Hering (Pfl\u00fcgers Arch., 57, 1894, S. 317 ff.) n\u00e4her untersuchten Gelbblaublinden zeigte sich bei helladaptiertem Auge das Verh\u00e4ltnis zwischen der Weifovalenz einer kurzwelligen neutralen Stelle und der Weifsvalenz einer langwelligen neutralen Stelle betr\u00e4chtlich geringer, als nach den mit dem Dunkelauge bestimmten Werten der Weifsvalenzen beider Spektralstellen erwartet worden war. Wenn Hering in diesem Verhalten einen Beweis daf\u00fcr erblickt, dafs bei diesem Farbenblinden eine quantitative Anomalie der Beizwerte der blauen Lichter bestanden habe, so kann man die Zul\u00e4nglichkeit dieses Beweises bezweifeln.","page":173},{"file":"p0174.txt","language":"de","ocr_de":"174\nG. E. M\u00fcller\nsichtlich der if-Werte der Weifs Valenzen hinter den gr\u00fcnen T\u00f6nen bedeutend zur\u00fcckstehen. Nur ist nat\u00fcrlich 'dieses Zur\u00fcckstehen der roten T\u00f6ne an der D-Kurve der Weifsvalenzen noch viel st\u00e4rker ausgepr\u00e4gt als an der if- Kurve. Auf die G\u00fcltigkeit des soeben amfgestellten Satzes, von dem wir schon fr\u00fcher (\u00a7 17, S. 433 ff.) wichtige Anwendung gemacht haben, weist bereits die bekannte Thatsache hin, dafs man durch fortgesetzte Steigerung der Lichtst\u00e4rke des Sonnenspektrums zwar das Gr\u00fcn und die \u00fcbrigen Farben, nicht aber auch das Bot in reines Weifs \u00fcberzuf\u00fchren vermag (man vergleiche hier\u00fcber Br\u00fccke in den Wien. Ber77, 1878, 3. Abt., S. 62 f.). Auch gewisse Versuche von von Kries (Die Gesichtsempfindungen und ihre Analyse, S. 114 f.), f\u00fcr welche allerdings eine vollendete Helladaptation des Auges nicht anzunehmen ist, ergaben, \u201edafs von allen Teilen des Spektrums Bot einer physiologisch ges\u00e4ttigten Farbe am n\u00e4chsten steht.... und Gr\u00fcn am weichlichsten ist.tf\t*\nBer Umstand, dafs das Maximum der Lichtabsorption f\u00fcr den Sehpurpur der S\u00e4ugetiere, V\u00f6gel und Amphibien im Gr\u00fcn liegt, ist wohl mit dem Gr\u00fcn der Vegetation (dem Dunkel der W\u00e4lder, Cfl. Ladd Franklin, a. a. 0.) in Zusammenhang zu bringen. Wenn nach den Untersuchungen von K\u00f6ttgen und Abelsdorff (Merl. Ber., 1895, S. 921 ff) bei den Fischen das Absorptionsmaximum des Sehpurpurs nach dem Gelb hin verschoben ist und der Sehpurpur der Fische die gelben Strahlen viel mehr absorbiert, als der Sehpurpur der erw\u00e4hnten anderen Tierarten, so steht dies in leicht ersichtlichem Zusammenhangs mit der Thatsache, dafs durch das Wasser gerade die gelben Strahlen bei weitem am st\u00e4rksten absorbiert werden (man vergleiche z. B. Spring im Build, de Vacad. royale de Belgique, 1896, S\u00e9r. 3, T. 31, S. 251 f.).\n10. Bas PuRKiNJE8che Ph\u00e4nomen, soweit es durch Herbeif\u00fchrung der Dunkeladaptation bewirkt wird, beruht im wesentlichen auf der Verschiedenheit der H- und der D-Werte der Weifsvalenzen. Die Thatsache, dafs die Herstellung dieses Phinomens durch Bewirkung der Dunkeladaptation f\u00fcr die Fovea 'nicht gelingt (von Kries, 5, S. 97 ff.), und die weitere Thatsache, dafs wenigstens in manchen F\u00e4llen von Hemeralopie eine sehr starke Herabsetzung des P\u00fcRKiNjEschen Ph\u00e4nomens nachweisbar ist (von Kries, 5, S. 120f.), bilden bemerkenswerte","page":174},{"file":"p0175.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Bsychophysik der Oesichtsempfindungen.\n175\nBest\u00e4tigungen dieser Auffassung des Ph\u00e4nomens. Auch die von Hering (P\u00dfiigers Arch., 60, 1895, S. 533 f.) hervorgehobene Thatsaohe, dafs man das P\u00fcBKiNjEsche Ph\u00e4nomen unter Umst\u00e4nden schon dadurch erzeugen kann, dafs man die Netzhaut-steilen, auf welche das rote und das gr\u00fcne (blaue) Licht wirken, peripheriew\u00e4rts verschiebt, l\u00e4fst sich unschwer durch die Verschiedenheit der Zf-Werte und D-Werte der Weifs Valenzen erkl\u00e4ren.\nHering hat gezeigt, dafs eine rote und eine gr\u00fcne Lichtfl\u00e4che, welche auf weifsem Grunde gleich hell erscheinen, auch dann einen Helligkeits\u00fcberschufs der gr\u00fcnen Fl\u00e4che ergeben, wenn man ohne Verz\u00fcckung des Fixationspunktes den weifsen Grund schnell durch einen schwarzen ersetzt und so die verdunkelnde Kontrastwirkung beseitigt, welche von dem weifsen Grunde auf beide Lichtfl\u00e4chen ausge\u00fcbt wird. Diese Form des Purkinje sehen Ph\u00e4nomens scheint auf den ersten Blick nicht anders erkl\u00e4rt werden zu k\u00f6nnen als so, dafs man annimmt, die Helligkeit einer Gesiohtsempfindung sei in einem sehr wesentlichen Grade auch von der chromatischen Komponente der psychophysischen Erregung abh\u00e4ngig, so dafs die rote Lichtfl\u00e4che, um der gr\u00fcnen an Helligkeit gleich zu erscheinen, gem\u00e4fs der gr\u00f6fseren Verwandtschaft des Bot zum Weifs einer geringeren Weilsvalenz bed\u00fcrfe, als die gr\u00fcn\u00a9 Fl\u00e4che besitze. Werde nun die verdunkelnde Kontrastwirkung des Grundes beseitigt, so helle sich infolge seiner st\u00e4rkeren Weifsvalenz das Gr\u00fcn mehr auf als das Rot.\nAllem die soeben angedeutete Auffassung scheint uns doch auf Schwierigkeiten zu stofsen. Nach derselben w\u00e4re zu vermuten, dafs das Purkinjes che Ph\u00e4nomen sich durch die Verdunkelung des Grundes um so auff\u00e4lliger hersteilen liefse, je ausgepr\u00e4gter die Farbigkeit des Bot und des Gr\u00fcn sei, und dafs diese Art der Herstellung des Ph\u00e4nomens bei helladaptiertem Auge nicht schlechter, sondern eher besser gelinge, als bei einem an ein gewisses Halbdunkel adaptierten Auge. Die eigenen Ausf\u00fchrungen Herings (a. o. a. O., S. 526) belehren uns indessen eines anderen. Wir erfahren, dafs der Versuch \u201eeinen tr\u00fcben Tag oder eine Abendstunde, wo die Beleuchtung nur eben noch zum Lesen oder dergl. bequem zureicht\u201c, erfordert. Man soll die Lichtst\u00e4rke der auf weifsem Grunde erscheinenden roten und gr\u00fcnen Fl\u00e4che so gering nehmen, dafs \u201eman die","page":175},{"file":"p0176.txt","language":"de","ocr_de":"schw\u00e4rzlich gewordenen Farben eben noch erkennt1oder gar noch geringer. Der Versnob gelingt besser bei indirekter Betrachtung der beiden Lichtfl\u00e4chen als bei direkter Betrachtung. Alle diese (von mir best\u00e4tigt gefundenen) Einzelheiten lassen sioh duroh die oben angedeutete Auffassung nicht erkl\u00e4ren. Man sieht vielmehr, dafs die Farbigkeit der Empfindungen der beiden Fl\u00e4chen eine nur unwesentliche Bolle spielt, hingegen es sehr wichtig ist, dafs die Versuche bei einem Adaptations-zustande des Auges angestellt werden, bei welchem die Werte der St\u00e4bchenweifsValenzen den D-Werten erheblich nahestehen. Man kann in der That die hier in Bede stehende Form des Purkin jxschen Ph\u00e4nomens samt allen hier mitgeteilten, dieselbe betreffenden Einzelheiten ohne Weiteres erkl\u00e4ren, wenn man die (auch an und {hr sich gar nicht unplausible) Annahme macht, daf8 die von einer weifsen Fl\u00e4che ausgehende indirekte Beizung die St\u00e4bchen st\u00e4rker als die Zapfen betrifft, so dafs bei dem hier in Bede stehenden Versuche die Beseitigung der verdunkelnden Kontrastwirkung des weifsen Grundes immer diejenige der beiden Farben sich st\u00e4rker auf hellen l\u00e4ftt, deren Helligkeitseindruok in h\u00f6herem Grade auf der Erregung der St\u00e4bohen beruht1. Wird der Versuch bei v\u00f6llig helladaptiertem Auge angestellt, so ist der Unterschied zwischen den St\u00e4bchenvalenzen der beiden Farben nicht mehr so bedeutend, dafs der Versuch bei der Unsicherheit der Helligkeitsvergleichung ausgepr\u00e4gt farbiger Fl\u00e4chen und bei der komplizierten Mitwirkung anderweiter Faktoren ein deutliches Resultat geben kann.