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{"created":"2022-01-31T12:34:09.406037+00:00","id":"lit30157","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"M\u00fcller, G. E.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 14: 329-374","fulltext":[{"file":"p0329.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\nVon\nG. E, M\u00fclleb.\n\u00a7 1. Einleitendes.\nNach der Theorie der Gegenfarben ist zu erwarten oder wenigstens leicht begreiflich zu finden, dafs den beiden einander entgegengesetzten Richtungen eines das Sehorgan durch-fiiefsenden galvanischen Stromes Empfindungen von Gegenfarben, d. h. Empfindungen, denen entgegengesetzte Netzhautprozesse zu Grunde liegen, entsprechen. In der That f\u00fchrt Biedermann in seiner EUMrophy Biologie (S. 616 ff.) die von Helmholtz aus den Beobachtungsthatsachen abgeleitete Regel, dafs elektrische konstante Durchstr\u00f6mung der Netzhaut in der Richtung von den Zapfen zu den zugeh\u00f6rigen Ganglienzellen die Empfindung von Dunkel, die entgegengesetzte Duroh-str\u00f6mung dagegen di\u00a9 Empfindung von Hell giebt, als einen Beweis \u201ef\u00fcr den Antagonismus der Empfindungen bei gegensinniger Durchstr\u00f6mung derselben Endorgane des Sehnerven\u201c an. Auf einen Umstand geht indessen Biedermann nicht \u00a9in, n\u00e4mlich darauf, dafs die Versuchsangaben mehrerer Forscher, die er nach einer von Rossbach zusammengestellten Tabelle mitteilt, hinsichtlich des farbigen Charakters der galvanischen Gesichtsempfindungen nicht zu demjenigen zu stimmen scheinen, was nach der Theorie der Gegenfarben zu erwarten ist. So tritt z. B. nach Ritters Angabe bei aufsteigender Stromesrichtung (d. h. dann, wenn der Strom in der Netzhaut von der Nervenfaserschicht nach der St\u00e4bchenzapfenschiebt hinfliefst) die Empfindung eines hellen Blau, bei absteigender Stromesrichtung die Empfindung eines dunkeln Rot auf. Nach der","page":329},{"file":"p0330.txt","language":"de","ocr_de":"330\nG.\nTheorie der Gegenfarben h\u00e4tte man bei letzterer Stromes-richtung die Empfindung eines dunkeln Gelb zu erwarten. Naoh Helmholtz entspricht der aufsteigenden Stromesrichtung die Empfindung eines weifslichen Violett, der absteigenden Stromesrichtung hingegen die Empfindung eines dunkeln Rotgelb, w\u00e4hrend nach jener Theorie bei letzterer Stromesrichtung die Empfindung eines dunkeln Gr\u00fcngelb zu erwarten w\u00e4re. \u00c4hnliche zu jener Theorie wenigstens anscheinend nicht stimmende Angaben lassen sich aus der vorliegenden Litteratur in betr\u00e4chtlicher Anzahl zusammenstellen. Im Hinblick hierauf habe ich seit einiger Zeit (Juni 1896) an einer gr\u00f6fseren Anzahl von Versuchspersonen, denen ich auch an dieser Stelle meinen Dank f\u00fcr ihre Bereitwilligkeit und Erduldungen ausspreche, und nat\u00fcrlich vor allem auch an mir selbst Versuche \u00fcber die galvanischen Gesichtsempfindungen angestellt.\nBevor ich auf diese Versuche eingehe, m\u00f6chte ich darauf aufmerksam machen, dafs sich das Bild schon dann einiger-mafsen zu Gunsten der Theorie der Gegenfarben verschiebt, wenn man die vorliegende Litteratur \u00fcber diesen Gegenstand etwas vollst\u00e4ndiger ber\u00fccksichtigt. Thats\u00e4chlich hat schon Purkinje [Beobachtungen und Versuche zur Physiologie der Sinne. 2 B\u00e4ndchen. Berlin, 1825. S. 32 ff.) gegen Ritter bemerkt, dafs zwischen den beiden Gesichtsempfindungen, welche entgegengesetzten Stromrichtungen entsprechen, hinsichtlich der F\u00e4rbung derselbe Unterschied bestehe, der zwischen einer Gesichtsempfindung und ihrem komplement\u00e4ren Nachbilde vorhanden sei. Und zwar beobachtete Purkinje bei der einen Stromesrichtung Hellviolett, bei der anderen das komplement\u00e4re Gelb (Gr\u00fcngelb) in dunkler N\u00fcance.1 In geradezu \u00fcberraschender Weise werden ferner die nach der Theorie der Gegenfarben zu hegenden Erwartungen durch die Versuche best\u00e4tigt, welche Schelske (Arch. f. Ophthalm. 9. 3. S. 49 ff.) anstellte, um festzustellen, in welcher Weise die Empfindungen objektiver Farben durch die galvanische Durchstr\u00f6mung des Sehorganes beein-flufst werden. Es zeigte sich, dafs der aufsteigende Strom den objektiven Farben helles blaues (etwas violettes) Licht zu-\n1 Auf die auch bei Purkixjb hervorgetretenen, der Gegend des blinden Fleckes u. dergl. entsprechenden Besonderheiten wird hier nicht eingegangen.","page":330},{"file":"p0331.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\n331\nmischte, der absteigende hingegen verdunkelnd und wie eine Entziehung eines gewissen Quantums desselben blauen Lichtes oder wie Zusatz eines gewissen Quantums des komplement\u00e4ren gelben (gr\u00fcngelben) Lichtes wirkte. Diese (auch von Helmholtz in seiner Physiol. Optik. 1. Aufl. S. 845 angef\u00fchrten) Versuchsresultate von Schelske wurden durch Schliephake [Pfl\u00fcger1 s Arch. 8. 1874. S. 567 f.) best\u00e4tigt gefunden. Endlich hat auch O. Schwarz [Arch. f. Psychiatrie. 21. 1890. S. 588 ff.), welcher gleichfalls bei aufsteigender Stromesrichtung ein helles Violett, bei absteigender ein dunkles Gelbgr\u00fcn wahmahm, direkt den Satz ausgesprochen, dafs die Farbenempfindung \u201eim Allgemeinen bei der einen Stromesrichtung komplement\u00e4r zu der Empfindung bei der anderen Richtung\u201c sei.1\nRuete [Bildliche Darstellung der Krankheiten des menschlichen Auges. Leipzig. 1854. 1. u. 2. Lieferung. S. 62) beobachtete bei der einen Stromesrichtung \u201egelbrot\u201c, bei der anderen \u201edie blaue Komplement\u00e4rfarbe\u201c. Brunner (Ein Beitrag zur elektrischen Reizung des Nervus opticus. Leipzig. 1863) nahm bei aufsteigendem Strome ein helles Blaugr\u00fcn, bei absteigendem ein dunkleres Gelbrot wahr. Auf diese zwar zur Theorie der Gegenfarben stimmenden, aber hinsichtlich der den beiden Stromesrichtungen entsprechenden Farben von den Mitteilungen der im Vorstehenden angef\u00fchrten Forscher abweichenden Angaben von Ruete und Brunner, sowie auf die zu jener Theorie wenigstens anscheinend nicht stimmenden Aussagen anderer Beobachter wird weiterhin (im \u00a7 3) eingegangen werden.\n\u00a7 2. Bericht \u00fcber meine Versuche.\nDie Versuche wurden s\u00e4mtlich im Dunkelzimmer angestellt,\n\u2022\u2022\ndas je nach den Umst\u00e4nden verdunkelt blieb oder durch Offnen eines Ladens oder mittels eines im, Fensterladen angebrachten Diaphragmas u. dergl. in gr\u00f6fserem oder geringerem Mafse erhellt wurde. Den galvanischen Strom lieferte eine Batterie von Meidingerelementen, deren Zahl (im Maximum 39) je nach den Umst\u00e4nden und dem besonderen Versuchszwecke variirte. In die Leitung waren eingeschaltet ein SiEMEN\u00dfscher Wider st ands-\n1 Dafs Schwarz sich bei dieser Behauptung auf Versuche st\u00fctze, die er an Anderen angestellt hat, erscheint nach den vorliegenden Mitteilungen desselben zweifelhaft.","page":331},{"file":"p0332.txt","language":"de","ocr_de":"k\u00e4sten, ein Milliamp\u00e8remeter behufs Ablesung der jeweiligen Stromst\u00e4rken, ein (der Versuchsperson nicht sichtbarer) Kommutator behufs Vertauschung der Stromesrichtung und eine ENGELMANN8che Widerstandsschraube, deren Widerstand allm\u00e4hlich von ca. 1000 bis auf ca. 3 Widerstandseinheiten verringert werden konnte. Um ein noch allm\u00e4hlicheres Einschleichen in den Strom erm\u00f6glichen und die Intensit\u00e4t des Schlielsungs-blitzes auf ein Minimum reduzieren zu k\u00f6nnen, wurde sp\u00e4terhin noch ein Fl\u00fcssigkeitsrheostat in die Leitung eingeschaltet. Die eine der beiden Elektroden, welche aus einer angefeuchteten, mit weichem Leder \u00fcberzogenen Metallplatte von ca. 15 qcm Fl\u00e4che bestand, wurde von der Versuchsperson selbst oder einem Geh\u00fclfen hinten an den Nacken der Versuchsperson angedr\u00fcckt. Als zweite Elektrode diente eine sog. Mensurbrille, auf deren Innenseite zwei zur Stromf\u00fchrung bestimmte Dr\u00e4hte mit breiten Endfl\u00e4chen endigten, und welche au\u00dferdem auf dieser ihrer Innenseite mit einer 1\u20142 cm dicken Lage feinsten Schwammes belegt war. Diese Schwammschicht liefs f\u00fcr jedes der beiden Augen der Versuchsperson eine \u00d6ffnung von ca. 2 cm Durchmesser frei. Wurde also diese Brille der Versuchsperson in der richtigen Weise aufgeschnallt, so war jedes Auge derselben rings von einer fest anliegenden, 2\u20144 cm breiten (nat\u00fcrlich in geh\u00f6riger Weise angefeuchteten) Schwamm-schicht umgeben, durch welche der elektrische Strom ein- oder austrat. Wurde der Versuch nicht bei verschlossenen Augen angestellt, so konnte die Versuchsperson mittelst der beiden erw\u00e4hnten \u00d6ffnungen in der Schwammschicht einen, wenn auch nur geringen, Teil des vor ihr liegenden Gesichtsfeldes betrachten und die Ver\u00e4nderungen beobachten, welche die Helligkeit und F\u00e4rbung der Umgebung des fixierten Punktes unter dem Einfl\u00fcsse des galvanischen Stromes erfuhr.1\nWie soeben angedeutet, wurde die Wirkung des galvanischen Stromes in doppelter Weise beobachtet, n\u00e4mlich entweder bei verschlossenen Augen in verdunkeltem Zimmer oder so, dafs ein bestimmter Punkt einer in der Kegel grauen Lichtfl\u00e4che , deren Beleuchtung nach Bed\u00fcrfnis reguliert wurde, fixiert und die Ver\u00e4nderung beobachtet wurde, welche das\n1 Eine Elektrode von brillenartiger Form, aber geringerer Solidit\u00e4t und Bequemlichkeit hat bereits Brunner angewandt.","page":332},{"file":"p0333.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\t333\nAussehen der Umgebung des fixierten Punktes durch den galvanischen Strom erfuhr. Im Laufe der Zeit hat sich das letztere Verfahren immer mehr als das im allgemeinen taug-lichere herausgestellt, so dafs dasselbe sp\u00e4terhin bei manchen Versuchspersonen ausschliefslich zur Anwendung kam. Die Versuchsperson drehte stets dem Fenster, von welchem her eventuell Licht in das Zimmer drang, den R\u00fccken zu und verhielt sich nur beobachtend, indem die Bedienung der Apparate mir selbst oblag.\nDie Versuchspersonen, der Zahl nach 26, darunter 5 weib-liehe, geh\u00f6rten s\u00e4mtlich akademischen Kreisen an. Auf die Aussagen ungebildeter Versuchspersonen w\u00fcrde gar kein Wert zu legen sein. Es ist schon bei Gebildeten, die psychologischen und physiologischen Dingen bisher ganz fern gestanden haben, nicht immer gerade leicht, ein v\u00f6lliges Verst\u00e4ndnis daf\u00fcr zu gewinnen, worauf bei diesen Versuchen zu achten sei, und worauf es bei der Beschreibung des Beobachteten wesentlich ankomme. Die haupts\u00e4chlichen Resultate der Versuche sind folgende.\n1.\tDer aufsteigende Strom wirkt auf den Weifsschwarzsinn im Sinne einer Verst\u00e4rkung der Weifserregung und einer Schw\u00e4chung der Schwarzerregung. Umgekehrt wirkt der absteigende Strom.\n2.\tDie Farbe der galvanischen Gesichtsempfindung ist bei aufsteigendem Strome ein nach dem Rot hinneigendes Blau (Violett, Blauviolett), bei absteigendem Strome ein nach dem Gr\u00fcn .hinneigendes Gelb. Es kann also ganz allgemein der Satz aufgestellt worden : die den beiden Stromesrichtungen entsprechenden Empfindungen sind Empfindungen von Gegenfarben.\nBei der Wichtigkeit der Sache teil\u00a9 ich folgende Einzelheiten mit. Von den 26 Versuchspersonen gaben 15 (darunter 2 ein wenig rotgr\u00fcnschwache) als die den beiden Stromesrichtungen entsprechenden Farben Violett und gr\u00fcnliches Gelb an. Eine (unge\u00fcbte und nur f\u00fcr eine Sitzung zur Verf\u00fcgung stehende) Versuchsperson gab gleichfalls Violett und Gelb an, vermochte indessen eine n\u00e4here Charakterisierung des Gelb nicht zu geben. Eine andere stark rotgr\u00fcnschwache Versuchsperson verhielt sich \u00e4hnlich : sie gab f\u00fcr den aufsteigenden Strom Blau, bei h\u00f6herer Intensit\u00e4t Violett an, f\u00fcr den absteigenden Strom nur Gelb. Eine Versuchsperson entbehrte des Rotgr\u00fcnsinnes v\u00f6llig und nannte dementsprechend die beiden Farben im allgemeinen Blau und Gelb. Zwei weitere Versuchspersonen gaben gleichfalls Violett und Gr\u00fcngelb an. Doch sind die mit","page":333},{"file":"p0334.txt","language":"de","ocr_de":"334\nG. E. Muter.\nihnen erhaltenen Resultate insofern nicht ganz befriedigend, als es vorkam, dafs sie eine und dieselbe Farbe f\u00fcr beide Stromesrichtungen Angaben,1 Beide Versuchspersonen waren nur auf der Durchreise hier anwesend. Es war deshalb nicht m\u00f6glich, sie gen\u00fcgend einzu\u00fcben und die Versuch\u00a9 zu einem befriedigenden Abschl\u00fcsse zu bringen. Ein\u00a9 (in derartigen Beobachtungen unge\u00fcbte) Versuchsperson gab f\u00fcr den auf-steigenden Strom Hellblau an, konnte aber bei absteigendem Strome neben der eintretenden Verdunkelung nicht noch eine bestimmte F\u00e4rbung erkennen. Eine andere (gleichfalls unge\u00fcbte) Versuchsperson gab zwar bei absteigendem Strome neben der Verdunkelung noch die gr\u00fcngelbe F\u00e4rbung an, konnte aber f\u00fcr den aufsteigenden Strom nicht zu einer v\u00f6llig befriedigenden, eindeutigen Charakterisierung der Farbe gebracht werden. Die Versuchsperson bemerkte, dafs in dem Grau ein Blau enthalten sei, welches sie auf Befragen geneigt war f\u00fcr ein reines Blau zu erkl\u00e4ren. Am besten entspreche dem Wahrgenommenen die Bezeichnung als verschmutztes Stahlgrau.1 Eine Versuchsperson nahm bei m\u00e4Mger St\u00e4rke des auf- oder absteigenden Stromes nur eine wenig ausgepr\u00e4gte Aufhellung bezw. Verdunkelung wahr. Bei schneller Schliessung des aufsteigenden und \u00d6ffnung des absteigenden Stromes beobachtet\u00a9 sie ein \u201ebl\u00e4uliches Zucken\u201c. Wegen zu grofser Schmerzhaftigkeit der Nebenwirkungen des galvanischen Stromes konnte zu denjenigen Stromst\u00e4rken, bei denen die F\u00e4rbung der galvanischen Gesichtsempfindung f\u00fcr viele Versuchspersonen \u00fcberhaupt erst erkennbar wird, nicht \u00fcbergeg&ngen werden. Eine farbenschwache Versuchsperson nahm selbst hei hohen Intensit\u00e4ten des auf- oder absteigenden Stromes nur Aufhellung bezw. Verdunkelung wahr. Nur einmal sah sie nach \u00d6ffnung des aufsteigenden Stromes einen gelblichen Schimmer. Eine andere (etwas rotgr\u00fcn schwache) Versuchsperson wurde schon bei m\u00e4fsiger Stromst\u00e4rke schwindelig und von unangenehmen (in die Herzgegend verlegten) Empfindungen gequ\u00e4lt. Bei den benutzten m\u00e4fsigen Stromintensit\u00e4ten bemerkte sie \u00fcberhaupt keine Ver\u00e4nderung im Sehfelde. Nur einmal nahm sie ein Lila wahr. Endlich kam auch noch eine Versuchsperson vor, welche schon bei m\u00e4fsigen Stromst\u00e4rken sich sehr unangenehm ber\u00fchrt zeigte und f\u00fcr jede Stromesrichtung die verschiedensten Farben (violett, blau, rot, gr\u00fcn, gelb, olivfarhen u. dergl.) angab und auch dann eine Farbe wahrzumeinnen vermeinte, als \u00fcberhaupt gar kein Strom vorhanden war.\n3. Die Wirkung des galvanischen Stromes ist im allgemeinen bei aufsteigender Richtung desselben st\u00e4rker und ausgepr\u00e4gter als bei absteigender Richtung. Dementsprechend\n1 Die (f\u00fcr manch\u00a9 Versuchspersonen erst nach \u00dcbung v\u00f6llig \u00fcberwindbaren) Fehlerquellen, di\u00a9 solchen F\u00e4llen zu Grunde liegen, kommen im folgenden Paragraphen zur Sprache.\n\u2022Man vergleiche hierzu die Bemerkung von Br\u00fccke (Die Physiologie der Farben. S. 108) : \u201eVom Stahl weifs man, dafs er selbst nach einer gr\u00f6fsercn Anzahl von Reflexionen das Licht noch immer weifs zur\u00fcckgiebt\u201c. Auch an die Bemerkung von von Kries (diese Zeitschr. XII. S. 29) sei hier erinnert, dafs die durch schwache (weifsliche) Lichter hervorgerufene Empfindung von manchen Personen direkt als leicht bl\u00e4ulich bezeichnet werde.","page":334},{"file":"p0335.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber Me galvanischen Gesichtsempfindungen.\t335\nl\u00e4fst siet auch di\u00a9 F\u00e4rbung der galvanischen Gesichtsempfindung im allgemeinen bei ersterer Stromesrichtung leichter erkennen\nals bei letzterer.\n4.