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{"created":"2022-01-31T12:29:39.544098+00:00","id":"lit30199","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Axenfeld, Theodor","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 15: 71-81","fulltext":[{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus der Universit\u00e4ts-Augenklinik in Breslau.)\n\u00dcber den Brechungswert der Hornhaut und der Linse\nbeim Neugeborenen\nnebst Bemerkungen \u00fcber Ophthalmometrie\nan Leichenaugen.\nVon\nDr. med. Theodor Axeneeld,\nPrivatdozent der Augenheilkunde in Breslau.\nDie umfangreichen Untersuchungen von Cohn, Elt, Horstmann, Koeniostein, Schleich, Ulrich, Bjerr\u00fcm, Germann und Herrnheiser1 haben \u00fcbereinstimmend die Thatsache festgestellt, dafs der Brechungszustand des neugeborenen Auges mit seltenen Ausnahmen ein hyperopischer ist, nicht, wie yon Jaeger anf\u00e4nglich zu finden glaubte, ein kurzsichtiger. So fand z. B. Koenigstein 98% Hyperopie, 2% Emmetropie, und Herrnheiser, dessen Angaben sich auf nicht weniger als 1900 ophthalmoskopisch bestimmte S\u00e4uglinge im Alter von 8\u201414 Tagen beziehen, fand s\u00e4mtliche Augen hypermetropisch mit Ausnahme eines einzigen Kindes, welches auffallend grofse, vorstehende Augen und dementsprechend eine Myopie hatte.\nDer Grund dieser allgemeinen Hyperopie liegt offenbar an der K\u00fcrze der Augenaxe.\nAber wenn wir versuchen, den Grad der Befraktions-anomalie in Beziehung zu setzen zu dem anatomischen Mafs des neugeborenen Auges, so ergiebt sich anscheinend eine auffallende Disharmonie.\n1 Die Mefraktionsentwickelung des menschlichen Auges. Prag 1894. Siehe hier das Litteraturverzeichnis.","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nTheodor Axenfeld.\nNach der Zusammenstellung Herrnheisers, welche wir unseren weiteren Betrachtungen zu Grunde legen wollen, betrug im Mittel der Grad der Hyperopie 2,3 Z); genauer bezeichnet, bestand eine Hyeropie von\n1.0\tD bei 29,25%,\n2.0\t\u201e\t\u201e\t35,75\t\u201e\n3.0\t\u201e\t\u201e\t16,11\t\u201e\n4.0\t\u201e\t\u201e\t13,07\t\u201e\nB\u00bb\u00b0\tV\tV\t3\u201976\t\u00ab\n6.0\t\u201e n\tn\nder untersuchten neugeborenen Kinder.\nDie anatomischen Mafse des neugeborenen Auges sind zu finden in den Arbeiten von F. Meekel und W. Oer1 sowie von Diekmann,2 3 in welchen die Topographie und die eigent\u00fcmlichen Proportionen des Bulbus nach der Geburt eingehend beschrieben werden.3 Danach betr\u00e4gt die \u00e4ufsere Augenaxe (Hornhautscheitel bis Hinterfi\u00e4che der Sklera) beim ausgewachsenen Neugeborenen durchschnittlich 17,5 mm. Ziehen wir hiervon die Dicke der -Sklera und Chorioidea ab = 1,1 mm, so liegt die Neuroepithelschicht der Netzhaut im Durchschnitt 16,4 mm hinter dem Hornhautscheitel.