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{"created":"2022-01-31T12:37:44.101593+00:00","id":"lit30215","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meinong, A.","role":"author"},{"name":"St. Witasek","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 15: 189-205","fulltext":[{"file":"p0189.txt","language":"de","ocr_de":"(Aus dem psychologischen Laboratorium der Universit\u00e4t Graz.)\nZur experimentellen Bestimmung der Tonverschmelzungsgrade.\nVon\nA. Meinong und St. Witasek.\nDie im gegenw\u00e4rtigen Bande XY dieser Zeitschrift mitgeteilten Untersuchungen von A. Faist1 2 haben die \"Wiederaufnahme von Versuchen veranlafst, durch welche gelegentlich des Studiums von C. Stumpes fundamentalen Aufstellungen \u00fcber Tonverschmelzung bereits im Jahre 1891 erst M., dann auch W. zu der \u00dcberzeugung gelangt war, dafs die in betreff der Verschmelzung von Stumpe angenommenen Gesetzm\u00e4fsigkeiten nicht in allen Punkten mit der Erfahrung in Einklang zu bringen sein m\u00f6chten.\nN\u00e4her hatte es sich um die ganz elementare Angelegenheit der Verschmelzungsstufen gehandelt, im besonderen um die Reihe, in welche die musikalischen Intervalle nach dem Grade zu ordnen sind, in dem die sie ausmachenden T\u00f6ne verschmelzen. Wie f\u00fcr denjenigen, der klar erfassen will, was Verschmelzung ist, die direkte Erfahrung durch keine Definition oder Beschreibung ersetzt werden kann, so darf man auch f\u00fcr das Verhalten verschiedener Verschmelzungsst\u00e4rken zueinander durch direkte Vergleichung den ersten und zuverl\u00e4ssigsten Aufschlufs zu gewinnen hoffen. Und wer darauf hin etwa Oktave, Quint und Terz nebeneinander h\u00e4lt, wird aus\n1\t\u201e Versuche \u00fcber Tonverschmelzunga. a. O. S. 102 ff.\n2\tVergl. dessen Anzeige von Bd. II der \u201eTonpsychologie\u201c in der Vierteljahrsschr. f. MusikwissJahrg. 1891, S. 433.","page":189},{"file":"p0190.txt","language":"de","ocr_de":"190\nA. Meinong und St. WitaseJc.\nder Sicherheit, mit der sich hier die Antwort auf die Frage nach der Stufenreihe aufdr\u00e4ngt, die Zuversicht ableiten, mit relativ leichter M\u00fche zu abscbliefsenden Feststellungen gelangen zu k\u00f6nnen. Demgem\u00e4fs hatten wir einen ziemlich einfachen Untersuchungsweg eingeschlagen: auf der Violine, mit deren Behandlung wir uns ausreichend vertraut annehmen durften, wurde jedes der innerhalb einer Doppeloktave gelegenen Intervalle \u2014 die \u201eleereu (?-Saite lieferte zumeist den technisch bequemsten Ausgangston \u2014 angegeben und durch Vergleichen je zweier der so entstehenden Zweikl\u00e4nge auf Gewinnung der gesuchten Reihe hingearbeitet. Dabei zeigte sich nun freilich bald genug, wie sehr wir die Schwierigkeit der Aufgabe untersch\u00e4tzt hatten, indem sich bei den niedrigeren Verschmelzungsstufen gelegentlich die gr\u00f6fste Unsicherheit beim Vergleichen merklich machte. Immerhin aber m\u00f6gen einige der damals gewonnenen Reihen hier ihre Stelle finden. Der K\u00fcrze halber seien im folgenden als Symbole f\u00fcr die Intervalle die ihren herk\u00f6mmlichen Benennnngen entsprechenden Ziffern, also etwa 4 f\u00fcr Quart,- 8 f\u00fcr Oktave gebraucht, und diese Bezeichnungsweise auch \u00fcber die Grenzen der herk\u00f6mmlichen Kamen hinaus angewendet, so dafs f\u00fcr die Intervalle zwischen Duodezim und Doppeloktave die Zeichen 13 und 14 in Verwendung kommen. Dafs unter diesen Voraussetzungen der Doppeloktave das Zeichen 15 zuf\u00e4llt, kann nur im ersten Augenblick befremden. Wo das musikalische Herkommen grofse und kleine Intervalle auseinanderh\u00e4lt, sind jene durch einen Unterstrich gegen\u00fcber diesen gekennzeichnet, so dafs etwa 3 oder 7 grofse Terz resp.