\n11. Wie nach Vorstehendem nicht weiter ausgef\u00f6hrt zu werden braucht, beruhen auch diejenigen Erscheinungen, welche zur Lehre von der spezifischen Helligkeit der Farben in erster Linie Anlafs gegeben haben, sehr wesentlich (wenn auch nicht ausschlieftlioh) auf der Verschiedenheit der J7- und Z>-Werte der Weifsvalenzen. Bestimmen wir mit dem Dunkelauge die Weifavalenz eines lichtschwachen Bot (Gelb), indem wir dasselbe auf gleiche Helligkeit mit einem Weift von bestimmter physikalischer Zusammensetzung einstellen, und vergleichen wir hinterher mit dem Hellauge das Bot und das\n1 Vorausgesetzt ist hier dem fr\u00fcher Bemerkten gem\u00e4fs, dafs die indirekte Netzhautreizung von dem zweiten der beiden Teil Vorg\u00e4nge ausgeht, aus denen sioh jeder durch Licht in der Netzhaut erweckte Vorgang zusammensetzt","page":176},{"file":"p0177.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psgchophgsih der Gesichtsempfindungen.\n177\nWeils, nachdem wir ihre Lichtst\u00e4rke in gleichem Verh\u00e4ltnisse gen\u00fcgend verst\u00e4rkt haben, so mufs uns jetzt das Bot heller erscheinen als das Weife, weil sich beim \u00dcbergange von der Dunkeladaptation zur Helladaptation die Stftbchenweifsvalenz des weifsen Lichtes weit mehr verringert hat, als diejenige des roten Lichtes. Das umgekehrte Besultat mufs man erhalten, wenn man den Versuch statt mit einem roten oder gelben Lichte mit einem gr\u00fcnen oder blauen anstellt. Die Triftigkeit der psychophysischen Betrachtungen, die wir fr\u00fcher (\u00a7 5, S. 23 ff.) im Anschlufs an das f\u00fcnfte psychophysische Axiom hinsichtlich der spezifischen Helligkeit der Farben angestellt haben, bleibt nat\u00fcrlich nach wie vor bestehen. Ich werde in einer n\u00e4chstfolgenden experimentellen Untersuchung Resultate mitzuteilen haben, welche einen Einflufs der Farbe auf die Helligkeit in unzweideutigster Weise darthun.1\n12. Bei den Versuchen, welche K\u00f6nig und Bbodh\u00fcn (Bert Ber., 1888, S. Ul7ff. und 1889, S. 641 ff.) \u00fcber die Frage angestellt haben, wie sich die Gr\u00f6fse der Unterschiedsschwelle bei verschiedenen Farben verhalte, hat sich ergeben, \u201edafs, wenn man eine passende Wahl der Beleuchtungseinheiten f\u00fcr die verschiedenen Spektralfarben trifft, der Gang der Unter-\n1 Thats\u00e4chlich sind in der vorliegenden Litteratur zahlreiche sogenannte HCelligkeitsbestimmungen von Farben verzeichnet, bei denen ganz sicher die Farbigkeit der betreffenden Empfindungen von wesentlichem Einfl\u00fcsse auf das Urteil gewesen ist. Aber es fragt sich eben, inwieweit diese F\u00e4lle nicht solche waren, in denen die Versuchsperson infolge mangelhafter Instruktion, Unachtsamkeit u. dergl. \u00fcberhaupt nicht . \u00fcber die Helligkeit, sondern \u00fcber die Eindringlichkeit der betreffenden Empfindungen geurteilt hat. Man mufs die Versuchsperson direkt dahin instruieren, \u00fcber di\u00a9 Weifslichkeit und nicht \u00fcber die Eindringlichkeit zu urteilen. Man vergleiche hierzu Schenk, a. o. a. O. S. 623 ff.\nWas die von Sachs (Pfl\u00fcgers Arch., 52, 1892, S. 79ff., Arch, f. Ophthakn39, 3, S. 108ff.) den Lichtern zugeschriebenen \u201emotorischen Valenzen\u201c (d. h. St\u00e4rkegrade des Verm\u00f6gens, Reflexverengung der Pupille auszul\u00f6sen) anbelangt, so l\u00e4fst sich die Ansicht, dafs die motorische Valenz eines Lichtes von der Gesamtst\u00e4rke der durch das Licht erweckten Sehnervenerregung (also auch von den chromatischen Komponenten der letzteren) abh\u00e4ng\u00a9 und mithin in einer gewissen Beziehung zur Eindringlichkeit der betreffenden Gesichtsempfindung stehe, mit allem demjenigen, was Sachs gefunden hat, durchaus vereinen. Es ist schon von vornherein \u00e4ufserst unwahrscheinlich, dafs di\u00a9 motorische Valenz sich nur nach der Weifslichkeit der Gesichtsempfindung bestimme.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIV.\t12","page":177},{"file":"p0178.txt","language":"de","ocr_de":"178\nG. E. M\u00fcller.\nsehiedsschwellen in ihrer Abh\u00e4ngigkeit von den absoluten Lichtst\u00e4rken f\u00fcr gr\u00f6fsere Intensit\u00e4ten nur kleine unsichere Unterschiede zeigt. Dagegen zeigt sich bei den geringeren Beleuchtungsst\u00e4rken ein betr\u00e4chtlicher Unterschied zwischen den brechbaren und weniger brechbaren Farben. Bei den ersteren, den blauen Farben, sind alsdann viel kleinere Unterschiede der objektiven Lichtst\u00e4rke wahrnehmbar als bei den rotgelben Farben.\u201c Es hegt mehr als nahe\u00bb dieses Verhalten dahin zu deuten\u00bb dafs bei schwacher Beleuchtung 'die Unterschiedsschwelle f\u00fcr die gr\u00fcnen und blauen Strahlen deshalb so viel geringer sei als f\u00fcr die gelben und vollends die roten Strahlen, weil bei schwacher Beleuchtung die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr die gr\u00fcnen und blauen Strahlen durch die Mitwirkung des Sehpurpurs bedeutend gefordert wird. Bei starker Beleuchtung hingegen spielt der Sehpurpur keine Keile, und demgem\u00e4fs ist dann die Untersohiedsempfindlichkeit f\u00fcr die verschiedenen Farben merkbar gleich. .Mit 'dieser Auffassung steht auch die weitere Versuchsthatsaohe in bestem Einklang, dafs die f\u00fcr Weifs g\u00fcltige (auf die absolute Lichtst\u00e4rke als Abscisse bezogene) Kurve der relativen Unterschiedsempfindlichkeit sich bei h\u00f6heren Intensit\u00e4ten mit der Kurve der f\u00fcr die Farben bestehenden Unterschiedsempfindlichkeit deckt, bei niederen Intensit\u00e4ten hingegen zwischen denjenigen beiden Kurven verl\u00e4uft, welche die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr die langwelligeren und die Unterschiedsempfindlichkeit f\u00fcr die kurzwelligeren Strahlen in ihrer Abh\u00e4ngigkeit von der Lichtst\u00e4rke darstellen. Dieselbe Erkl\u00e4rung wie das Mer er\u00f6rterte Verhalten der Unterschiedsempfindlichkeit haben nat\u00fcrlich auch analoge Resultate zu finden, di\u00a9 sich hinsichtlich der Abh\u00e4ngigkeit der Sehsch\u00e4rfe von der Farbe herausgestellt haben (Belmhomz, Physiol Optik, 2. Aufl., S. 425 ff.).\n13. Was endlich das wiederkehrende Sehen anbelangt, so ist durch die Untersuchungen von von Kries doch noch nicht eine v\u00f6llige Aufkl\u00e4rung des Thatbestandes gegeben, z. B. noch gar keine bestimmte Stellungnahme gegen\u00fcber denjenigen Angaben erm\u00f6glicht, naoh denen eine mehr als einmalig\u00a9 Wiederkehr desselben Gesichtseindruckes vorkommt. Es mufs daher die Entscheidung zwischen den verscM\u00a9denen sich darbietenden Erkl\u00e4rungsm\u00f6glichkeiten vertagt werden\u00bb insbesondere auch die Entscheidung der Frage, inwieweit bei den Erscheinungen des","page":178},{"file":"p0179.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n179\nwiederkehrenden Sehens die indirekte Netzhautreizung eine wesentliche Bolle spielt.1 Eine von von Kbies untersuchte total Farbenblinde konnte die Wiederkehr des Gesichtseindruckes nicht wahrnehmen. Sollte dies nicht einfach daraus zu erkl\u00e4ren sein, dafs das Ph\u00e4nomen des wiederkehrenden Sehens nach den Untersuchungen von von Kbies bei sehr hohem Sehpurpurgehalte der Netzhaut (nach sehr langer Dunkeladaptation) ausbleibt, und nach unseren fr\u00fcheren Darlegungen (S. 168 ff.) die St\u00e4bchen mancher Achromaten sich auch schon unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden eines sehr grofsen Sehpurpurreichtums erfreuen?