\nWir m\u00fcssen allerdings ber\u00fccksichtigen, dafs diese Mafse am herausgenommenen Auge gewonnen sind, und dafs die leichte Herabsetzung der intraokularen Spannung, welche bei ganz frischtoten Augen schon vorhanden ist, infolge der Kontraktilit\u00e4t der vorher etwas gespannteren Augenh\u00e4ute den Durchmesser ein wenig zu klein erscheinen lassen wird. Da aber die Mafse f\u00fcr das erwachsene Auge, welches wir nun mit dem neugeborenen vergleichen m\u00fcssen, in ebenderselben Weise aufgenommen sind, so l\u00e4fst sich dieser Fehler ohne grofsen Schaden vernachl\u00e4ssigen, obwohl die gr\u00f6fsere Elastizit\u00e4t der neugeborenen Augenh\u00e4ute, wie sie besonders in der DiEKMANNschen Arbeit\n1\tAnatomische Hefte von Meekel und Bonnet. Wiesbaden 1892.\n2\tBeitr\u00e4ge zur Anatomie und Physiologie des neugeborenen Auges. Diss. Marburg 1896.\n3\tBesonders merkw\u00fcrdig ist, dafs die Fovea centralis der Macula lutea erheblich temporalw\u00e4rts von der Mittellinie liegt, so dafs der Neugeborene zur Paralletit\u00e4t der Sehaxen erheblich divergent einstellen m\u00fcfste.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Brechungsw er t der Hornhaut und der Linse beim Neugeborenen. 73\nbetont wird, auch zu einer relativ etwas kleineren Axe f\u00fchren wird.\nIm schematischen Auge des Erwachsenen, welches bez\u00fcglich seiner Dimensionen dem Mittelwert der anatomischen Messungen entspricht,1 betr\u00e4gt nun die \u00e4ufsere sagittale Augen-axe 24,3 mm; ziehen wir wieder die Dicke der Sklera und Chorioidea = 1,1 mm ab, so bleibt beim Erwachsenen eine Entfernung der Neuroepithelien vom Hornhautscheitel von 23,2 mm.\nEs stehen mit anderen Worten die St\u00e4bchen und Zapfen beim Neugeborenen durchschnittlich 6,8 mm vor denjenigen des Erwachsenen. Nat\u00fcrlich pafst diese Zahl nicht genau auf jeden einzelnen Fall, da nicht unerhebliche physiologische Schwankungen Vorkommen, besonders beim Neugeborenen. Aber sie giebt uns ein ungef\u00e4hres Bild der Differenz und kann als Grundlage unserer Berechnungen dienen.\nWir sind gewohnt, jede \u00c4nderung der Axenl\u00e4nge durch eine \u00c4nderung auch der ophthalmoskopischen (und funktionellen) Refraktion f\u00fcr die Retina zu erkennen, und zwar eine Verk\u00fcrzung im Sinne einer Abnahme, eine Verl\u00e4ngerung im Sinne einer Zunahme, vorausgesetzt, dafs der Wert der brechenden Medien eine konstante Gr\u00f6fse ist, wie dies im Auge des Erwachsenen bekanntlich als Regel gilt.\nAngenommen nun, dafs der Refraktionswert der brechenden Medien beim Neugeborenen der gleiche w\u00e4re, wie beim Erwachsenen, so w\u00fcrde die genannte AxenVerk\u00fcrzung von durchschnittlich 6,8 mm sich nach der Formel\nfl f2 = ll h oder 20.15 = 6,8 l2\nleicht in eine Hyperopie umsetzen lassen, indem sich eine hintere Brennweite von 29,1 mm und damit eine Hyperopie von 34,3 D ergeben m\u00fcfste.\nIn Wahrheit aber ist die Hyperopie des Neugeborenen, wie oben berichtet, durchschnittlich nur 2,3 D stark. Es m\u00fcssen also die brechenden Medien unbedingt h\u00f6here W erte besitzen und es ist nicht ohne Interesse, dieselben n\u00e4her zu bestimmen.\n1 Merkel, Handbuch der gesamten Augenheilkunde von Graefe-Saemisch. Bd. I. S. 44.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nTheodor Axenf\u00e9ld.\nWir haben vornehmlich zu ber\u00fccksichtigen\n1.\tdie Hornhaut,\n2.