\tWie schon bisher von den verschiedensten Beobachtern gefunden worden ist, stimmt die Gesichtsempfindung, welche bei einer galvanischen Burchstr\u00f6mung des Auges vorhanden ist, im wesentlichen mit der Empfindung \u00fcberein, welche bei \u00d6ffnung oder sehr schneller und ausgiebiger Abschw\u00e4chung des entgegengesetzt gerichteten Stromes eintritt. Nimmt z. B. ein\u00a9 Versuchsperson bei aufsteigendem Strom\u00a9 die hellviolette F\u00e4rbung wahr, so beobachtet sie nach \u00d6ffnung des absteigenden Stromes gleichfalls \u00a9ine helle N\u00fcance des Violett.\n5.\tDie Empfindung des sog. Schliefsungsblitzes, welche bei schneller Schliefsung des Stromes eintritt, stimmt hinsichtlich ihrer Qualit\u00e4t wesentlich mit der Empfindung \u00fcberein, welche hinterher bei Geschlossenbleiben des Stromes vorhanden ist, und unterscheidet sich von letzterer Empfindung wesentlich nur durch die h\u00f6here Intensit\u00e4t. Der sog. Schliefsungsblitz besteht also im allgemeinen bei aufsteigendem Strome in einer bl\u00e4ulichen oder violetten Hellempfindung, bei absteigendem Strome in einer schwach gelblichen oder schwach gr\u00fcngelb-liehen Dankeiempfindung. Wir kommen sp\u00e4terhin (im \u00a7 4) nochmals auf die Beschaffenheit der Schliefsungsblitz\u00a9 zu sprechen. Wo wir von einer galvanischen Gesichtsempfindung schlechtweg reden, meinen wir niemals die Empfindung des Schliefsungsblitzes\u00bb sondern eine solche Empfindung, welch\u00a9 (bei m\u00f6glichster Vermeidung des Schliefsungsblitzes oder nach vollst\u00e4ndigem Schwinden der Nachwirkungen des Schliefsungsblitzes) dem Geschlossensein eines konstanten Stromes von bestimmter Richtung entspricht.\n6.\t'Im, allgemeinen \u00fcberwiegt di\u00a9 Wirkung des galvanischen Stromes auf den Weifsschwarzsinn (die achromatische Wirkung desselben) \u00fcber die Wirkung auf den Gelbblausinn, und di\u00a9 letztere Wirkung ist st\u00e4rker als die Wirkung auf den Rotgr\u00fcnsinn. Es ist also bei aufsteigendem Strome die galvanische Gesichtsempfindung im allgemeinen weifslich (hellgrau), weniger deutlich bl\u00e4ulich und noch weniger deutlich nach dem Rot sich hinneigend. Ebenso tritt bei absteigendem Strome im allgemeinen die Gr\u00fcnlichkeit hinter die Gelblichkeit und diese hinter di\u00a9 Schw\u00e4rzlichkeit zur\u00fcck.","page":335},{"file":"p0336.txt","language":"de","ocr_de":"336\nNimmt man die Stromst\u00e4rke vom Nullpunkte ausgehend immer st\u00e4rker und st\u00e4rker, so wird in der Regel zuerst (bei einer individuell wechselnden Stromst\u00e4rke) nur die achromatische Wirkung des Stromes merkbar; erst bei einem h\u00f6heren Werte der Stromintensit\u00e4t, welcher dem Obigen gem\u00e4fs bei absteigendem Strome noch h\u00f6her liegt, als bei aufsteigendem, wird die chromatische Wirkung erkennbar. Wird nun der Strom noch weiter verst\u00e4rkt, so steigern sich die Wirkungen des Stromes auf die drei optischen Spezialsinne nicht in gleichem Verh\u00e4ltnisse, sondern die chromatische Wirkung des Stromes tritt neben der achromatischen immer mehr hervor, und zwar in der Weise, dais zun\u00e4chst die Wirkung auf den Gelbblausinn, sp\u00e4terhin aber diejenige auf den Rotgr\u00fcnsinn immer deutlicher zu Tage tritt. Bei fortgesetzter Verst\u00e4rkung des Stromes wird also die Farbigkeit der galvanischen Gesichtsempfindung immer deutlicher, und zugleich tritt weiterhin die Hinneigung des Blau (Gelb) zum Rot (Gr\u00fcn) immer deutlicher hervor.1\nSelbstverst\u00e4ndlich ist vorhandene Farbenschw\u00e4che nicht ohne Einflufs auf die St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse, in denen die drei optischen Spezialsinne an der galvanischen Erregung beteiligt sind. Bei den Rotgr\u00fcnschwachen trat die Wirkung auf den Retgr\u00fcnsinn, wenn sie \u00fcberhaupt merkbar war, noch schw\u00e4cher hervor als bei den Farbent\u00fcchtigen.\nAber auch ganz abgesehen von F\u00e4llen offenbarer Farbenschw\u00e4che zeigen sich individuelle Verschiedenheiten hinsichtlich der Beteiligung der drei optischen Spezialsinne an der galvanischen Erregung und Abweichungen von der soeben hin-sichtlich dieser Beteiligung aufgestellten Regel. Auch bei Personen von anscheinend gleicher Farbent\u00fcchtigkeit war bei gleicher Stromst\u00e4rke das \u00dcbergewicht der achromatischen Wirkung des Stromes \u00fcber die chromatische Wirkung entschieden von verschiedenem Grade, und dasselbe zeigte sich\n1 Der Einflufs der Stromst\u00e4rke auf das Verh\u00e4ltnis zwischen den Erregungen der beiden chromatischen Spezialsinne l\u00e4fst sich nur mittels solcher Versuchspersonen untersuchen, welche eine deutlichere F\u00e4rbung der galvanischen Gesichtsempfindung besitzen, im Beobachten nicht ganz unge\u00fcbt sind und aufserdem auch die Bereitwilligkeit und F\u00e4higkeit besitzen, hohe Stromst\u00e4rken mit Seelenruhe \u00fcber sich ergehen lassen. Dexn-gem\u00e4JGs gr\u00fcndet sioh unsere obige Behauptung hinsichtlioh dieses Punktes nur auf die Beobachtungen von neun Versuchspersonen.","page":336},{"file":"p0337.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\t337\nhinsichtlich des \u00dcbergewichts des Gelbblausinnes \u00fcber den Rotgr\u00fcnsinn. Besonders bemerkenswert ist die Thatsache, dafs bei drei 'Versuchspersonen (K., B, und S.) die achromatische Wirkung des Stromes \u00fcberhaupt gar kein \u00dcbergewicht \u00fcber die chromatische Wirkung besafs, sondern hinter letzterer mehr oder weniger zur\u00fcckstand. Und auch eine vierte Versuchsperson (P.) wich von diesen drei Versuchspersonen nioht betr\u00e4chtlich nach dem gew\u00f6hnlichen Typus hin ab. Wir kommen auf die Aussagen dieser vier Versuchspersonen sogleich n\u00e4her zu sprechen.1\n7. Im allgemeinen gilt die bisher immer aufgestellte Regel, dafs der galvanische Strom gem\u00e4fs seiner (unmittelbaren) Wirkung auf den Weifsschwarzsinn bei aufsteigender Richtung aufhellend, bei absteigender Richtung verdunkelnd wirkt. Allein es giebt Ausnahmen von dieser Regel, welche auftreten, wenn die chromatische Wirkung des Stromes das \u00dcbergewicht \u00fcber die achromatische Wirkung desselben besitzt, und durch die aufhellende, bezw. verdunkelnde Wirkung der Farben bedingt sind. Beispiele f\u00fcr diesen Einflufs der Farben bieten uns die (v\u00f6llig von einander unabh\u00e4ngigen) Aussagen der soeben erw\u00e4hnten vier Versuchspersonen. Werden letztere in der Weise untersucht, dafs sie vor und w\u00e4hrend der Einwirkung des galvanischen Stromes einen bestimmten Punkt einer grauen Fl\u00e4che fixieren, so beobachtet K., welche, sobald sie \u00fcberhaupt einen merkbaren Eindruck von dem galvanischen Strome erh\u00e4lt, auch schon die F\u00e4rbung erkennt, bei auf-steigendem Strome (und nach \u00d6ffnung des absteigenden Stromes) regelm\u00e4fsig ein, etwas r\u00f6tliches Blau und Verdunkelung. bei absteigendem Strome (und nach \u00d6ffnung des aufsteigenden Stromes) regelm\u00e4fsig ein schwach gr\u00fcnliches Gelb und Aufhellung.2\n1 Schon Mbftel (Arch. f. Psychiatr. 8. 1878. S. 421 f.) hat 'bemerkt, es gebe \u201eAusnahmef\u00e4lle, in denen die Farbenreaktion sehr leicht ein tritt, dagegen aber die Lichten^pfindung \u00e4ufserst schwer oder gar nicht zu erzielen ist, sogar nicht mit den st\u00e4rksten Str\u00f6men, die ohne Nachteil angewendet werden k\u00f6nnen.\u201c\ns Bemerkenswert ist folgender, oft und stets mit gleichem Erfolge an K. Angestellter Versuch. Ich liefs zun\u00e4chst einen Strom von m\u00e4lsiger St\u00e4rke einwirken. Alsdann erschien K. das betrachtete Feld blau und dunkler als zuvor, wo der Strom noch nicht wirkte. Liefs ich nun den Strom nooh einige Zeit lang mit derselben Stromst\u00e4rke andauern, so\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIV.\t22","page":337},{"file":"p0338.txt","language":"de","ocr_de":"338\nG, E. M\u00fcller.\nDie Versuchsperson B., bei welcher die chromatische Wirkung des Stromes etwas schw\u00e4cher ist als bei K., giebt bei geringer Stromst\u00e4rke f\u00fcr den aufsteigenden Strom Verdunkelung an, ohne sich der blauen F\u00e4rbung, welche thatsftchlich dieses Urteil bewirkt, bewufst zu werden. F\u00fcr den absteigenden Strom, bei welchem der Regel gem\u00e4fs die chromatische Wirkung schw\u00e4cher ist als bei aufsteigendem Strome\u00bb giebt B. bei geringer Stromst\u00e4rke gleichfalls Verdunkelung an\u00bb indem die gelbe F\u00e4rbung sich noch nicht geltend macht. Bei h\u00f6herer Stromst\u00e4rke, wo dem obigen Satze gem\u00e4fs die chromatische Wirkung des Stromes mehr hervortritt, urteilt er bei aufsteigendem Strome \u201edeutlich blauviolett und deutlich dunkler.\u201c Bei absteigendem Strome giebt er, wenn das Gelb erkennbar ist, neben dieser Farbe Aufhellung an, ist die gelbe F\u00e4rbung nicht erkennbar, so giebt er Verdunkelung an.\nVon besonderem .Interesse sind die Aussagen von S., f\u00fcr welchen die chromatische Wirkung des Stromes schon bei recht geringer Stromst\u00e4rke erkennbar war. Demselben erschien das betrachtete Feld unter dem Einfl\u00fcsse des aufsteigenden Stromes bei geringer Stromintensit\u00e4t bl\u00e4ulich und heller als zuvor, bei h\u00f6herer Stromst\u00e4rke ges\u00e4ttigt blau und dunkler. Ging ich von letzterer Stromst\u00e4rke zu noch h\u00f6herer \u00fcber, so erschien das Blau deutlich r\u00f6tlich und das betrachtete Feld hellte sich infolge dessen auf. Bei absteigendem Strome erschien das Feld bei geringer Stromst\u00e4rke gelb und dunkler als zuvor; bei gr\u00f6fserer Stromst\u00e4rke trat Aufhellung ein.\nUm nicht weitl\u00e4ufig zu werden, teile ich betreffs der an der Versuchsperson P. erhaltenen Resultate nur mit, dafs auch bei dieser der Umstand zu Tage trat, dafs bei aufsteigendem Strome der verdunkelnde Einflufs des Blau sich bei Erh\u00f6hung der Stromst\u00e4rke von einem bestimmten Werte der letzteren ab verringert, weil dem oben Bemerkten gem\u00e4fs bei Steigerung der Stromst\u00e4rke das Blau sich immer mehr nach dem (an sich auf hellend wirkenden) Rot hinneigt. Ferner zeigte sich der Einflufs der F\u00e4rbung auf die Helligkeit, wie zu vermuten, von\ntrat keine sicher erkennbare \u00c4nderung der Helligkeit ein. Erh\u00f6hte ich aber hierauf allm\u00e4hlich die Stromst\u00e4rke, so wurde von K. mit voller Sicherheit neben einer Zunahme der Bl\u00e4ulichkeit noch eine Steigerung der Dunkelheit konstatiert.","page":338},{"file":"p0339.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindtmgen.\n330\nder Lichtst\u00e4rke der Fliehe, auf welche die galvanische Gesichtsempfindung projiziert wurde, nicht unabh\u00e4ngig.\nIch unterlasse nicht, darauf hinzuweisen, dafs schon Schliephake (a. a. 0. 8. 570) davon berichtet, dafs der aufsteigende Strom durch das Violett, welches er einer betrachteten Lichtfl\u00e4che beigemiseht habe, auf letztere verdunkelnd eingewirkt habe. Und aus gewissen Angaben von Schwarz (a. a. O. S. 697 f.) ist zu ersehen, dafs auch bei ihm sich im Falle des absteigenden Stromes unter Umst\u00e4nden die aufhellende Wirkung des Gelb geltend gemacht hat.\nAus Vorstehendem ergiebt sich, dafs die Einwirkung des galvanischen Stromes auf die Helligkeit in der That zugleich auch von der chromatischen Wirkung desselben abh\u00e4ngt. Sobald die letztere in gewissem Grade \u00fcberwiegt, tritt bei aufsteigendem Strome, wenigstens bis zu gewisser Grenze, Verdunkelung, bei absteigendem Strome Aufhellung ein. Da die chromatische Wirkung des Stromes neben der achromatischen Wirkung allgemein umso st\u00e4rker hervortritt, je intensiver der Strom ist, so kommt es vor, dafs der aufsteigende Strom bis zu einem gewissen Intensit\u00e4tswerte hin aufhellend, von diesem an aber verdunkelnd wirkt. Da ferner bei weiterer Verst\u00e4rkung des aufsteigenden Stromes die Botlichkeit der Empfindung immer deutlicher wird, so wird die merkw\u00fcrdige Erscheinung beobachtet, dais die verdunkelnde Wirkung des aufsteigenden Stromes von einem h\u00f6heren Intensit\u00e4tswerte der Stromst\u00e4rke ab sich wieder verringert. \u00c4hnlich wie die Helligkeitswirkung des aufsteigenden Stromes zeigte sich auch diejenige des absteigenden Stromes bei den obigen vier Versuchspersonen von der Stromst\u00e4rke abh\u00e4ngig. Da indessen die chromatische Wirkung des Stromes bei absteigender Richtung schw\u00e4cher ist als bei aufsteigender, so tritt im allgemeinen eine aufhellende Wirkung des absteigenden Stromes weniger leicht ein., .als eine verdunkelnde Wirkung des aufsteigenden Stromes ; und der Punkt, von welchem ab eine vorhandene aufhellende Wirkung des absteigenden Stromes bei weiterer Verst\u00e4rkung des letzteren gem\u00e4fs der Zunahme der Gr\u00fcnHehkeit der Empfindung sich wieder verringert, liegt im allgemeinen bei einer Stromst\u00e4rke, deren Anwendung unthunlieh ist.\n\u00dcber das Interesse, welches die im Vorstehenden mitgeteilten Beobachtungsthatsachen \u00fcber den aufhellenden bezw.\n22*","page":339},{"file":"p0340.txt","language":"de","ocr_de":"340\nverdunkelnden Einflufs der Farben besitzen, brauchen wir keine Worte zu verlieren. In einer nachfolgenden Untersuchung, welcher die weitere Verfolgung dieser Angelegenheit obliegt, werden wir uns \u00fcber die theoretische Deutung dieser Resultate verbreiten.\n\u00a7 3. Fehlerquellen und besondere Mafsregeln.\nMit den von mir erhaltenen Resultaten stimmen die Aussagen von P\u00fcRKrNJB, SCHELSKE, SCHLIEPHAKE Und 0. SCHWARZ, welche, wie schon erw\u00e4hnt, bei aufsteigendem Strome ein helles Violett, bei absteigendem ein dunkles Gelbgr\u00fcn wahmahmen, vollkommen \u00fcberein. Bingegen weichen die Angaben Anderer mehr oder weniger von dem von mir Gefundenen ab. Es kommt vor, dafs als die beiden dem aufsteigenden und absteigenden Strome entsprechenden Farben helles Violett und dunkles Gelb, Hellblau und dunkles Gr\u00fcngelb, Hellblau und Dunkelrot, helles Violett und dunkles Rotgelb, Blau und Violett, Hellblau und \u201eTiefblau\u201c, u. a. m. angegeben werden.1 Und seit der Ver\u00f6ffentlichung von Brenner pflegt behauptet zu werden, dafs hinsichtlich der F\u00e4rbung der galvanischen Gesichtsempfindung eine allgemeine Regelm\u00e4fsigkeit \u00fcberhaupt nicht bestehe, sondern mannigfaltige individuelle Verschiedenheiten vorhanden seien. In Hinblick hierauf wollen wir uns im Nachstehenden etwas eingehender \u00fcber die bei derartigen Versuchen in Betracht kommenden, zahlreichen und starken Fehlerquellen und zu ergreifenden Vorsichtsmafsregeln verbreiten, \u00fcber Fehlerquellen und Vorsichtsmafsregeln, von denen die bisherigen Untersucher der galvanischen Gesichtsempfindungen so gut wie nichts erw\u00e4hnen, ein Umstand, der zu denken geben kann.\n1. Will man zuverl\u00e4ssige Resultate erhalten, so mufs man selbstverst\u00e4ndlich die zu untersuchenden Personen zuv\u00f6rderst hinsichtlich ihres Farbensinnes pr\u00fcfen. Ich habe diese Pr\u00fcfung mittels des HERiNGschen Apparates zur Diagnose der Farbenblindheit und Farbenschw\u00e4che vollzogen. Die von mir untersuchte, des Rotgr\u00fcnsinnes v\u00f6llig entbehrende Versuchsperson bezeichnete die Farben der beiden galvanischen Gesichts-\n1 Man vergleiche zu Obigem R. Brbkxbr, Untersuchungen und Beobachtungen auf dem Gebiete der Elektrotherapie, 1, Leipzig, 1868, S. 67 ff.; Nbptel im Arch. f. Psychiatric, 8, 1878, S. 420 ff.; Erb, Handbuch der Elektrotherapie, Leipzig, 1882, S. 100 ff.","page":340},{"file":"p0341.