\ngrofse Septim bedeuten; unter diesem Gesichtspunkte ergiebt sich dann auch die analoge Bezeichnungsweise f\u00fcr die um eine Oktave erweiterten Intervalle, also etwa 10 oder 14. Der Triton\nsoll durch Tr, der um eine Oktave erweiterte Triton durch Trs bezeichnet werden.\nDa eine Vergleichung nur bei Intervallen zum Ziele f\u00fchren konnte, bei denen der Beurteilende wenigstens subjektiv den Eindruck der Reinheit hatte, auf volle \u00dcbereinstimmung verschiedener Subjekte in betreff dieses Eindruckes aber nicht zu z\u00e4hlen gewesen w\u00e4re, so mufste die Herstellung der Zweikl\u00e4nge auf der Violine stets durch den Urteilenden selbst erfolgen. Es konnte und mufste sonach jeder von uns unabh\u00e4ngig vom","page":190},{"file":"p0191.txt","language":"de","ocr_de":"Zur experimentellen Bestimmung der Tonverschmelzungsgrade. 191\nanderen experimentieren. Ais Ergebnisse der Versuche M.s seien verzeichnet:\n1.\tReihe:\n8, 15, 12, 5, 4. 3, 10, 3, 10, 11.\n2.\tReihe :\n8, 12, 15, 5, 3, 10, 4, 11.\n3.\tReihe:\n8, 12, 15, 5, 4, 3, 10, 3, 6, 10, 13, 6, 13.\n4.\tReihe:\n8, 12, 15, 5, 3, 4, 10, 3, 6, 13, 6, 10, 13.\n5.\tReihe :\n6,\t3, 6, 10, 9, 9, 2, 2.\n6.\tReihe:\n3, 6, 6, 10, 9, 2.\n7.\tReihe:\n10, 6, 10, 3, 13, 13, 14, 14.\nAufserdem stellte sich M. die Aufgabe, je zwei benachbarte Intervalle innerhalb der Doppeloktave auf ihre Verschmelzungsst\u00e4rke zu vergleichen. Er erhielt die Reihe:\n2>2<3<3<4>2V<5>6 < \u00df > 7 > 7 < 8 > 9 < 9\n< 10 < 10 > 11 > Tr8 < 12 > 13 < 13 > (?) 14 > 14,\nwo die Zeichen > und << bedeuten, dafs die T\u00f6ne des links stehenden Intervalles als st\u00e4rker resp. schw\u00e4cher verschmelzend beurteilt wurden als die T\u00f6ne des rechts angegebenen.\nDie Ergebnisse der Versuche W.s d\u00fcrften einige auffallende Punkte aufweisen. Sie ordnen sich n\u00e4mlich in folgende Reihe :\n8, 12, 15, 5, 10, 3, 10, 6, 6, 3, 4.\n\u2666\nDie ersten f\u00fcnf Zahlen stimmen freilich so ziemlich mit dem a\u00fcch von anderer Seite Mitgeteilten, vor allem mit dem","page":191},{"file":"p0192.txt","language":"de","ocr_de":"192\nA. Meinong und St. WitaseJc.\nErgebnis unserer neuen Versuche, \u00fcber die wir im folgenden berichten wollen, \u00fcberein ; aber die Stelle der Quart und der grofsen Terz, am Ende der Reihe und so weit hinter der kleinen Terz und der kleinen Dezime, mag immerhin einiges Mifs-trauen gegen die Versuche, auf die sie sich st\u00fctzen, begr\u00fcnden. Trotz eines solchen, m\u00f6glicherweise gerechtfertigten Mifstrauens wird doch derjenige, der in Erw\u00e4gung zieht, dafs sich wie noch zu ber\u00fchren sein wird, dem Vergleichen von Verschmelzungsgraden allem Anschein nach auch qualitative Verschiedenheiten erschwerend in den Weg stellen und sich \u00fcberdies daran erinnert, dafs Stumpf die beiden Terzen und Sexten als in gleichem Grade verschmelzend betrachtet,1 diese Reihe wenigstens als Ausdruck der grofsen Schwierigkeit der Aufgabe mit einigem Interesse zur Kenntnis nehmen.\nEs liegt nahe, gegen Versuche von der eben gekennzeichneten Anordnung das Bedenken zu erheben, es sei dabei die Tonerzeugung doch allzu sehr der Subjektivit\u00e4t des Experimentators anheim gegeben. Aber einerseits hat die Fernhaltung solcher Subjektivit\u00e4t gerade auf akustischem Gebiete ganz besondere Schwierigkeiten; dann aber hing die Gr\u00f6fse des durch unser Verfahren in den Kauf genommenen Fehlerbereiches doch aufs engste mit der den Beobachtern zuzutrauenden Zuverl\u00e4ssigkeit im Intervallenurteil zusammen, und wir durften annehmen, in dieser Hinsicht hinter billigen Anforderungen nicht zur\u00fcckzustehen. Immerhin haben wir die neuen umfassenderen Versuche an Apparaten vorgenommen, bei denen praktisch irgend in Betracht kommende Tonh\u00f6henschwankungen objektiv ausgeschlossen waren; doch wird sich zeigen, dafs die neue Versuchsanordnung nicht nur Vorz\u00fcge aufzuweisen hatte.