\tdie Linse,\nund unsere Aufgabe w\u00fcrde sein, den Anteil zu bestimmen, welchen jede von ihnen an der Kompensation der durch die Axenverk\u00fcrzung allein sich ergebenden hochgradigen Hyperopie \u00fcbernimmt.\n1. Die Hornhaut. So aufserordentlich zahlreich die oph-thalmometrischen Bestimmungen der Hornhautrefraktion sind, besonders mit dem sehr brauchbaren Javal-Schi\u00f6tzsehen Instrument, so sind doch Angaben \u00fcber die neugeborene Hornhaut aufserordentlich sp\u00e4rlich. Wir wissen zwar, dafs die H\u00e4ufigkeit relativ stark brechender Hornh\u00e4ute (\u00fcber 44,0 D oder g < 7,9) bis zum sp\u00e4teren Kindesalter abnimmt,1 um von da ab ann\u00e4hernd konstant zu bleiben, woraus wir den allgemeinen Schlufs ziehen d\u00fcrfen, dafs die Cornea des Neugeborenen st\u00e4rker bricht als die des Erwachsenen. Aber \u00fcber den Grrad der Brechung beim Neugeborenen enthalten diese grofsen statistischen Keihen nichts, wohl wegen der Schwierigkeit der Untersuchung in diesem Alter.\nNur die Arbeiten von Laq\u00fceur, von Hasner und von Keuss berichten \u00fcber einige Neugeborene resp. Kinder in den ersten Lebenswochen.\nvon Hasner2 fand an einem lebenden Neugeborenen \u00a3\u20146,06 mm (nach der Methode von Th. Young).\nvon Keuss3 fand mit dem Helmholtz sehen Ophthalmometer :\n1.\n2.\n3.\nKind von 19 Tagen g 4 Monaten g 4\nr\nn\nn\nn\nr>\ng =\n6,59 mm,4 6,9\t\u201e\n7,138 \u201e\n1\tCfr. u. a. Steiger, Beitr\u00e4ge zur Physiologie und Pathologie der Horn-hautrefraktion. J. F. Bergmann, 1894, u. Arch, f- Augenhlkde. XXIX. 2. 1894. Hier findet sich auch, die Litte ratur.\n2\t\u00dcber die G-r\u00f6fsenwerte des Auges. Prager med. Wochenschr. 1873. Citiert nach v. Beuss.\n8 Untersuchungen \u00fcber den Einflufs des Lebensalters auf die Kr\u00fcmmung der Hornhaut. Arch. f. Ophthalm. XXVII. 1. 1877.\n4 Nicht 6,95, wie durch einen Druckfehler in der DiEKMANNSchen Dissertation steht.","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Brechungswert der Hornhaut und der Linse beim Neugeborenen. 75\nLaqueur1 untersuchte mit dem jAVAL-Scm\u00d6TZschen Ophthalmometer :\n1.\tKind von 6 Wochen q \u2014 8 mm,\n2.\t\u201e\t\u201e\t4\t\u201e\tq \u2014 6,75 mm,\n3.\t\u201e\t77\t3\t\u201e\t\u00e7 = 8,1\t\u201e\nEs f\u00e4llt uns zun\u00e4chst auf, wie aufserordentlich verschieden diese Werte lauten. Leider k\u00f6nnen wir aber nicht feststellen, wie weit diese Schwankungen ein Bild physiologischer Breite abgeben, da einerseits die genannten Autoren jedenfalls mit grofsen Yersuchsschwierigkeiten zu k\u00e4mpfen hatten, andererseits die Daten \u00fcber das Lebensalter nicht ganz ausreichen.