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\t341\nempfiudungen, wie schon erw\u00e4hnt, im allgemeinen als hellblau und dunkelgelb (schmutzig gelb, auch braun). Es kam aber doch gelegentlich vor, dafs sie die dem absteigenden Strom\u00a9 entsprechende Empfindung als dunkelgr\u00fcn bezeichnet\u00a9\u00bb was f\u00fcr denjenigen, der di\u00a9 Farbenbenennungen der Gelbblausichtigen kennt, nicht im mindesten verwunderlich ist. Hat man also den Farbensinn der Personen, mit denen man operiert, nicht untersucht, so kann es z. B. geschehen, dafs man von einer Versuchsperson die beiden Farben Blau und Gr\u00fcn, welche keineswegs Gegenfarben sind, genannt erh\u00e4lt, und hierdurch f\u00e4lschlich zu der Annahme veranlafst wird, eine individuelle Besonderheit betreffs der F\u00e4rbung der galvanischen Gesichtsempfindungen konstatiert zu haben. F\u00fcr die bisherigen Untersucher der F\u00e4rbung der galvanischen Gesichtsempfindungen (abgesehen von Meftel und Velhagen) scheint die Thatsache des Vorkommens von Farbenschw\u00e4che und Farbenblindheit \u00fcberhaupt nicht bestanden zu haben.\n2. Es kommt bei derartigen Versuchen nicht blos auf das Farbenempfindungsverm\u00f6gen der Versuchspersonen an, sondern auch auf die F\u00e4higkeit derselben, die wahrgenommenen Farben richtig zu bezeichnen. Auch in dieser Beziehung suchte ich mich vor Beginn der Versuche zu sichern. Unter anderem erwies sich Folgendes als zweckm\u00e4fsig. Ich stellte mittelst rotierender Scheiben eine stark weifsliche Nuance des Gr\u00fcn, Blaugr\u00fcn, Blau und Violett und aufserdem ein reines Weifs her. Ferner stellte ich mittelst der rotierenden Scheiben zugleich 5 dunkle Ringe her, deren Schw\u00e4rzlichkeit durch von innen und aufsen her wirkenden Helligkeitskontrast m\u00f6glichst verst\u00e4rkt war, und welche, abgesehen von einem rein schwarzen Ringe, neben ihrer Schw\u00e4rzlicheit noch einen schwachen Stich ins Rote, Rotgelbe, Gelbe, Gelbgr\u00fcn oder Gr\u00fcne besafsen. Die Versuchsperson wurde nun aufgefordert, diese 10 vorgef\u00fchrten Farben1 zu benennen, und wurde, falls die Benennungen den thats\u00e4chlichen Verh\u00e4ltnissen nicht entsprachen, auf letzter\u00a9 aufmerksam gemacht. Auf diese Weis\u00a9 erzielte ich, dafs die Versuchsperson bei ihrer Benennung der Farben der galvanischen\n1 Diese Farben sind diejenigen, welche nach den in der vorliegenden Litteratur enthaltenen Angaben f\u00fcr die beiden galvanischen Gesichtsempfindungen haupts\u00e4chlich in Betracht kommen. Eine gr\u00f6fsere Zahl von Rotationsscheiben stand nicht zur Verf\u00fcgung.","page":341},{"file":"p0342.txt","language":"de","ocr_de":"Gesichtsempfindungen schon yon vornherein genauer verfuhr; ich erkannte, dafs im allgemeinen eine Tendenz besteht, die Gr\u00fcnlichkeit eines schwach gr\u00fcngelben Schwarz zu \u00fcbersch\u00e4tzen; ich erfuhr, was die Versuchsperson etwa unter der Bezeichnung olivfarben verstand, welche sie nachher auf die F\u00e4rbung der dem absteigenden Strome entsprechenden Gesichtsempfindung anwandte, u. dergl. m.\nBei den nachfolgenden Versuchen mit dem galvanischen Strome verfuhr ich stets in der Weise, dafs ich die Versuchsperson aufforderte, mir erstens dar\u00fcber Auskunft zu geben, ob bei Vorhandensein des galvanisohen Stromes die Helligkeit erh\u00f6ht oder verringert oder unver\u00e4ndert sei, und zweitens dar\u00fcber, welche F\u00e4rbung der betreffende Teil des Sehfeldes besitze. Gab nun z. B. die Versuchsperson bei absteigendem Strome an, dafs sie eine gelbe F\u00e4rbung beobachte, so bemerkte ich: \u201eEin Gelb kann zum Bot oder zum Gr\u00fcn hinneigen oder ein reines Gelb sein. Welcher Art ist das von Ihnen beobachtete Gelb ?u Durch diese Fragestellung, bei welcher jegliche Suggestion v\u00f6llig vermieden ist, erreichte ich in der Begal eine speziellere Charakterisierung der wahrgenommenen Farben.\nDie Hauptschwierigkeit hinsichtlich der Benennung bereitet im allgemeinen die F\u00e4rbung, welche bei verschlossenen Augen bei absteigendem Strome vorhanden ist. Denn der absteigende Strom stellt einen Netzhautreiz dar, wie er sonst nicht vorkommt, n\u00e4mlich einen solchen, der sozusagen neben einer Gelb- und einer Gr\u00fcnvalenz noch eine (im allgemeinen st\u00e4rkere) Schwarz v&lenz besitzt. Die gr\u00fcngelben Lichter besitzen immer eine erhebliche Weifsvalenz. Wir sind daher von Haus aus in der Bezeichnung der bei absteigendem Strome vor-handenen F\u00e4rbung gar nioht ge\u00fcbt, und sobald diese F\u00e4rbung zwar merkbar, aber nur schwach ausgepr\u00e4gt ist, weifs man zwar, da Cs man es nicht mit einem reinen Schwarz zu thun hat, kann aber die Art der beigemischten Farbe nicht oder nur unsicher angeben und greift bisweilen auch in der Bezeichnung daneben, falls man nicht durch vorherige Demonstrationen der oben angedeuteten Art hinl\u00e4nglich gewitzigt worden ist. Es ist zu bemerken, dafs es auch unter m\u00f6glichster Ausnutzung der verdunkelnden Wirkung des Helligkeitskontrastes nicht m\u00f6glich ist, auf objektiven Lichtfl\u00e4chen (rotierenden Scheiben u. dergl.) ein solches eindringliches Schwarz von gr\u00fcngelbem Farbenton zu erzielen, wie bei manchen Individuen (bei verschlossenen Augen und im dunkeln Zimmer) unter dem Einfl\u00fcsse des absteigenden Stromes zur Wahrnehmung kommt. Denn setzen wir einem durch Helligkeitskontrast m\u00f6glichst in seiner Schw\u00e4rze vertieften, schwarzen Ringe einer Rotationsscheibe etwas Gr\u00fcngelb zu, so setzen wir zugleich eine Weifs-","page":342},{"file":"p0343.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\t343\nvalenz zu, welche dl\u00ae Schw\u00e4rzlichkeit des Binges mehr oder weniger verringert,\n'Was die oben erw\u00e4hnte Tendenz, die Gr\u00fcnlichkeit eines gelblichen Tiefschwarz zu \u00fcbersch\u00e4tzen, anbelangt, so \u00fcberzeugt man sich von derselben z. B. einfach dadurch, dafs man auf jeder von 2 Kotationsscheiben einen mittleren Bing herstellt, der etwa zu 25 Graden aus schwach gr\u00fcnlichem Gelb, im \u00fcbrigen nur aus Tuchschwarz besteht. Dieser Bing sei auf der einen Scheibe innen und aufsen von hellem Weifs, auf der anderen Scheibe hingegen von Tuchsehwarz umgeben. Bei gleichzeitiger schneller Botation der beiden Scheiben erscheint der mittlere Bing der ersteren Scheibe schw\u00e4rzlich und (vorwiegend) gr\u00fcnlich, derjenige der zweiten Scheibe hingegen ziemlich hell und (vorwiegend) gelblich. Und die Versuchspersonen sind in der Begel sehr erstaunt, wenn man ihnen zeigt, dafs der mittlere Bing auf beiden Scheiben objektiv in ganz gleicher Weise zusammengesetzt ist. Auf die Gr\u00fcnde, welche diese und andere verwandte Erscheinungen1 besitzen, soll hier nicht eingegangen werden. Ich mufs nur bemerken, dafs die von mir beliebte Ausdrucksweise \u201eTendenz zur \u00dcbersch\u00e4tzung der Gr\u00fcnlichkeit eines gelblichen Schwarz\u201c nur der K\u00fcrze wegen vorl\u00e4ufig so gew\u00e4hlt ist und nicht im Entferntesten die Behauptung einschliefsen soll, dafs physikalischchemische Wechselbeziehungen, wie ich solche bereits hinsichtlich der einander nicht entgegengesetzten chromatischen Netzhautprozesse dargelegt habe {diese Zeitschr., XIV, S. 179 ff.), hier nicht im Spiele seien. Jene Ausdrucksweise ist \u00fcbrigens insofern ganz unanfechtbar, als eben jede nicht eingeweihte Versuchsperson glaubt, dafs das betrachtete farbige Feld auch unter gew\u00f6hnlichen Umst\u00e4nden, d. h. nach Beseitigung des das Feld stark verdunkelnden Helligkeitskontr&stes, vorwiegend gr\u00fcnlich erscheinen werde. An dieser Stelle kam es mir nur darauf an, vorl\u00e4ufig kurz hervorzuheben, dafs jene Tendenz (ebenso wie die entsprechende Tendenz, die B\u00f6tlichkeit eines bl\u00e4ulichen Weifs zu \u00fcbersch\u00e4tzen) sich vermutlich auch bei der galvanischen Beizung des Sehorganes mit geltend macht.\nEs ist gar kein Zweifel, dafs bei nicht wenigen Angaben anderer Beobachter, welche anscheinend nicht ganz zu dem von nns Berichteten stimmen, dieser Anschein lediglich durch ein\u00a9 ungen\u00fcgende sprachliche Bezeichnung des Beobachteten bedingt ist. Den Reigen derjenigen, welche ihre galvanischen Gesichts-empfindungen ungen\u00fcgend bezeichnet haben, er\u00f6ffnet Ritteb, welcher, wie bereits erw\u00e4hnt, helles Blau und dunkles Rot als die den beiden Stromesrichtungen entsprechenden Farben an-giebt. Aus demjenigen, was er weiterhin (Gilbert\u2019s Ann. 7. 1801. S. 467) mitteilt, ist aber zu ersehen, dafs er zwei komplement\u00e4re Farben als rot und blau bezeichnet! Auch P\u00fcbkinje bezeichnet\nMau vergleiche z. B. von Kries, Die Gesichtsempfindungen und ihre Analyse, S. 60.","page":343},{"file":"p0344.txt","language":"de","ocr_de":"344\ndie bei der absteigenden Stromesrichtung vorhandene F\u00e4rbung nur als gelb und nicht als gr\u00fcngelb, wie gern\u00e4fs der Th&tsache erwartet werden kann, dafs er f\u00fcr den aufsteigenden Strom die violette Farbe angiebt. Er selbst aber berichtet, dafs die galvanische Violettempfindung bei Einwirkung von gelbem Lichte von dem Tone der galvanischen Gelbempfindung grau geworden sei, und ebenso sei der Eindruck von Grau entstanden, wenn man bei absteigender Richtung des galvanischen Stromes violettes Licht habe einwirken lassen. Das von Purkinje bei letzterer Stromesrichtung beobachtete Gelb war also thats\u00e4chlich ein Gr\u00fcngelb. Auch Schliephake bezeichnet die beiden galvanischen Gesichtsempfindungen als violett und gelb, obwohl er die soeben erw\u00e4hnten, von Purkinje ange-stellten Versuche mit gleichem Erfolge wie dieser angestellt hat. Ebenso wenig wie Purkinje und Scheiephake haben andere Beobachter ein Interesse an einer genaueren Bezeichnung der F\u00e4rbung ihrer galvanischen Gesichtsempfindungen gehabt. Wenn also Brenner als die Farben seiner galvanischen Gesichtsempfindungen Himmelblau1 und Gelbgr\u00fcn angiebt und hinzuf\u00fcgt, dafs die Aussagen der von ihm untersuchten Personen bei weitem am h\u00e4ufigsten mit seinen eigenen Wahrnehmungen in Einklang gewesen seien, wenn Neftel bemerkt, dafs die Mehrzahl der Personen Hellblau und Gelbgr\u00fcn wahmehme,* * wenn Erb f\u00fcr seine Person die beiden Farben Blaurot und Gelb angiebt, wenn Aubert (Physiol. der NeUhaut S. 345 f.) berichtet, bei aufsteigendem Strome Hellviolett und bei absteigendem ein schwach gr\u00fcnlich3 gef\u00e4rbtes Dunkel w&hr-\n1 Nach Hflmholtz (Physiol Optik. 2. Aufl. S. 325) werden auch weibliche N\u00fcanoen des Violett als Himmelblau bezeichnet.\n*\tNrftel f\u00e4hrt fort: \u201eManche sehen anstatt blau violett oder weifs, und anstatt gelbgr\u00fcn gelb oder gr\u00fcn oder rot. Einige sehen \u00fcberhaupt nur eine einzige Farbe, namentlich unter dem Einfl\u00fcsse der Anode blau, und gar keine Farbe unter dem Einfl\u00fcsse der Kathode, bei deren \u00d6ffnung die blaue Farbe wieder erscheint.14 Alle diese Angaben stehen mit dem von mir Gefundenem durchaus in Einklang, wenn man die \u00fcbliche Ungenauigkeit der Farbenbezeichnungen ber\u00fccksichtigt. Nur die Angabe von Rot f\u00fcr den absteigenden Strom scheint eine Ausnahme zu bilden. Allein auoh diese Angabe habe ich erhalten, wenn ich gewisse, weiterhin zu erw\u00e4hnende Fehlerquellen walten lieb.\n\u2022\tEs liegt hier wiederum ein Beispiel f\u00fcr die oben erw\u00e4hnte Tendenz vor, die Gr\u00fcnliohkeit dunkler N\u00fcancen von Gr\u00fcngelb zu \u00fcbersch\u00e4tzen. Dafs auoh bei Aubbrt das bei absteigendem Strome wahrgenommene","page":344},{"file":"p0345.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\t345\ngenommen zu haben, so k\u00f6nnen wir in allen diesen Angaben getrost eine Best\u00e4tigung dessen erblicken\u00bb was sieb bei meinen Untersuchungen herausgestellt hat.\nVirchow hat gelegentlich ( Verhandl. d. Berl. Ges. f. Anthropol. 1878. S. 289) auf die B\u00fclflosigkeit aufmerksam gemacht, in welcher sich nach seinen Erfahrungen die Studierenden der Medizin zu befinden pflegen\u00bb wenn es sich um eine genauere Bezeichnung von Farben handelt. Man kann hiernach ermessen, welches geringe Mafs von Beachtung schon allein aus diesem Gesichtspunkte solche Untersuchungen \u00fcber die galvanische Reaktion des Sehorganes verdienen, die man, ohne im geringsten nach dem Farbenbenennungsverm\u00f6gen der Beteiligten zu fragen, an demjenigen Materiale von Versuchspersonen angestellt hat, welches dem Ophthalmologen\u00bb Elektrotherapeuten u. s. w. in der Klinik oder Polikinik zur Verf\u00fcgung zu stehen pflegt.\n3. Wie schon erw\u00e4hnt, ist die F\u00e4rbung der galvanischen Gesichtsempfindung bei absteigendem Strome im allgemeinen weniger deutlich als bei aufsteigendem. Es kommt gar nicht selten vor, dafs die Versuchsperson bei geschlossenen Augen zwar die violette F\u00e4rbung bei letzterer Stromesrichtung ohne weiteres erkennt, hingegen bei ersterer Stromesrichtung nur angiebt, dafs das Sehfeld dunkler geworden sei. In diesem Falle hilft h\u00e4ufig ein einfaches Mittel. H\u00e4ufig ist n\u00e4mlich bei absteigendem Strome die chromatische Sehnervenerregung nicht absolut genommen zu schwach, sondern nur relativ, d. h. im Verh\u00e4ltnis zur vorhandenen, durch den galvanischen Strom betr\u00e4chtlich gesteigerten Schwarzerregung. In solchem Falle erzielt man (gem\u00e4fs den von mir in dieser Zeitschrift. XIV. S. 35 f. gegebenen Ausf\u00fchrungen) die Erkennbarkeit des Gelb oder Gr\u00fcngelb einfach dadurch, dafs man den Versuch nicht bei verschlossenen Augen oder im Dunkeln anstellt, sondern die Versuchsperson w\u00e4hrend der Einwirkung des Stromes auf eine graue Fl\u00e4che von (leicht ausprobierbarer) m\u00e4fsiger Helligkeit blicken l\u00e4fst. Bei drei Versuchspersonen konnte die gelbliche\nDunkel gelbgr\u00fcn gef\u00e4rbt war\u00bb ergiebt sieb daraus, dafs er angiebt, die Eintrittsstellen der Sehnerven (welche stets in der Kontrastfarbe des umgebenden Grundes erscheinen, falls sie \u00fcberhaupt zu besonderer Wahrnehmung kommen) seien ihm bei dieser Stromesrichtung als helle, sehr schwach violette Scheiben mit gelblichem Rande erschienen.","page":345},{"file":"p0346.txt","language":"de","ocr_de":"F\u00e4rbung der Empfindung des absteigenden Stromes \u00fcberhaupt nur auf die soeben erw\u00e4hnte Weise festgestellt werden. Auch die oben erw\u00e4hnte Schwierigkeit, welohe die sprachliche Benennung der Empfindung des absteigenden Stromes vielfach bereitet, f\u00e4llt weg oder ist wenigstens eine viel geringere, wenn man nicht mit verschlossenen Augen beobachten l\u00e4fst, sondern die galvanische Gesichtsempfindung auf eine graue Fl\u00e4che projizieren l\u00e4lst. Es kommt vor, dafs eine Versuchsperson hinsichtlich der Benennung jener Empfindung hin und her schwankt (gelegentlich sogar von B\u00f6tlichkeit spricht), so lange man mit verschlossenen Augen beobachten l\u00e4fst, sich aber sofort mit Entschiedenheit f\u00fcr Gelb entscheidet, sobald man das Projektionsverfahren anwendet (oder den Strom verst\u00e4rkt).\n4.\tNat\u00fcrlich mufs man sicher sein, dafs die galvanischen Gesioht8empfindungen nicht durch die Wirkungen gleichzeitiger unbeabsichtigter Lichtreize oder durch die Nachwirkungen vorheriger Lichtreize beeinfiuist werden. Demgem\u00e4\u00df\u00bb habe ich stets in der angegebenen Weise im Dunkelzimmer operiert. Beobachtet man bei geschlossenen Augen in einem hellen Baume, so entspringt eine Fehlerquelle daraus, dafs sich der vielfach nur schwachen chromatischen Wirkung des Stromes der Einflufs des durch die Augenlider hindurchfallenden r\u00f6tlichen Lichtes hinzuf\u00fcgt. Alsdann kann es geschehen, dafs infolge letzteren Einflusses f\u00fcr beide Stromesrichtungen f\u00e4lschlicherweise die Farben Blaurot und r\u00f6tliches Gelb angegeben werden.\n5.\tEine andere Fehlerquelle ist dann vorhanden, wenn, wie seitens mancher Beobachter (z. B. Buete) geschehen ist, die eine Elektrode unmittelbar auf den Augapfel oder gar auf jeden der beiden Aug\u00e4pfel eine Elektrode aufgesetzt und hierdurch die M\u00f6glichkeit gegeben wird, dafs sich zu der elektrischen Beizung noch eine mechanische Beizung des Auges hinzugesellt.\n6.\tSehr zu beachten ist Folgendes. Wird ein das Sehorgan durchfiiefsender Strom geschlossen, so entsteht zun\u00e4chst die lebhafte Empfindung eines Lichtblitzes, welcher dieselbe F\u00e4rbung besitzt wie die im allgemeinen weit schw\u00e4chere Empfindung, welche w\u00e4hrend des Geschlossenbleibens desselben Stromes besteht. Jener Lichtblitz ist an und f\u00fcr sich von einem negativen Naohbilde gefolgt, dessen Farbe zu der Farbe","page":346},{"file":"p0347.txt","language":"de","ocr_de":"Uber die galvanischen Gesichtsemp\u00dfnduugen.