\nIn zweierlei Hinsicht sind diese Versuche, die in den Monaten M\u00e4rz und April 1897 im Grazer Psychologischen Laboratorium angestellt wurden, als Wiederaufnahme der Experimente aus dem Jahre 1891 zu betrachten. Vor allem war es auch diesmal auf das direkte Erfassen und Vergleichen der Verschmelzungsst\u00e4rken abgesehen: langj\u00e4hrige praktische Besch\u00e4ftigung mit Musik im allgemeinen und einem Streichinstrumente im besonderen schien uns f\u00fcr diese Behandlungsweise des Problems eine Art spezieller Vorge\u00fcbtheit zu sichern,\n1 Tonpsyohol. II. 135.","page":192},{"file":"p0193.txt","language":"de","ocr_de":"Zur experimentellen Bestimmung der Tonverschmelzungsgrade. 193\n%\ndie unserer Frage durch besondere VersuchsanOrdnung ausdr\u00fccklich zuzuwenden auch dann berechtigt w\u00e4re, wenn die neuerlich auch von A. Faist angewandte Analysenmethode sich zu unserem Verfahren nicht wie der Umweg zum geraden Wege verhielte.\nFerner wurde die zur Inangriffnahme der eigentlich systematischen Versuche unerl\u00e4fsliche erste Orientierung auch diesmal mit H\u00fclfe der Violine gewonnen. Ohne \u00fcbrigens die im Detail nat\u00fcrlich l\u00e4ngst vergessenen Ergebnisse aus dem Jahre 1891 ins Ged\u00e4chtnis zu rufen, suchte M. neuerlich in der eben geschilderten Weise die 24 Intervalle innerhalb einer Doppeloktave in eine Stufenreihe zu ordnen, diesmal mit dem Resultate:\n8, 15, 12, 10, 5, 4, 6, 3, 3, 13, 6, 13, Tr, 10, 9, 7, 11, Tr8,\n2, 2, 14, 7, 14, 9.\nDie Unsicherheit vieler Urteile, z. B. der \u00fcber die Stellung\nder Duodezim zur Doppeloktav, namentlich aber der die\nniedrigeren Verschmelzungsstufen angehenden Vergleichungen,\nliefs \u00fcber den blofs vorl\u00e4ufigen Wert vieler der in dieser Reihe\nenthaltenen Aufstellungen keinen Zweifel aufkommen, und es\n\u00bb\u2022\ngalt nun, der Irrtumsgefahr durch wiederholtes Uberpr\u00fcfen der irgendwie bedenklichen Einzelergebnisse entgegenzuarbeiten.\nDazu war vor allem ein Instrument mit konstant vorgegebenen T\u00f6nen w\u00fcnschenswert. Klavier, Harmonium oder Orgel konnten ihrer (\u00fcberdies nur im Hinblick auf praktische Zwecke hergestellten) temperierten Stimmung halber keine Dienste leisten : denn mag auch hieran bei Analysen versuchen nicht Anstofs zu nehmen sein,1 so liegen bei direkten Vergleichungsversuchen die Dinge doch wesentlich anders. F\u00fcr uns im besonderen hatten bereits die Versuche an der Violine auff\u00e4lligst den schon von Stumpe betonten Umstand erkennen lassen, dafs geringf\u00fcgige Ungenauigkeiten der Intonation zu ganz betr\u00e4chtlichen Herabsetzungen des Verschmelzungsgrades f\u00fchren k\u00f6nnen, die \u201ereinen\u201c Intervalle also mindestens in der Regel relative Versehmelzungsmaxima bedeuten. Als Tonquellen f\u00fcr reine Intervalle waren uns nun Stumpes \u201eIntervallenapparat\u201c Und\n1 Vergl. Faist a. a. O. S. 118 f. Zeitschrift f\u00fcr Psychologie XV.\n13","page":193},{"file":"p0194.txt","language":"de","ocr_de":"194\nA. Meinong und St. Witas\u00e9k.\n*\nStumpfs \u201eDreiklangapparat\u201c1 zur Hand : davon bot der erstere f\u00fcr unsere Zwecke alle irgend w\u00fcnschenswerten Intervalle innerhalb einer Oktave (zwischen 400 und 800 Schwingungen), der letztere mindestens einige der Intervalle zwischen der einfachen und doppelten Oktave: was noch fehlte, war durch gleichzeitige Benutzung beider Apparate herzustellen. In der That war zu hoffen, dafs sich in dieser Weise billigen Anspr\u00fcchen gen\u00fcgen liefs; doch sei hier sogleich auf ein paar M\u00e4ngel unserer Versuchsanordnung ausdr\u00fccklich hingewiesen:\n1.