\nDafs ein neugeborenes lebendes Kind am Ophthalmometer, besonders dem HELMHOLTZschen, sehr schwer zu untersuchen sein wird, liegt auf der Hand. Schon bei Kindern von 1 bis 2 Jahren, den j\u00fcngsten, an welchen z. B. Steig-er gr\u00f6fsere Untersuchungsreihen aufgenommen hat, sind die Resultate oft unsicher (1. c. S. 21). Beim Neugeborenen aber wird eine genaue Einstellung ohne besondere H\u00fclfsmittel sich kaum bewerkstelligen lassen. Wenn wir nun aber z. B. zu diesem Zwecke eine Narkose einleiten w\u00fcrden, so wird eine k\u00fcnstliche \u00d6ffnung der Lidspalte und f\u00fcr eine m\u00f6glichst genaue Zentrierung ein Zug mit der Pinzette oder dergleichen notwendig sein. Dafs diese Mafsnahmen den Kr\u00fcmmungswert der Hornhaut nicht unbetr\u00e4chtlich beeinflussen k\u00f6nnen, hebt schon von Reuss hervor; besonders ein Zug am Bulbus selbst kann erheblich \u00e4ndern, ebenso z. B. die Einsetzung eines die Lider auseinanderhaltenden Lidhalters. Wenn wir aber auf solche Mittel verzichten, so werden, wie die genannten Autoren selbst empfinden, nur ann\u00e4hernde Mafse erreichbar sein.\nIn zweiter Linie aber ist der Ausdruck \u201eNeugeboren\u201c nicht gen\u00fcgend, wenn wir nicht erfahren, ob es sich um ganz ausgetragene oder fr\u00fcher geborene Kinder handelt.\nUnzweifelhaft sind bei ausgetragenen Fr\u00fcchten die Augen nicht immer gleich grols, wTie besonders aus den Zahlen von Merkel und Orr hervorgeht, aber wie h\u00e4ufig bei v\u00f6llig gleichaltrigen Kindern in dem eben er\u00f6rterten Sinne so starke\n1 \u00dcber die Hornbantkr\u00fcmmung im normalen Zustande und unter patbologiscben Verh\u00e4ltnissen. Bericht d. 15. ophthalmol. Vers. Heidelberg 1883.","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nTheodor Axenfeld.\nSchwankungen der Hornhautw\u00f6lbung sind, wie sie ton Hasner, Laqueue und von Reuss berichten, l\u00e4fst sich aus den er\u00f6rterten Gr\u00fcnden nicht angeben.\nDa ich keine M\u00f6glichkeit sah, die genannten Fehlerquellen sicher zu vermeiden, habe ich selbst es vorgezogen, frischtote Kinder zu untersuchen. An diesen Untersuchungen, welche in der Mar burger Augenklinik mit freundlicher Erlaubnis von Herrn Prof. Uhthoee angestellt wurden, hat sich auch Herr Dr. Diekmann beteiligt, in dessen oben zitierter Dissertation die Einzelheiten der Protokolle sich finden.\nMan wird dagegen einwenden, dafs an solchen Objekten keine f\u00fcr den Lebenden g\u00fcltige Werte gewonnen werden, weil eben der Augendruck nachweisbar sinkt. Dadurch w\u00fcrden vielleicht die Kr\u00fcmmungswerte sich ein wenig erh\u00f6hen, indem bei wachsendem Druck oder doch bei starker experimenteller Hypertonie die Mafse nach Helmholtz abzunehmen pflegen. Helmholtz selbst hat in der physiologischen Optik die ersten Untersuchungen Kkauses und Br\u00fcckes \u00fcber die Hornhautw\u00f6lbung nicht anerkannt, weil f\u00fcr so feine Messungen die Bestimmung an toten Augen nicht ausreichend sei. \u201eF\u00fcr die Hornhautkr\u00fcmmung gen\u00fcgt es nicht, den Druck nur ann\u00e4hernd wieder herzustellenw (S. 8, 2. AufL). Bei st\u00e4rkerem Drucke soll besonders die Rinne zwischen Cornea und Sklera verloren gehen.\nDie Messungen von Krause und Br\u00fccke sind in der That nicht zu verwerten, aber weniger, wie ich glaube, weil sie an toten Augen mit ver\u00e4nderter Spannung vorgenommen sind, sondern weil nur mit dem Zirkel am durchschnittenen Auge gemessen wurde.