\n847\ndes Blitzes antagonistisch ist. Es kommt nun gar nicht selten vor, zumal bei Versuchspersonen, deren Sehorgan dem konstanten Strome gegen\u00fcber nur wenig empfindlich ist, dais die negative Nachwirkung des Anfangsblitzes st\u00e4rker ist als die Wirkung, welche dem Geschlossenbleiben des Stromes entspricht, so dafs man auf die Frage, welche F\u00e4rbung die nach dem Anfangsblitze vorhandene Empfindung besitze, die Gegenfarbe derjenigen Farbe genannt erh\u00e4lt, welche der vorhandenen Stromesrichtung eigentlich entspricht.1 In manchen F\u00e4llen gestaltet sich die Sache dadurch noch komplizierter, dafs die den drei optischen Spezialsimien angeh\u00f6rigen Komponenten der negativen Nach wirkung des Anfangs blitzes wesentlich verschiedene St\u00e4rke und verschiedene Bauer besitzen,. Ist z. B. der Strom absteigender Art und von nicht geringer St\u00e4rke und die Farbe des Anfangsblitzes demzufolge mehr gr\u00fcnlich als gelblich, so kann es geschehen, dafs die den Gelbblausinn betreffende negative Nachwirkung des Anfangsblitzes wenig merkbar ist, hingegen die den Rotgr\u00fcnsinn betreffende negative Nachwirkung desselben eine betr\u00e4chtliche St\u00e4rke und Dauer besitzt. In solchem Falle giebt die Versuchsperson als Farbe der nach dem Anfangsblitze vorhandenen Empfindung weder Blaurot noch Gelbgr\u00fcn, sondern vielmehr ein r\u00f6tliches Gelb an.\nMan vermeidet die hier angedeutete Fehlerquelle dadurch, dafs man nach Schliefsung des Stromes einige Zeit wartet, bevor man sich ein Urteil \u00fcber das Wahrgenommene geben l\u00e4fst,* * oder noch besser dadurch, dafs man die Intensit\u00e4t des Anfangsblitzes auf ein Minimum herabdr\u00fcckt, indem man (mit H\u00fclfe eines eingeschalteten Fl\u00fcssigkeitsrheostaten u. der gl.) die Versuchsperson sich m\u00f6glichst allm\u00e4hlich in, den Strom einschalten l\u00e4fst.8 Bei Versuchspersonen, bei denen die\n1 \u00f6ffnet man kurz darauf den .Strom, so erhalt man wieder dieselbe Farbe genannt, welche soeben f\u00fcr den geschlossenen Strom angegeben\nworden ist.\n*\tEs kam also bei manchen Versuchspersonen sehr h\u00e4ufig vor, dafs sie unmittelbar nach dem Schliefsungsblitz diejenige Farbe angaben, welche zu der eigentlich zu erwartenden Farbe antagonistisch war, nach kurzer Zeit sich korrigierten und die richtige Farbe angaben.\n*\tSo sind z. B. auch die auf S. 837 ff. erw\u00e4hnten wichtigen Versuche an den Versuchspersonen K., B., P. und 8. s\u00e4mtlich mit m\u00f6glichster Herabsetzung oder v\u00f6lliger Vermeidung des Schliefsungsblitzes angestellt worden.","page":347},{"file":"p0348.txt","language":"de","ocr_de":"348\nG. K M\u00fcller.\nchromatische Wirkung des konstanten Stromes bereits w\u00e4hrend der Dauer des letzteren schnell abklingt, ist das letztere Verfahren das einzig angebrachte.\n7. Bei der galvanischen Durchstr\u00f6mung des Auges ist vielfach nicht eine einigerm&fsen gleichm\u00e4fsige F\u00e4rbung des ganzen Sehfeldes vorhanden, sondern je nach der Form und den Ansatzstellen der beiden Elektroden ist bald in der Gegend des blinden Fleckes, bald im Zentrum des Sehfeldes, bald anderw\u00e4rts eine in der Kontrastfarbe des umgebenden Grundes gef\u00e4rbte Stelle von gr\u00f6fserer oder geringerer Ausdehnung wahrnehmbar. Es kommt nun in solchem Falle gar nicht selten vor, dafs di\u00a9 Versuchsperson ihr Urteil bei beiden Stromesrichtungen nicht anf eine und dieselbe Stelle des Sehfeldes bezieht. Wie schon von Hering hinl\u00e4nglich hervorgehoben worden ist, kann eine ausgedehntere farbige Fl\u00e4che, deren F\u00e4rbung infolge der hohen Weifsliehkeit oder Schw\u00e4rzlichkeit ihres Eindruckes gar 'nicht oder nur schwach erkennbar ist, unter Umst\u00e4nden dennoch \u00a9in\u00a9 deutlich erkennbare Kontrastwirkung auf einer angrenzenden oder umschlossenen Fl\u00e4che hervorrufen. Demgem\u00e4fs kommen bei Versuchen der hier in Bede stehenden Art z. B. F\u00e4lle folgender Art vor. Di\u00a9 Versuchsperson sieht bei aufsteigendem Strome im Sehfelde Hellviolett, abgesehen von einem Felde, wo sie ein gar nicht oder nur sehr schwach gr\u00fcngelb gef\u00e4rbtes Dunkel wahrnjmmt. Bei absteigendem Strom\u00a9 sieht sie den Grund in jenem Dunkel, dagegen das Kontrastfeld in Hellviolett. Da nun letzteres ihre Aufmerksamkeit weit mehr auf sich zieht und ein\u00a9 viel ausgepr\u00e4gtere F\u00e4rbung besitzt als der Grund, so giebt sie getrost abermals Hellviolett als die wahrgenommene Farbe an. Man erh\u00e4lt also fur beide Stromesrichtungen dieselbe Farbe angegeben.1\nBehufs Vermeidung der hier angedenteten Fehlerquelle raufs die Versuchsperson scharf dahin instruiert werden, ihr Urteil stete auf dieselbe Stelle des Sehfeldes zu beziehen. Am leichtesten aber\n1 Auch solche F\u00e4lle kommen vor, wo der Grund bei beiden Stromesrichtungen eine gar nicht oder nur sehr schwach erkennbare F\u00e4rbung besitzt, und infolge dessen sich bei beiden Stromesrichtungen das Urteil auf Farbe und Helligkeit des Kontrastfeldes bezieht. In solchem Falle erh\u00e4lt man f\u00fcr beide Stromesrichtungen genau die Umkehrung der wirklich richtigen Urteile.","page":348},{"file":"p0349.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\n349\nwird diese Fehlerquelle vermieden, wenn man eben nicht bei verschlossenen Augen beobachten l\u00e4fst, sondern einen gekennzeichneten Punkt einer grauen Fl\u00e4ch\u00a9 fixieren l\u00e4fst mit der Aufforderung, stets nur \u00fcber die Helligkeit und F\u00e4rbung der unmittelbaren Umgebung des fixierten Punktes (oder eines anderen, durch seine Beziehung zum fixierten Punkte charakterisierten Teiles der betrachteten Bildfl\u00e4che) zu urteilen. Bafs Versuchspersonen, bei denen die F\u00e4rbung des Sehfeldes keine einigermafsen gleichf\u00f6rmige ist, erst recht leicht verwirrt werden, wenn sie w\u00e4hrend der Einwirkung des Stromes Augenbewegungen ausf\u00fchren, durch welche die Erregung der verschiedenen Netzhautteile fortw\u00e4hrend eine andere wird, braucht nicht erst bemerkt zu werden.\n8.\tDer soeben erw\u00e4hnten Fehlerquelle verwandt ist diejenige, welch\u00a9 darin besteht, dafs di\u00a9 Versuchsperson unter Umst\u00e4nden eine Tendenz hat, ihr Urteil \u00fcber die Helligkeit auf ander\u00a9 Teile des Sehfeldes zu beziehen, als ihr Urteil \u00fcber die F\u00e4rbung. Es kommt z. B. bei absteigendem Strome vor, dafs die gelbliche F\u00e4rbung nur in der Mitte des Sehfeldes erkennbar ist, rings herum dagegen nur ein vertieftes Schwarz wahrgenommen wird. In solchem Falle wird die Versuchsperson, in Hinblick auf dieses vertiefte Schwarz, die Frage, wie sich die Helligkeit unter dem Einfl\u00fcsse des galvanischen Stromes verhalte, sehr leicht einfach dahin beantworten, dafs eine Verdunkelung \u00a9ingetreten sei, und die Frage nach der eventuellen F\u00e4rbung wird sie nat\u00fcrlich mit der Angabe von Gelb beantworten, ohne sich dabei \u00fcberhaupt die Frag\u00a9 vorzulegen, ob auch an demjenigen Teile des Sehfeldes, in welchem das Gelb erkennbar ist, ein\u00a9 Verdunkelung oder nicht vielmehr (infolge der aufhellenden Wirkung des Gelb) \u00a9ine Aufhellung ein-getreten sei. Nur eine zu gr\u00f6fserer Genauigkeit bereits herangezogene Versuchsperson wird in einem Falle der hier in Bede stehenden Art bei ihrem Helligkeitsurteile auf das verschiedene Aussehen der verschiedenen Teile des Sehfeldes n\u00e4her ein-gehen.\n9.\tNach dem Bisherigen wird man es leicht verstehen, weshalb es bei manchen Versuchspersonen erst einer gewissen Schulung bedarf, damit sie zu richtigen Urteilen gelangen. Biese Schulung besteht nicht in einer Suggestion dessen, was man von der Wahrnehmung der Versuchsperson erwartet,","page":349},{"file":"p0350.txt","language":"de","ocr_de":"350\nGr. E. Midler,\nsondern darin, dafs letztere ge\u00fcbt wird, trotz der mehr oder weniger unangenehmen Nebenwirkungen des galvanischen Stromes ihre Aufmerksamkeit kaltbl\u00fctig auf die galvanischen Gesichtseindr\u00fccke zu konzentrieren,1 ihr Urteil immer auf dieselbe Gegend des Sehfeldes zu beziehen, Augenbewegungen m\u00f6glichst zu vermeiden, von der unmittelbaren Nachwirkung des Schliefsungsblitzes zu abstrahieren und die wahrgenommene F\u00e4rbung genau und nur dann zu benennen, wenn v\u00f6llige Sicherheit besteht, dafs die beabsichtigte Benennung dem Charakter der vorhandenen Empfindung wirklich entspricht Nat\u00fcrlich kommen bei den Versuchspersonen anfser dem Mer angedeuteten F\u00e4higkeiten auch noch ganz andere Eigensch\u00e4ften in Betracht. Wie jeder nicht ganz Unerfahrene weiXs, giebt es Individuen, die eine Neigung haben, an einer einmal gemachten Anssage lediglich ans Eigensinn festzuhalten, ebenso solche, di\u00a9 sich interessant Vorkommen, wenn sie glauben, etwas Besonderes, das bei anderen Versuchspersonen nicht vorkomme, von sich anssagen zu k\u00f6nnen, und ans solchem, Grund\u00a9 zu einer objektiven Nachpr\u00fcfung und Kontrolle des einmal von ihnen Ansgesagten nicht recht geneigt sind. Ferner w\u00fcrde man auch solche finden, welche diese l\u00e4stigen Versuche nach kurzer Zeit satt haben und dann mit den und den Aussagen, auf deren Richtigkeit es ihnen gar nicht weiter ankommt, der Sache kurzweg ein Ende machen. Und endlich d\u00fcrften auch solche nicht fehlen, welche glauben, durch die Willk\u00fcrlichkeit ihrer eigenen Aussagen bei den Versuchen den Erweis daf\u00fcr erbringen zu k\u00f6nnen, dafs alle Untersuchungen der Psychophysik und experimentellen Psychologie wertlos seien. Da die bisherigen Untersuchungen der Elektrotherapeuten u. A. \u00fcber die galvanischen Gesichtsempfindungen an mehr oder weniger zuf\u00e4llig herausgegriffenen Versuchspersonen der verschiedensten\n1 Ein in Beobachtungen wohl ge\u00fcbter Naturforscher, dessen Aus* sagen anf\u00e4nglich keine gen\u00fcgende \u00dcbereinstimmung zu einander zeigten, gestand mir selbst, es sei ihm anf\u00e4nglich wegen der St\u00f6rung durch die unangenehmen Nebenwirkungen des Stromes nicht m\u00f6glich gewesen, seine Aufmerksamkeit gen\u00fcgend auf die Beobachtung und Benennung der eintretenden Gesichtsempfindungen zu konzentrieren. Zu den st\u00f6renden Nebenwirkungen des Stromes geh\u00f6ren auch die h\u00e4ufig recht eindringlichen Geschmacksempfindungen (eines . sauren oder metallischen Geschmackes). Bei einer Versuchsperson trat auch eine Geruchsempfindung auf.","page":350},{"file":"p0351.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\n851\nArt stattgefunden haben, so habe auch ich, um eben hinter die Fehlerquellen zu kommen, welche bei einem derartigen Materiale von Versuchspersonen in Betracht kommen, nicht blos in psychologischen und naturwissenschaftlichen Beobachtungen ge\u00fcbte Versuchspersonen1 benutzt, sondern Individuen der verschiedensten Art, welche zu einem grofsen Teile ohne jede Beziehung zu einander waren, zu den Versuchen herangezogen. Ich habe mich aber von vorn herein wohl geh\u00fctet, bei den Versuchen solche Individuen zu benutzen, bei denen ich nicht Grund hatte, die Abwesenheit der oben angef\u00fchrten ung\u00fcnstigen Eigenschaften vorauszusetzen. Ferner habe ich, wie schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt, nur Personen von einem h\u00f6heren Bildungsgrade benutzt, entsprechend den Anforderungen, welche derartige Versuche an die intellektuellen F\u00e4higkeiten stellen. Von Versuchen an Hysterischen, an Dienstm\u00e4dchen, an B\u00e4ckerlehrlingen, an elfj\u00e4hrigen Schlachterss\u00f6hnen u. dergl. habe ich mir, im Gegensatz\u00a9 zu manchen meiner Vorg\u00e4nger, \u00a9ine wissenschaftliche Aufkl\u00e4rung nicht versprochen. Und ich brauche nach dem Bisherigen nicht erst auszuf\u00fchren, weshalb ich schablonenhaften Massenuntersuchungen (z. B. an Schulklassen) \u00fcber unseren Gegenstand eine nennenswerte Bedeutung nicht w\u00fcrde zuschreiben k\u00f6nnen. \u2014\nWenn also seit Brenners Ver\u00f6ffentlichung die Ansicht herrscht, dafs hinsichtlich der F\u00e4rbung der galvanischen Gesichtsempfindungen eine allgemeine Hegel nicht bestehe, so glaube ich berechtigt zu sein, diese Ansicht f\u00fcr ein\u00a9 nicht hinl\u00e4nglich begr\u00fcndete zu erkl\u00e4ren, weil die ihr zu Grund\u00a9 liegenden Untersuchungen eine gen\u00fcgend\u00a9 Ber\u00fccksichtigung der im. Vorstehenden angedeuteten Fehlerquellen in keiner Weise erkennen lassen. Zu dieser Erkl\u00e4rung glaub\u00a9 ich umsomehr berechtigt zu sein, weil ich die meisten derjenigen Angaben, welche von dem von mir gefundenen Verhalten der F\u00e4rbung der galvanischen Gesichtsempfindungen abweichen (z. B. die Angabe einer r\u00f6tlichen Farbe f\u00fcr den absteigenden Strom, die Angabe von Blau f\u00fcr beide Stromesrichtungen, die Angabe von Gr\u00fcnblau f\u00fcr den aufsteigenden Strom, von Gelb f\u00fcr den aufsteigenden und von Lila f\u00fcr den absteigenden\n1 Nur etwa vier bi9 f\u00fcnf Versuchspersonen haben vermuten k\u00f6nnen, worum es sich bei meinen Versuchen handele.","page":351},{"file":"p0352.txt","language":"de","ocr_de":"352\nG, E. Muller.\nStrom), bei meinen Versuchen gleichfalls gelegentlich erhalten habe, aber unschwer als auf dieser oder jener Fehlerquelle beruhend nachweisen konnte. Individuelle Verschiedenheiten hinsichtlich der galvanischen Gesichtsempfindungen bestehen auch nach den von mir erhaltenen Resultaten, aber diese Verschiedenheiten sind nur quantitativer Art; sie betreffen nur die St\u00e4rkegrade und St\u00e4rkeverh\u00e4ltnisse, in denen die drei optischen Spezialsinne an der galvanischen Erregung beteiligt sind. Dafs hinsichtlich der Beschaffenheit der galvanischen Gesichtsempfindungen neben dem von mir gefundenen Typus noch andere Typen Vorkommen, ist nat\u00fcrlich durch die Resultate meiner auf 26 Versuchspersonen beschr\u00e4nkten Untersuchung nicht v\u00f6llig ausgeschlossen, aber andererseits auch nicht wahrscheinlich, jedenfalls durch die zur Zeit vorliegenden Untersuchungen nicht erwiesen.\nDer Gedanke, dafs noch ein zweiter Typus vorkomme, der mht zuf\u00e4llig bei meinen Versuchen nicht entgegengetreten sei, wird am meisten durch die Untersuchung nahegelegt, welche Brunner in ausgedehnter Weise an sich seihst angestellt hat. Wie schon fr\u00fcher (S. 331) erw\u00e4hnt* beobachtete derselbe bei aufsteigendem Strom ein helles Blaugr\u00fcn, bei absteigendem ein dunkleres Gelbrot. Dieselben (zur Theorie der Gegenfarben an und f\u00fcr sich gut stimmenden) Resultate erhielt auch Hukte bei Untersuchung seiner eigenen galvanischen Gesichtsempfindungen. Bei Erh\u00f6hung der Stromst\u00e4rke \u00e4nderte sich hei Brunner die Beschaffenheit der galvanischen Gesichtsempfindung angeblich in der Weise, dais bei aufsteigendem Strome die Bl\u00e4ulichkeit immer mehr \u00fcber die Gr\u00fcn-lichkeit, bei absteigendem Strome die R\u00f6tlichkeit immer mehr \u00fcber die Gelblichkeit die \u00dcberhand bekam. Allein man kann sich nicht verhehlen, dafs den Angaben Brunnebs gegen\u00fcber eine gewisse Zur\u00fcckhaltung angezeigt ist. Er selbst sagt von sich (a. a. O. S. 7): \u201eFeine Farbenn\u00fcancen zu unterscheiden wird mir schwer und leicht unm\u00f6glich, wo bei anderen noch viel geringere Unterschiede verschieden\u00a9 Empfindungen hervor* rufen.\u201c Weiterhin (S. 12, 14, 17, 29) teilt er mit* dafs die F\u00e4rbung der galvanischen Gesichtsempfindung bei Schliefsung eines Stromes nahezu oder merkbar dieselbe gewesen sei, wie bei \u00d6ffnung desselben.1 Diese\n1 Nur einmal (S. 33) bemerkt er, es sei ihm einige Male \u201eganz so vorgekommen, als ob nach dem \u00d6ffnen eine kurz dauernde schwache Empfindung von der Farbe des entgegengesetzten Poles sich einstellte\u201c. Die Behauptung von Brunner, bei \u00d6ffnung* des Stromes merkbar dieselbe Empfindung beobachtet zu haben wie bei Schliefsung desselben, erinnert an die auf S. 347 (Anmerkung 1) erw\u00e4hnten F\u00e4lle, wo meine Versuchspersonen sich in gleicher Weise \u00e4u\u00dferten. Und in der That kann man sich die Hauptangaben Brunners durch dieselbe Fehlerquelle erkl\u00e4ren, welche jene Aussagen meiner Versuchspersonen bedingte. Brunner spricht gelegentlich (S. 14) von dem blendend gr\u00fcnlichen Blitze, den er bei \u00d6ffnung des aufsteigenden Stromes wahrgenommen habe. Demgem\u00e4\u00df","page":352},{"file":"p0353.