\nKapitel 6.\nDie beiden Typen der Gelbblansiehtigen.\n\u00a7 39. Unmittelbare und mittelbare Valenzen.\nDafs der Unterschied, der zwischen den beiden Typen der des Rotgr\u00fcnsinnes entbehrenden Individuen (Gelbblausichtigen) besteht, durch eine verschieden starke Pigmentierung der Macula lutea und der Augenlinse nicht erkl\u00e4rt werden kann, ergiebt sich aus Versuchsresultaten, welch\u00a9 Donders (Arch. f. Anatom, u. Physiol. 1884, S. 528) und von Kries (Centralbl. f. Physiol. 10, 1896, S. 148 ff), und zwar letzterer unter ausdr\u00fccklicher Hervorhebung ihrer theoretischen Bedeutsamkeit, ver\u00f6ffentlicht haben. Beide Forscher liefsen eine gr\u00f6fsere Anzahl Gelbblausichtiger eine Gleichung zwischen Lithiumrot und Natrinmgelb, also zwischen zwei Farben herstellen, f\u00fcr welche die Lichtabsorption durch das Pigment der Macula und Augenlinse nicht in Betracht kommt. Und es zeigt\u00a9 sich, dafs die ein\u00a9 Gruppe jener Farbenblinden einer weit gr\u00f6fseren, vier- bis f\u00fcnfmal so grofsen, Menge von Lithiumrot bedurfte als die andere Gruppe, um die subjektive Gleichheit zwischen dem Lithiumrot und Natriumgelb bei einer gegebenen Intensit\u00e4t des letzteren zu erzielen. Wir wollen die beiden hiernach zu unterscheidenden Gruppen der Gelbblausichtigen in Anlehnung\n1 Man \u00fcbersehe nicht den Umstand, dafs nach der Beschreibung von von Kbies (4, S, 88) bei unvollkommenem Auftreten des wiederkehrenden Sehens nur der dunkle Hof zu sehen ist, welcher bei besserer Ausbildung des Ph\u00e4nomens das sekund\u00e4re helle Bild umgiebt.\n12*","page":179},{"file":"p0180.txt","language":"de","ocr_de":"180\nG. E. Muller.\nan die fr\u00fchere, freilich \u00e4ufserst verfehlte, Unterscheidung von Rotblinden und Gr\u00fcnblinden kurz als di\u00a9 Rotgr\u00fcnblinden und Gr\u00fcnrotblinden bezeichnen. Es ist nun sehr leicht, die Verschiedenheiten, die nach den hier erw\u00e4hnten Versuchs-resultaten und anderweiten Untersuchungsergebnissen zwischen den Rotgr\u00fcnblinden und Gr\u00fcnrotblinden bestehen, vom Standpunkte der von uns vertretenen Anschauungen aus zu erkl\u00e4ren, wenn man sich dessen erinnert, was wir fr\u00fcher (\u00a7 26, S. 398 \u00a3) \u00fcber die m\u00f6glichen Wechselwirkungen zwischen solchen Netzhautprozessen, die nicht antagonistischer Art sind, bemerkt haben.\nWenn spektrales Rot neben seiner Rotvalenz zugleich eine Gelbvalenz besitzt, so kann dies einen doppelten Grund haben. Erstens kann das rote Licht direkt auf das lichtempfindliche Material des Gelbblausinnes wirken (unmittelbare Gelbvalenz des roten Lichtes). Zweitens kann die chemische Umwandlung, welche das rote Licht an dem lichtempfindlichen Materiale des Rotgr\u00fcnsinnes direkt bewirkt, nebenbei ein Umwandlungsprodukt liefern, welches zu den Komponenten des Gelbmateriales geh\u00f6rt, und dessen Vermehrung durch die Einwirkung des roten Lichtes nach dem Gesetze der chemischen Massenwirkung gleichfalls dahin, wirken mufs, ein \u00dcberwiegen der E Reaktionen \u00fcber die B-Reaktionen zu bewirken (mittelbare Gelbvalenz des roten Lichtes). Um die Anschauungen zu fixieren, wollen wir uns folgendes Beispiel denken.1 Die chemische Wirkung, welche der ( unmittelbaren) Rotvalenz eines Lichtes direkt entspricht, bestehe darin, dafsdas Y'-Material des Rotgr\u00fcnsinnes in gewisse Stoffe a, b, c umgewandelt wird. Von letzteren Stoffen seien a und b Komponenten des R-Materiales, dessen Umwandlung in \u00df-Material den R-Frozefs darstellt. Der Stoff c hingegen sei an dem R-Prozesse nicht mitbeteiligt, wohl aber geh\u00f6re er zu den Komponenten des E-Materiales, indem die Wirkung einer (unmittelbaren) Gelb valenz auf das E-Material des Gelbblausinnes darin bestehe, letzteres Material in die Stoffe c, d, e umzuwandeln, deren weitere Umwandlung in B-Material den E-Prozefs darstellt. Geht man von diesen (oder anderen \u00e4quivalenten) Annahmen aus, so ergeben sich folgende Konsequenzen :\n'Man vergleiche zum Nachstehenden \u00a721, 347 ff. Es handelt sich im Nachfolgenden lediglich um eine konsequente Anwendung des Prinzips der chemischen Massenwirkung.","page":180},{"file":"p0181.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtoempfindungen.\n181\nJedes mit einer unmittelbaren Rotvalenz begabte Liebt besitzt zugleich eine mittelbare Gelbsubstanz, welche darauf beruht, dafs durch die Wirksamkeit der Rotvalenz jener zu den Komponenten des JS-Materiales geh\u00f6rige Stoff c vermehrt wird. Es kommt also dem roten Spektrallicht neben der unmittelbaren Gelbvalenz, die es von einer gewissen Wellenl\u00e4nge ab besitzt, in, semer ganzen Ausdehnung noch eine mittelbare Gelbvalenz zu.\nJedes Licht, das eine unmittelbare Gelbvalenz besitzt, hat zugleich eine mittelbare Gr\u00fcnvalenz. Denn die Vermehrung des Stoffes c, welche bei der durch die Gelbvalenz bewirkten Umwandlung von IV-Material des Gelbblausinnes in JB-Material stattfindet, mufs die Umwandlung der Stoffe a,6, c in iV-Material des Rotgr\u00fcnsinnes f\u00f6rdern, d. h. im Sinne eines \u00dcberwiegens der G-Reaktionen \u00fcber die R-Reaktionen wirken.\nFerner mufs jedes mit einer unmittelbaren Gr\u00fcnvalenz begabte Licht eine mittelbare Blauvalenz besitzen; denn, die Gr\u00fcnvalenz dient ja direkt dazu, die Umwandlung der Stoff\u00a9 a, 6, c in R\u2019-Material des Rotgr\u00fcnsinnes zu f\u00f6rdern, wirkt also 'im Sinne einer Verringerung der vorhandenen Menge des Stoffes c.\nEndlich mufs jedes Licht, das eine unmittelbare Blauvalenz besitzt, mit einer mittelbaren Rotvalenz begabt sein.\nEs ist nun wohl zu beachten, wie sich die unmittelbaren und mittelbaren Valenzen der Lichtstrahlen in manchen F\u00e4llen in ihrer Wirksamkeit gegenseitig verst\u00e4rken, in anderen F\u00e4llen hingegen gegenseitig schw\u00e4chen. Ist z. B. \u00a9in Lieht gegeben, welches eine unmittelbare Rotvalenz und eine unmittelbar\u00a9 Gelbvalenz besitzt, so 'wird, die Wirkung der letzteren Valenz durch die mittelbare Gelbvalenz verst\u00e4rkt, welch\u00a9 aus der unmittelbaren Rotvalenz entspringt. Hingegen wird die Wirkung der unmittelbaren Rotvalenz durch die mittelbare Gr\u00fcnvalenz, welche eine Folge der unmittelbaren Gelbvalenz ist, geschw\u00e4cht oder (falls die unmittelbare Rotvalenz relativ nur schwach ist) sogar kompensiert oder \u00fcberkompensiert. Ber\u00fccksichtigt man nun diese WechselWirkungen der unmittelbaren und mittelbaren Valenzen, so \u00a9rgiebt sich, dafs im Spektrum des Farbent\u00fcchtigen der Punkt des Urgelb nach, links (nach dem langwelligen Ende hin,) von dem Punkte der reinen unmittelbaren Gelbvalenz, d. h. von demjenigen Punkte","page":181},{"file":"p0182.txt","language":"de","ocr_de":"182\nG. JE. M\u00fclter.\n*\nliegt, welcher, abgesehen von der Weifsvalenz, nur eine einzige unmittelbare Valenz, und zwar eine unmittelbare Gelbvalenz,1 besitzt. Ebenso liegen auch die Punkte des Urgr\u00fcn und Urblau nach links von den Punkten der reinen unmittelbaren Gr\u00fcnvalenz bezw. Blauvalenz.