\nIch glaube, diese Fehlerquellen vollst\u00e4ndig vermieden zu haben. Ich nahm einerseits die Augen nicht heraus, ferner injizierte ich durch schr\u00e4gen Sklerastich in den Glask\u00f6rper physiologische Kochsalzl\u00f6sung, bis der intraokulare Druck wieder die durchschnittliche normale H\u00f6he erreicht hatte. Zur Messung aber benutzte ich nicht nur den palpierenden Finger, sondern das FiCKsche Tonometer; es wurde als normal die Spannung angesehen, bei der durch einen Gewichtsdruck von 10,0 g die Pelotte fl\u00e4chenhaft dem Bulbus anlag. Es stellte sich dabei heraus, dafs die Spannungsdifferenz zwischen dem hypotonischen frischtoten Auge (ca. 1\u20142 g Pe-lottendruck) und der normalen Spannung eine merk-","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Brechungswert der Hornhaut und der Linse heim Neugeborenen. 77\nliehe \u00c4nderung des Hornhautwertes nicht zur Folge hatte.\nDa die Untersuchungen von Bonders, Mauthner, Laqueur,1 Pealz,2 Eissen3 und Martin4 ergeben haben, dafs beim Glaukom, also bei starker Spannungszunahme des Auges eine \u00c4nderung der Hornhautkr\u00fcmmung, abgesehen von Astigmatismus, meist nicht einzutreten pflegt, so ist ersichtlich, wie auffallend kon-stant die W\u00f6lbung der Cornea auch bei starken Schwankungen der Tension nach oben wie nach unten ist. Nur beim Tierexperiment erreicht man regelm\u00e4fsig durch forcierte Injektionen in dem Glask\u00f6rper deutliche Abflachungen (Helmholtz).5\nDie genaue Zentrierung der Hornhautmitte geschah durch Visieren des Spiegelbildchens einer Flamme; die Lider wurden nur durch ganz leichten Fingerzug auseinandergezogen, sodafs ein schmaler Hornhautstreifen frei wurde. Auf den vertikalen Meridian wurde wegen des zu seiner Untersuchung notwendigen st\u00e4rkeren Zuges und der dadurch m\u00f6glichen \u00c4nderungen verzichtet, und ich m\u00f6chte auf den Astigmatismus regularis von 2,0\u20143,0, der sich einigemal fand, deshalb kein Gewicht legen. Da im Tode das Auge gradeaus steht, so braucht kein k\u00fcnstlicher Pincettenzug angebracht zu werden.\nDiesen Vorsichtsmafsregeln gegen\u00fcber m\u00fcssen die angef\u00fchrten Bedenken zur\u00fccktreten.\nDafs die Ophthalmometrie an frischtoten Individuen, welche bisher noch nicht ge\u00fcbt worden ist, in der That gen\u00fcgende Pesultate giebt, habe ich noch auf anderem Wege nachweisen k\u00f6nnen. Durch die liebensw\u00fcrdige Unterst\u00fctzung der Herren Kollegen Boehm und Heymann im hiesigen Allerheiligenhospital (Abteilung von Prof. Buchwald) konnte ich einige schwer kranke Phthisiker mit dem jAVAL-Sem\u00d6TZschen Ophthalmometer einige Wochen vor ihrem Tode untersuchen. Zwei von diesen Patienten sind inzwischen gestorben und die ophthalmometrische Untersuchung der Leiche, die im Sektionssaal des Herrn Prof. Kauemann sich ohne Schwierigkeit ausf\u00fchren liefs, ergab nach dem Tode einen im wesentlichen unver\u00e4nderten Kr\u00fcmmungs-\n1\tL. c.\n2\tArch. f. Ophthalm. XXXI. 1. S. 201. 1885.\n8 Inaug.-Diss. Bern 1888.\n4\tAnn. d\u2019oculist. XCIII. S. 224. 1895.\n5\tPhysiol Optik. S. 8.","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nTheodor Axenfeld.