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesteh tsempfindungen.\n353\nMitteilung steht in schroffem Widerspruche zu der allgemein anerkannten, f\u00fcr die allermeisten Individuen sehr leicht nachweisbaren Thatsache, dafs die bei \u00d6ffnung eines Stromes eintretende Empfindung mit derjenigen Empfindung \u00fcbereinstimmt, die bei Schliefsung des entgegengesetzt gerichteten Stromes stattfindet. Sehr eigent\u00fcmlich ist endlich auch die Bemerkung von Brunner (S. 13), dafs es ihm nicht gelungen sei, bei offenen Augen die galvanische Gesichtsempfindung nach aufsen zu projizieren. .Keine meiner Versuchspersonen hat bei dem Projektionsverfahren auch nur die geringste Schwierigkeit empfunden. Ich glaube hiernach nicht zu weit zu gehen, wenn ich behaupte, dafs Brunner auf diesem Gebiete als ein kompetenter Beobachter nicht angesehen werden darf. Inwieweit diejenigen Versuchspersonen von Brenner, Erb u. a., deren Aussagen zu dem von mir Gefundenen anscheinend nicht stimmen, vor Brunner mehr voraushaben als den Umstand, dafs wir sie hinsichtlich ihrer Beobachtungsf\u00e4higkeit nicht kontrollieren k\u00f6nnen, mufs dahingestellt bleiben. Auch auf die oben erw\u00e4hnte, beil\u00e4ufige Notiz von Rukth k\u00f6nnen wir die' Annahme eines zweiten, zu den .Angaben Brunners stimmenden Typus von Individuen unm\u00f6glich .gr\u00fcnden. Auch gemeinsame Fehlerquellen erzeugen \u00fcbereinstimmende Aussagen. Man k\u00f6nnte geneigt sein auch Ritter, welcher Rot und Blau als die den beiden Stromesrichtungen entsprechenden Farben angiebt, als einen Vertreter des b 1er in Frage stehenden zweiten Typus in Anspruch zu nehmen. Allein die schon fr\u00fcher (S. 343) charakterisierten Aussagen Ritters (und vielleicht auch mancher seiner Nachfolger) d\u00fcrften, wie schon Purkinje bemerkt hat, durch die Neigung bestimmt sein, dem Gegens\u00e4tze der beiden Stromesrichtungen denjenigen vermeintlichen Gegensatz entsprechen zu lassen, der zwischen den Farben der beiden Enden des Sonnenspektxums bestehe. \u2014\nDa sich nicht n\u00e4her angeben l\u00e4fst, inwieweit der galvanische Strom bei dem von mir benutzten Verfahren (brillenartige Form der Elektrode u. s. w.) seinen Weg gerade durch die betreffenden Teile der Netzhaut nimmt, so l\u00e4fst sich auch nicht recht entscheiden, ob die \u00dcbereinstimmung, welche die von mir an den verschiedenen Versuchspersonen erhaltenen Resultate im wesentlichen zeigen, nicht zu einem Teile auch darauf beruht, dafs ich im allgemeinen mit st\u00e4rkeren Str\u00f6men operiert und dexngem\u00e4fs auch im allgemeinen eine ausgepr\u00e4gtere F\u00e4rbung der\nhat er auch bei Schliefsung eines absteigenden Stromes \u00a9inen blendend gr\u00fcnlichen Blitz empfunden. Dieser Blitz hinterliefs an und f\u00fcr sich ein intensives negatives Nachbild von wesentlich r\u00f6tlicher F\u00e4rbung. Und so kam es, dafs nach diesem Anfangsblitz\u00a9 nicht \u00a9in gr\u00fcnliches, sondern r\u00f6tliches Gelb wahrnehmbar war. Ebenso mufste bei Schliefsung des aufsteigenden Stromes das negative Nachbild des stark r\u00f6tlichen Anfangsblitzes bewirken, dafs nach dem letzteren nicht ein schwach r\u00f6tliches, sondern ein gr\u00fcnliches Blau auftrat. Es ist darauf aufmerksam zu machen, dafs Brunner selbst zu wiederholten Malen (z. B. S. 15, 16 und 27) davon spricht, dafs auch w\u00e4hrend der Dauer des konstanten Stromes die Empfindung durch einzelne (durch Augenbewegungen u. dergl. bedingte) st\u00e4rkere Blitze unterbrochen gewesen sei, und selbst an \u00a9iner Stelle (S. 29) von einer wahrgenommenen gelbgr\u00fcnen Farbe spricht.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XIV.\t23","page":353},{"file":"p0354.txt","language":"de","ocr_de":"354\ngalvanisohen Gesichtsempfindungen erzielt habe als meine Vorg\u00e4nger. Es beliefen sieb die von mir als schwach bezeichneten Str\u00f6me bis zn einer St\u00e4rke von 7 milliamp., Str\u00f6me von m\u00e4lsiger St\u00e4rke besafsen 7\u201413, starke Str\u00f6me 13\u201417, sehr starke Str\u00f6me 17\u201422 milliamp. Das benutzte Milliamp\u00e8remeter war im hiesigen physikalisch-chemischen Institut kontrolliert worden.\n\u00a7 4. In welcher Netzhautschicht erfolgt die direkte\nEinwirkung des Stromes?\nWas die Frage anbelangt, welche Teile des Sehorganes durch den galvanischen Strom direkt gereizt werden, so hat schon Schelske (a. a. O. S. 50) und sp\u00e4terhin Helmholtz (Physiol. Optik, 2. Aufl., S. 246 ff.) an der Hand der Erscheinungen, welche bei seitlichem (an einem Augenwinkel stattfindenden) Ein- oder Austreten des Stromes zu beobachten sind, gezeigt, dafs die Stelle, welche bei der elektrischen Durchstr\u00f6mung des Auges direkt gereizt wird, \u201ein den hintersten Schichten der Netzhaut zu suchen ist, was mit den Erfahrungen \u00fcber die Erregung durch Licht... zusammenstimmt\u201c. Gegen die Annahme, dafs die galvanischen Gesichtsempfindungen durch eine Reizung des Sehnervenstammes zu st\u00e4nde k\u00e4men, hat \u00fcberdies 0. Schwarz mit Recht eingewandt, dafs man sich schwer denken k\u00f6nne, \u201edafs die am deutlichsten und weitaus am meisten beobachtbaren Lichterscheinungen in der Projektionsrichtung des gelben, sowie des blinden Flecks von einer partiellen Reizung derjenigen Fasergruppen des Sehnerven-stpmmes abhingen, welche zur Macula und zur unmittelbaren Umgebung der Papille ziehen ; und eine durch Erregung des gesamten Sehnervenquerschnittes (resp. der Papille) bewirkte Lichterscheinung m\u00fcfste doch immer das ganze Gesichtsfeld ausf\u00fcllen.41 Derselbe Forscher (a. a. O. S. 593 ff.) hat ferner noch einen (der Raumersparnis halber hier nicht\n1 Treten wirklich, wie Bkehnkb (a. a. O. S. 72) meint, im galvanischen Lichtbilde unter Umst\u00e4nden dunkle Linien auf, welche den Netzhaut-gef\u00e4fsen entsprechen, so ist dies gleichfalls eine Beobachtungsthatsache, welche durch Annahme einer Beizung des Sehnervenstammes absolut nicht erkl\u00e4rt werden kann. Ferner ist nach unseren fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen {diese Zeitsckr14, S. 25 ff.), nach denen der Simultankontrast peripherischen Ursprunges ist, hier auch daran zu erinnern, dafs die auf elektrischer Beizung beruhenden Gesichtseindr\u00fccke gleichfalls von Erscheinungen des Simultankontrastes begleitet sind, wie z. B. die That-sache zeigt, dafs bei gewissen Arten der Durchleitung des Stromes durch","page":354},{"file":"p0355.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gemchtsempfindungen.\t355\nmitzuteilenden) neuem Versuch erdacht 'und ausgef\u00e4hrt, aus dessen Resultat sich ganz Har ergiebt, dais die Reizung durch den galvanischen Strom auch nicht in der Nervenfaserschicht der Netzhaut, sondern in einer mehr nach aufsen gelegenen Retinaschicht zu st\u00e4nde kommt.\nSc Hw ABZ selbst h\u00e4lt es f\u00fcr das Wahrscheinlichste, dafs die Zapfenfasem und nicht die Zapfen selbst von dem galvanischen Strome direkt erregt werden. Wird n\u00e4mlich das Auge von der Seite her durchstr\u00f6mt, so erscheinen bei geeigneter Blickrichtung rechts und links neben dem Fixationspunkte, zwei querovale Felder, von denen das in die helle H\u00e4lfte des Sehfeldes hineinragende dunkel, das in die dunkle H\u00e4lfte hineinfallende hell erscheint. Bas Erscheinen dieser beiden Felder f\u00fchrt Schwarz mit Helmholtz darauf zur\u00fcck, \u201edafs am gelben Fleck die Faserz\u00fcge der Netzhaut radial divergierend gegen die dazu geh\u00f6rigen Ganglienzellen verlaufen, und die elektrischen Str\u00f6me bei der betreffenden Blickrichtung am gelben Fleck parallel der Fl\u00e4che der Netzhaut fliefsen.\u201c \u201eDa die Zapfen selbst\u201c, f\u00e4hrt Schwarz fort, \u201esenkrecht zur Fl\u00e4che der Netzhaut stehen, und die zur Fovea radi\u00e4re Richtung erst in den Zapfenfasern beginnt, wo sie zugleich am st\u00e4rksten ausgepr\u00e4gt ist, so kommt man hierdurch zu der Annahme, dafs h\u00f6chstwahrscheinlich die Zapfenfasern an der galvanischen Erregung teilnehmen, indem an den Stellen ihrer st\u00e4rksten Kr\u00fcmmung virtuelle Pole entstehen \u2014 vorausgesetzt, dafs die Erregung nicht etwa lediglich in den mittleren Netzhautschichten erfolgt, was sich indes schwer vorstellen liefse.\u201c Mir scheint die Annahme, dafs diejenigen Teile, welche von dem. galvanischen Strome direkt gereizt werden, die Aufsen-glieder der Zapfen (St\u00e4bchen) seien, in denen auch das Licht seine unmittelbaren Wirkungen photochemischer .Art entfaltet,\ndas Sehorgan die dem blinden Flecke und seiner Umrandung entsprechende Gegend des Sehfeldes diejenige F\u00e4rbung besitzt, welche zu der sonst im Sehfelde herrschenden F\u00e4rbung antagonistisch ist. Helmholtz (a. a. O. S. 247) f\u00fchrt dieses Verhalten darauf zur\u00fcck, dafs die starke Sehnenscheide des Sehnerven als schlecht leitende Masse in Betracht komme und bewirke, \u201edafs die dicht davor liegenden Nervenelemente, die das Mark des eintretenden Nerven unmittelbar umgeben, vor der Durchstr\u00f6mung verh\u00e4ltnism\u00e4fslg gesch\u00fctzt sind. Deren Zustand aber pflegen wir... auf die ganze Ausdehnung des Sehnervenquerschnittes zu \u00fcbertragen\".\n23*","page":355},{"file":"p0356.txt","language":"de","ocr_de":"keineswegs unf\u00e4hig zu sein, das Auftreten der oben erw\u00e4hnten querovalen Felder1 zu erkl\u00e4ren. Man braucht nur hinsichtlich der elektrischen Leitf\u00e4higkeit der Zapfen und ihrer Umgebung eine geeignete Annahme zu machen, z. B. die Annahme, dais jedes Zapfengebilde (Aufsen- und Innenglied, Zapfenkom und Zapfenfaser) viel besser leite als seine Umgebung, oder die n\u00e4her liegende Annahme, dafs jedes Zapfengebilde einem senkrecht zu seiner L\u00e4ngserstreckung ein- oder austretenden Strome wegen eintretender Grenzpolarisation einen Leitungswiderstand entgegensetze, welcher in Vergleich zu dem in der L\u00e4ngsrichtung bestehenden Leitungswiderstande grofs sei. Bei einer solchen Annahme kommt man zu dem Besultate, dafs z. B. ein elektrischer Strom, welcher die Faser eines Foveazapfens in aufsteigender Richtung durchfliefst, mit einem erheblichen Teile seiner Intensit\u00e4t diesen Zapfen in seiner Totalit\u00e4t durch-fliefsen mufs, mithin auch auf das Aufsenglied desselben wirken mufs. Das Auftreten der beiden oben erw\u00e4hnten querovalen Felder l\u00e4fst sich also in der That auch dann erkl\u00e4ren, wenn man die Annahme zu Grunde legt, dafs die lichtempfindliche Schicht der Netzhaut zugleich auch der Ausgangspunkt der galvanischen Erregungen des Sehorganes sei. Es l\u00e4fst sich nun aber f\u00fcr letztere Annahme zugleich noch Folgendes in positiver Weise anf\u00fchren.\nGeht man von der Voraussetzung aus, es erfolge die direkte Einwirkung des galvanischen Stromes nicht auf die lichtempfindliche Netzhautschicht, sondern auf die Zapfenfasem oder irgendwelche andere innerhalb der Netzhaut gelegene\nTeile der nerv\u00f6sen Sehbahn, so mufs sich das Verhalten der\n\u2022\u2022\nbei Schliefsung und \u00d6ffnung des Stromes eintretenden Empfindungen aus dem Zuokungsgesetze oder vielmehr aus den diesem Gesetze zu Grunde liegenden Verhaltungsweisen des elektrisch durchstr\u00f6mten Nerven* * ableiten lassen. An die Stelle der Erregung oder Hemmung, welche in der dem Muskel zugewandten Partie des motorischen Nerven herrscht, tritt die Erregung, welche in dem zentralw\u00e4rts (nach der Ganglienzellenschicht\n1 Es braucht nicht erst darauf aufmerksam gemacht zu werden, dafs das Auftreten dieser querovalen Felder gleichfalls mit der Annahme unvertr\u00e4glich ist, dafs durch den galvanischen Strom der Sehnerv direkt gereizt werde.\n* Man vergleiche hierzu z. B. Biedermann, a. a. O. S. 666 ff.","page":356},{"file":"p0357.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\n357\nhin) gelegenen Teile der Zapfenfasem oder der sonstigen in Betracht kommenden Elemente der nerv\u00f6sen Leitungsbahn hervorgerufen wird. Biese Erregung ist fur die Beschaffenheit der galvanischen Gesichtsempfindung mafsgebend, und zwar kann dieselbe entweder eine solche Erregung sein, welche eine galvanische (violette) Hellempfindung bewirkt, oder eine solche, welche eine galvanische (gr\u00fcngelbe) Dunkelempfindung1 hervorruft. Die eine dieser beiden Erregungen entspricht demjenigen Zustande des motorischen Nerven, welcher auf den Muskel erregend wirkt, die andere hingegen demjenigen Zustande, den man als eine Hemmung oder als eine Herabsetzung der Erregbarkeit des motorischen Nerven bezeichnet. Ob nun die der galvanischen Hellempfindung zu Grunde liegende Erregung jenem ersteren und die der galvanischen Dunkelempfindung zu Grunde liegende Erregung diesem zweiten Zustande des motorischen Nerven entspricht, oder es sich umgekehrt verh\u00e4lt, 'kann nur die Erfahrung entscheiden. Leiten wir einen schwachen aufsteigenden Strom durch das Sehorgan, so tritt bei der Stromschliefsung eine Hellempfindung ein. Da bei der Schliefsung eines im motorischen Nerven aufsteigenden schwachen Stromes (der ersten Stufe des Zuckungsgesetzes entsprechend) Zuckung des Muskels eintritt, so w\u00fcrde hiernach die der galvanischen Hellempfindung zu Grunde liegende Erregung als diejenige anzusehen sein, welche der bei der Stromschliefsung von der (physiologischen) Kathode und bei der Strom\u00f6ffnung von der (physiologischen) Anode ausgehenden Erregung des motorischen Nerven entspricht. Da nach dem Zuckungsgesetze ein (der ersten Stufe entsprechender) schwacher absteigender Strom bei seiner Schliefsung gleichfalls Zuckung bewirkt, so w\u00e4re nun nach der hier in Frage stehenden Annahme zu erwarten, dafs ein im Sehorgane absteigender schwacher Strom bei seiner Schliefsung gleichfalls eine Hellempfindung her vorrufe. Dies ist aber keineswegs der Fall, sondern der Schliefsung eines solchen Stromes entspricht das\n1 Es handelt sich hier nur um eine kurze Bezeichnung der beiden galvanischen Gesichtsempflndungen. Bafs bei derselben von den fr\u00fcher (S. 887 ff.) erw\u00e4hnten Ausnahmef\u00e4llen abgesehen ist, wo die chromatische Wirkung des Stromes mit ihrem Einfl\u00fcsse auf die Helligkeit zu \u00fcberwiegender Geltung kommt, braucht nicht erst bemerkt zu werden.","page":357},{"file":"p0358.txt","language":"de","ocr_de":"358\nG. F. M\u00fcikr,\nEintreten einer galvanischen Dunkelempfindtmg.1 Nach dein Zuckungsgesetze ruft ein mittelstarker Strom bei beiden Stromesrichtungen sowohl bei der Schliefsung als auch bei der \u00d6ffnung Zuckung hervor. Hiernach m\u00fcfste ein das Sehorgan durchfliefsender mittelstarker Strom bei beiden Stromesrichtungen sowohl bei der Schliefsung als auch bei der \u00d6ffnung die galvanische Hellempfindung hervorrufen. Dies ist wiederum keineswegs der Fall. Denn ein aufsteigender Strom bewirkt bei der \u00d6ffnung und ein absteigender Strom bei der Schliefsung die galvanische Dunkelempfindung. Dem Zuckungsgesetze gem\u00e4fs entspricht endlich der Schliefsung eines starken aufsteigenden Stromes Ruhe, der \u00d6ffnung Zuckung des Muskels, w\u00e4hrend der Schliefsung eines starken absteigenden Stromes Zuckung, der \u00d6ffnung Ruhe (oder schwache Zuckung) des Muskels entspricht. Hiernach m\u00fcfste bei hoher Stromst\u00e4rke die Schliefsung eines im Sehorgane aufsteigenden und die \u00d6ffnung eines m demselben absteigenden Stromes die galvanische Dunkelempfindung bewirken, hingegen die \u00d6ffnung eines ansteigenden und die Schliefsung eines absteigenden Stromes die galvanische Bellempfindung hervorrufen, w\u00e4hrend that-s\u00e4chlich in allen diesen vier F\u00e4llen genau die gegenteilige Wirkung ein tritt.