\nHinsichtlich der violetten Strahlen des Spektrums erhebt sich nach Obigem die Frage, ob ihre Rotvalenz ausschliefslich 'mittelbarer Art sei, oder diesen Strahlen neben der .mittelbaren Rotvalenz, die aus ihrer unmittelbaren Blauvalenz entspringt, auch noch eine unmittelbare Rotvalenz eigen sei. Die Entscheidung dieser Frage h\u00e4ngt, wie sich aus Nachstehendem unschwer ergeben wird, davon ab, ob das Spektrum der Gr\u00fcn-rotblinden im Vergleich zu dem Spektrum der Rotgr\u00fcnblinden am violetten Ende verk\u00fcrzt ist oder nicht. Im ersteren Falle ist die Rotvalenz des spektralen Violett zum Teil unmittelbarer Art, im letzteren Falle nur mittelbarer Art. Da nun nach dem zur Zeit Vorliegenden hinsichtlich des violetten Endes des Spektrums ein Unterschied zwischen den beiden Typen der Gelbblausichtigen nicht zu bestehen scheint, so haben wir die Rotvalenz der violetten Strahlen des Spektrums f\u00fcr eine nur mittelbare Valenz, die eine Folge der unmittelbaren Blauvalenz dieser Strahlen ist, anzusehen. Es ist bemerkenswert, dafc wir hiernach auf Grund der oben dargelegten Anschauungen ohne Weiteres zu einer Erkl\u00e4rung der eigent\u00fcmlichen That-sache gelangen, dafs die Rotvalenz am kurzwelligen Ende des Spektrums wiederkehrt.\n\u00bb\n\u00a7 40. Die beiden Typen der Gelbblausichtigen.\nWas nun den Unterschied der beiden Typen Gelbblausichtiger anbelangt, so beruht derselbe darauf, dafs die Rotgr\u00fcn-blinden des JV-Materiales des Rotgr\u00fcnsinnes und der durch die photo chemische Umwandlung desselben entstehenden Stoffe a und b v\u00f6llig entbehren, w\u00e4hrend die Gr\u00fcnrotblinden das N~ Material des Rotgr\u00fcnsinnes und jene Stoffe a und b noch besitzen und nur deshalb des Rotgr\u00fcnsinnes entbehren, weil die nerv\u00f6se Leitungsbahn nicht von normaler Beschaffenheit ist, oder defshalb, weil zum Zustandekommen des R-Prozesses aufser\n1 Biese unmittelbare Gelbvalenz ist aber dem Obigen gem\u00e4fs mit einer mittelbaren Gr\u00fcnvalenz verbunden.","page":182},{"file":"p0183.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n183\nden Stoffen a nnd h noch \u00a9in anderer, unter normalen Verh\u00e4ltnissen in der Netzhaut bereit liegender Stoff x erforderlich ist, welcher eben in der Netzhaut der Gr\u00fcnrotblinden fehlt. Hiernach kommen alle nur mittelbaren Gelb- und Blauvalenzen f\u00fcr den Rotgr\u00fcnblinden in Wegfall/ w\u00e4hrend sie f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden noch bestehen. Aus diesem Fundamentalunterschiede beider Arten von Gelbblausichtigen lassen sich nun ohne Weiteres all\u00a9 unmittelbar in die Beobachtung tretenden Unterschiede derselben ableiten :\n1.\tDa das spektral\u00a9 Rot neben der unmittelbaren Gelbvalenz, di\u00a9 ihm von einer gewissen Wellenl\u00e4nge ab zukommt, in seiner ganzen Ausdehnung f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden noch eine mittelbare Gelbvalenz besitzt, hingegen f\u00fcr den Rotgr\u00fcnblinden dieser mittelbaren Gelbvalenz entbehrt, so versteht sich ganz von selbst, dafs das Spektrum des letzteren in Vergleich zu dem Spektrum des ersteren an dem langwelligen End\u00a9 eine Verk\u00fcrzung zeigt.\n2.\tDa ferner die mittelbare Gelbvalenz eines langwelligen Lichtes umso geringer ist, je schw\u00e4cher di\u00a9 sie bedingende unmittelbare Rotvalenz ist, so ist der Betrag, um den die f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden bestehende aktuelle Gelbvalenz* 1 eines langwelligen Lichtes die f\u00fcr den Rotgr\u00fcnblinden bestehende Gelbvalenz desselben Lichtes \u00fcbertrifft, von einer gewissen Grenze ab umso geringer, je kleiner die Wellenl\u00e4nge des Lichtes ist. Dieser Betrag ist sehr bedeutend in der Gegend des Lithiumrot, nur gering in der Gegend des Natriumgelb, und erreicht den Nullwert an dem Punkte der reinen unmittelbaren Gelbvalenz. Hiernach ist es gleichfalls ganz selbstverst\u00e4ndlich, dafs, um die subjektive Gleichheit zwischen Lithiumrot und Natrium-gelb bei einer gegebenen Intensit\u00e4t des letzteren zu erzielen, der Rotgrftnblinde einer weit gr\u00f6fseren Menge von Lithiumrot bedarf als dar Gr\u00fcnrotblinde.\n1 Denn z, B. eine mittelbare Gelbvalenz, welche aus einer unmittelbaren Rotvalenz entspringt, hat ja zur Voraussetzung, dafs das JV-Material des Rotgr\u00fcnsinnes noch vorhanden sei und durch die Rotvalenz in die Stoffe a, bf c umgewandelt werden k\u00f6nne\u00bb\n1 Die aktuelle Valenz ist diejenige Valenz, die f\u00fcr den betreffenden optischen SpeziaMnn aus dem Zusammenwirken oder Entgegenwirken der gegebenen unmittelbaren und mittelbaren Valenz that s\u00e4chlich resultiert. F\u00fcr den Rotgr\u00fcnblinden sind die aktuellen Valenzen mit den unmittelbaren Valenzen identisch.","page":183},{"file":"p0184.txt","language":"de","ocr_de":"184\nG. E. M\u00fctter*\n3. Vom Punkte der reinen unmittelbaren Gelbvalenz ab besitzen die Strahlen des Spektrums neben ihrer unmittelbaren Gelbvalenz noch eine unmittelbare Gr\u00fcnvalenz, aus welcher nach Obigem eine mittelbare Blauvalenz entspringt. Letztere Blauvalenz, welche um so st\u00e4rker ist, je gr\u00f6fser die unmittelbare Gr\u00fcnvalenz ist, und nach Obigem nur f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden, nicht aber auch f\u00fcr den Rotgr\u00fcnblinden besteht, wirkt der unmittelbaren Gelbvalenz entgegen. Hieraus folgt, dais von jenem Punkt\u00a9 ab die f\u00fcr den Gr\u00e4nrotblinden bestehende aktuelle Gelbvalenz hinter der f\u00fcr den Rotgranblinden bestehenden Gelbvalenz zur\u00fccksteht, und der sogenannte neutrale Punkt, wo der Wert der aktuellen Gelbvalenz gleich Null geworden ist, in dem Spektrum des Gr\u00fcnrotblinden mehr nach links liegt, als in dem Spektrum des Rotgr\u00fcnblinden. Der neutrale Punkt des ersteren ist mit dem Punkte, auf den das Ur-gr\u00e4n des Farbent\u00fcchtigen fallt, identisch. Der neutrale Punkt des Rotgr\u00fcnblinden liegt im Blaugr\u00fcn des Farbent\u00fcchtigen und deckt sich mit dem, Punkte der reinen unmittelbaren Grttnvalenz.\nMit Vorstehendem steht es nun wiederum im besten Einkl\u00e4nge, wenn von denjenigen Forsohem, welche auf Grund ihrer Beobachtungen einen wesentlichen Unterschied zwischen Gr\u00fcn-rot- und Rotgr\u00fcnblinden annehmen, dieser Unterschied vor allem auch dahin charakterisiert wird, dafs das Maximum der Gelbvalenz (der \u201ewarmen Valenz4) und ebenso auoh der neutrale Punkt bei den ersteren mehr nach links im Spektrum liege, als bei den letzteren, und dais, w\u00e4hrend der Gr\u00fcnrotblinde \u00a9in lichtsohwaches Rot mit einem lichtstarken (nicht bl\u00e4ulichen) Gr\u00fcn verwechsele, der Rotgr\u00fcnblinde umgekehrt ein lichtstarkes Rot mit einem schwachen Gr\u00e4n, vertausche. Nach 'unseren Ableitungen ist eben die spektrale Kurve der aktuelen Gelbvalenz bei den Gr\u00fcnrotblinden ganz dieselbe, wie bei den Farbent\u00fcchtigen, w\u00e4hrend die f\u00fcr den Rotgr\u00fcnblinden bestehende Gelbvalenz bis zum Punkte der reinen unmittelbaren Gelbvalenz hin geringer, von diesem Punkte ab aber gr\u00f6fser ist, als die f\u00fcr den Farbent\u00fcchtigen bestehende Gelbvalenz. Dieses von uns abgeleitete Verhalten tritt ganz besonders deutlich in gewissen, zum Teil schon oben erw\u00e4hnten Versuchs-resnltaten von Dondebs (a. o. a. 0.) hervor. Dieser Forscher ermittelte bei Farbent\u00fcchtigen, Gr\u00fcnrot- und Rotgr\u00fcnblinden, welche Intensit\u00e4t einerseits Lithiumrot (670 pp) und anderer-","page":184},{"file":"p0185.