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{"created":"2022-01-31T12:39:21.370077+00:00","id":"lit30209","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Groos, Karl","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 15: 150-158","fulltext":[{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nLitteraturbericht.\nTh. Eibot. La Psychologie des sentiments. Paris, F\u00e9lix Alcan. 1896. XI. 443 S.\nDie Psychologie des Gef\u00fchls, die seit den Arbeiten von Lange und James mehr als fr\u00fcher in den Vordergrund des Interesses getreten ist, hat hier eine Darstellung gefunden, in der sich die bekannten Vorz\u00fcge des Verfassers, umfassendes Wissen, gute Disposition, klare Sprache, vereinigen. \u2014 Was den allgemeinen Charakter des Werkes betrifft, so vertritt Eibot im Gegensatz zu dem \u201eintellektualistischen\u201c Standpunkt, der die Gef\u00fchle aus dem Vorstellungsleben abzuleiten sucht, eine \u201ephysiologische\u201c Auffassung, wonach alle affektiven Zust\u00e4nde als der unmittelbare, urspr\u00fcngliche Ausdruck des vegetativen Lebens zu betrachten und aus biologischen Bedingungen zu erkl\u00e4ren sind. Zur Erh\u00f6hung des Interesses und zur Unterst\u00fctzung dieser Auffassungsweise werden durchweg die verschiedenen Entwickelungsstadien jeder Gem\u00fctsbewegung in aufsteigender Eeihe verfolgt und zugleich die pathologischen Erscheinungen in die Betrachtung mit einbezogen.\nDie gew\u00f6hnliche Ansicht, dafs das Gef\u00fchlsleben einfach in der F\u00e4higkeit, Lust oder Unlust zu erleben, bestehe, ist unzutreffend. Jede Gem\u00fctsbewegung hat eine objektive Seite \u2014 ihre motorischen, auf Trieben, Strebungen, Instinkten beruhenden Manifestationen \u2014 und eine subjektive Seite \u2014 die angenehmen, unangenehmen und gemischten Zust\u00e4nde. Die motorische Seite ist das Wesentliche; Lust \u2014 Unlust sind nur Zeichen (\u201edes signes, des indices\u201c) der Befriedigung oder Nichtbefriedigung jener Bed\u00fcrfnisse, \u201eund gerade wie die Symptome uns wohl die Existenz einer Krankheit, nicht aber ihre Essenz offenbaren, die vielmehr in den verborgenen Verletzungen der Gewebe, Organe, Funktionen gesucht werden mufs, ebenso sind auch Lust und Unlust nichts weiter als Wirkungen, die uns erst den Weg weisen sollen zur Aufsp\u00fcrung und Bestimmung der im Gebiet der Instinkte versteckten Ursachen\u201c (2). \u2014 Hierzu ist gleich zweierlei zu bemerken: erstens dafs \u2014 dem eben angef\u00fchrten entsprechend \u2014 in dem ganzen Buch die angeborenen \u201etendances\u201c in sehr fruchtbringender, aber vielleicht manchmal etwas einseitiger Weise betont werden; zweitens dafs die Gef\u00fchls Seite der Gem\u00fctsbewegungen eben doch einzig und allein in jenen \u201eSymptomen\u201c besteht. Wenn Eibot die Definition giebt, die \u201esensibilit\u00e9\u201c sei \u201ela facult\u00e9 de tendre ou de d\u00e9sirer et par suite d\u2019\u00e9prouver du plaisir et de la douleur\u201c, so ist das, was an dem affektiven Leben \u201esensibilit\u00e9\u201c ist, schliefslich doch nur in dem \u201epar suite\u201c enthalten, so richtig auch der Hinweis auf den engen Konnex mit der Willensseite ist.\nAus der Beziehung der Gef\u00fchle auf das Triebleben (die in Deutschland besonders nachdr\u00fccklich durch Ulrici \u2014 1866 \u2014 vertreten worden ist) ergiebt sich die Einteilung des Werkes. W\u00e4hrend der erste Teil (die \u201ePsychologie g\u00e9n\u00e9rale\u201c) im allgemeinen von der Lust, der Unlust und den neutralen Zust\u00e4nden, ferner von dem Begriff der Gem\u00fctsbewegung, von der Klassifikation der Emotionen, sowie ihrem Verh\u00e4ltnis zum Ged\u00e4chtnis und der Assoziation spricht, tritt in dem zweiten, speziellen Teile die Bedeutung der Instinkte beherrschend hervor. Es \u00e4ufsern sich","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht,\n151\nbei den Gem\u00fctsbewegungen solche Instinkte, die der Erhaltung und Entwickelung des bewufsten Individuums dienen: 