* * In Wirklichkeit verhalten sich also die galvanischen Gesichtsempfindungen ganz anders, als zu erwarten w\u00e4re, wenn der galvanische Strom auf einen Teil der nerv\u00f6sen\n1 Wie schon fr\u00fcher bemerkt worden ist und weiterhin (S. 361 ff.) noch n\u00e4her dargelegt werden wird, stimmt auch bei absteigendem Strome die Empfindung des sogenannten Schliefsungsblitzes hinsichtlich der Qualit\u00e4t wesentlich mit derjenigen Empfindung \u00fcberein, welche bei Geschlossenbleiben desselben Stromes zur Beobachtung kommt.\n* Die Behauptung von Ritter, dafs bei sehr hoher Stromst\u00e4rke sich die Farben der galvanischen Gesichtsempfindungen umkehrten, also x. B. die der Schliefsung eines aufsteigenden Stromes entsprechende F\u00e4rbung hei sehr hoher Stromst\u00e4rke derjenigen F\u00e4rbung Platz mache, welche der Schliefsung eines nicht sehr starken absteigenden Stromes entspricht, haben weder Purkinje noch Brunner noch Helmholtz bei ihren ausdr\u00fccklich auf diesen Punkt gerichteten Versuchen best\u00e4tigt gefunden. Ich selbst bin bis zu Stromst\u00e4rken von 22 miiliamp. gegangen, ohne eine derartige Umkehrung der Farben beobachten zu k\u00f6nnen. Einmal habe ich auch einen Strom von 25 miiliamp. \u00fcber mich ergehen lassen, fand aber, dafs bei dieser Stromst\u00e4rke infolge der geradezu be\u00e4nstigenden Nebenwirkungen des Stromes von einer F\u00e4higkeit zu wissenschaftlicher Beobachtung nicht mehr die Rede sein kann.","page":358},{"file":"p0359.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\n359\nSehbahn direkt \u00a9inwirkte. Und zwar beruht 'dieses eigenartig\u00a9 Verhalten der galvanischen Gesichtsempfindungen offenbar darauf, dafs f\u00fcr dieselben immer nur derjenige Erregungszustand mafsgebend ist, welcher dem peripheriew\u00e4rts (zapfen-w\u00e4rts) gelegenen der beiden physiologischen Pole (physiologische Kathode oder Anode) entspricht. Deshalb ruft ein im Sehorgane absteigender Strom bei seiner Schliefsung nicht eine Hellempfindung, sondern eine Dunkelempfindung hervor. Deshalb bewirkt auch ein st\u00e4rkerer aufsteigender Strom, im Gegens\u00e4tze zu dem nach dem Zuckungsgesetze zu Erwartenden, bei seiner \u00d6ffnung die galvanische Dunkelempfindung; und deshalb l\u00e4fst sich an den durch den aufsteigenden Strom bei seiner Schliefsung und \u00d6ffnung bewirkten Empfindungen im Falle sehr hoher Stromst\u00e4rke nicht diejenige Umkehrung der Erscheinungen beobachten, welche der dritten Stufe des Zuckungsgesetzes entspricht.\nWenn nun aber stets nur der peripheriew\u00e4rts gelegene der beiden physiologischen Pole f\u00fcr das Verhalten der galvanischen Gesichtsempfindung mafsgebend ist, so mufs derselbe in einen Teil der Sehbahn fallen, der durch seine Struktur und Erregbarkeit eine ganz besondere Stellung einnimmt. Er kann nicht in einen Teil der nerv\u00f6sen Leitungsbahn, z. B. die Zapfenfasern, fallen; denn dann w\u00e4re nicht einzusehen, weshalb der zentralw\u00e4rts gelegene andere physiologische Pol stets so ganz ohne Einflufs ist.1 Er mufs vielmehr in diejenigen Teile fallen, welche sich dadurch als Organe von besonderer Beschaffenheit und Erregbarkeit bekunden, dafs das Licht seine photochemischen Wirkungen in ihnen entfaltet. Diejenigen Teile der Zapfen (St\u00e4bchen), auf welche das Licht direkt erregend wirkt, sind also zugleich auch die Angriffspunkte der Wirksamkeit des elektrischen Stromes.2\n1 Es ist \u00fcbrigens schon von vornherein nicht einzusehen, aus welchem Grunde die Zapfenfasern vor den eigentlichen Sehnervenfasern, denen sie im Grunde ganz homolog sind, den Vorzug einer besonderen Erregbarkeit besitzen sollten.\n* Man k\u00f6nnte glauben, diesen Satz auch dadurch erweisen zu k\u00f6nnen, dafs man zeige, dafs eine elektrische Durchstr\u00f6mung des ruhenden Auges, z. B. Froschauges, \u00e4hnlich wie die Einwirkung von Licht Pigmentwanderung, Zapfenverk\u00fcrzung und andere derartige Vorg\u00e4nge an der lichtempfindlichen Netzhautschicht bewirkt, wie dies Angblucci (Mole-8cho tts Unters14, 1892, S. 257) bei der galvanischen und faradischen","page":359},{"file":"p0360.txt","language":"de","ocr_de":"360\nG. E, M\u00fctter.\nEs mag hier darauf hingewiesen werden, dafs Hebmann (Pfl\u00fcgers Arch., 49, 1891, S. 630 ff.) bei seinen Untersuchungen \u00fcber den elektrischen Geschmack gleichfalls zu dem Resultate kommt, dafs die elektrischen Geschmacksempfindungen dadurch entstehen, dafs der elektrische Strom auf 'die spezifischen End-organe des Geschmacksinnes erregend wirkt.\nWie die Analyse des Zuckuhgsgesetzes ergiebt (Biedermann, a. a. O. S. 660 f.), entwickelt sich der bei der Stromschliefsung von der Kathode ausgehende Erregungszustand des motorischen Nerven leichter und bei geringerer Stromst\u00e4rke als der von der Anode bei der Stromschliefsung ausgehende Nervenzustand. Hiermit steht die im Vorstehenden von uns aufgestellte Ansicht in bemerkenswertem Einklang, da nach ihr die galvanische Hellempfindung, welche leichter erweckbar ist und bei gleicher Stromst\u00e4rke ausgepr\u00e4gter auszufallen pflegt als die galvanische Dunkelempfindung,* 1 in dem Falle eintritt, wo eine physiologische Kathode in den die Einwirkung des Stromes vermittelnden Zapfenaufsengliedem liegt, hingegen die galvanische Dunkel-empfindung dann vorhanden ist, wenn sich eine physiologische Anode in den Aufsengliedem der Zapfen befindet.\nWie schon O. Schwarz (a. a. O. S. 603) bemerkt, bleibt allerdings noch die M\u00f6glichkeit bestehen, dafs wenigstens sehr starke Str\u00f6me bei pl\u00f6tzlicher Schliefsung oder \u00d6ffnung auch auf direktem Wege eine momentane Erregung der Sehnerven-fasem oder anderer Teile der rem nerv\u00f6sen Sehbahn bewirken. Ich m\u00f6chte indessen hervorheben, dafs zur Zeit kein Grund\nBeizung des Dunkelfrosches in der That gefunden hat. Allein Versuche der Mer angedeuteten Art k\u00f6nnen nur dann beweisend sein, wenn bei denselben die M\u00f6glichkeit einer reflektorischen Erweckung der Pigmentwanderung und jener anderen Vorg\u00e4nge (durch elektrische Hautreizung) v\u00f6llig ausgeschlossen ist, was bei den erw\u00e4hnten Versuchen von Angelucci nicht der Fall war.\n1 In \u00dcbereinstimmung mit dem von mir (S. 334 f.) Gefundenen bemerkt schon Purkinje (a. a. 0. S. 33) : \u201eDie Intension ist ungleich gr\u00f6fser beim violetten als beim gelben Lichtschein.\u201c Wie Hochs (Arch. f. Psychiatrie, 24, 1892, S. 644) gefunden hat, ist der f\u00fcr die Erweckung einer Blitzempfindung erforderliche Schwellenwert der Stromst\u00e4rke am geringsten f\u00fcr die Schliefsung des auf steigenden Stromes, gr\u00f6fser in der Hegel f\u00fcr die \u00d6ffnung des absteigenden Stromes, noch gr\u00f6fser f\u00fcr die Schliefsung des letzteren Stromes und am gr\u00f6fsten f\u00fcr die \u00d6ffnung des aufsteigenden Stromes.","page":360},{"file":"p0361.txt","language":"de","ocr_de":"<*\u2022 _\nUber die galvanischen Gesichtsempfindungen,\t361\nvorliegt, ein dieser M\u00f6glichkeit entsprechendes Verhalten f\u00fcr dasjenige Gebiet von Stromst\u00e4rken zu behaupten, welches bei\nderartigen Versuchen \u00fcber die galvanischen Gesichtsempfindungen \u00fcberhaupt in Betracht kommt. Nach den Darstellungen verschiedener Beobachter k\u00f6nnte es scheinen, als ob bei nicht ganz allm\u00e4hlicher Schhefsung eines das Sehorgan durch-fiiefsenden Stromes zun\u00e4chst die Empfindung eines Blitzes eintrete, welche hinsichtlich ihrer Qualit\u00e4t von der Stromesrichtung unabh\u00e4ngig sei und vermutlich auf einer direkten Erregung der Sehnervenfasern oder anderer Bestandteile der rein nerv\u00f6sen Sehbahn beruhe, und als ob erst nach dieser Blitzempfindung (eine gen\u00fcgende Stromst\u00e4rke und Stromdauer vorausgesetzt) eine in der fr\u00fcher angegebenen Weise von der Stromesrichtung hinsichtlich ihrer Qualit\u00e4t abh\u00e4ngige Empfindung von gr\u00f6fserer oder geringerer Dauer eintrete. Dem, gegen\u00fcber ist durchaus an dem schon fr\u00fcher von mir auf-gestellten, bereits von Purkinje in seiner G\u00fcltigkeit erkannten Satze festzuhalten, dafs die Empfindung, welche bei schneller Schliefsung eines Stromes zun\u00e4chst ein-tritt, thats\u00e4chlich zwar ein\u00a9 h\u00f6her\u00a9 Intensit\u00e4t, aber sonst wesentlich denselben Charakter besitzt wie die Empfindung, welche hinterher bei Geschlossenbleiben des (nicht zu schwachen) Stromes vorhanden ist. Bei schneller Schliefsung eines aufsteigenden Stromes und ebenso bei schneller \u00d6ffnung eines absteigenden Stromes tritt ein heller Blitz von violetter F\u00e4rbung auf, bei schneller Schliefsung eines absteigenden und schneller \u00d6ffnung eines aufsteigenden Stromes hingegen tritt im allgemeinen eine Dunkelempfindung mit gr\u00fcngelber F\u00e4rbung ein.1 Schon 0. Schwarz (a. a. 0. S. 603) hat auf Grund seiner Wahrnehmungen hervorgehoben, dafs der Schliefsung eines absteigenden Stromes (innerhalb gewisser Grenzen der Strom-\n1 Bei denjenigen Versuchspersonen, bei denen die chromatische Wirkung des Stromes die \u00fcberwiegende ist wie bei den fr\u00fcher (S. 337 ff.) erw\u00e4hnten vier Versuchspersonen K., B,f P. und S., kann nat\u00fcrlich auch die Empfindung des Schliefsungsblitzes bei absteigendem Strome nicht als eine Dunkelempfindung bezeichnet werden. Jene vier Versuchspersonen bezeichneten ohne Weiteres und ganz unabh\u00e4ngig voneinander den Schliefsungsblitz bei absteigendem Strome als gelb oder gr\u00fcngelb, bei auf steigen dem Strome als bl\u00e4ulich oder violett. F\u00fcr Versuchs-","page":361},{"file":"p0362.txt","language":"de","ocr_de":"302\nG.\nst\u00e4rke) nur eine pl\u00f6tzliche Verdunkelung entspreche, und im Beobachten ge\u00fcbte Versuchspersonen haben mir ganz spontan angegeben, dafs die bei schneller Schliefsung zun\u00e4chst eintretende Empfindung zwar weit intensiver sei wie die weiterhin zu beobachtende galvanische Dauerempfindung, aber hinsichtlich der Qualit\u00e4t wesentlich mit dieser \u00fcbereinstimme.\nDavon, dafs bei mir der schnellen Schliefsung eines absteigenden Stromes eine pl\u00f6tzliche Verdunkelung entspricht, habe ich mich durch besondere Versuche, die bis zu einer Stromst\u00e4rke von 13 milliamp. gingen, \u00fcberzeugt. Um eine m\u00f6glichst pl\u00f6tzliche Schliefsung und \u00d6ffnung des Stromes zu erm\u00f6glichen, wurde noch ein Taster in den Stromkreis eingeschaltet. Man beginnt die Beobachtung jener \u201eBlitze\u201c am besten bei schwachen Str\u00f6men, was sich auch deshalb empfiehlt, weil man sich so am besten an die unangenehmen Nebenwirkungen der Str\u00f6me gew\u00f6hnt Hierbei \u00fcberzeugt man sich leicht, dafs auch einer m\u00f6glichst pl\u00f6tzlichen Schliefsung des absteigenden Stromes eine pl\u00f6tzliche Verdunkelung entspricht. Und beim allm\u00e4hlichen Fortschreiten zu h\u00f6heren Stromst\u00e4rken erkennt man, dafs sich an dem Charakter des Ph\u00e4nomens nichts \u00e4ndert als die Intensit\u00e4t. Es empfiehlt sich, auch mit offenen Augen und Fixation eines Punktes einer (nicht zu hellen) Fl\u00e4che zu operieren und gelegentlich Versuche mit Schliefsung eines aufsteigenden Stromes einzuschieben, um sich von Neuem klar zu machen, wie eine pl\u00f6tzliche Aufhellung aussieht. Denn wie schon bei O. Schwarz (a. o. a. 0.) vermerkt ist, kann der pl\u00f6tzliche \u00dcbergang des subjektiven Augengrau in ein tieferes Dunkel den Eindruck eines Blitzes leicht Vort\u00e4uschen. Wie schon Schwarz angedeutet hat, liegt ferner eine Fehlerquelle f\u00fcr derartige Beobachtungen darin, dafs der Strom bei den meisten Anordnungsweisen nicht f\u00fcr alle betroffenen Netzhautteile ein aufsteigender oder absteigender ist, sondern ein Teil der Netzhaut in aufsteigender, ein anderer Teil in absteigender Richtung durchstr\u00f6mt wird. Nat\u00fcrlich zieht dann bei der Stromschliefsung sehr leicht immer derjenige st\u00e4rker erregte Teil, welcher in aufsteigender Richtung durchflossen wird, die Aufmerksamkeit zun\u00e4chst auf sieb. Auch ich habe den Eindruck gehabt, als ob bei der von mir benutzten Versuchsweise bei pl\u00f6tzlicher Schliefsung eines absteigenden Stromes an der \u00e4ufsersten Peripherie des Sehfeldes eine pl\u00f6tzliche Aufhellung auftrete, was sich aus der brillenartigen Natur meiner einen Elektrode leicht erkl\u00e4rt. Treten bei Schliefsung des Stromes erhebliche Kontraktionen von Augenmuskeln auf, so kann die Sachlage dadurch noch komplizierter werden,\npersonen von dem gew\u00f6hnlichen Typus ist das Erkennen der F\u00e4rbung des Schliefsungsblitzes, namentlich bei absteigendem Strome, schwieriger. Dem auf S. 34? Bemerkten gem\u00e4fs kann man bei manchen Versuchspersonen die F\u00e4rbung des Schliefsungsblitzes auch dadurch feststellen, dafs man nicht die F\u00e4rbung des in der Regel mehr oder weniger \u00fcberraschend kommenden Schliefsungsblitzes selbst, sondern des (trotz des Geschlossenbleibens des Stromes auftretenden) negativen Nachbildes desselben beobachten l\u00e4fst.","page":362},{"file":"p0363.txt","language":"de","ocr_de":"\u2022 \u2022\nUber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\n363\ndafs bei eintretender Augenbewegung die vom Strome haupts\u00e4chlich betroffenen Netzhautstellen schnell wechseln und die zun\u00e4chst im Sinne der Erweckung einer galvanischen Dunkelempfindung gereizten Netzhautstellen nach ihrer Entfernung aus dem Hauptbereiche des Stromes mit einer gegenteiligen Erregung reagieren.\nEs ist denkbar, dafs die Stromschliefsung und Strom\u00f6ffnung bei Bewirkung von Augenmuskelkontraktionen unter Umst\u00e4nden mittelst dieser Kontraktionen zugleich noch einen mechanischen Reiz auf die Netzhaut aus\u00fcbe. Wenn aber Kiesselbach (Deutsche Zeitschr. f, Nerven-heilkde.t 3, 1893, S. 268) behauptet, dafs die Schliefsungsblitze nur \u201eeine Folge des Ruckes, welchen der Bulbus durch die pl\u00f6tzliche Kontraktion der Augenlider- und Augapfelmuskulatur erf\u00e4hrt\u201c, seien, so wird diese sonderbare Ansicht wohl schon durch die oben dargelegte Abh\u00e4ngigkeit der Beschaffenheit jener Blitze von der Stromesrichtung hinl\u00e4nglich widerlegt. Wenn Kiesselbach bemerkt, dafs man sieh durch \u00dcbung daran gew\u00f6hnen k\u00f6nne, seine Muskulatur ruhig zu halten, und dann nichts von Lichtblitzen versp\u00fcren werde, so mufs derselbe seine hierauf bez\u00fcglichen Versuche bei sehr schwachen Str\u00f6men angestellt haben. Die Behauptung, dafs man auch bei st\u00e4rkeren Str\u00f6men durch Ruhighaltung der Muskulatur des Auges die Schliefsungsblitze vermeiden k\u00f6nne, wird jeder, welcher gen\u00fcgende Versuche \u00fcber diesen Gegenstand angestellt hat, als eine solche bezeichnen, welche nicht auf hinl\u00e4nglichen Versuchen beruhe. Ich selbst vermag auch nicht einmal sehr schwache Lichtblitze durch Ruhighalten der Augenmuskulatur zu unterdr\u00fccken. Es ist indessen denkbar, dafs bei sehr schwachen Str\u00f6men die denselben an und f\u00fcr sich entsprechenden Blitzerscheinungen wenigstens bei manchen Individuen durch die Richtung der Aufmerksamkeit auf Ruhighaltung der Augenmuskulatur dem Be wulst sein ganz entzogen werden k\u00f6nnen. Ferner ist es denkbar, dafs bei manchen Individuen die Schwelle f\u00fcr eine mechanische Erregung des Auges (durch Augenmuskelkontraktionen u. dergl.) sehr gering sei, hingegen die Schwelle f\u00fcr die elektrische Reizung der Netzhaut zuf\u00e4llig relativ hoch Hege, so dafs bei diesen Individuen der elektrische Strom bei sehr geringer St\u00e4rke in der That nur mittelst der von ihm bewirkten Muskelkontraktionen erregend auf das Sehorgan wirke. Verwechselt endlich ein Individuum kin\u00e4sthe-tische Empfindungen, welche den durch sehr schwach\u00a9 elektrische Str\u00f6me bewirkten Muskelkontraktionen entsprechen, mit sehr schwachen Blitzempfindungen, so ist es selbstverst\u00e4ndlich, dafs es dies\u00a9 vermeintlichen Blitzempfindungen durch Ruhighaltung der Augenmuskulatur mehr oder weniger unterdr\u00fccken kann. Von noch anderen in Betracht kommenden Fehlerquellen soll hier abgesehen werden.