\tAuf einen konstanten Ausgangston, entsprechend dem d der Violinversuche, mufste im Hinblick auf den T\u00f6nevorrat der beiden Apparate bei manchen Intervallpaaren verzichtet werden. Ein solcher h\u00e4tte aber voraussichtlich in mehr als einem Falle eine w\u00fcnschenswerte Erleichterung geboten, denn es wurde oft genug die auch schon an sich plausible Erfahrung gemacht, dafs Verschmelzungsst\u00e4rken dann am sichersten zu vergleichen waren, wenn die zu beurteilenden Zweikl\u00e4nge den unteren oder doch wenigstens den oberen Ton gemeinsam hatten. Zusammenfallen des tieferen Tones im einen mit dem h\u00f6heren Tone im anderen Zweiklange scheint keinen Vorteil zu bieten.\n2.\tDie unvermeidliche Ungleichheit im Klangcharakter bei den verschiedenen Zungen hat ohne Zweifel den Ausfall vieler Urteile mitbestimmt. Nat\u00fcrlich kommt dabei viel auf die objektive Gr\u00f6fse der zu erkennenden Distanzen an. Die Oktave hinter die Quinte zu stellen, dazu wird man sich durch keinerlei Klangfarbe verleiten lassen. Dagegen ist es uns z. B. in der Hauptsache nicht gelungen, das Urteil \u00fcber das Verh\u00e4ltnis von 6 und 13 von den Eigent\u00fcmlichkeiten der verf\u00fcgbaren Kl\u00e4nge unabh\u00e4ngig zu machen.\n3.\tDas Zusammenstimmen der benutzten Zungen war keineswegs in allen F\u00e4llen ein tadelloses. Im ganzen scheint der bereits vor zwei Jahren von A. Appunn dem Grazer Laboratorium gelieferte Intervallenapparat den Einfl\u00fcssen der Umgebung weit besser Stand gehalten zu haben als der erst seit einem Jahre im Laboratorium stehende Dreiklangapparat derselben Provenienz. Die auff\u00e4lligsten St\u00f6rungen aber hatte der Umstand im Gefolge, dafs der ganze Dreiklangapparat derzeit tiefer steht als der ganze Intervallenapparat. Die beiden\n1 \u00dcber beide Apparate vergl. Stumpf in Bd. VI dieser Zeitschr. S. 33 ff.","page":194},{"file":"p0195.txt","language":"de","ocr_de":"Zur experimentellen Bestimmung der Tonverschmelzungsgrade.\t195\nmit der Ziffer 400 bezeichneten Zungen geben zusammen ca. 2 Schwebungen in der Sekunde.1 An ein Umstimmen war aus \u00e4ufseren Gr\u00fcnden nicht zu denken. Es blieb daher nichts \u00fcbrig, als die gleichzeitige Benutzung beider Apparate nach M\u00f6glichkeit zu vermeiden; wo dies unthunlich war, blieb die objektive Unreinheit als nicht unerhebliche Fehlerquelle eben bestehen.\nDen unter diesen Umst\u00e4nden anzustellenden Versuchen wurde also die Aufgabe gestellt, die durch die Vorversuche an der Violine gewonnene Beihe zu \u00fcberpr\u00fcfen, d. h. festzustellen, ob die in jener Beihe zusammengefafsten Urteile sich bei wiederholt und in verschiedenen Folgen vorgenommenen Vergleichungen bew\u00e4hren. Je nach Bedarf wurden dabei nicht nur die in der vorg\u00e4ngigen Beihe benachbarten, sondern auch entferntere Glieder zum Vergleiche herangezogen, die Anzahl der \u00fcber ein Paar von Zweikl\u00e4ngen abzugebenden Urteile aber von der Sicherheit und Einstimmigkeit der letzteren abh\u00e4ngig gemacht. Das zu beurteilende Paar von Zweikl\u00e4ngen wurde stets dreimal hintereinander in der n\u00e4mlichen Folge angegeben : jeder Zweiklang wurde dabei ungef\u00e4hr zwei Sekunden lang gehalten; die Zwischenpausen betrugen etwa eine halbe Sekunde. Dann erfolgte m\u00f6glichst rasch die Urteilsabgabe, hierauf eine meist l\u00e4ngere Zwischenpause. Um St\u00f6rungen durch Obert\u00f6ne, Schwebungen, Nebenger\u00e4usche u. dergl. einigermafsen abzuhalten, befand sich der Urteilende in einem Nebenzimmer bei verschlossener Th\u00fcr und teilte von da aus durch ein verabredetes Zeichen mit, ob er den ersten oder den zweiten der angegebenen Zweikl\u00e4nge st\u00e4rker verschmelzend finde. Welcher der Zweikl\u00e4nge als erster, welcher als zweiter aufbrat, konnte, da durch die dreimalige Aufeinanderfolge jedesmal beide Zeitverh\u00e4ltnisse geboten waren, kaum von erheblichem Belang sein; gleichwohl ist auf angemessenen Wechsel Bedacht genommen worden.