\nradius.1 Besonders die minimale Differenz bei dem zweiten, frischer untersuchten Fall liegt innerhalb der Bestimmungsfehler der Methode. In der Agone waren zur besseren Konservierung die Lider geschlossen und mit einem Tuche bedeckt worden.\nIch bemerke noch, dafs \u00e4ufserlich die Hornh\u00e4ute ohne alle Unebenheiten und ganz unver\u00e4ndert aussehen; die Spiegelbilder waren gleichm\u00e4fsig scharf.\nVon etwa anhaftendem Hauttalg befreit man die Hornhaut leicht mit einem in lauwarme physiologische Kochsalzl\u00f6sung getauchten Watteb\u00e4uschchen. Nat\u00fcrlich mufs ein totes Kind von einem ge\u00fcbten Assistenten gehalten werden, w\u00e4hrend ein zweiter vorsichtig die Lider auseinanderzieht.\nMan wird also bei ganz frischtoten Kindern, wie wir sie durch die Gr\u00fcte des Herrn Greheimrat Ahlfeld untersuchen konnten, zuverl\u00e4ssige Werte erzielen, brauchbarere, als an den nicht einwandfrei untersuchbaren lebenden Kindern. Es w\u00e4re dankenswert, wenn an Orten mit reichlicher derartiger Untersuchungsgelegenheit gr\u00f6fsere statistische Reihen aufgestellt w\u00fcrden. ~\nDie bei den 5 von mir untersuchten Kindern gewonnenen Werte sind folgende:\n1.\tFr\u00fchgeburt der 27\n2.\n-28. Woche:\t50,0 D, q = 7,0 mm,\n77\n77\n3.\n4.\n5.\n77\t77\n4. Reifes Kind :\n77\n77\n36.\t77\tL\t50,0\t77\tQ =\t= 7,0\n\t\tB\t48,0\t77\tQ =\t= 7,20\n38.\u201439.\t77\t\t49,0\t77\tQ =\t= 7,12\n\t\t\t47,5\t77\tQ =\t= 7,37\n\t\tB\t47,0\t#1\tQ =\t= 7,44\n\tL 47,0\t\t-48,0\t77\tQ =\tii \"cd -3\n77\n77\n7?\n77\nEs ergiebt sich daraus, dafs beim reifen Neugeborenen die Hornhautrefraktion (ca. 47,5 D) in der That etwas h\u00f6her ist als sp\u00e4ter (f\u00fcr 10- bis 16j\u00e4hrige Kinder nach Steiger durchschnittlich 43,03 D), und dafs in fr\u00fcheren Lebensperioden die Werte\n1 a) 34j\u00e4hrige Frau. 14 Tage ante mortem bei normaler Spannung des Bulbus Refraktion der Hornhaut 45,0 Z), 9 Stunden post mortem = 44,5 (Durchschnittswert von 9 von Dr. Heinersdorff und mir ausgef\u00fchrten Bestimmungen).\nb) 53j\u00e4hrige Frau. Ca. 5 Wochen ante mortem 43,35 D, 4l/a Stunden post mortem 43,5 (5 Bestimmungen von Dr. Meyer und mir).","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Brechungswert der Hornhaut und der Linse beim Neugeborenen. 79\nnoch h\u00f6her zu sein scheinen, wie dies bei der geringeren Gr\u00f6fse des ganzen Organs zu erwarten ist. Es kommen allerdings Werte, wie wir sie hier gefunden haben, auch bei Erwachsenen zur Beobachtung ; Radien von 7,4 mm sind sogar h\u00e4ufig und ich will auf Grund dieser 5 Kinder noch keine bestimmte Gesetzm\u00e4fsigkeit konstruieren, obwohl meine Werte gieichm\u00e4fsiger sind als die oben zitierten.