\nWir haben Grund anzunehmen, dafs die peripheren Teile der Netzhaut durch einen die chromatischen Sehstoffe in Anspruch nehmenden Reiz hinsichtlich dieser Stoffe schneller ersch\u00f6pft werden als die zentralen Teile.1 Entfaltet also wirklich der elektrische Strom seine er-\n1 Man vergleiche hierzu z. B. Ebbinghaus in dieser Zeitschrift, 6, S. 209 f.","page":363},{"file":"p0364.txt","language":"de","ocr_de":"364\nregende Wirkung auf das Sehorgan durch eine Einwirkung auf die Sehstoffe der lichtempfindlichen Netzhautschicht, so ist zu erwarten, dafs bei Geschlossenbleiben eines Stromes die chromatische Wirkung des letzteren f\u00fcr die peripheren Teile des Gesichtsfeldes schneller sich abschw\u00e4che und eher unmerkbar werde als f\u00fcr die zentralen Teile. Dieser Erwartung wird im allgemeinen durch die Versuchsresultate entsprochen (man vergleiche z. B. Schwarz, a. a. O. S. 596; Aubbrt, a. a. O. 8. 346).\nAuf der anderen Seite ist hier einer gelegentlichen Mitteilung Exkbrs (Pfl\u00fcgers Arch., 20, 1879, S. 614 f.) zu gedenken. Dieser Forscher berichtet, dafs er die Netzhaut durch Induktionsstr\u00f6me direkt gereizt und die Beizung so schwach gemacht habe, dafs eben ein Flimmern bemerkbar war. Hierauf habe er durch Druck auf den Augapfel Druckblindheit bewirkt. \u201eWenn das Auge l\u00e4ngst f\u00fcr \u00e4ufsere Objekte blind war, so erschien das Flimmern noch in unver\u00e4nderter Weise. Nach der Beizung wurde das Auge noch druckblind gefunden zum Beweise, dafs der Druck w\u00e4hrend der Dauer der Beizung nicht nachgelassen hatte.\" W\u00e4re diese Mitteilung etwas eingehender (wo waren die Elektroden angelegt?) und der Verdacht v\u00f6llig ausgeschlossen, dafs Stromesschleifen auf das andere, nicht gedr\u00fcckte Auge im Spiele gewesen seien, so w\u00fcrde sie von Bedeutung sein, n\u00e4mlich darauf hinweisen, dafs der elektrische Strom seine erregende Wirkung auf das Sehorgan nicht einer Einwirkung auf die Sehstoffe der lichtempfindlichen Netzhautschicht verdankt, sondern vielmehr dem Umstande, dafs er in dieser Schicht anderweite, von den vorhandenen Mengen der Sehstoffe unabh\u00e4ngige chemische Vorg\u00e4nge hervorruft, welche auf die Endigungen der nerv\u00f6sen Sehbahn erregend einzuwirken verm\u00f6gen. Ich selbst habe mich nicht entschliefsen k\u00f6nnen, meinem nicht ganz normalen, stark kurzsichtigen Auge eine Wiederholung dieses ExNERSchen Versuches zuzumuten, da es in der vorliegenden Litteratur nicht an Warnungen vor Versuchen \u00fcber Druckblindheit fehlt. Auf Grund meiner Beobachtungen kann ich nur behaupten, dafs es (insbesondere wegen der nicht scharfen Begrenzung und so zu sagen diffusen Natur der durch elektrische Beizung bewirkten Lichterscheinungen) nicht so einfach ist, wie es wohl zun\u00e4chst scheint, einen elektrischen Beiz so zu bemessen, dafs er ein eben merkbares Flimmern bewirkt. Da man sich ein solches Flimmern im dunkeln Sehfelde leicht einbilden kann, zuf\u00e4llige Erscheinungen des Eigenlichtes der Netzhaut, Wirkungen von Augenbewegungen u. dergl. leicht mit einem solchen Flimmern verwechseln kann, so mufs man den Beiz notwendig so bemessen, dafs das Flimmern nicht an der Grenze der Merkbarkeit liegt, sondern einen h\u00f6heren Grad von Deutlichkeit besitzt. Und es ist nat\u00fcrlich keineswegs ausgeschlossen, dafs eine Verringerung der Deutlichkeit des Flimmems, welche durch den Wegfall der Mitwirkung des einen Auges bedingt ist, ganz \u00fcbersehen werde. In der That stimmen die Angaben von L. Finkrl-8tein (Arch. f. Psychiatrie, 26, 1894, S. 875 ff.) mit obiger Aussage Exners keineswegs \u00fcberein. Finkelstein fand, dafs, wenn er neben der elektrischen Beizung des Auges zugleich einen starken Druck auf das letztere aus\u00fcbte, alsdann ein Zeitpunkt eintrat, wo die durch den elektrischen","page":364},{"file":"p0365.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\t365\nBeiz bewirkten Lichterscheinungen v\u00f6llig sch wanden\u00bb und dafs nach allm\u00e4hlicher Beseitigung jenes Druckes diese Lichterseheinungen sich zun\u00e4chst nur mit derjenigen Beschaffenheit wieder einstellten\u00bb welche sie sonst bei Benutzung einer geringeren Anzahl galvanischer Elemente\nbesafsen.\nAuch bei Versuchen, welche man an Individuen, denen ein Augapfel enukleiert ist\u00bb in der Weise anstellt, dafs man die eine Elektrode in den Orbitaltrichter, die andere an den Nacken setzt, kommen die Stromesschleifen auf das andere, noch erhaltene Auge sehr in Betracht. Die Thatsache, dafs unter solchen Umst\u00e4nden \u201e4\u20148 BuNSENsche Elemente der konstanten Batterie gen\u00fcgten, um bei Stromwendungen deutliche Lichtempfindungen hervorzurufen\u201c (Centralbk f, d. medic. Wiss. 1882, S. 4), kann an und f\u00fcr sich nichts beweisen, zumal da nach meinen Beobachtungen im allgemeinen viel geringere Stromst\u00e4rken gen\u00fcgen, um an normalen Individuen Lichterscheinungen hervorzurufen, wenn di\u00a9 \u00a9in\u00a9 Elektrode an den Nacken, die ander\u00a9 aber auf die Stirn oder gar auf ein Auge aufgesetzt ist.\nYelhagen (Arch. f. Augenhe\u00fckde., 27\u00bb 1893\u00bb S. 62 ff.) fand bei einer Anzahl von Kranken, bei denen die Funktion der Netzhaut stark herabgesetzt und zum Teil sogar f\u00fcr einen Bezirk des Sehfeldes ganz aufgehoben war\u00bb die F\u00e4higkeit des elektrischen Stromes, eine Blitzempfindung hervorzurufen, nicht merkbar verringert. In diesen Besultaten scheint uns keineswegs ein Beweis f\u00fcr die von Yelhagen vertretene (durch das im Eing\u00e4nge dieses Paragraphen Angef\u00fchrte v\u00f6llig ausgeschlossene) Annahme gegeben zu sein, dafs der Sehnerv das Organ sei, welches durch den elektrischen Strom direkt gereizt wird. Uns scheint die Annahme, dafs die Netzhaut letzteres Organ sei, vollkommen damit vereinbar zu sein, dafs Affektionen der Netzhaut, welche die Unterschiedsempfindlichkeit des Auges und die Sehsch\u00e4rfe stark herabsetzen oder gar die Funktion eines Teiles der Netzhaut v\u00f6llig aufheben, dennoch den Schwellenwert, bei welchem der elektrische Strom soeben eine Blitzempfindung bewirkt, nicht merkbar ver\u00e4ndern.1 Noch weniger scheint uns die andere von V klhaoen gefundene Thatsache\u00bb dafs bei Sehnervenatrophi\u00a9 dieser Schwellenwert stark erh\u00f6ht ist, etwas zu beweisen. Denn wenn der Sehnerv infolge von Atrophie auf di\u00a9 von der Netzhaut her auf ihn ausge\u00fcbten Beizungen schw\u00e4cher reagiert, muis selbstverst\u00e4ndlich auch der elektrische Strom ein\u00a9 gr\u00f6lser\u00a9 St\u00e4rk\u00a9 besitzen, um die Netzhaut in eine solche Erregung versetzen zu k\u00f6nnen, welche den Sehnerven in merkbarem Grade beeinfiufst.\nYelhagen selbst hat in einem Falle, wo der rechte Augapfel erst vor f\u00fcnf Tagen enukleiert worden war, gefunden, dafs zur Erweckung einer eben merkbaren Lichterscheinung bei Einf\u00fcgung der einen Elek-\n1 Es ist zu beachten, dafs bei den Versuchen von Velhagen die eine Elektrode auf die geschlossenen Lider, die andere auf den Nacken gesetzt war, so dafs ein hier oder da bestehender Gesichtsfelddefekt keinen Einfiufs auf den Schwellenwert des elektrischen Stromes ausza\u00fcben brauchte.","page":365},{"file":"p0366.txt","language":"de","ocr_de":"366\nG. K\ntrode in den rechten Orbitaltriohter eine siebenmal so grofse Stromst\u00e4rke erforderlich war, als dann, wenn dieselbe Elektrode auf das linke Auge aufgesetzt wurde. Ein solches Verhalten steht in schrofistem Widerspruche zu der von Velhaoex vertretenen Ansicht, dafs der Sehnerv das durch den elektrischen 8trom direkt gereizte Organ sei. Wenn Velhaoex (a. a. O. S. 69) meint, dafs in diesem Falle an der verringerten Reaktionsf\u00e4higkeit des rechten Sehnerven \u201edie ver\u00e4nderte Leitung, welche im Vergleich zu der ausgezeichneten Leitungsf\u00e4higkeit der Bulbi (Ziemssxx) eine schlechte genannt werden mufs\u201c, die Schuld trage, so entzieht sich diese Auslassung meinem physikalischen Verst\u00e4ndnisse. Offenbar mufste der Sehnerv in dem Falle, wo die eine Elektrode in den Orbitaltricht er eingef\u00fcgt und so in unmittelbare N\u00e4he des Sehnerven gebracht war, schon bei gleicher Stromst\u00e4rke von viel st\u00e4rkeren Stromschleifen getroffen werden als in dem anderen Falle, wo dieselbe Elektrode dem geschlossenen Auge aufgesetzt war. Trotzdem war im ersteren Falle eine viel gr\u00f6fsere Stromst\u00e4rke f\u00fcr die Erweckung einer eben merkbaren Blitzempfindung erforderlich als im zweiten!\nMan kann nun aber \u00fcberdies mit sehr grofser Berechtigung die Frage aufwerfen, ob \u00fcberhaupt die von Vblhaoen benutzten, der Universit\u00e4tsklinik und Poliklinik entnommenen Versuchspersonen von der Art waren, dafs mittelst derselben wissenschaftliche Fragen entschieden werden konnten. Velhaoex selbst berichtet (S. 63 f.) \u00fcber sein Material von Versuchspersonen, es sei von denselben bei Anwendung st\u00e4rkerer Str\u00f6me \u201eein Unterschied in der Extensit\u00e4t und Intensit\u00e4t der Erscheinung\u201c nicht angegeben worden. \u201eSchliefslich\u201c, bemerkt er weiterhin, \u201egab mir auch nichtein einziges der untersuchten Individuen spontan an, dafs \u2014 analog der Beschreibung von Helmholtz und anderen \u2014 ein Zentrum und Hof an der Figur zu erkennen sei, oder dafs dieselbe bei \u00d6ffnung und Schliefsung der Anode und Kathode ihre Farben und Helligkeit wechsele, w\u00e4hrend ich bei gleichen Versuchen an mir 9elbst diese Ph\u00e4nomene wahrnahm. Auch konnte ich nicht eine \u00c4nderung des Lichtbildes durch Reizung verschiedener Teile der Netzhaut bei meinen Kranken feststellen\u201c. Man ist wohl einigermafsen berechtigt, zu behaupten, dafs zur Entscheidung wissenschaftlicher Fragen auf diesem Gebiete solche Versuchspersonen nicht geeignet sind, welche festgestellter-maisen durch die h\u00f6chst auff\u00e4lligen \u00c4nderungen, welche die elektrische Lichterscheinung bei \u00d6ffnung des 8tromes, bei Vertauschung der Stromesrichtung, bei Erh\u00f6hung der Stromst\u00e4rke und bei \u00c4nderung der Eintrittsstelle des 8tromes erf\u00e4hrt, nicht im Mindesten ber\u00fchrt werden. Nat\u00fcrlich kann Velhaoex auch den Satz Brexxers, dafs die F\u00e4rbung des Lichtbildes \u201ebei den einzelnen Individuen eine durchaus verschiedene sei\u201c, nach seinen Untersuchungen \u201evollkommen best\u00e4tigen\u201c. Bei meinen eigenen Versuchen \u00fcber die galvanischen Gesichtsempfindungen bin ich sehr bald zu der stillen \u00dcberzeugung gekommen, dafs alle bisherigen Best\u00e4tigungen jenes BREXXERSchen Satzes ungef\u00e4hr so zu st\u00e4nde gekommen sein d\u00fcrften wie diese Best\u00e4tigung durch Velhaoex, der von den in Betracht kommenden Fehlerquellen und der Unthunlichkeit, die F\u00e4rbung der elektrischen Gesichtsempfindungen mittelst eines so erb\u00e4rmlichen","page":366},{"file":"p0367.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\t367\nMateriales you Versuchspersonen1 zu untersuchen, anscheinend keine\n.Ahnung besafs.\n\u00a7 5. Die Bedeutung der erhaltenen Resultate.\nWie in fr\u00fcheren Abhandlungen gezeigt, haben wir Grund anzunehmen, dafs die Empfindungen zweier Gegenfarben auf entgegengesetzten Netzhautprozessen und auf Nervenerregungen beruhen, zu deren Hervorrufung entgegengesetzte Kraftein* Wirkungen erforderlich sind. Bedenken wir nun weiter, dafs der galvanische Strom bei entgegengesetzter Stromesrichtung Jonen mit entgegengesetzter elektrischer Ladung an die f\u00fcr die galvanische Erregung des Sehorganes mafsgebenden Stellen f\u00fchrt, und dafs der galvanische Strom bei Durchstr\u00f6mung eines motorischen Nerven oder Muskels an der (physiologischen) Kathode und Anode entgegengesetzte Zust\u00e4nde setzt, so haben wir zu erwarten, dafs, wenn der galvanische Strom bei seiner Einwirkung auf die Netzhaut \u00fcberhaupt Gesichtsempfindungen bewirkt, alsdann den beiden Stromesrichtungen Empfindungen von Gegenfarben zugeh\u00f6ren. Dieser Erwartung entsprechen\n1 Velhagen berichtet, er habe nur diejenigen Kranken verwertet\u00bb \u201ewelche durch gleiche Angaben bei oft wiederholten Untersuchungen sich im Besitz einer gen\u00fcgenden Beobachtungsf\u00e4higkeit erwiesen\u201c, Leider waren die von Velhagih benutzten Versuchspersonen nach dem oben Angef\u00fchrten in ihren Angaben so konstant, dafs sie selbst dann, wenn die beobachteten Erscheinungen sich ganz wesentlich \u00e4nderten, bei ihren bisherigen Angaben blieben. Ich m\u00f6chte hier nochmals her* vorheben, dafs die (bei den Versuchen Velhagbns angestrebte) Bestimmung der Stromst\u00e4rke, bei welcher der Strom soeben eine Blitzempfindung bewirkt, f\u00fcr die Versuchsperson keineswegs eine sehr leichte Sache ist Es kommt Mer nicht blo\u00df der Umstand in Betracht, dafs man sehr schwache elektrische Blitzempfindungen sich unter Umst\u00e4nden einbilden oder mit anderen Gesichtsempfindungen, etwa subjektiver Art, Verh\u00e4ltnis* m\u00e4fsig leicht vertauschen kann, sondern vor allem auch der Umstand, dafs der elektrische Strom (wenigstens bei manchen Versuchspersonen) schon bei sehr geringen St\u00e4rkegraden noch anderweite, von Muskel* Kontraktionen oder Hautreizung herr\u00fchrende Empfindungen (eines \u201eZuckens im Auge\u201c) hervorruft, welche in das \u00c4uge verlegt werden. Es ist nun thats\u00e4chlich schon Mr Ge\u00fcbte (z. B. f\u00fcr mich selbst), ge\u00ab schweige denn f\u00fcr ganz minderwertige Versuchspersonen, gar nicht immer ganz leicht, sich dar\u00fcber v\u00f6llig klar zu werden, ob eine durch den Strom bewirkte, ganz schwache Empfindung von momentaner Dauer eine Blitzempfindung oder eine solche Empfindung anderweiten Ursprunges ge*.","page":367},{"file":"p0368.txt","language":"de","ocr_de":"die von uns erhaltenen Resultate. Es stellen also die letzteren eine Best\u00e4tigung der Theorie der Gegenfarben dar, und zwar nebenbei bemerkt eine solche, die ganz unabh\u00e4ngig davon ist, ob man den Angriffspunkt des galvanischen Stromes in die lichtempfindliche Netzhautschicht oder in irgend einen Teil der rein nerv\u00f6sen Sehbahn verlegt.1 Wie andere psychophysische Theorien der Gesichtsempfindungen das Verhalten der galvanischen Gesichtsempfindungen erkl\u00e4ren wollen, bleibt unerfindlich.\nEine tiefer eingehende theoretische Verwertung der er-haltenen Beobachtungsresultate ist bei dem gegenw\u00e4rtigen Stande unseres Wissens nicht m\u00f6glich. Insbesondere w\u00fcrde es zur Zeit auch verfr\u00fcht sein, in eine n\u00e4here Er\u00f6rterung der Thatsache einzutreten, dafs bei der galvanischen Reizung de6 Sehorganes gerade die Weifs-, Blau- und Rot-, bezw. die Schwarz-, Gelb- und Gr\u00fcnerregung in Verbindung mit einander auftreten.1\nWas die fr\u00fcher (S. 336 f.) erw\u00e4hnten individuellen Verschiedenheiten anbelangt, welche hinsichtlich der galvanischen Erregung des Sehorganes bestehen, so lassen sich dieselben, wie gesehen, zum Teil auf die individuellen Verschiedenheiten zu-\n1 In fr\u00fcheren Ausf\u00fchrungen {diese Zeitschr. 14, S. 67 ff.) habe ich die Ansicht geltend gemacht, dafs die Wirkung des galvanischen Stromes auf den motorischen Nerven darauf beruhe, dafs der Strom an der physiologischen Kathode und Anode entgegengesetzte St\u00f6rungen eines chemischen Gleichgewichtszustandes bewirkt. Mit dieser Ansicht steht es in einem sehr bemerkenswerten Einkl\u00e4nge, dafs, wie ich im Bisherigen zu zeigen versucht habe, die Erregung des Sehorganes durch den elektrischen Strom gleichfalls darauf beruht, dais der Strom das chemische Gleichgewicht zwischen entgegengesetzten Prozessen, n\u00e4mlich Netzhautprozessen (z. B. dem Weiisprozesse und dem Schwarzprozesse) st\u00f6rt, und zwar, je nachdem die physiologische Kathode oder Anode in die lichtempfindliche Netzhautschicht f\u00e4llt, dieses Gleichgewicht in dem einen oder in dem anderen, entgegengesetzten Sinne st\u00f6rt.