\nIm Laufe der Arbeit erwies es sich als naheliegend, den Kreis der in Betracht gezogenen Intervalle in zwei Punkten zu erweitern. Einmal in betreff des Tritons. In den auf der Violine gewonnenen provisorischen Beihen ist unter dem Symbol Tr\n1 Genauer 100 Schwebungen in 45,2 Sekunden (gemessen mit einer F\u00fcnftel-Sekunden-Uhr).\n13*","page":195},{"file":"p0196.txt","language":"de","ocr_de":"196\nA. Meinong und St. WitaseJc.\nein Intervall gemeint, das zwar f\u00fcr die gew\u00f6hnliche musikalische Praxis genau genug fixiert ist, dessen Schwingungsverh\u00e4ltnis jedoch bisher keineswegs eine einheitliche Festsetzung erfahren hat. Yon den verschiedenen Intervallen, die uns unsere beiden Apparate boten und die auf den Namen Triton Anspruch machen k\u00f6nnen, w\u00e4hlten wir aus Bequemlichkeitsgr\u00fcnden zun\u00e4chst denjenigen, der vom Grundton des Intervallenapparates ausgeht und durch das Verh\u00e4ltnis 32:45 gegeben ist, und dann auch noch \u2014 wegen der Einfachheit des SchwingungsVerh\u00e4ltnisses \u2014 das Intervall 5:7. Die beiden sind in unserer Tabelle mit den Symbolen T' bezw. T bezeichnet. \u2014 Die zweite Erweiterung liegt in der Ber\u00fccksichtigung des Intervalles *, 4: 7, das der Dreiklangapparat bot. Die kleine Inkonsequenz, die durch die Aufnahme dieses aufser-musikalischen Intervalles in unsere Beihe kommt, ist wohl im Hinblick auf dessen interessante Eigenart1 zu rechtfertigen; \u00fcberdies mufs bei der Untersuchung der Yerschmelzungsthat-sachen ja doch einmal der Schritt \u00fcber den engen Kreis der musikalischen Intervalle hinaus gemacht werden.\nDas Besultat der experimentellen \u00dcberpr\u00fcfung der provisorischen Beihe sollte nat\u00fcrlich eine definitive Beihe sein. Wir d\u00fcrfen uns nicht r\u00fchmen, dieses Ziel erreicht zu haben; aber so provisorisch, d. h. so \u00fcberpr\u00fcfungsbed\u00fcrftig das Hauptergebnis ist, bei dem wir es aus \u00e4ufseren Gr\u00fcnden bewenden lassen mufsten, so dr\u00fcckt es sich doch am besten wieder in der Aufstellung einer Beihe aus, die in der beigegebenen \u00dcbersicht (Tabelle I) mitgeteilt ist. Wie in allen fr\u00fcheren Aufzeichnungen hat man auch hier, von links nach rechts fortschreitend, eine m\u00f6glichst geordnete Beihe abnehmender Yerschmelzungsst\u00e4rken vor sich; \u00fcber die Versuche aber, aus denen diese Beihe erschlossen ist, geben die unter die Intervallensymbole gesetzten Zahlen Bechenschaft. N\u00e4her bedeutet die jedesmal an erste Stelle gesetzte Zahl ohne Parenthese die Anzahl der Versuche, bei denen das betreffende links stehende Intervall als st\u00e4rker verschmelzend angegeben wurde als das betreffende rechte, die an zweiter Stelle in Klammer beigef\u00fcgte, wie oft im entgegengesetzten Sinne ge-\n1 Auch Stumpf ist geneigt, ihm eine Ausnahmestellung zuzuweisen. Tonpsychol. II. 135.","page":196},{"file":"p0197.txt","language":"de","ocr_de":"Zur experimentellen Bestimmung der TonverSchmelzungsgrade.