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{"created":"2022-01-31T12:32:24.288995+00:00","id":"lit30159","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Hilbert, Richard","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 14: 381-384","fulltext":[{"file":"p0381.txt","language":"de","ocr_de":"4\n\u00dcber das Sehen farbiger Flecke als subjektive\nGesichtserscheinung.\nVon\nDr. Bichard Hilbert in Sensburg.\nDas subjektiv\u00ab Auftreten farbiger Flecke im Gesichtsfelde gewisser Individuen bei krankhaften Ver\u00e4nderungen des Sehorgans ist in der Pathologie bekannt. Indessen ist aber diese Erscheinung offenbar sehr selten, da nur sehr wenige solche F\u00e4lle in der Litteratur zu finden sind. (F\u00e4lle von Farbensehen, in denen das ganze Gesichtsfeld mit einer Farbe ausgefullt erscheint, sogenannte Chromatopien, sind hingegen sehr oft beobachtet und beschrieben worden.) Die in der ophthalmo-logischen und physiologischen Litteratur beschriebenen hierher geh\u00f6renden vier F\u00e4lle sind folgende:\n1. Szokalski.1 (Betreffend Herrn Savigny, Mitglied der franz\u00f6sischen Akademie der Wissenschaften.) Dieser Fall verdient seiner Merkw\u00fcrdigkeit wegen w\u00f6rtlich angef\u00fchrt zu werden: \u201eEr sieht von Zeit zu Zeit helle Flecken vor den Augen, die 6\u201410 Zoll im Durchmesser und bald eine geradlinige, bald eine zackige oder krummlinige Begrenzung haben. Manche davon erscheinen mit dem Glanze weifser seidener Stoffe, die bald mit einem goldgelben, bald mit einem s\u00fcber-weifsen Bande versehen sind; andere sind gelb, orangefarbig, rot oder schwarz und haben die vorhin beschriebene Einfassung; wieder andere sind aus farbigen, konzentrischen Zonen .zusammengesetzt, mit wellenf\u00f6rmigen B\u00e4ndern umgeben und mit\n1 Szokalski, \u00dcber die Empfindungen der Farben in physiologischer und pathologischer Hinsicht. Giefsen 1842. S. 186.","page":381},{"file":"p0382.txt","language":"de","ocr_de":"382\nfeinen schwarzen Strichen schattiert. Diese Erscheinungen sind von einer solchen Feinheit, Eleganz und von einem solchen Glanze, dafs die Kunst schwerlich im st\u00e4nde w\u00e4re, sie nachzuahmen. Die gr\u00f6lsten und sch\u00f6nsten Phosphene erschienen gew\u00f6hnlich auf der Marginalgegend des Sehfeldes.a\n2.\tSzokalski. 1 Derselbe Autor beschreibt noch einen zweiten Fall, in welchem bei einem an Glaukom leidenden Herrn ein blaues zentrales Skotom auftrat.\n3.\tWilliam8.8 Bei einem Manne, dem infolge von Verletzung durch Stahlsplitter das linke Auge erblindet war, traten auf dem rechten Auge Beschwerden auf, die offenbar als sympathische zu deuten sind. Das Auge schmerzte, die Sehsch\u00e4rfe sank bis auf l * */i der normalen und das ganze Gesichtsfeld erschien ihm, nicht in gleichm\u00e4fsigen Feldern, sondern in unregelm\u00e4fsiger Weise, mit zahlreichen verschieden grofsen und verschieden gestalteten gr\u00fcnen Flecken erf\u00fcllt.\nWie lange der betreffende Zustand dauerte, ist leider in keinem obiger drei F\u00e4lle genau angegeben.\n4.\tHilbebt.5 Betrifft eine 36j\u00e4hrige Frau mit nicht syphilitischer Chorioiditis disseminata. Es bestand, nach auisen vom Fixierpunkt belegen, ein grell gelbrotes Skotom, das von der Frau auf jede weifse oder farbige Fl\u00e4che projiziert werden konnte. Dasselbe bestand 24 Tage, wurde dann grau und l\u00f6ste sich allm\u00e4hlich auf.\nDie in obigen Zeilen beschriebenen subjektiven Farbenerscheinungen betreffen s\u00e4mtlich Individuen mit erkrankten Sehorganen. Farbensehen in fleckiger Verteilung bei gesundem Sehorgan und unabh\u00e4ngig von Blendung oder anderweitiger Reizung der Retina beschrieb zuerst K\u00f6nig4 (Selbstbeobachtung). Die Erscheinung zeigte sich beim Erwachen in einem halb-dunkeln Zimmer vor dem \u00d6ffnen der Lider. Das Gesichtsfeld erschien mit regelm\u00e4fsigen Sechsecken angefullt, die durch\n1 Szokalski, Ibid. S. 164.\n* Williams, Partial cbromopsie. Green vision in spots. St Louis Med. and Surg. Journal. LV. 3. S. 168.