\n* Diese Verkn\u00fcpfungen von je drei Erregungen haben nach der vom mir vertretenen Modifikation der Theorie der Gegenfarben nichts Befremdliches, entsprechen aber, wie leicht ersichtlich, nicht demjenigen, was nach Hsbinos Lehre, dafs Gr\u00fcn, Blau und Schwarz als Assimilations\u00bb f\u00e4rben und Rot, Gelb und Weifs als Dissimilationsfarben zusammengeh\u00f6ren, zu erwarten ist oder mindestens zu erwarten sein w\u00fcrde, wenn man den Angriffspunkt des galvanischen Stromes in die nerv\u00f6se Leitungsbahn hinein verlegen w\u00fcrde.","page":368},{"file":"p0369.txt","language":"de","ocr_de":"\u00ab \u00ab\nUber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\n369\nr\u00fcckf\u00fchren, welche hinsichtlich der Erregbarkeiten der drei optischen Spezialsinne bestehen. Soweit die individuellen Verschiedenheiten eine solche Zur\u00fcckf\u00fchrung nicht zulassen, hat man sich dessen zu erinnern, dafs bereits anderweite That-sachen (z. B. der Unterschied der normalen und anomalen tetrachromatischen Systeme) zu der Auffassung f\u00fchren, dafs die chemische Zusammensetzung der lichtempfindlichen Netzhautschicht nicht bei allen farbent\u00fcchtigen Individuen dieselbe ist, sondern infolge der Beimengung gewisser Nebenstoffe oder infolge eines verschiedenen Prozentgehaltes an solchen Nebenstoffen mehr oder weniger grofse Verschiedenheiten zeigt.1 Vom Standpunkte dieser Auffassung aus (nach welcher also z. B. auch di\u00a9 am galvanischen Strome direkt beteiligten Jonenarten in den Netzh\u00e4uten verschiedener Individuen zum Teil oder hinsichtlich ihrer Mengenverh\u00e4ltnisse verschieden sein k\u00f6nnen) w\u00fcrden sich noch ganz andere individuale Verschiedenheiten, als wir thats\u00e4chlich beobachtet haben, begreifen lassen.\n\u00a7 6. Beil\u00e4ufiges. Burch Dunkeladaptation wird die Wirkung des elektrischen Stromes auf das Sehorgan nicht merkbar beeinflufst.\nDa man bei Untersuchungen \u00fcber die galvanischen Ge-sichtsempfindungen die Versuchspersonen nicht so viel, wie bei anderen, weniger unangenehmen Versuchen, in Anspruch nehmen kann, so mufs man sich bei derartigen Untersuchungen notgedrungen ein enger begrenztes Ziel stecken. Demgem\u00e4fs habe ich bei meinen Untersuchungen von allen denjenigen Fragen und Punkten ganz abgesehen, deren Erledigung f\u00fcr die Beantwortung meiner Hauptfrage, ob die Beschaffenheit der galvanischen Gesichtsempfindungen den nach der Theorie der Gegenfarben zu hegenden Erwartungen entspreche, nicht unbedingt erforderlich war. Zu diesen Punkten geh\u00f6rt z. B. die Art und Weise, wie sich die durch den galvanischen Strom bewirkte F\u00e4rbung und Helligkeits\u00e4nderung je nach der Art der Zuleitung des Stromes (Form, Gr\u00f6fse und Aufsetzungsstelle der Elektroden) auf die verschiedenen Bezirke des Sehfeldes verteilt und unter Umst\u00e4nden in denjenigen Partien des Sehfeldes,\n1 Man vergleiche das in dieser Zeitschr. 14, S. 188 von mir Bemerkte.\nZeitschrift f\u00fcr P\u00bbjoholo&ie XIV.\t24","page":369},{"file":"p0370.txt","language":"de","ocr_de":"370\nwelche der Gegend des blinden Fleckes oder anderen Netzhaut-steilen entsprechen, Besonderheiten wahrnehmen l\u00e4fst.1 Ferner geh\u00f6rt dahin auch der n\u00e4here zeitliche Verlauf der galvanischen Gesichtsempfindungen in seiner Abh\u00e4ngigkeit von verschiedenen Faktoren.* * Wie uns scheint, d\u00fcrften sich einzelne dieser besonderen Punkte ohne eine n\u00e4here Kenntnis davon, welche vasomotorischen Wirkungen der galvanische Strom in der Netzhaut hat, nicht in recht befriedigender Weise er\u00f6rtern lassen.\nNur die Beantwortung einer Frage, welche in keiner unmittelbaren Beziehung zu meiner oben erw\u00e4hnten Hauptaufgabe steht, habe ich mir noch angelegen sein lassen, n\u00e4mlich die\n1 Selbstverst\u00e4ndlich sind derartige Besonderheiten auch bei meinen Versuchen hervorgetreten ; nur habe ich dieselben eben nicht n\u00e4her verfolgt und deshalb auch nicht weiter erw\u00e4hnt. Bei Anwendung der fr\u00fcher, erw\u00e4hnten brillenartigen Elektrode beobachteten die einen Personen eine ziemlich gleichf\u00f6rmige F\u00e4rbung im Sehfelde, andere aber nahmen Verschiedenheiten der F\u00e4rbung und Helligkeit im Sehfelde wahr. Auch \u00e4hnliche Ungleichf\u00f6rmigkeiten im Sehfelde des galvanisch durchstr\u00f6mten Auges, wie Purkinje (a. a. O. S. 36 f.) in Beziehung auf sich selbst beschrieben hat, sind bei meinen Versuchen gelegentlich beobachtet worden. Nicht unerw\u00e4hnt lassen m\u00f6chte ich die eigent\u00fcmliche Thatsache, dafs bei sehr hoher St\u00e4rke des absteigenden Stromes in dem gr\u00fcngelblichen, dunklen Sehfelde (wenigstens bei manchen Versuchspersonen) verstreute bl\u00e4uliche oder violette Sterne auftreten.\n* Wie hier nebenbei bemerkt werden mag, ist bei einer Untersuchung des zeitlichen Verlaufes der galvanischen Gesichtsempfindungen der schon fr\u00fcher (S. 347) erw\u00e4hnte Einflufs der negativen Nachwirkung des Schliefsung8blitzes wohl zu ber\u00fccksichtigen, bezw. zu eliminieren.\nEinigermafsen befremdend sind gewisse auf den zeitlichen Verlauf der galvanischen Gesichtsempfindungen bez\u00fcgliche Ausf\u00f6hrungen von Schwarz (a. a. 0. S. 602). Nach denselben soll bei auf steigendem Strome die blaue oder violette Hellempfindung nur so lange andauem, bis der Katelektrotonus der durch den galvanischen Strom erregbaren Netzhautelemente sein Maximum erreicht. Ebenso dauere bei absteigendem Strome das Verdunkeltsein des Gesichtsfeldes nur so lange an, bis der Anelektrotonus jener Netzhautelemente sein Maximum erreicht habe. \u201eDurch innere Polarisation\u201c, f\u00e4hrt Schwarz fort, \u201enehmen Katelektrotonus und Anelektrotonus nach Erreichung eines Maximums w\u00e4hrend der Stromdauer wieder ab. Abnahme des Katelektrotonus in den galvanisch erregbaren Elementen bewirkt.... Verschwinden der galvanischen Lichterscheinungen, Abnahme des Anelektrotonus \u2014 was gleichbedeutend ist mit einem infolge Polarisation neu auftretenden Katelektrotonus \u2014 wirkt als, wenn auch schwache, Erregung und erhellt dadurch wieder das vorher dunkler gewordene Gesichtsfeld, und zwar\n","page":370},{"file":"p0371.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\n371\nBeantwortung der Frage, ob die Wirkung des elektrischen Stromes auf das Sehorgan durch die Dunkeladaptation eine \u00e4hnliche Beeinflussung erfahre wie die Wirkung der Lichtreize. Wie K\u00fchne {Hermanns Handb. d. Physiol, 3. 1. S. 298) hervorhebt, sind alle elektrischen Einwirkungen am \u00c4uge lebender Tiere ohne jeden Einfiufs auf den Sehpurpur. Andererseits ist in der letzten Zeit von verschiedenen Seiten her mit Nachdruck die Ansicht vertreten worden, daJfe die eigent\u00fcmliche Wirkung der Dunkeladaptation im Wesentlichen auf einer Anh\u00e4ufung von Sehpurpur beruhe (man vergleiche hierzu diese Zeitschrift9 14. S. 161 ff.). Ist also letztere Ansicht richtig, so darf die Dunkel-\nmit gr\u00fcnlich-gelbem .... Schimmer.\u201c Nach dieser Auslassung k\u00f6nnte es Schemen, als ob bei absteigendem Strome die gr\u00fcnlich-gelbe F\u00e4rbung nicht von Anbeginn an, sondern nur als eine erst nach einer gewissen Stromdauer sich entwickelnde, sekund\u00e4re Erscheinung vorhanden sei Einer solchen Behauptung mufs ich auf Grund meiner Versuche auf das Allerentschiedenste widersprechen. Die gr\u00fcngelbe F\u00e4rbung bei absteigendem Strome verh\u00e4lt sich nicht anders als die violette F\u00e4rbung bei aufsteigendem Strome. Beide F\u00e4rbungen sind, soweit nicht die negative Nachwirkung des Schliefsungsblitzes st\u00f6rend wirkt (war diese Fehlerquelle bei den Versuchen von Schwarz gen\u00fcgend vermieden?), von Anbeginn der Stromdauer an vorhanden, und kommen, wie erw\u00e4hnt, selbst den beiden Schliefsungsblitzen zu, wenn auch nicht bei allen Versuchspersonen in merkbarem Grade. Schwarz selbst erkl\u00e4rt sich im Sinne des soeben von mir Bemerkten, wenn er an einer anderen Stelle (S. 597) sagt, dafs bei absteigendem Strome sich die Erscheinungen \u201enach Helligkeit und Farbe\u201c im allgemeinen umgekehrt verhielten wie bei aufsteigendem Strome. Wo bei aufsteigendem Strome blaue Helligkeit herrsche, finde sich bei absteigendem Strome ein schwach gr\u00fcnlich erscheinendes Dunkel.\nWenn Schwarz in der obigen Auslassung behauptet, dais Abnahme des Anelektrotonus wie ein neu eintretender Katelektrotonus erregend wirke und auf diesem, Wege das vorher dunkel gewordene Gesichtsfeld mit einem gr\u00fcnlichgelben Schimmer aufhelle, so ist, ganz abgesehen davon, dais von einer erregenden Wirkung einer nur allm\u00e4hlichen Abnahme des Anelektrotonus sonst nichts bekannt ist, daran zu erinnern, dafs aueb nach der eigenen Darstellung von Schwarz ein neu auftretender Katelektrotonus das Gesichtsfeld nicht mit einem gr\u00fcngelben, sondern mit einem violetten Schimmer aufhellt. Ferner ist nicht einzusehen, weshalb eine Abnahme des Katelektrotonus nicht wie ein neu auf tretender Anelektrotonus wirken soll, wenn eine Abnahme des Anelektrotonus sich wie ein neu auftretender Katelektrotonus geltend machen soll. Endlich erhebt sich die Frage, ob Schwarz die gr\u00fcngelbe F\u00e4rbung, wenn sie bei \u00d6ffnung eines aufsteigenden Stromes auf tritt, gleichfalls auf einen abnehmenden Anelektrotonus zur\u00fcckf\u00fchren will.\n24*","page":371},{"file":"p0372.txt","language":"de","ocr_de":"372\nadaptation die Wirkungen, welche der elektrische Strom im Auge hat, nicht in merkbarer Weise beeinflussen.\nDie Hauptschwierigkeit bei den Versuchen, welche ich zur Entscheidung der obigen Frage anstellte, entsprang aus dem schon fr\u00fcher (S. 364, 367) hervorgehobenen Umstande, dafs es eine ziemlich mifsliche Sache ist, mit Sicherheit den Punkt zu bestimmen, wo ein das Sehorgan treffender elektrischer Stromstofs oder Stromschluf8 noch soeben eine Lichterscheinung hervorrufb. Da die Schwierigkeit nicht geringer, sondern noch gr\u00f6fser ist, wenn man mit einem tetanisierenden Beize operiert oder sich auf eine Vergleichung der Eindringlichkeit oder Helligkeit \u00fcbermerklicher Lichtblitze st\u00fctzen will, so entschlo\u00df ich mich schliefslich f\u00fcr folgendes Verfahren. In den Stromkreis, welcher durch die (stets verschlossenen) Angen der Versuchsperson f\u00fchrte, war ein jAQUBTsohes graphisches Chronometer eingeschaltet, welches so eingestellt war, dafs es alle Sekunden einen kurzen Stromschlufs bewirkte. Die Versuchsperson wurde nun dahin instruiert, stets aufzumerken, ob sie f\u00fcnf hintereinander mit dem Intervalle einer Sekunde folgende Lichterscheinungen gerade noch wahmehmen und z\u00e4hlen k\u00f6nne.1 Der Punkt, wo das Z\u00e4hlen von f\u00fcnf einander unmittelbar folgenden Lichterscheinungen eben noch m\u00f6glich, und der Punkt, wo dasselbe eben nicht mehr m\u00f6glich war, wurde durch allm\u00e4hliche Abschw\u00e4chung, bezw. Verst\u00e4rkung der Stromst\u00e4rke je zweimal ermittelt und das Mittel aus diesen zur H\u00e4lfte von oben her und zur H\u00e4lfte von unten her gewonnenen vier Bestimmungen genommen. Da die Versuche die Aufmerksamkeit der Versuchsperson sehr anstrengen, so d\u00fcrfte man durch eine\n1 Der Vorteil dieses Verfahrens beruht darauf, dafs es \u00e4uiserst unwahrscheinlich ist, dafs die Versuchsperson f\u00fcnfmal hintereinander, und zwar mit bestimmtem Zeitintervalle, eine beliebige subjektive Lichtempfindung mit einer durch den elektrischen Reiz bewirkten Licht-erscheinung verwechsele. Da manche Individuen, wie schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt, bei solchen Intensit\u00e4ten der Stromst\u00f6fse, bei denen sie eine Lichterscheinung noch nicht wahrnehmen, bereits ein Muskelkontraktionen oder Hautreizungen entstammendes, in das Auge verlegtes \u201eZucken\u201c versp\u00fcren, so sind die Versuchspersonen scharf dahin zu instruieren, dafs es sich bei diesen Versuchen um ein Wahmehmen und Z\u00e4hlen der durch die elektrische Reizung bewirkten Lichtersoheinungen handele. Auch auf eine m\u00f6glichst gleiche Stellung der Augen bei den einzelnen Reizversuchen ist nat\u00fcrlich zu halten.","page":372},{"file":"p0373.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen.\n373\nl\u00e4ngere Fortsetzung derselben di\u00a9 Genauigkeit der Endresultate schwerlich steigern. Zuerst wurde der erw\u00e4hnt\u00a9 Schwellenwert bei helladaptiertem Auge bestimmt, dann bei dunkeladaptiertem \u00c4ug\u00a9 nach halbst\u00fcndigem Aufenthalte im Dunkelzimmer, hierauf nochmals bei helladaptiertem Auge. Der Strom wurde durch eine unmittelbar oberhalb der Nasenwurzel auf die Stirn aufgesetzt\u00a9 und durch eine dem Nacken angedr\u00fcckte Elektrode zugeleitet und war stets im Sehorgane aufsteigend. Versuchspersonen waren die Herren V. Henri, Jost, Pilzecker, meine Frau (K.) und ich selbst. Die nachstehend\u00a9 Tabelle giebt den Durchschnittswert des Widerstandes an, dessen Vorhandensein in der Leitung bei konstanter Stromquelle (3\u20148 Meidinger-element\u00a9) der Erreichung des angegebenen Schwellenwertes entsprach.\nVcrflucha- person\tZahl der Elemente\tWiderstand hei Helladaptation\tWiderstand hei Dunkel* adaptation\nH\t3\t5700\t3400\nJ\t3\t4600\t3900\nP\t4\t8200\t3100\nK\t8\t5800\t5800\nM\t6\t4200\t3700\nObwohl die hier angebenen Resultat\u00a91 nur auf geringe Genauigkeit Anspruch erheben k\u00f6nnen, so zeigen dieselben doch mit Sicherheit, dafs die Dunkeladaptation auf die Wirkung des elektrischen Stromes einen f\u00f6rderlichen Einflufs nicht aus\u00fcbt. Die der Erreichung des genannten Schwellenwertes entsprechenden Widerst\u00e4nde sind, abgesehen von der Versuchsperson K., bei der Helladaptation durchschnittlich sogar gr\u00f6fser (mithin die zugeh\u00f6rigen Stromst\u00e4rken schw\u00e4cher) als bei der Dunkeladaptation. Stellt man den Versuch einfach in der Weise an, dafs man f\u00fcr das Hellauge die eben merkbare Stromst\u00e4rke ermittelt und dann nach vollzogener Dunkeladaptation\n1 Die f\u00fcr H. und M. angegebenen Resultate sind Mittelwerte von zwei Versucbstagen, beruhen also auf 16 Einzelbestimmungen des Schwellenwertes f\u00fcr die Helladaptation und 8 Einzelbestimmungen desselben f\u00fcr die Dunkeladaptation.","page":373},{"file":"p0374.txt","language":"de","ocr_de":"374\nG. E. M\u00fcller.\ndieselbe Stromst\u00e4rke wieder wirken l\u00e4fst, so ruft letztere im Dunkelauge in der Regel eine merkbare Lichterscheinung nicht hervor.\nWie die Tabelle zeigt, war bei K. ffir die Bewirkung eines eben merkbaren Lichtblitzes eine deutlich h\u00f6here Stromst\u00e4rke (8 Elemente) erforderlich als bei den \u00fcbrigen Versuchspersonen. Dieses Verhalten erkl\u00e4rt sich leicht aus dem fr\u00fcher (S. 337) erw\u00e4hnten Umst\u00e4nde, dafs bei K. die Wirkung des Stromes auf den Weifsschwarzsinn viel geringer ist, als der Norm entspricht.\nAn H. und P. habe ich auch noch 'die Intensit\u00e4t bestimmt, welche der elektrische Strom einerseits bei Hell- und andererseits bei Dunkeladaptation besitzen mufste, damit die F\u00e4rbung der durch den Strom erweckten Empfindung eben erkennbar war. Diese Versuche ergaben gleichfalls die Bedeutungslosigkeit der Dunkeladaptation f\u00fcr die Wirkung des elektrischen Stromes. Die Annahme, dafs die Dunkeladaptation auf einer Anh\u00e4ufung des f\u00fcr elektrische Reize unempf\u00e4nglichen Sehpurpurs beruhe, hat mithin eine sehr wesentliche Best\u00e4tigung erfahren.","page":374}],"identifier":"lit30157","issued":"1897","language":"de","pages":"329-374","startpages":"329","title":"\u00dcber die galvanischen Gesichtsempfindungen","type":"Journal Article","volume":"14"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:34:09.406043+00:00"}