\t197\nurteilt wurde. Eine dritte, von den vorigen durch einen Beistrich getrennte Zahl bezieht sich auf diejenigen F\u00e4lle, in denen es wegen Yergleichungsschwierigkeiten zu keinem Urteil gekommen ist, eine vierte auf die nur ganz selten auftretenden Gleichheitsurteile. Steht in einer dieser vier Gruppen ein Bruch mit dem Nenner 2, so bedeutet sein Z\u00e4hler die Anzahl von Urteilen, die zwar im Sinne dieser Gruppe abgegeben, aber als bemerkenswert unsicher bezeichnet wurden. \u2014 Da die Urteile durchaus nicht immer die jetzt in der B-eihe nebeneinander gestellten Intervalle betreffen, vielmehr oft genug die Stellung eines Intervalles auch gegen\u00fcber seinen entfernteren Nachbaren festgelegt werden mufste, so stehen die Versuchszahlen jedesmal in der Mitte einer horizontalen punktierten Linie, die vertikal unter denjenigen Zahlen endet, welche die beiden verglichenen Intervalle bedeuten; zur leichteren Orientierung sind deshalb in der Tabelle von den Intervallsymbolen vertikale Linien gezogen. \u2014 Die s\u00e4mtlichen hier verzeich-neten Urteile, 794 an der Zahl, wurden von M. abgegeben.\nDen Wert dieser Ergebnisse allzu hoch anzuschlagen, davor warnen schon die relativ so zahlreichen Gegenurteile. Es mufs hinzugef\u00fcgt werden, dafs beim Aufzeichnen der Urteile jedenfalls gelegentlich auch Irrt\u00fcmer unterlaufen sind, indem das thats\u00e4chlich gef\u00e4llte Urteil gewifs in einigen F\u00e4llen entweder unrichtig angegeben oder die richtige Angabe falsch verstanden resp. aufgezei\u00e7hnet worden ist. Ganz besonders f\u00e4llt aber auch noch die aufsero'rdentliche Unsicherheit ins Gewicht, mit der in schwierigeren F\u00e4llen die Urteile abgegeben wurden; der Urteilende konnte sich nicht verhehlen, wie leicht da ein auch nur wenig pr\u00e4disponierender Zufall das Urteil h\u00e4tte in sein Gegenteil verkehren k\u00f6nnen.1 Ab und zu f\u00fchlt man sich sogar versucht, noch weiter zu gehen und die\n1 Dagegen d\u00fcrften Vormeinungen \u00fcber den Ausfall der vorzunehmen-den Vergleichungen deren Ergebnisse sicher nicht nennenswert beein-flufst haben. Im allgemeinen gelang es mit sehr leichter M\u00fche, Erwartungsurteile fernzuhalten; f\u00fcr Intervalle jenseits der Oktave fehlte \u00fcberdies f\u00fcr solche zumeist der Angriffspunkt, da der Urteilende auf diesem Gebiete viel h\u00e4ufiger, als ein \u201eMusikalischer\u201c von sich erwarten m\u00f6chte, die betreffenden Intervalle gar nicht zu agnoszieren im st\u00e4nde war. Es ist ganz erstaunlich, f\u00fcr die Psychologie des Erkennens von Intervallen aber vielleicht nicht belanglos, wie h\u00fclflos man sich etwa inem Wechsel von 9 und 14 gegen\u00fcber f\u00fchlt.","page":197},{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"198\nA. Meinong und St. Witasek.\nEventualit\u00e4t in Rechnung zu ziehen, f\u00fcr das n\u00e4mliche Intervall k\u00f6nnten die Verschmelzungsgrade, immerhin innerhalb ausreichend enger Grenzen, thats\u00e4chlich variabel sein; wenigstens war der Umschlag bei sogar mit ziemlicher Zuversicht gef\u00e4llten Urteilen gelegentlich ganz frappierend. W\u00e4re die St\u00e4rke der Verschmelzung thats\u00e4chlich aufser von den Tonh\u00f6hen noch von anderen, etwa dispositionellen Momenten im Subjekte abh\u00e4ngig oder k\u00e4men solche Momente am Ende gar schon f\u00fcr die Qualit\u00e4t der einem gegebenen Reize antwortenden Empfindung in Betracht, dann w\u00e4re auch nichts Erstaunliches dabei, wenn in Bezug auf einander ausreichend nahe stehende Verschmelzungsgrade unter Umst\u00e4nden trotz v\u00f6llig korrekten Urteilens ein Umschlag in das Gegenteil eintreten sollte.\nDie gr\u00f6fsten Beurteilungsschwierigkeiten wurzeln augenscheinlich in dem Unternehmen, die Intervalle jenseits mit denen diesseits der Oktave in eine Reihe zu bringen. Verzichtet man hierauf, d. h. h\u00e4lt man die beiden eben be-zeichneten Intervallengruppen auseinander, so kommen Reihen zu Tage, deren Richtigkeit sich fast mit v\u00f6lliger Zuversicht ansprechen l\u00e4fst, n\u00e4mlich\nf\u00fcr die kleineren Intervalle: 8, 5, 4, 6, 3, 3, 6, T, i, T\\ 7, ?,.7, 2;\nf\u00fcr die gr\u00f6fseren Intervalle: 12, 15, 10, 13, 10, 13, 11, iB1 TS1 14, T's, 14, 9, 9.