\n2. Die Linse. Die gefundenen h\u00f6heren Refraktionswerte der Hornhaut stehen jedoch in keinem Verh\u00e4ltnis zu der Hyperopie, wie sie durch die Axenk\u00fcrze des neugeborenen Auges bedingt sein m\u00fcfste, wenn nicht die Linse einen wesentlich h\u00f6heren Brechwert repr\u00e4sentierte. Wenn wir nochmals die schon erw\u00e4hnten Durchschnittsl\u00e4ngen der Axen in Proportion setzen = 23,2:16,4 und aus ihr f\u00fcr einen konstanten Brechwert eine Hyperopie von 34,5 berechnen, von der aber nur 2,3 D im Durchschnitt zum Ausdruck kommen, so w\u00fcrde nach Abzug der auf die h\u00f6here Hornhautrefraktion fallenden 3,0\u20144,0 D noch eine Hyperopie von ca. 30,0 D \u00fcbrig bleiben, welche durch h\u00f6here Brechkraft haupts\u00e4chlich der neugeborenen Linse ausgeglichen wird.\nDieser hohe Brechwert findet seinen Ausdruck in der bekannten Thatsache, dafs die Linse des Neugeborenen erheblich kugliger ist als im sp\u00e4teren Leben, selbst bei maximaler Akkommodation. Ihre Axe betr\u00e4gt durchschnittlich 5,1 mm, ihr \u00e4quatorieller Durchmesser 6,3 mm,1 gegen\u00fcber 3,1\u20143,9 resp. ca. 9 mm beim Erwachsenen. (Helmholtz.) Es sind infolge dessen auch die Entfernungen von der Hinterfl\u00e4che der Linse bis zum Neuroepithel und von der Vorderfl\u00e4che bis zur Hornhauthinterfl\u00e4che andere. Doch sind die am geh\u00e4rteten Objekte gewonnenen, etwas schwankenden Mafse dieser Abst\u00e4nde zu Berechnungen noch nicht verwendbar. Den Radius der Linsenvorder- und Hinterfl\u00e4che haben Merkel und Orr am mikroskopischen Pr\u00e4parat auf ann\u00e4hernd 3,3 mm bestimmt.\nAm allerbesten ist es nat\u00fcrlich, an ein und demselben Auge zun\u00e4chst ophthalmoskopisch die Gesamtrefraktion, dann ophthalmometrisch die Hornhautw\u00f6lbung, dann anatomisch die Axenl\u00e4nge zu bestimmen. Das haben wir auch in zwei F\u00e4llen\n1 Cfr. die Litteratur bei Diekmann 1. c. S. 7, ferner Duclos, Etude sur les dimensions du cristallin. Th\u00e8se de Bordeaux. 1895.","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nTheodor Axenfeld.\ndurchgef\u00fchrt, und es sei zum Schl\u00fcsse gestattet, eines dieser Beispiele hier namhaft zu machen.\nFall No. 4: Ophthalmoskopische Gresamtrefraktion 3,0\u20144,0 D.\nHyperopie.\nHornhautrefraktion 47,5 D.\nAxenl\u00e4nge bis zum Neuroepithel 17,75 D.1\nDiese Axe w\u00fcrde beim Erwachsenen ergeben eine Hyperopie von 25,0 D. Es waren manifest 3,0\u20144,0 D ; es konnten auf den relativ hohen Hornhautwert h\u00f6chstens weitere 4,0 D gerechnet werden; also bleiben f\u00fcr die Linse als Mehrwert gegen\u00fcber dem Durchschnitt des Erwachsenen ca. 17,0 D.\nWir haben dabei allerdings die anderen brechenden Fl\u00e4chen nicht ber\u00fccksichtigt; doch wird der begangene Fehler ganz unwesentlich sein.\nEs m\u00fcfste ferner, um auf diesem indirekten Wege eine solche Wertbestimmung der W\u00f6lbung machen zu d\u00fcrfen, der Brechungsindex der gleiche sein wie beim Erwachsenen. Dafs f\u00fcr die fl\u00fcssigen Medien diese G-leichheit besteht, hat Hirschbebg-2 nach der HELMHOLTZschen Methode nachgewiesen. F\u00fcr die Linse hat Woinow3 beim neugeborenen Kind einen etwas niedrigeren Wert erhalten als beim Erwachsenen (1,4311 und 1,4303 : 1,4362 und 1,4411), was von ihm auf die etwas h\u00f6here Brechkraft des vom 30. Jahre an deutlichen Kerns gegen\u00fcber der Corticalis zur\u00fcckgef\u00fchrt wird. Es kommt jedenfalls dem Brechungsindex bei der Ausgleichung der neugeborenen Axenk\u00fcrze kein Anteil zu.