1. der defensive Selbsterhaltungstrieb (Emotion der Furcht), 2. der offensive Selbsterhaltungstrieb (Zorn), 3. die sympathischen Begungen, 4. der Spieltrieb, das Bed\u00fcrfnis, \u00fcbersch\u00fcssige Kraft auszugeben, 5. Wifsbegierde, Neugier, 6. egoistische Triebe, Selbstgef\u00fchl, 7, der sexuelle Instinkt. Hierauf beruhen alle Emotionen. E. behandelt zuerst die f\u00fcnf primitiven Emotionen: Furcht, Zorn, \u00e9motion tendre, Selbstgef\u00fchl, sexuelle Emotion. Daran schliefst sich die Er\u00f6rterung der zusammengesetzten Gem\u00fctsbewegungen: soziale und moralische, religi\u00f6se, \u00e4sthetische, intellektuelle Gef\u00fchle. Den Schlufs bildet die Darstellung der normalen und morbiden Charaktere und der Aufl\u00f6sung des affektiven Debens.\nDas erste Kapitel des ersten Teiles besch\u00e4ftigt sich mit dem k\u00f6rperlichen Schmerz: mit seinen noch nicht sicher erkannten physischen Bedingungen, mit seinen motorischen Erscheinungen im Bereich der Herzth\u00e4tigkeit, Atmung, Verdauung u. s. w., die nach B., wie wir wissen, das Wesentliche des Ph\u00e4nomens bilden, w\u00e4hrend der Schmerz selbst nur das Zeichen ist, \u201edas dem lebenden Individuum seine eigene Desorganisation verr\u00e4t\u201c (32) ; ferner mit der Analgesie und Hyperalgesie, die ebenso wie die Versp\u00e4tung des Schmerzes gegen\u00fcber der Empfindung seine relative Unabh\u00e4ngigkeit vom Intellektuellen beweisen sollen, und mit der Frage, ob der Schmerz eine besondere Empfindungsart oder eine Qualit\u00e4t der Empfindung sei, wobei Eibot die erste Ansicht verwirft und bei der zweiten verlangt, dafs man den Schmerz nicht einseitig von der Intensit\u00e4t des Eeizes abh\u00e4ngig mache. Zum Schlufs wird die V ermutung ausgesprochen, dafs es sich beim Schmerz um chemische Wirkungen, speziell um Auto-Intoxikation handle (S. 41, vergl. S. 124).\nDer \u201eKummer\u201c, \u201ela douleur morale\u201c (Kap. II) geht nicht von Empfindungen, sondern von Vorstellungen aus und zeigt den Beginn einer psychischen Desorganisation an, ist aber im wesentlichen identisch mit dem physischen Schmerz; denn erweist dieselben k\u00f6rperlichen Erscheinungen auf, zeigt sich denselben Beruhigungsmittein zug\u00e4nglich und ist in manchen F\u00e4llen, z. B. bei Hypochondrischen, vom k\u00f6rperlichen Schmerz kaum zu unterscheiden. Seine Entwickelung geht von der Unlust \u00fcber die einfache Eeproduktion aus (das Kind, das die bittere Medizin wieder sieht) zu dem Kummer, der erst durch einen logischen Prozefs erzeugt wird (wie die Beispiele zeigen, handelt es sich hier darum, dafs die Phantasie durch irgend eine Aachricht oder dergl. angeregt wird, sich in Unlust erzeugenden Vorstellungen zu bewegen) und gipfelt in dem an reine Begriffe oder Idealvorstellungen gekn\u00fcpften Kummer (z. B. der vom Zweifel gequ\u00e4lte Metaphysiker).\nOb die Lust (Kap. III), wie man gew\u00f6hnlich annimmt, das Gegenbild der Unlust sei, ist gar nicht so sicher. Der sogenannte \u00dcbergang von Lust zu Unlust braucht keine Transformation zu sein; vielleicht handelt es sich nur um eine Succession, wobei schon Momente der Unlust w\u00e4hrend der Herrschaft der Lust (und umgekehrt) vorhanden sind. E. neigt sich der Ansicht zu, dafs wir es hier mit zwei Momenten desselben Prozesses zu thun haben (wie Ton \u2014 Ger\u00e4usch), wobei die Lust","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nLitter aturbericht.