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindung en.\n185\nseits Thalliumgr\u00fcn (535 pp) besitzen mufste, um, einem ge. gebenen Natriumgelb (589 pp) an \u201eIntensit\u00e4t\u201c gleich zu erscheinen.1 Es zeigte sich, dafs das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis zwischen Lithiumrot und Natriumgelb und ebenso auch das Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnis zwischen Thalliumgr\u00fcn und Natriumgelb, bei welchem die erstrebte Gleichheit vorhanden war, bei dem Gr\u00fcnrotblinden ziemlich dasselbe war wie bei dem Farbent\u00fcchtigen. * * Bei dem Botgrtablinden hingegen mufste zu dem genannten Zwecke nicht blofs, wie schon oben erw\u00e4hnt, dem Lithiumrot eine viel h\u00f6here Intensit\u00e4t, sondern aufserdem auch dem, Thallium-gr\u00fcn eine betr\u00e4chtlich geringere (nur etwa halb so grofse) Intensit\u00e4t gegeben werden, als bei dem Gr\u00fcnrotblinden und Farbent\u00fcchtigen erforderlich war.8\n4. Verfolgen wir nun das Spektrum weiter nach dem kurzwelligen Ende hin, so mufs nach den oben zu Grunde gelegten Anschauungen bis zu dem Punkte der reinen unmittelbaren Blauvalenz hin, von welchem ab die Lichtstrahlen nur noch eine unmittelbare Blauvalenz (nebst der aus dieser entspringenden\n1 Bei den Versuchen an Farben t\u00fcchtigen bes\u00e4 (sen also die miteinander verglichenen und auf \u201egleiche Intensit\u00e4t\" einzustellenden Lichter betr\u00e4chtlich verschiedene F\u00e4rbung. Bei den Versuchen an Farbenblinden hingegen handelte es sich um die Herstellung wenigstens angen\u00e4herter Farben gleich ungen.\n*\tBei dem Farbent\u00fcchtigen bedurfte das Lithiumrot zu dem genannten Zwecke wegen der hinzukommenden Koterregung einer etwas geringeren Intensit\u00e4t als bei dem Gr\u00fcnrotblinden.\n\u2022\tHinsichtlich der \u00fcbrigen oben angef\u00fchrten Unterschiede der beiden Typen der Gelbblausichtigen vergleiche man z. B. die Ausf\u00fchrungen von Bonders im Arch. f. Ophthalm., 27,1, S. 186 ff. uni 30, 1, 8. 69 ff. Am wenigsten sichergestellt erscheint die Verschiedenheit der Lage des neutralen Punktes hei beiden Typen, wie dies z. B. die Beobachtungen von \u201eK\u00f6nig {Arch. f. Ophthalm30, 2, S. 165 ff.) zeigen, nach denen \u00fcbrigens der neutrale Punkt immerhin hei den Gr\u00fcnrotblinden durchschnittlich 3,4 pp weiter links liegt als bei den Rotgr\u00fcnblinden. Am eingehendsten hat sich Hbrino (bber individuelle Verschiedenheiten des Farbensinnes, S. 166 ff.) \u00fcber die Schwierigkeiten verbreitet, die einer genauen Bestimmung der Lage des neutralen Punktes entgegenstehen. In Hinblick auf diese Schwierig-\n\u2022 leiten kann es angezeigt erscheinen, rieh zun\u00e4chst an den von voir Hexes {<Mme Zeitschrift, 9, S. 101 f. und 12, S. 27 ff.) so bezeichneten invariablen Punkt zu halten, und znzusehen, wie sich dieser Punkt, \u00fcber den freilich die Akten auch noch nicht geschlossen sind, bei den beiden Arten Gelbblausichtiger verh\u00e4lt.","page":185},{"file":"p0186.txt","language":"de","ocr_de":"186\nG. E. M\u00fctter.\nmittelbaren Rotvalenz) besitzen,* 1 die f\u00fcr den Ghr\u00fcnrotblinden bestehende aktuelle BLauvalenz \u00fcber die f\u00fcr den Sotgr\u00fcnblinden bestehende BLauvalenz \u00fcberwiegen. Denn die mittelbare Btau-valenz, die aus der unmittelbaren Gr\u00fcnvalenz der f\u00fcr den Farbent\u00fcchtigen gr\u00fcnblauen Strahlen entspringt, kommt nur dem Gr\u00fcnrotblinden, nicht auch dem Ro tgr\u00fcnblinden zu Gute\u00bb Von dem Funkte der reinen unmittelbaren Blauvalenz ab verh\u00e4lt sich, wie die Beobachtung best\u00e4tigt, die Blauvalenz f\u00fcr beide Arten Gelbblausichtiger in ganz gleicher Weise. W\u00e4re die Eotv&lens des violetten Lichtes zum Teil unmittelbarer Art, so w\u00fcrde bei dem Gr\u00fcnrotblinden die aus der unmittelbaren Botvalenz entspringende mittelbare Gelbvalenz der unmittelbaren Blauvalenz dieses Lichtes . entgegenwirken, und das violette Ende des Spektrums w\u00fcrde f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden schw\u00e4cher und k\u00fcrzer sein als f\u00fcr den Rotgr\u00fcnblinden.\nWas die vorstehende Behauptung anbelangt, dafs bis zum Punkte der reinen unmittelbaren Blauvalenz 'Mn. die aktuelle Blauvalenz f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden greiser sei, als f\u00fcr den Rot-gr\u00fcnblinden, so hat man bisher der Frage, wie sich die beiden Arten Gelbblausichtiger im Gebiete der gr\u00fcnblauen und blauen Strahlen zu einander verhalten, nur geringe Aufmerksamkeit zugewandt, und die individuellen Verschiedenheiten, die hinsichtlich der Pigmentierung der Macula und Augenlinse bestehen, lassen in der That gerade f\u00fcr dieses Gebiet der Lichtstrahlen weniger regelm\u00e4fsige Resultate erwarten. Allein nach den (im \u00dcbrigen hinsichtlich ihrer Bedeutung hier nicht zu er\u00f6rternden) von van dbrWeydi (Arch.f. Ophthcdm., 28, 2, S. 13) und von K\u00f6nig und Dietbrici (diese Zeitschrift,, 4, 1893, S. 256) auf Grand ihrer Beobachtungen f\u00fcr die beiden Typen Gelbblausichtiger entworfenen \u201eIntensit\u00e4tskurven der warmen und kalten Empfindung\u201c ist durchaus darauf zu schliefsen, dafs innerhalb eines nicht unbetr\u00e4chtlichen Gebietes von Wellenl\u00e4ngen die aktuelle Blauvalenz f\u00fcr den Rotgr\u00fcnblinden merkbar schw\u00e4cher ist als f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden.*\n1 Wie leicht ersichtlich, w\u00fcrde es richtiger, aber auch noch umst\u00e4ndlicher sein, diesen Punkt als den Punkt der beginnenden reinen unmittelbaren Blauvalenz zu bezeichnen.\n1 Man muls sich nur vergegenw\u00e4rtigen, dafs sich das Verhalten der aktuellen Blauvalenz an dem Verhalten wiederspiegelt, welches in dem betreffenden Gebiete 'von Lichtstrahlen die Differenz zwischen den zum","page":186},{"file":"p0187.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen.\n187\n5. Die Gegner der Theorie der Gegenfarben. legen grofses Gewicht darauf, dafs die beiden Arten Gelbblausichtiger zwei scharf voneinander zu unterscheidende Gruppen bilden, deren wesentliche Verschiedenheit voneinander durch jene Theorie nicht erkl\u00e4rt werde. Wir brauchen nach Vorstehendem nicht erst zu bemerken, dafs eine derartige Einwendung der von uns vertretenen Form jener Theorie gegen\u00fcber mehr als verfehlt sein w\u00fcrde. Wie nach jeder anderen (z. B. auch der von den Anh\u00e4ngern der Young-BiLMHOLTZschen Theorie vertretenen) Auffassung des Unterschiedes der beiden Typen Gelbblausichtiger kann man sich nat\u00fcrlich auch vom, Standpunkte unserer Auffassung aus \u00dcbergangsformen zwischen beiden Typen theoretisch konstruieren.* 1 * * * * * * Es ist indessen noch fraglich, inwieweit derartige \u00dcbergangsformen wirklich Vorkommen.8 Denn es ist nicht zu \u00fcbersehen, dafs die Unterscheidungsmerkmale, die nach dem Bisherigen zwischen einem Gr\u00fcnrotblinden und einem Kotgr\u00fcnblinden zu erwarten sind, durch verschiedene Umst\u00e4nde mehr oder weniger verdeckt sein und hierdurch scheinbare \u00dcbergangsformen zwischen beiden Typen entstehen k\u00f6nnen. In erster Linie kommt hier der Umstand in Betracht, dafs auch die Erregbarkeit des Gelbblausinnes bei verschiedenen Gelbblausichtigen sehr verschieden sein kann. So kann z. B. ein Gr\u00fcnrotblinder (d. h. also ein Gelbblausichtiger, f\u00fcr welchen auch die mittelbaren Gelb- und Blauvalenzen bestehen) eine erhebliche Verk\u00fcrzung des langwelligen Endes des Spektrums\ngleichen Abscissenwerte geh\u00f6rigen Ordinaten der Kurve der warmen und der kalten Empfindung zeigt.