\nDie erste dieser beiden Teilreihen wurde mit Beschr\u00e4nkung auf die der musikalischen Praxis gel\u00e4ufigen Unterschiede mittelst eines den Violinversuchen analogen Verfahrens an zwei zugleich angeblasenen Lippenpfeifen nachgepr\u00fcft, deren eine unver\u00e4nderlich den Ton c angab, indefs die zweite sich durch einen beweglichen Stempel innerhalb der Unteroktave verstimmen liefs. Die richtigen Einstellungen gelangen M. wider Erwarten leicht: M. und W. fanden dabei die obige Reibe mit grofser Sicherheit verifiziert.\nVon besonderem Interesse ist im Hinblick auf die diesbez\u00fcgliche Aufstellung Stumpfs, was unsere Versuche \u00fcber das Verh\u00e4ltnis der um eine Oktave voneinander verschiedenen Intervalle ergeben. Darnach best\u00e4tigt es sich n\u00e4mlich nicht bei einem einzigen, dafs, wie Stumpf1 meint, dieselben Ver-\n1 Tonpsyehol. II. 189.","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Zur experimentellen Bestimmung der Tonverschmelzungsgrade. 199\nschmelzungsgrade wiederkehren, wenn man \u00fcber eine Oktave binausgebt. \u2014 Die Beobachtung Faists,1 dafs bei Erweiterung um eine Oktave die Yerscbmelzung herabgesetzt wird, bew\u00e4hrt sich nach unseren Ergebnissen nur bei den Intervallen 8, 4, 6, 3, 6, T\\ T\\ 2, w\u00e4hrend bei den \u00fcbrigen, also bei 5, 3, i1 7,\n2, 7 das Gegenteil der Pall ist.\n\u00dcbrigens aber f\u00fchrt l\u00e4ngeres Verweilen bei den Verschmelzungsph\u00e4nomenen immer bestimmter zu der \u00dcberzeugung, dafs es den Thatsachen Gewalt anthun hiefse, wollte man alle hier anzutreffenden Verschiedenheiten unter den Intensit\u00e4tsgedanken zw\u00e4ngen. Verschmelzungen haben ohne Zweifel auch ihre Qualit\u00e4t und diese ist keineswegs unter allen Umst\u00e4nden die gleiche. Man wird Mittel finden m\u00fcssen, auch diesen qualitativen Verschiedenheiten nachzugehen; einstweilen aber steht zu vermuten, dafs diese Verschiedenheiten nicht die unwesentlichsten unter den Hindernissen gewesen sind, welche einer befriedigenden Beantwortung unserer nur auf quantitative Verschiedenheiten Bedacht nehmenden Fragestellung in den Weg getreten sind.\nEs liegt nicht im Plane dieser ausschliefslich den Thatsachen gewidmeten Mitteilung, von diesen nun auch zur Theorie \u00fcberzugehen; dazu scheinen uns die neuen Erfahrungen, die wir ihr im obigen zur Verf\u00fcgung gestellt haben, nicht ausschlaggebend genug. Deshalb soll hier im besonderen von einer eingehenderen Stellungnahme zu den STUMPEschen Verschmelzungsgesetzen (sowie auch zu A. Faists wiederholt erw\u00e4hnter Diskussion derselben) Abstand genommen werden. Hur dem erfreulichen Zufall, dafs mitten in unsere oben mitgeteilten Versuche das Erscheinen des ersten Halbbandes von Ebbinghaus\u2019 \u201eGrundz\u00fcgen der Psychologieu fiel, sei hier durch eine Art theoretischen Anhanges Bechnung getragen.\nAm Ende des erw\u00e4hnten Halbbandes2 setzt Ebbinghaus der in der HELMHOLTzschen Theorie gelegenen Zuspitzung des Prinzipes von den spezifischen Energien die Annahme ent-\n1\ta. a. O. S. 181.\n2\tS. 318.","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"A. Meinong und St. Witaseh.