\noder Unlust der Regel nach, nicht reine Vermehrung oder Verminderung der Vitalit\u00e4t angiebt, sondern nur die Differenz zwischen beiden Vorg\u00e4ngen. \u2014 Die Lust hat weniger verschiedene Nuancen als die Unlust (R. f\u00fchrt bei dieser Gelegenheit \u2014 S. 50, Anm. \u2014 19 verschiedene italienische Ausdr\u00fccke aus dem Gebiete des Lustgef\u00fchls an, die Mantegazza zusammengestellt hat, und f\u00fcgt hinzu, die deutsche Sprache sei vielleicht in dieser Hinsicht \u00e4rmer als die italienische; ich habe mich aber \u00fcberzeugt, dafs man im Deutschen ohne M\u00fche ebenso viele Ausdr\u00fccke f\u00fcr verschiedene Schattierungen des Lustgef\u00fchles finden kann). Die physiologischen und anatomischen Bedingungen der Lust sind noch eine terra incognita. Nichts spricht daf\u00fcr, dafs sie eine besondere Art der Empfindung sei. Die organischen Begleiterscheinungen sind denen des Schmerzes entgegengesetzt und lassen sich in dem Wort \u201edynamog\u00e9nie\u201c zusammenfassen. Die Lust ist ihr \u201eSymptom\u201c. Wie es eine Analgesie giebt, so zeigt sich auch die Lust vom Intellektuellen unabh\u00e4ngig (die \u201eAnh\u00e9donie\u201c der Leberleidenden). Sie h\u00e4ngt nicht, wie man anzunehmen pflegt, einfach von der mittleren Quantit\u00e4t des Reizes ab: die sexuellen Freuden wird doch niemand als Begleiterscheinungen einer \u201eactivit\u00e9 moyenne\u201c bezeichnen wollen! Sinnliche und geistige Freude ist im Grunde ebenso identisch wie sinnlicher und geistiger Schmerz; auch die Stufenfolge von der einfachsten Sinnenlust bis zum h\u00f6chsten geistigen Genufs ist \u00e4hnlich wie bei jenem. Das Ineinanderfliefsen h\u00f6herer und niedrigerer Formen zeigt sich beim \u00e4sthetischen Genufs.\nDie Pathologie der Lust und Unlust (Kap. IV ; dieses Kapitel ist unter dem Titel \u201ePathological Pleasures and Pains\u201c in der amerikanischen Zeitschrift \u201eThe Monist\u201c, Vol. VI. 2. S. 176\u2014187 in englischer \u00dcbersetzung erschien s. u.) zeigt, wie alle pathologischen Ph\u00e4nomene, 1. anomale (zu lebhafte oder zu schwache) physiologische Begleiterscheinungen, 2. Disproportion der Wirkung zur Ursache, 3. Chronischwerden. Es werden drei Klassen von morbider Lust geschildert, die von halbkrankhaften F\u00e4llen (z. B. allzu leidenschaftlicher Z\u00e4rtlichkeit) bis zu den zerst\u00f6renden Freuden von sozialem Charakter (z. B. Mordlust) aufsteigen. Hierbei behandelt R. auch die schwierige Frage der \u201eWonne des Wehs\u201c (luxury of pity, plaisir de la douleur), ohne jedoch die eigentlichen Schl\u00fcssel des Problems, die Bewufstseinsspaltung und den Begriff des Spiels heranzuziehen. \u2014 Das Hauptbeispiel morbider Unlust ist die Melancholie.\nGiebt es Indifferenzzust\u00e4nde? (Kap. V). Die Angaben der Selbstbeobachtung sind hier besonders tr\u00fcgerisch. R. betont, dafs die Temperamentsunterschiede bei dieser Frage sehr in Betracht kommen. Das bekannte Schema Wundts bezeichnet es als \u201eun leurre\u201c (S. 77). Denen, die die M\u00f6glichkeit von Indifferenzzust\u00e4nden l\u00e4ugnen, weil sonst die Kontinuit\u00e4t des Gef\u00fchlslebens unterbrochen w\u00e4re, erwidert er, dafs die Kontinuit\u00e4t in den bewufsten oder unbewufsten \u201etendances\u201c gegeben sei (sind diese aber Gef\u00fchl, wo Lust und Unlust fehlt?).\nDas VI. Kapitel enth\u00e4lt eine Besprechung der Versuche, die Existenzbedingungen und den Zweck der Lust und der Unlust zu erkl\u00e4ren. In ersterer Hinsicht wird besonders Meyneet behandelt, in letzterer der evolutionistische Standpunkt, wonach die Lust durch","page":152},{"file":"p0153.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturb er iclit.\n153\ndie Selektion an das N\u00fctzliche gekn\u00fcpft ist, die Unlust an das Sch\u00e4dliche. R. betont, dafs es Ausnahmen giebt und dafs man diese Ansicht nur als Hypothese ansehen darf.\nVon der Natur der Emotion (Kap. VII) haben wir schon einiges geh\u00f6rt. Alle Emotionen sind komplexe Vorg\u00e4nge, die das ganze Individuum durchfluten. Als die Wurzel einer jeden erscheint eine Attraktion oder eine Repulsion, ein Begehren oder Verabscheuen, \u201ekurz eine Bewegung oder eine Bewegungshemmung.