\n1 Da f\u00fcr uns der wesentliche Unterschied der beiden Typen darin besteht, dafs f\u00fcr die einen Gelbblausichtigen die unmittelbaren und mittelbaren, f\u00fcr die anderen aber nur die unmittelbaren Gelb- und Blauvalenzen in Betracht kommen, so erh\u00e4lt man \u00dcbergangsformen zwischen beiden Typen dadurch, dais man f\u00fcr ein anf\u00e4nglich rotgrfinblindes Individuum die mittelbaren Gelb- und Blauvalenzen immer mehr zur Geltung kommen\nl\u00e4fst. Man denke sich also z. B. ein zun\u00e4chst rotgr\u00fcnblindes Individuum, welches nicht blofs der Sehstoffe des Botgr\u00fcnsinnes entbehrt, sondera, was ja Vorkommen kann, aufserdem auch noch mit einer durch die\nNetzhautprozesse des Botgr\u00fcnsinnes nicht erregbaren nerv\u00f6sen Sehhahn\nbehaftet ist, und lasse in der Netzhaut dieses Individuums die Sehstoffe\ndes Botgr\u00fcnsinnes in allm\u00e4hlich zunehmender Menge entstehen. Biese\u00bb\nIndividuum wird sich allm\u00e4hlich in einen Gr\u00fcnrotblinden umwandeln.\n1 Man vergleiche hierzu Bonders im Arck, f. OpMhaJm27, 1, S. 204 f.\nund 30, 1, S. 76, und K\u00f6nig, ebenda, 33, 1, S. 300.","page":187},{"file":"p0188.txt","language":"de","ocr_de":"188\nG. E. M\u00fcller.\nerkennen lassen, falls bei ihm die Erregbarkeit des Gelbblausinnes stark herabgesetzt ist. Auch die individuellen Verschiedenheiten, die hinsichtlich der Pigmentierung der Macula und der Augenlinse, sowie hinsichtlich derjenigen Faktoren bestehen, auf deren Verschiedenheit auch der Unterschied der sogenannten normalen und anomalen tetrachromatischen Farbensysteme beruht,1 kommen hier in gleicher Hinsicht in Betracht.\n6.\tEs liegt \u2018die Vermutung nahe, dale dem Schw\u00e4cherwerden und schliefslichen Schwinden, welches der Botgr\u00fcnsinn bei zunehmendem Abstande vom Netzhautzentrum zeigt, ein Sichverringern und schliefsliches Schwinden der SehstolFe des BrOtgr\u00fcnsmnes entspreche (womit nat\u00fcrlich nicht ausgeschlossen ist, dafs f\u00fcr diejenigen Netzhautteile, welche gar keine Spur des Kotgr\u00fcnsinnes erkennen lassen, zugleich auch eine Unf\u00e4higkeit der zugeh\u00f6rigen nerv\u00f6sen Leitungsbahnen bestehe, durch f2- oder Gr-Prozesse erregt zu werden). Ist diese Vermutung richtig, so m\u00fcssen nach unserer Auffassung die peripherischen Netzhautteile rotgr\u00fcnblind und nicht gr\u00fcnrotblind sein. Und in der That hat Holmgben [Amahs d'oculistique, 92, 1884, S. 133) auf Grund seiner Beobachtungen die Behauptung aufgestellt, dafs die in Bede stehenden Netzhautteile als \u201erotblind\u201c zu bezeichnen seien.\n7.\tEndlich hat neuerdings von Kries (Centrcdbl. f. Physiol., X. S. 100 f.) grofses Gewicht auf die G\u00fcltigkeit des Satzes gelegt, \u201edafs jede Gruppe der Dichromaten die f\u00fcr die\n1 Der Unterschied der normalen und anomalen tetrachromatischen Farbensysteine, sowie mancherlei individuelle Verschiedenheiten, die bei Augen Vorkommen, welche dem gleichen Farbensysteme zugeh\u00f6ren (man vergleiche z. B. Dokdbbs im Arch. f. Anat. u. Physiol., 1884, S. 529 ff.), sind wohl darauf zur\u00fcckzufiihren, dafs die L\u00f6sung, in welcher sich die Sehstoffe befinden, thais\u00e4chlich von recht komplizierter Beschaffenheit ist, und schon eine geringe Beimengung eines fremden Stoffes oder eine nur geringe Mengen\u00e4nderung eines die Netzhautprozesse nur indirekt, etwa auf katalytischem Wege, beeinflussenden Stoffes die Empfindlichkeit gegen\u00fcber den verschiedenen Lichtstrahlen (die spektralen Kurven der verschiedenen Valenzen) in merkbarem Grade zu ver\u00e4ndern vermag. Mit dieser Auffassung stimmt im Grunde auch die Ansicht von Hkukholtz (Physiol. Optik, 2. Aufl., S. 869) \u00fcberein. Es schien uns verfr\u00fcht, die hier angedeuteten Komplikationen schon bei unserer gegenw\u00e4rtigen, noch recht unvollkommenen Kenntnis der aus ihnen entspringenden Erscheinungen n\u00e4her zu pr\u00e4zisieren und sozusagen in das physikalisch-chemische Schema der Netzhautprozesse mit aufzunehmen.","page":188},{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophymk der Gesichtsempfindungm.\n189\nandere Gruppe g\u00fcltigen Mischungsgleichungen im, allgemeinen nicht anerkennt, d\u00e4fs aber Mischungsgleichungen, die f\u00fcr den Trichromaten g\u00fcltig sind, stets f\u00fcr beide Gruppen der Farbenblinden G\u00fcltigkeit haben. Beschr\u00e4nkt man die Beobachtung auf die weniger brechbare H\u00e4lfte des Spektrums (bis 550 pp), wo die Maculaabsorptionen nicht st\u00f6rend wirken, so l\u00e4fst sich dieser Satz mit grofser Pr\u00e4zision best\u00e4tigen, am elegantesten in der folgenden Weise: Der Gr\u00fcnblinde stellt eine Gleichung ein zwischen einem homogenen Lichte, z. B. 610 pp (Orange), und einer Mischung von Bot 670 pp und Gr\u00fcngelb 550 pp. Er kann dies\u00a9 erhalten bei jedem beliebigen Verh\u00e4ltnisse dieser beiden Bestandteile in der Mischung. L\u00e4fst man eine solche Gleichung von einem Rotblinden pr\u00fcfen, so kann ihm im allgemeinen das Gemisch sowohl zu hell als zu dunkel, als auch gleich erscheinen. Ob nun das eine oder das andere der Fall ist, kann der Trichromat durch seine Beobachtung a priori angeben : ist das Gemisch f\u00fcr ihn mit dem homogenen Licht gleichfarbig, so wird die Einstellung des Gr\u00fcnblinden vom Rotblinden stets anerkannt; ist das Gemisch dem Farbent\u00fcchtigen zu rot, so wird das vom, Gr\u00fcnblinden eingestellte Geinischquantum dem Rot blinden zu dunkel sein; ist das Gemisch dem. Farbent\u00fcchtigen zu gr\u00fcn, so wird das von dem Gr\u00fcnblinden als gleich eingestellte Gemisch dem Rotblinden zu hell sein.\u201c Hierzu ist Folgendes zu bemerken.\nWenn von einem Farben t\u00fcchtigen eine Farbengleiohung, z. B. zwischen einem Orange und einem Gemisch aus Rot und Gr\u00fcngelb, hergestellt ist, so m\u00fcssen die beiden Farben ganz gleiche unmittelbare und ganz gleich\u00a9 mittelbar\u00a9 Valenzen besitzen. Denn angenommen z. B., das Orange besitz\u00a9 \u00a9ine h\u00f6here Rotvalenz als das Gemisch, so kann dies allerdings dadurch kompensiert sein, dafs die (von der unmittelbaren Gelbvalenz abh\u00e4ngige) mittelbare Gr\u00fcnvalenz in entsprechendem Grade f\u00fcr das Orange gr\u00f6fser ist als f\u00fcr das Gemisch. Allein da alsdann nicht blofs di\u00a9 unmittelbare, sondern auch die (nach der unmittelbaren Rotvalenz sich bestimmende) mittelbare Gelbvalenz f\u00fcr das Orange st\u00e4rker ist als f\u00fcr das Gemisch, so mufs in diesem Falle das erstere gelblicher sein als das letztere. Besitzt das Orange eine st\u00e4rkere unmittelbare Gelbvalenz als das Gemisch, so kann dies allerdings dadurch kompensiert sein, dafs die mittelbare Gelbvalenz in entsprechendem Grad\u00a9 f\u00fcr das","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nG, B. M\u00fcller.