\nAuch die Entfernung der brechenden zentrierten Fl\u00e4chen voneinander w\u00e4re in Erw\u00e4gung zu ziehen. F\u00fcr die Entfernung besonders des Linsenscheitels von der Horn-hauthinterfl\u00e4che beim Neugeborenen besitzen wir bisher keine sicheren Werte; jedenfalls ist die vordere Kammer beim Neugeborenen durchschnittlich ziemlich eng. Diese Lage der Linsenoberfl\u00e4che wird ein wenig mithelfen, die Axenk\u00fcrze auszugleichen. Andererseits liegt der hintere Scheitel der Linse der Netzhaut erheblich n\u00e4her; zu einer genaueren Berechnung des\n1 Es handelte sich um ein ausgetragenes, auffallend grolses Kind.\n* Arch. f. AugenhlMe. VI. 1874. 1. S. 45.\n8 Monatshl. f. AugenhlJcde. XII. S. 407. 1874.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Brechungswert der Hornhaut und der I/inse beim Neugeborenen. 81\nRefraktionswertes der Linse sind aber die ausgef\u00fchrten anatomischen Messungen noch nicht gleichm\u00e4fsig genug.\nJedenfalls wird in jedem einzelnen Falle zu untersuchen sein, wieweit die Hornhaut und wieweit die Linse beteiligt sind, da die physiologischen Werte schwanken k\u00f6nnen, wie aus dem G-esagten deutlich hervorgeht.\nIn welchem Lebensalter die Linse den sp\u00e4teren durchschnittlichen Wert annimmt, l\u00e4fst sich noch nicht sicher sagen. Jedenfalls \u00e4ndern sich die Augenmafse rasch nach der Geburt, wie dies auch von Merkel und Orr betont wird. Ob die Akkommodation an der allm\u00e4hlichen Form Ver\u00e4nderung teilnimmt, ist wohl sehr zweifelhaft. Jedenfalls ist dieselbe beim Heugeborenen noch wenig entwickelt, da die Aderhaut der Sklera gr\u00f6fstenteils noch fest anhaftet.\nDurch weitere einschl\u00e4gige Untersuchungen werden wir hoffentlich zahlreiche und sichere Werte gewinnen f\u00fcr die interessante Thatsache, dafs die bei der Geburt durch die Axenk\u00fcrze drohende Refraktionsanomalie von der h\u00f6heren Brechung der Medien im Schach gehalten wird, und dafs alsdann mit zunehmender Axenl\u00e4nge in umgekehrter Proportion die Brechkraft der Medien, und zwar besonders die der Linse sich vermindert, haupts\u00e4chlich als Folge ihrer Gestaltver\u00e4nde-rung, Wir haben es hier jedenfalls mit aufserordentlich sinnreichen, aber in ihrem Zustandekommen noch v\u00f6llig dunkeln Wachstumserscheinungen zu thun.\nEs ist dadurch der Augapfel, obwohl bei der Geburt noch unvollendet, doch schon so ausgebildet auch bez\u00fcglich seiner optischen Einstellung, dafs der mangelhafte Gebrauch in der ersten Zeit nach der Geburt nicht in dem Zustande des peripheren Organs, sondern in der Unfertigkeit der zentralen Teile zu suchen ist.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XV,\n6","page":81}],"identifier":"lit30199","issued":"1897","language":"de","pages":"71-81","startpages":"71","title":"\u00dcber den Brechungswert der Hornhaut und der Linse beim Neugeborenen nebst Bemerkungen \u00fcber Ophthalmometrie an Leichenaugen","type":"Journal Article","volume":"15"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:29:39.544104+00:00"}