\n9 Hilbebt, \u00dcber das Sehen farbiger Flecken. Klm. MonatsbL f. Augenhe\u00fckde. 1895. Aprilheft.\n4 Abthub K\u00f6nig, Eine bisher noch nicht bekannte subjektive Gesichtserscheinung. v. Gr\u00e4fes Arch. XXX. 3. S. 329; und v. Helmholts,\nHandbuch d. physiol Optik. II. Aufl. S. 569.","page":382},{"file":"p0383.txt","language":"de","ocr_de":"\u00dcber das Sehen farbiger Flecke als subjektive Gesichtserscheinung.\t383\nschwarze Linien voneinander abgegrenzt waren. Die Farbe der Sechsecke war blan, oben und rechts breit gelb ges\u00e4umt, dazu im Zentrum je ein schwarzer Fleck. Nach der Peripherie des Gesichtsfeldes hin wurde die Zeichnung verschwommen. (Siebe die Abbildung in v. Helmholtz^ Physiol Optik. Taf. II. Fig. 3.)\nIm Monat Dezember vorigen Jahres, bald nach dem ersten Schneefall, war ich nun in der Lage, ebenfalls an mir selbst, folgende Beobachtung zu machen: Bei einer Fahrt \u00fcber Land in offenem Wagen schlofs ich zuf\u00e4lliger Weise die Augen. Kaum war dieses geschehen, da sah ich zu meiner \u00dcberraschung das ganze Gesichtsfeld mit Ausnahme der \u00e4ufsersten Peripherie mit zahlreichen, zackig-sternf\u00f6rmigen Flecken von rubinroter Farbe und einem scheinbaren Durchmesser von etwa 1,5 mm bedeckt, eine Farbe, die nach 2\u20143 Sekunden um so gl\u00e4nzender hervortrat, als sich nach dieser Zeit der anfangs schwarze Hintergrund pl\u00f6tzlich dunkelgr\u00fcn f\u00e4rbte. Diese roten zackigen Sterne waren in der Weise in Reihen angeordnet, dafs die einzelnen Reihen dieselben Abst\u00e4nde voneinander hatten (scheinbar ca. 3 mm), wie sie von einem roten Stern zum anderen bestanden. Aufserdem war die Anordnung noch so getroffen, dafs die Sterne der einen Reihe immer \u00fcber die Halbierungspunkte der Sternabst\u00e4nde der folgenden Reihe zu liegen kamen. (Quincunx \u2019 ). Als ich nach einigen Sekunden die Augen wieder \u00f6ffnete, war die Erscheinung verschwunden und ich war auch nicht mehr im st\u00e4nde, sie noch einmal hervorzurufen, so viel M\u00fche ich mir auch gab. Dabei war der Himmel stark und gleichm\u00e4fsig bew\u00f6lkt, von einem blendenden Schneelicht mithin nicht die Rede. Zeit 2 Uhr nachmittags.\nAuch sp\u00e4ter ist es mir nicht mehr gelungen, die Erscheinung noch einmal zu sehen.\nDas Sehen von farbigen Figuren bei Kranken und Gesunden unterscheidet sich also, wie es scheint, erstens dadurch, dafs die Farbenerscheinungen bei Kranken in unregelm\u00e4fsigen Konfigurationen auftreten, w\u00e4hrend sie bei Gesunden eine regelm\u00e4fsig-geometrische Anordnung zeigen; zweitens dadurch, dafs sie bei Kranken eine l\u00e4ngere, oft wochenlange Dauer haben, w\u00e4hrend sie bei Gesunden von sehr fl\u00fcchtiger Natur zu sein scheinen. Betonen will ich aber in jedem Fall, dafs eventuell beide Erscheinungen verschiedenen Ursprunges und ver-","page":383},{"file":"p0384.txt","language":"de","ocr_de":"384\nschiedener Bedeutung sein k\u00f6nnen, und dais die Sacke zur Zeit nooh durchaus nicht spruchreif ist. Dafs diesen Farbenerscheinungen etwa anatomisch pr\u00e4formierte Elemente zu Grunde liegen, ist zweifelhaft, sogar unwahrscheinlich (z. B. in Bezug auf das retinale Pigmentepithel, wie es auch bereits von K\u00f6nig 1. c. in Abrede gestellt wird). Es ist auch nicht leicht zu entscheiden, ob die beschriebenen subjektiven Empfindungen peripheren oder zentralen Ursprunges sind. Jedenfalls ist es vorl\u00e4ufig noch notwendig, das bis jetzt so \u00e4ufserst d\u00fcrftige Beobachtungsmaterial erheblich zu vermehren, um auch nur mit einiger Sicherheit zu entscheiden, wohin der Entstehungs-Ort dieser Farbenempfindungen zu verlegen ist, und in welcher Weise die ganze Erscheinung \u00fcberhaupt zu st\u00e4nde kommt, re8p. zu erkl\u00e4ren ist.","page":384}],"identifier":"lit30159","issued":"1897","language":"de","pages":"381-384","startpages":"381","title":"\u00dcber das Sehen farbiger Flecke als subjektive Gesichtserscheinung","type":"Journal Article","volume":"14"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:32:24.289004+00:00"}