\u201c Die Betonung der organischen Zust\u00e4nde durch James und Lange ist im ganzen berechtigt, nur ist der \u201eDualismus\u201c dieser Psychologen zu verwerfen, der das physiologische Geschehen als Ursache des psychologischen auffafst. Sieht man von dieser Kausalbeziehung ab, so ist die Wichtigkeit der physiologischen Vorg\u00e4nge selbst bei den \u201eh\u00f6heren\u201c Emotionen unverkennbar; auch der \u00e4sthetische Genufs ist keine \u201econtemplation pure\u201c. (Dies wird f\u00fcr die verschiedenen h\u00f6heren Emotionen in sehr interessanter Weise ausgef\u00fchrt.) \u2014 Die Gem\u00fctsbewegung tritt immer dann zu dem \u201e\u00e9tat intellectuel\u201c hinzu, wenn es sich um Exist enzbedingungen handelt, seien es nun nat\u00fcrliche oder soziale. Im ersteren Fall haben wir es mit ererbten Beziehungen zu thun, im letzteren treten erworbene Assoziationen hinzu.\n\u00dcber die inneren Bedingungen der Emotion (Kap. VIII) weifs man noch wenig Sicheres. Eine bestimmte Lokalisation im Gehirn ist nicht wahrscheinlich. Die alte \u00dcberzeugung, dafs das Herz der Sitz der Gem\u00fctsbewegungen sei, hat einen wahren Kern; denn das Herz ist das Zentrum der \u201evie organique\u201c, mit der die Emotionen eng Zusammenh\u00e4ngen. Es handelt sich dabei um Gemeinempfindungen, deren physiologische Grundlagen vielleicht in chemischen Vorg\u00e4ngen bestehen, wof\u00fcr verschiedene Erscheinungen sprechen.\nDie \u00e4ufseren Bedingungen der Emotion (Kap. IX) zeigen sich in den mannigfachsten Muskelbewegungen. R. bespricht die Theorien von Darwin und Wundt, wobei er Wundts Prinzip der Assoziation analoger Empfindungen mit dem Bedeutungswandel der W\u00f6rter vergleicht.\nIm X. Kapitel werden die verschiedenen Klassifikationsversuche er\u00f6rtet: die Zur\u00fcckf\u00fchrung aller Emotionen auf Lust und Unlust (Dumont, Beaunis), wobei man aber nicht aus den Allgemeinheiten herauskommt; die einfache empirische Aufz\u00e4hlung (Bain), die aber zusammenhanglos und schwankend bleibt; die genetische Behandlung (Mercier), bei der auch vielerlei Schwierigkeiten hervortreten; die intellektualistische (Herbart und seine Schule, bis zu einem gewissen Grade auch Wundt, Lehmann und Shad worth Hodgson), die von dem Standpunkt des Verfassers aus von vornherein ungen\u00fcgend erscheinen mufs. \u2014 Ribot selbst verzichtet auf eine eigentliche Klassifikation; er beginnt mit den einfachsten und urspr\u00fcnglichsten Emotionen und sucht von dieser Grundlage aus die komplizierteren zu entwickeln.\nDas XI. Kapitel, das von dem affektiven Ged\u00e4chtnis handelt, ist schon 1894 als selbst\u00e4ndiger Aufsatz erschienen. Es geh\u00f6rt zu den interessantesten des Buches. R. hat zur L\u00f6sung' dieses Problems eine Enqu\u00eate veranstaltet, die sich zugleich auch auf das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr Ge-","page":153},{"file":"p0154.txt","language":"de","ocr_de":"154\nL\u00eetteraturbericht.\nschmacks-, G-eruchs- und Gemeinempfindungen erstreckte. Das Resultat fafst er selbst in den Worten zusammen: 1. Die meisten Menschen reproduzieren ihre Affekte \u00fcberhaupt nicht. 2. Bei anderen giebt es \u00a9in halb intellektuelles, halb affektives Ged\u00e4chtnis, d. h. die emotionellen Elemente werden nur m\u00fchsam mit H\u00fclfe der intellektuellen Zust\u00e4nde erneuert, die mit ihnen assoziiert sind. 3. Die wenigsten haben eine wahrhafte m\u00e9moire affective, wobei das intellektuelle Element nur ein rasch verschwindendes Mittel der Wiederbelebung ist. \u2014 Auf den Einwand, dafs vermutlich die neue Emotion wirklich eine neue und daher keine reproduzierte sei, antwortet R., dafs jede Erinnerung, also auch die einer Emotion, in einer \u201er\u00e9version\u201c bestehe, durch die das Vergangene wieder gegenw\u00e4rtig wird, dafs folglich die Reproduktion einer Emotion nichts sein k\u00f6nne als wieder eine Emotion, nur mit der \u201eMarke\u201c der Wiederholung versehen. Diese Antwort scheint mir den Einwand nicht entkr\u00e4ften zu k\u00f6nnen. Es bleibt doch der grofse Unterschied, dafs bei dem intellektuellen Ged\u00e4chtnis das Erinnerungsbild aus zentral en Empfindungen besteht, also thats\u00e4chlich etwas ganz anderes ist als das urspr\u00fcngliche Erlebnis, was bei der erneuerten Emotion nicht zutrifft.