\nOrange kleiner ist als f\u00fcr das Gemisch. Allein in solchem Falle mufa f\u00fcr das Orange die unmittelbare Rotvalenz schw\u00e4cher, die mittelbare Gr\u00fcnvalenz st\u00e4rker sein als f\u00fcr das Gemisch, mithin erst eres im Vergleich zu letzterem weniger r\u00f6tlich oder gr\u00fcnlich erscheinen. Ganz analoge Betrachtungen, wie wir soeben an das obige Beispiel einer Farbengleichung angekn\u00fcpft haben, lassen sich, wie leicht zu erkennen, hinsichtlich jeder beliebigen Farbengleichung anstellen. Es gilt also ganz allgemein der Satz, dafs den beiden Seiten einer von einem Farbent\u00fcohtigen hergestellten Farbengleichung gleiche unmittelbare und gleiche mittelbare Valenzen entsprechen. Hieraus folgt ohne Weiteres die G\u00fcltigkeit des oben erw\u00e4hnten von von Eues betonten Satzes, dafs eine von einem Farbent\u00fcchtigen anerkannte Farbengleichung, welche von der individuell wechselnden Pigmentierung der Macula und der Augenlinse nicht beeinflufst wird, sowohl von einem Gr\u00fcnrotblinden als auch von einem Rotgr\u00fcnblinden anerkannt wird. Denn wem beiden Seiten einer von einem Farbent\u00fcohtigen hergestellten Gleichung gleiche mittelbare und gleiche unmittelbare Valenzen entsprechen, so mufs die Gleichung nat\u00fcrlich auch f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden gelten, bei welchem die Rot- und Grunvalenzen nicht erregend wirken, und ebenso auch f\u00fcr den Rotgrtnblinden, f\u00fcr welchen aulser-dem noch die mittelbaren Gelb- und Blauvalenzen in Wegfall kommen.\nSetzen wir ferner den Fall, der Gr\u00fcnrotblinde habe eine Gleichung zwischen Orange und einem Gemisch von Rot und Gr\u00fcngelb in der Weise hergestellt, dafs dem Farbent\u00fcchtigen das Gemisch zu rot erscheint, so ist f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden die Gleichheit beider Farben offenbar dadurch zu st\u00e4nde gekommen, dafs die mittelbare Gelbvalenz des Gemisches (die sich nach der unmittelbaren Rotvalenz des letzteren bestimmt) gr\u00f6fser ist als die mittelbare Gelbvalenz des Orange, aber die unmittelbare Gelbvalenz des Gemisches in entsprechendem Grade schwacher ist als die des Orange. Es ist selbstverst\u00e4ndlich, dafs die in dieser Weise hergestellte Gleichung von dem Rotgr\u00fcnbUnden, f\u00fcr welchen die mittelbaren Gelb Valenzen in Wegfall kommen, in dem Sinne f\u00fcr unrichtig erkl\u00e4rt wird, dafs das Gemisch eine zu geringe Gelbvalenz besitze und mithin zu lichtschwach sei.","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Psychophysik der GemcHtsempfindungen.\n191\nHat der Gr\u00fcnrotblinde die Gleichung zwischen dem Orange und dem Gemisch f\u00fcr sich in der Weise hergestoLLt, dafs das letztere dem Farbent\u00fcchtigen zu gr\u00fcn ist, so beruht die f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden vorhandene subjektive Gleichheit beider Farben darauf, dafs die umnittelbare Gelbvalenz des Gemisches (nach welcher sich die mittelbare Gr\u00fcnvalenz desselben bestimmt) gr\u00f6fser ist als die unmittelbare Gelbvalenz des Orange, aber andererseits die (von dar unmittelbaren Botvalenz des Gemisches abh\u00e4ngige) mittelbare Gelbvalenz des Gemisches in entsprechendem Grade kleiner ist als die mittelbare Gelbvalenz des Orange,1 Es ist wiederum ganz selbstverst\u00e4ndlich, dafs die in dieser Weise her gestellte Gleichung dem Eotgr\u00fcnblinden unrichtig, und zwar die Gelbvalenz des Gemisches zu grofs und das letztere zu lichtstark erscheint. Es lassen sich also auch jene von von Karns geltend gemachten Versuchsthatsaohen ohne Weiteres aus den von uns zu Grunde gelegten Anschauungen ableiten. \u2014-\nWir haben im Vorstehenden uns genau an diejenigen Unterscheidungsmerkmale und Eigent\u00fcmlichkeiten der beiden Typen Gelbblausichtiger gehalten, welche von den Gegnern der Theorie der Gegenfarben gefunden und gegen diese Theorie, als nach derselben nicht erkl\u00e4rbar, ins Feld gef\u00fchrt worden sind. Es hat sich gezeigt, dafs sich die vorgebraehten Unterschiede beider Typen ohne Ausnahme aus den von uns zu Grunde gelegten, auf dem Boden jener Theorie sich bewegenden Anschauungen m ganz einfacher Weise ableiten lassen, und zwar so, dafs wir als Zugabe noch obendrein eine einfache Erkl\u00e4rung der Thatsache erhalten, dafs die Rotvalenz im Gebiete der mit einer Blauvalenz begabten Strahlen schliefslich wiederkehrt.\nWie sich ein nachdenklicher Leser bereite selbst gesagt\n1 Erscheint das Gemisch dem Earbent\u00fcchtigen bedeutend zu gr\u00fcn, so besitzt dasselbe neben seiner unmittelbaren Gelbvalenz keine unmittelbare Botvalenz, sondern eine unmittelbare Gr\u00fcnvalenz, und die subjektive Gleichheit des Gemisches und des Orange kommt f\u00fcr den Gr\u00fcnrotblinden dadurch zu st\u00e4nde, dafs der \u00dcberscbufs an unmittelbarer Gelbvalenz, den das Gemisch besitzt, durch die mittelbare Blauvalenz, die aus der unmittelbaren Gr\u00fcnvalenz des Gemisches entspringt, kompensiert wird. In diesem Falle mu\u00fcs nat\u00fcrlich das Gemisch dem Bot-gr\u00fcnblinden gleichfalls zu lichtstark erscheinen.","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nG. E. Muller.\nhaben d\u00fcrfte, f\u00fchren die von uns in diesem Kapitel en Grunde gelegten Anschauungen auch hinsichtlich der des Gelb-blausinnes entbehrenden Dichromaten zu wichtigen Schluls-folgernngen, vor allem zu der Schlufsfolgerung, dafs auch diese Dichromaten in 2 Gruppen zerfallen, die ach dadurch unterscheiden, dafs f\u00fcr die eine Grappe auch die mittelbaren, fur die andere aber nur die unmittelbaren Rot- und Gr\u00fcnvalenzen bestehen. Bei der ersteren Gruppe liegt ein neutraler Punkt im reinen Gelb und ein anderer im reinen Blau, und der violette Teil des Spektrums kommt mit einer Rotvalenz zur Geltung. Bei der zweiten Gruppe hingegen liegt die erste neutrale Stelle im Gelbgr\u00e4n, das Gr\u00e4n reicht \u00fcber das reine Blau hinaus bis zum Punkte der reinen unmittelbaren Blauvalenz, und der jenseits dieses Punktes liegende Teil des Spektrums entbehrt in seiner ganzen Ausdehnung der Rotvalenz, das violette l^de des Spektrums ist also verk\u00fcrzt. Zu der ersteren dieser beiden Gruppen geh\u00f6rt der von Ebbing (Pfl\u00fcgers Areh,} 57, 1894, S. 308 ff.) n\u00e4her untersuchte Gelbblaublinde, bei welchem die eine neutrale Gegend die Wellenl\u00e4ngen 572 bis 595 pp umfafste, also die Gegend des reinen Gelb war, die andere neutrale Region die um 475 pp herumliegenden Wellenl\u00e4ngen umfafste, mithin die Gegend des reinen Blau war. Wie IIkring sehr eingehend bewiesen hat, besafaen die violetten Strahlen des Spektrums f\u00fcr diesen Dichromaten eine Rotvalenz, wenn die letztere auch wegen der betr\u00e4chtlichen, schon in der erheblichen Ausdehnung der beiden neutralen Regionen sich verratenden Schw\u00e4che des Rotgr\u00e4nsinnes sich nicht direkt merkbar machte. Der zweiten der obigen Gruppen geh\u00f6rt der von Holmgbbn (Cenlralbl. f. d. medic. Wissensch., 18, 1880, S. 915) beschriebene Fall einseitiger Gelbblaublindheit an. In diesem Falle lag die erste neutrale Stelle \u201eim Gelbgr\u00fcn0, das Gr\u00fcn reichte \u00fcber den Punkt des reinen Blau hinaus bis etwa zu der FBAUNHOBBBschen Linie (?; an dieser h\u00f6rte das Spektrum absolut auf* Auf die \u00fcbrigen bisher berichteten, (soweit uns die betreffende Litteratur zug\u00e4nglich war) teils nicht ausreichend beschriebenen, teils zu ganz anderen Kategorien von Farbensinnst\u00f6rungen zu rechnenden Falle sogenannter GelbblaubHndheit kann hier nicht eingegangen werden. \u2014\nWir haben in diesem Kapitel und, wie uns scheint, mit","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Paychophysik der Ge&ichtsempfindungen.