\nIm XII. Kapitel, dem letzten des ersten Teils, wird das Verh\u00e4ltnis des Gef\u00fchlslebens zur Ideenassoziation er\u00f6rtert. R. betont (\u00e4hnlich wie Ziegler) dafs ein verborgener, aber sehr wichtiger Faktor der Vorstellungsfolge im Gef\u00fchl zu suchen sei und f\u00fchrt das sowohl in Beziehung auf unbewufste Gef\u00fchle (wobei offen gelassen wird, ob das \u201eUnbewufste\u201c rein physiologisch oder als ein sehr dunkles Bewufstsein zu verstehen sei) als auch in Beziehung auf die bewufsten Gef\u00fchle (z. B. die audition color\u00e9e) aus.\nDer zweite Teil des Werkes enth\u00e4lt die spezielle Psychologie. Die Einleitung besch\u00e4ftigt sich mit der oben schon mitgeteilten Einteilung der Emotionen und geht aufserdem auf die allm\u00e4hliche Entwickelung des Gef\u00fchlslebens ein, die Hand in Hand mit der \u00fcbrigen Entwickelung der Menschheit fortschreitet. Ob bei ihr die Vererbung erworbener Eigenschaften eine Rolle spielt, l\u00e4fst R. unentschieden, obwohl er im ganzen zur Bejahung der Frage neigt. Von grofsem Einflufs ist jedenfalls die intellektuelle Entwickelung; doch ist die Evolution des Gef\u00fchlslebens manchmal langsamer als diese (Barbarenbildung), manchmal auch schneller.\nDer Selbsterhaltungstrieb, der zuerst in seiner physiologischen Form betrachtet wird (Kap. I), ist eigentlich ein B\u00fcndel von Trieben. Der physiologische Selbsterhaltungstrieb sch\u00fctzt die Nutrition positiv durch Hunger und Durst, negativ durch den Ekel. Nachdem R. auch die pathologischen \u00c4ufserungen des Nahrungsbed\u00fcrfnisses betrachtet hat, wendet er sich (Kap. II) der negativen Form des Selbsterhaltungstriebes, n\u00e4mlich der Furcht zu, die er als diejenige Emotion betrachtet, die beim Kind zuerst auftritt (bei den Tieren wird das nicht allgemein gelten). Die k\u00f6rperlichen Begleiterscheinungen, die den \u201eton vital\u201c in seiner gr\u00f6fsten Erniedrigung zeigen, werden haupts\u00e4chlich im Anschlufs an Lange geschildert. Man mufs zwischen vererbter (nach R. wahr-","page":154},{"file":"p0155.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturb eriaht.\n155\nscheinlinh in manchen F\u00e4llen auf einer Vererbung erworbener Eigenschaften beruhender) und Erfahrungsfurcht unterscheiden. In dem pathologischen Teil des Kapitels, der sehr lesenswert ist, werden die zum Teil komischen Bezeichnungen der verschiedenen \u201ePhobien\u201c (z. B. Siderodromophobie = Eisenhahnscheu) h\u00fcbsch verspottet.\nIm Zorn zeigt sich die offensive Seite des Selbsterhaltungstriebes (Kap. III). Unter seinen physiologischen Begleiterscheinungen sind besonders die toxischen Ph\u00e4nomene merkw\u00fcrdig. Der Verlauf der Emotion zeigt ihren gemischten Charakter: zuerst ein asthenischer Zustand, dann erst die sthenische Reaktion, die sich der Lust ann\u00e4hert. Die Entwickelung geht vom wirklichen Angriff durch die blofse Androhung bis zum verschobenen Angriff (Hafs, Neid). Der \u00dcbergang ins Pathologische vollzieht sich sehr leicht. Dem animalen Zorn entsprechen die Wutzust\u00e4nde des epileptischen Irreseins, dem mehr bewufsten die Manie. Das Gegenst\u00fcck der \u201ePhobien\u201c sind die zerst\u00f6renden Zwangshandlungen, wobei R. zeigt, dafs eine grofse Reihe von \u00dcbergangsstufen von dem Mordtrieb bis zu der harmlosen Freude am Lesen oder H\u00f6ren von blutigen Ereignissen f\u00fchrt.\nWeniger scharf umschrieben als Zorn und Furcht ist der Gegenstand des IV, Kapitels: die Sympathie und die z\u00e4rtlichen Emotionen. Die Sympathie beginnt mit der k\u00f6rperlichen Nachahmung (die kein eigentlicher Instinkt ist), erhebt sich zu dem Auftreten \u00e4hnlicher affektiver Zust\u00e4nde, wobei entweder einfache \u00dcbereinstimmung herrscht, oder aber auch z\u00e4rtliche Gef\u00fchle hinzutreten (die also kein wesentlicher Bestandteil der Sympathie sind), und erreicht ihre feinste Form in der intellektuellen Sympathie, die sich auf eine Einheit des Vorstellens gr\u00fcndet. Mit der \u201e\u00e9motion tendre\u201c verlassen wir die rein egoistischen Triebe, doch ist sie in ihrer urspr\u00fcnglichsten Erscheinung (das Verh\u00e4ltnis des Kindes zur Mutter) nicht rein altruistisch, sondern ego-altruistisch. Ihr physiologischer Ausdruck ist die Attraktion, das Streben nach Ber\u00fchrung (Bain). Der Altruismus ist ein angeborener Instinkt.\nDas V. Kapitel behandelt das Ich und seine affektiven Manifestationen, also das \u201eSelbstgef\u00fchl\u201c, die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit sich selbst, die letzte Emotionsart vor der sexuellen. Auf der einen Seite der Stolz und die ihm verwandten Gem\u00fctsbewegungen (k\u00f6rperliche \u00c4ufserung durch Vergr\u00f6fserung, Erhebung, Vorschieben der Unterlippe), auf der anderen Bescheidenheit, Kleinmut u. s. w. \u2014 Jenem entspricht die \u201efolie du pouvoir\u201c (bes. C\u00e4sarenwahnsinn) und der Gr\u00f6fsen-wahn, der negativen Seite dagegen der Impuls zum Selbstmord.\nDer sexuelle Instinkt (Kap. VI) wird als der sp\u00e4teste bezeichnet (man k\u00f6nnte noch den Pflegeinstinkt \u2014 vergl. Kap. VIII \u2014 und die ihm entsprechenden Emotionen anf\u00fchren, die bei aller menschlichen Liebe eine Rolle spielen). Bei den eigent\u00fcmlichen Konjugationserscheinungen sehr niederer Tiere ist wahrscheinlich noch alles blofs ein physikalisch-chemischer Prozefs. Dar\u00fcber erhebt sich der Instinkt, dessen Natur in besonders deutlicher Weise f\u00fcr James und Lange spricht. Die eigentliche Liebe, eine sehr zusammengesetzte Gem\u00fctsbewegung","page":155},{"file":"p0156.txt","language":"de","ocr_de":"156\nLitteraturbericht.\n(Spencer) beginnt aber erst mit. der Wahl. Ihre h\u00f6chste Entwickelungsform ist die Liebe zu einem Ideal. \u2014 Es ist falsch die Liebe als ganzes pathologisch zu nennen. Die einzelnen morbiden Ph\u00e4nomene durch das Schlagwort \u201eDegeneration\u201c zu erkl\u00e4ren, gen\u00fcgt nicht. Als besondere Ursachen kann man erstens organische Fehler, zweitens das Milieu, drittens unbewufst wirkende Assoziationen aus der Pubert\u00e4tszeit und viertens bewufste Phantasiebilder anf\u00fchren.\nWir machen nun (Kap. VII) den \u00dcbergang von den relativ einfacheren Emotionen zu den komplexeren; diese entstehen aus den einfacheren durch Evolution (homogene und heterogene), durch Entwickelungshemmung (die Intellektualisierung bedeutet immer eine Hemmung, ja auch eine Abschw\u00e4chung der urspr\u00fcnglichen Triebe) und durch Komposition (blofse Mischung verwandter oder divergierender Triebe und wirkliche Kombination, wobei die Elemente nicht mehr ohne weiteres zu erkennen sind).\nZuerst werden die sozialen und moralischen Gef\u00fchle er\u00f6rtert (Kap. VIII). R. beginnt mit einem \u00dcberblick \u00fcber die Entwickelungsformen beim Tiere. Zuunterst kommt ein auf Ern\u00e4hrung gegr\u00fcndetes Zusammenleben, bei dem man noch nicht sicher von einem sozialen Instinkt reden kann, dann die auf Reproduktion gegr\u00fcndete Gesellschaft (hierbei werden die Pflegetriebe besprochen, die vielleicht das Wohlwollen in die Welt gebracht haben, aber doch noch nicht selbst von sozialer Natur sind), dann das (nicht aus der Familie zu erkl\u00e4rende) Herdenleben, mit dem die wirkliche Vergesellschaftung beginnt, und endlich die Gesellschaften mit stabiler und vollst\u00e4ndiger Organisation (Bienen, Ameisen; R. stellt solche Tierstaaten im Gegensatz zu Espinas, der sie zu der Reproduktionssoziet\u00e4t rechnet, mehr neben die Herdenform, ob mit Recht, ist mir zweifelhaft). \u2014 Auch beim Menschen ist die Gesellschaft nicht aus der Familie entsprungen, sondern wurzelt in dem von dieser unabh\u00e4ngigen Clan, von dem aus sie sich vielleicht durch Exogamie und wahrscheinlich durch Kriege weiter entwickelt hat (bei der n\u00e4heren Ausf\u00fchrung der Einzelformen, besonders bei der Entwickelung der Familie ist R. zwar vorsichtig, aber doch vielleicht noch nicht skeptisch genug). Tritt bei dem sozialen Zusammenleben das Gef\u00fchl der Verpflichtung hervor, so beginnt die Moral. Die Moral hat eine mehr instinktive und eine mehr reflektierte Stufe. Das eigentliche moralische F\u00fchlen ist von motorischem Charakter und instinktiv wie Hunger und Durst. Es zeigt sich positiv in dem Bed\u00fcrfnis anderen wohlzuthun (das aus dem allgemeinen Th\u00e4tigkeitstrieb abgeleitet wird), negativ in der Gerechtigkeit (die der Verfasser von dem urspr\u00fcnglichen Rachebed\u00fcrfnis bis zu ihrer h\u00f6chsten Ausgestaltung verfolgt). \u2014 Aus dem Gebiete des Pathologischen wird die \u201emoral insanity\u201c besprochen.