\n193\ngutem Erfolge, von einer Annahme Gebrauch gemacht, nach welcher auch solche Netzhautprozesse, die nicht antagonistischer Art sind, in einer gewissen Wechselbeziehung zu einander stehen, Wir m\u00f6chten die Bemerkung nicht unterlassen, dafs uns zur Zeit noch fraglich erscheint, ob mit dem Bisherigen alle diejenigen Wechaelbeziehungen, die unter einander nicht entgegengesetzten Netzhautprozessen in merkbarer Weise bestehen, ersch\u00f6pft seien. Es giebt noch anderweite, in dieser Abhandlung zum Teil noch gamicht ber\u00fchrte Erscheinungskreise, die uns dazu auffordem, mit der M\u00f6glichkeit derartiger Wechselbeziehungen zu rechnen, und einer Untersuchung in dieser Beziehung harren. Auf jeden Fall wird es nachgerade Zeit, dafs man dazu \u00fcbergehe, diejenigen Thatsachen der Psychophysik der Gesichts-empfindungen, welche auf physikalisch-chemischem Wege zu erkl\u00e4ren sind, auf solchem Wege zu erkl\u00e4ren, statt z, B, der Einbildung zu leben, dafs es eine wissenschaftliche Erkl\u00e4rung sei, wenn man die Rotgr\u00fcnblindheit auf ein Zusammenfallen der spektralen Kurven der Rot- und der Granvalenz zur\u00fcok-fuhre, ohne auch nur die Spur eines Bed\u00fcrfnisses erkennen zu lassen, das v\u00f6llige Zusammenfallen dieser Kurven physikalischchemisch begreiflich zu machen. Ein Versuch zu letzterem d\u00fcrfte freilich auch nie gelingen.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIV.\n18","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"Inhaltsverzeichnis.\nKapitel 1.\nDie psychophysische* Asiens **4 ihre Akiveidiif\nnf die GeoichtMspfiadungeB*\nSeit\u00ab\n\u00a7 1. Die vier ersten Axiome der Psychophysik..........Band 10\t1\n\u00a7 2. Unannehmbarkeit eines von Hsuxe aufge stellten psychophysischen Satans................................................ 5\n\u00a7 3.\tVom physischen Korrelate der Empfindungsintensit\u00e4t..... 8\n\u00a7 4\tEinfache und znsammengesetzte psychophysische Prozesse\t..\t13\n\u00a7 5.\tDas f\u00fcnfte psychophysische Axiom.......................... 15\n\u00a7 6.\tVon der Intensit\u00e4t und Eindringlichkeit der Empfindungen..\t25\n\u00a7 7.\tDie psychischen Qualit\u00e4tenreihen ........................ 33\n\u00a7 8. Zwei M\u00f6glichkeiten hinsichtlich der peych ophysischen Repr\u00e4sentation einer psychischen Qualit\u00e4tenreihe................... 38\n\u00a7 9. Er\u00f6rterung, inwieweit man zwischen den beiden angef\u00fchrten M\u00f6glichkeiten des Zustandekommens einer psychischen Qualit\u00e4tenreihe entscheiden k\u00f6nne................................... 43\n\u00a7 10.\tAbleitung der sechs retinalen Grundprozesse ............... 53\n\u00a7 11. Erg\u00e4nzende Bemerkungen zu vorstehender Ableitung der\nsechs retinalen Grundprosesse.............................. 57\n\u00a7 12. Von der besonderen Stellung, welche die sechs Grundfarben, insbesondere auch hinsichtlich der sprachlichen Bezeichnung.\nim Farbensysteme einnehmen............................... 67\n\u00a7 13.\tDie Stetigkeit der psychischen Qualit\u00e4tenreihen........ 79\nKapitel 2.\nDer Antagonismus der Xetzhantpremese.\n\u00a7 14. Die Annahme antagonistischer Valenzen und die Komponententheorie des Weifsprozesses......................Band 10 321\n\u00a7 15. Die Komponententheorie ist unvertr\u00e4glich mit dem Satze, dafs die subjektive Gleichheit zweier Lichter von dem Er-\nmfidungszustande des Sehorgans unabh\u00e4ngig ist........... 323\n\u00a7 16. Die Komponententheorie wird dem Eintreten und Verhalten des Weifsprozesses bei Farbenblindheit, insbesondere den beiden Hsssschen S\u00e4tzen, nicht gerecht........................ 328","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Pnychophysik der Oesich taempfindungen.\n195\nSette\n\u00a717. Die Annahme antagonistischer Valenzen findet eine St\u00fctze in dem Eintreten der negativen Nachbilder, sowie in dem Bestehen der Regel, dafs mit einer Sch\u00e4digung der Rot- oder Gelberregbarkeit eine entsprechende Sch\u00e4digung der Gr\u00fcn-\nbezw. Blauerregbarkeit verbunden ist, und umgekehrt.......\t881\n\u00a7 18. Beispiele entgegengesetzter photochemischer Wirkungen verschiedener Lichtarten.......................................... \u00c4J\u00df\nKapitel 8.\nTheorie der Netxhautprozeste.\n\u00a7 19. Antagonistische Netzhautprozesse als entgegengesetzte chemische Reaktionen................................................ 838\n\u00a7 20. Die Netzhautprozesse beim Ruhezust\u00e4nde. Die Unterschiede\ndes Farbigen und des Farblosen in psychophysischer Hinsicht 842 \u00a7 21. Die Wirkungen der Lichtreize. Die positiven und negativen\nNachbilder............................................... 845\n\u00a7 22. Die Mitwirkung der nutritiven Vorg\u00e4nge ................... 868\n\u00a7 28.\tDie retinalen Anpassungsvorg\u00e4nge......................... 872\n\u00a7 24. Ableitung des TaujothcIioii Gesetzes und eines verwandten\nSatzes..................................................... 883\n\u00a7 25. Allgemeines \u00fcber die mit chemischen Vorg\u00e4ngen reagierenden\nerregbaren Systeme......................................... 888\n\u00a7 26.\tDie optischen Valenzen und ihre Konstanz.................. 394\n\u00a7 27.\tBiologische Gesamtbetrachtung........................... 406\nKapitel 4.\nDie Sehnervenerregtingen und ihre Abh\u00e4ngigkeit von den Netzhautprozessen.\n\u00a7 28.\tAnnahme von sechs Grunderregungen des Sehnerven. Band 14\t1\n\u00a7 29. Er\u00f6rterung der Frage, ob auch die Sehnervenerregungen selbst als einander entgegengesetzte Vorg\u00e4nge anzusehen\nseien...................................................... 4\n\u00a7 30. Weiteres \u00fcber di\u00a9 Sehnervenerregungen und ihre Erweckung\ndurch die Netzhautprozesse ................................. 18\n\u00a7 31.\tZur Erkl\u00e4rung des Simultankontrastes....................... 26\n\u00a7 32.\tDie theoretische Bedeutung der binokularen Farbenmischung 89\n\u00a7 33. Vom zentralen Ursprung der Empfindung des subjektiven\nAugengrau................................................... 40\n\u00a7 84.\tDie Unerm\u00fcdbarkeit der Nerven.............................. 46\n\u00a7 35. Erkl\u00e4rung der quantitativen Singularit\u00e4t der schwarzweifsen\nEmpfindungen............................................ 60\n\u00a7 36.\tAssimilation und Dissimilation............................. 64\n18*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nG. E. Muller.\nKapitel 5.\nDie besondere Funktionsweise der St\u00e4bchen.\nS\u00f4itiG\n\u00a7 37. Historisches..............................................\n\u00a7 38. Die besondere Funktionsweise der St\u00e4bchen und ihre Konsequenzen ...................................................... ^\nKapitel 6.\nDie beiden Typen der Gelbblausichtigren.\n\u00a7 39. Unmittelbare und mittelbare Valenzen...................... 179\n\u00a7 40. Die beiden Typen der Gelbblausichtigen...................... 182","page":196}],"identifier":"lit30094","issued":"1897","language":"de","pages":"1-76, 161-196","startpages":"1","title":"Zur Psychophysik der Gesichtsempfindungen [Kapitel 4 und 5 (Schlu\u00df)]","type":"Journal Article","volume":"14"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:29:21.003242+00:00"}