\nDas IX. Kapitel wendet sich dem religi\u00f6sen Gef\u00fchl zu. Die religi\u00f6se Entwickelung hat drei Stufen. 1. Vorherrschen der sinnlichen Perzeption und konkreten Imagination. \u00dcber den Ursprung (Kritik Max M\u00fcllers und Spencers) weifs man nichts sicheres. Zuunterst scheint der sinnliche Fetischismus zu stehen, dem sich der mehr imaginative Animismus und Spiritismus anschliefst. Hier herrscht die Furcht vor,","page":156},{"file":"p0157.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n157\ndie Sympathie ist noch schwach entwickelt. Die Auffassung ist utilitaristisch und der Gesamtcharakter stark sozial gef\u00e4rbt. 2, Mittlere Abstraktion und Verallgemeinerung: Weltordnung, h\u00f6here G\u00f6ttergestalten. Hier treten die sympathischen Gef\u00fchle in den Vordergrund, und die Religion verw\u00e4chst mit der ihr urspr\u00fcnglich fremden Moral. 3. H\u00f6chste Intellektualisierung. Verfeinerter Monotheismus. Durch die Intellektualisierung schw\u00e4chen sich die Gef\u00fchle ah. Sie suchen ihr Recht im Mysticismus zu wahren. \u2014 Das religi\u00f6se Gef\u00fchl ist eine vollkommene Emotion, die auch ihren k\u00f6rperlichen Ausdruck findet (Ausbildung im Ritus). \u2014 Oh es wirklich religionslose V\u00f6lker giebt ist zweifelhaft; v\u00f6llig religionslose Individuen von sonst normalem Charakter scheinen vorzukommen. Der religi\u00f6se Wahnsinn zeigt sich in der Form der Depression (Vorherrschen der Furcht) und der Exaltation (Vorherrschen der Attraktion und Liehe).\nDas \u00e4sthetische Gef\u00fchl (Kap. X), das \u2014 besonders durch seine soziale Bedeutung \u2014 doch nicht so v\u00f6llig eine Luxuserscheinung ist, wie man gew\u00f6hnlich annimmt, wird in der Regel auf den Verbrauch \u00fcbersch\u00fcssiger Kraft zur\u00fcckgef\u00fchrt. Hinter dem Kraft\u00fcberschufs ist aber noch etwas Instinktives verborgen, der ererbte Trieb, zu handeln, etwas zu schaffen (besoin de cr\u00e9er), der den \u00dcberschufs verwendet. Dieser Trieb liegt allen Spielen zu Grunde; die Kunst aber ist das Spiel der sch\u00f6pferischen Imagination \u201esous sa forme d\u00e9sint\u00e9ress\u00e9e\u201c (323). Der Gennfs des Beschauers besteht darin, dieses Spiel nachzuspielen, das Echo des K\u00fcnstlers zu sein (vergl. meine \u201einnere Nachsch\u00f6pfung\u201c). Eine Br\u00fccke zwischen blofsem Bewegungsspiel und Kunst ist der Tanz, der die Keime der Musik und Poesie umschliefst, ja auch indirekt die Quelle der anderen K\u00fcnste aufser der Architektur ist. Die Entwickelung geht 1. vom Sozialen zum Individuellen, 2. vom Menschen znr ganzen Natur (Grant Allen). \u2014 Aus der Pathologie ist die Unzug\u00e4nglichkeit f\u00fcr \u00e4sthetische Gen\u00fcsse anzuf\u00fchren (die wenigsten partiell, z. B. f\u00fcr Musik vorkommt), ferner krankhafte Erregbarkeit (best\u00e4ndiges Fieber, \u00fcber-m\u00e4fsiges Selbstgef\u00fchl) und \u00dcberwuchern der Phantasie. \u2014 Aufserdem enth\u00e4lt das Kapitel lesenswerte Ausf\u00fchrungen \u00fcber das Erhabene und Komische.\nDas intellektuelle Gef\u00fchl (Kap. XI), dem der Instinkt der Neugier zu Grunde liegt, entwickelt sich aus einer praktischen, aufs N\u00fctzliche gerichteten Phase (dabei ist zu unterscheiden die \u00dcberraschung, das Erstaunen und das \u201eWas ist\u2019s? Wozu dient es?\u201c) zu der uninteressiert-wissenschaftlichen Stufe (hierbei tadelt R. die zu weit gehenden Einteilungen der Herbartianer und unterscheidet nur zwischen den Gef\u00fchlen beim Suchen und beim Besitzen der Erkenntnis) und schliefslich zu dem seltenen, zur Leidenschaft gewordenen Wissensdurst. \u2014 Pathologisch ist der extreme Zweifel und der wissenschaftliche Mystizismus.\nDas schon 1893 als Aufsatz ver\u00f6ffentlichte XII. Kapitel giebt eine Klassifikation der normalen Charaktere. R. bespricht zuerst einige schon vorhandene Einteilungsversuche und geht dann zu seiner Klassifikation \u00fcber; er nimmt als Grundunterschied den von Sensitiven und Aktiven, wobei dann in jeder von beiden Gattungen noch Artunter-","page":157},{"file":"p0158.txt","language":"de","ocr_de":"158\nLitteraturbericht.\nschiede nach der intellektuellen Disposition konstatiert werden. Aufserdem giebt es Apathische. Dann werden die Sensitiv-Aktiven, Apathisch-Aktiven und Apathisch-Sensitiven als Variet\u00e4ten behandelt. Die meisten Menschen sind \u00fcbrigens nach E. \u00fcberhaupt keine Charaktere (wozu eine gewisse Einheit und Stabilit\u00e4t geh\u00f6rt), sondern Amorphe und Instabile.\nBei den anomalen und m or bid en Charakteren (Kap. XIII) unterscheidet E. solche, die in der Succession Widerspr\u00fcche zeigen (dabei sind die alternierenden Charaktere besonders merkw\u00fcrdig), solche, die eine Koexistenz widersprechender Tendenzen aufweisen (z. B. Schopenhauer) und endlich solche, die eine v\u00f6llige Zerfahrenheit und Polymorphie darstellen (z. B. Hysterische). \u2014 Es folgen Ausf\u00fchrungen \u00fcber die Aufl\u00f6sung des affektiven Lebens (Kap. XIV), wobei gezeigt wird, dafs die Dissolution den umgekehrten Weg wie die Evolution geht: zuerst verschwinden die uninteressierten Emotionen, dann die altruistischen, die ego-altruistischen u. s. w., bis zuletzt nur noch das Nahrungsbed\u00fcrfnis \u00fcbrig bleibt. Im Anschlufs an die eigentliche Dissolution werden auch die Entwickelungshemmungen (z. B. die der Idioten) besprochen.\nDer Schlufs fafst noch einmal die,Grundanschauungen des Buches zusammen und vergleicht sie mit der Lehre von Schopenhauer und Spinoza. \u2014 Man wird wohl aus dieser Analyse entnehmen k\u00f6nnen, dafs Eibots neues Werk wieder eine E\u00fclle von Belehrung und Anregung bietet. \u2014\tKarl Groos (Giefsen).\nTh. Eibot. Pathological Pleasures and Pains. The Monist. Vol. VI. No. 2.\nS. 176\u2014187. 1896.\nPaul Carus. The Nature of Pleasure and Pain. In Comment on Prof.\nTh. Eibot\u2019s Theory. The Monist Vol. VI. No. 3. S. 432\u2014442. 1896.\nGegen Eibots Aufsatz, der eine \u00dcbersetzung des IV. Kapitels aus dem ersten Teil seiner \u201ePsychologie des sentiments\u201c ist (s. S. 152) wendet sich Carus mit dem Tadel, dafs E. als Kennzeichen des Pathologischen nur quantitative Bestimmungen geltend mache. Demgegen\u00fcber h\u00e4lt C. ein qualitatives Moment f\u00fcr wichtiger, n\u00e4mlich das Auftreten des Irrtums, der Illusion oder allgemeiner: der Inkongruenz zwischen dem Vorstellen und dem, was vorgestellt wird. Aufserdem bek\u00e4mpft er die Auffassung, als ob Lust ein Zeichen des Gesunden, N\u00fctzlichen und die Unlust das Gegenteil sein m\u00fcsse. Seine eigene Theorie vermeidet diese Schwierig keit, die in der That fast unumg\u00e4nglich ist, sobald man alles auf ererbte Instinkte zur\u00fcckf\u00fchren will. Er baut die Gef\u00fchlstheorie mehr auf den Begriffen der Wiederholung und Gewohnheit auf, aus denen nicht nur ererbte, sondern auch erworbene Bed\u00fcrfnisse entspringen, deren Befriedigung Lust erregt, aber darum durchaus nicht n\u00fctzlich zu sein braucht. Nur so komme man auch in der Ethik \u00fcber den verkehrten Standpunkt hinaus, als ob die Lust der Zweck des Lebens und das h\u00f6chste Gut sei.\nKarl Groos (Giefsen).","page":158}],"identifier":"lit30209","issued":"1897","language":"de","pages":"150-158","startpages":"150","title":"Th. Ribot: La Psychologie des sentiments. Paris, F\u00e9lix Alcan. 1896. XI. 443 S.","type":"Journal Article","volume":"15"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:39:21.370082+00:00"}