\ngegen, \u201edie Zellen des Schneckennerven (oder ihre zentralen Annexe) werden allerdings die allgemeine F\u00e4higkeit haben, anf rhythmische Beize hin Tonempfindungen zu vermitteln, aber welche Empfindung in jedem bestimmten Falle entsteht\u201c, sei \u201enicht von den spezifischen Eigent\u00fcmlichkeiten der einzelnen Zellen abh\u00e4ngig zu denken, sondern von dem jedesmaligen\nRhythmus des Reizes\u201c. \u201eAuf welche Weise aber kann denn eine\nNervenzelle, die vielleicht doch nur mit einem einzigen Resonator direkt kommuniziert, Erregungen von einer anderen als dessen Eigenperiode \u00fcberhaupt empfangen? Zuv\u00f6rderst dadurch, dafs jeder Resonator .... nicht nur auf eine einzige Schwingungszahl anspricht, sondern schw\u00e4cher auch auf solche, die seiner\nEigenschwingung benachbart sind....... Aufserdem aber\nwerden jeder Zelle vielfach noch ganz andere und v\u00f6llig abweichende Rhythmen zugef\u00fchrt. Jede die Basilarmembran treffende einfache Tonwelle setzt notwendig nicht nur die sozusagen direkt auf sie abgestimmten Fasern in Mitschwingung, sondern bis zu einer gewissen Grenze auch alle diejenigen Fasern, die auf ihre harmonischen Untert\u00f6ne abgestimmt sind. \u201c Es ergiebt sich daraus, \u201edafs sich in jeder Zelle des Schneckennerven im Laufe der Zeit nicht nur eine starke Gew\u00f6hnung an die Eigenperiode ihres Resonators ausbilden mufs, sondern daneben auch noch eine ziemlich starke Gew\u00f6hnung an doppelt so schnelle oder dreimal so schnelle Schwingungen.\u201c\nSo ansprechend diese Modifikationen der HELMHOETzschen Theorie sich schon dem ersten Blicke darstellen, so verfr\u00fcht w\u00e4re es nat\u00fcrlich, dieselben in Diskussion zu ziehen, ehe ihr Autor selbst ihre Bedeutung darzulegen Gelegenheit hatte. Dagegen darf im Hinblick auf die oben mitgeteilten Versuche wohl schon jetzt die Frage aufgeworfen werden, ob, die G\u00fcltigkeit der neuen Aufstellungen wenigstens probeweise vorausgesetzt, zwischen ihnen und unseren Versuchsergebnissen ein Zusammen^ hang herzustellen und sonach zu hoffen sei, auf diesem Wege zu einer L\u00f6sung der von Stumpe durch den Hinweis auf die \u201espezifischen Synergien\u201c mehr pr\u00e4zisierten als beantworteten Frage nach den Grundlagen der Verschmelzungsthatsaehen zu gelangen.\nDafs Ebbinghaus selbst einen solchen Zusammenhang bereits sehr bestimmt ins Auge gefafst hat, ist aus der oben wiedergegebenen Bezugnahme auf \u201eGew\u00f6hnung\u201c deutlich genug","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Zur experimentellen Bestimmung der Tonverschmelzungsgrade. 201\nzu ersehen.1 Nicht minder klar aber ist der Wert einer Po-sition^ die geeignet scheint, das bereits von Stcjmpf so nachdr\u00fccklich betonte Zusammengehen der Y erschmelzungsstufen mit der Einfachheit der Schwingungszahlen-Verh\u00e4ltnisse verst\u00e4ndlich zu machen. F\u00fchrt man nun im Sinne der Ebbinghaus-schen Annahme die Verschmelzungsthatsa\u00e7he allgemein auf die Identit\u00e4t der am Zustandekommen der betreffenden T\u00f6ne beteiligten Basilarmembran- resp. Nervenelemente zur\u00fcck, dann bieten sich ganz von selbst als f\u00fcr die Verschiedenheit der Verschmelzungsgrade zun\u00e4chst mafsgebende Momente einmal der absolute, ferner der relative Wert der Ordnungszahlen dar, welche den betreffenden T\u00f6nen zukommen, sobald man sie als Partialt\u00f6ne eines Klanges betrachtet. Genauer : es ist vorg\u00e4ngig anzunehmen, dafs zwei T\u00f6ne um so mehr verschmelzen, a. je n\u00e4her ihnen der Klang steht, auf den sie als Partialt\u00f6ne bezogen werden k\u00f6nnen, b. je gr\u00f6fserer Zahlenwert dem Verh\u00e4ltnis ihrer Schwingungszahlen zukommt. T\u00f6ne also, deren tieferer die relative Schwingungszahl 1 hat, m\u00fcssen mehr verschmelzen als solche, deren tieferer die Zahl 2 oder 3 aufweist. Andererseits m\u00fcssen T\u00f6ne vom Verh\u00e4ltnis 1 : 2 einen h\u00f6heren VerschmeE zungsgrad aufweisen als T\u00f6ne vom Verh\u00e4ltnis 1 : 3, solche vom Verh\u00e4ltnis 2 : 3 einen h\u00f6heren als solche vom Verh\u00e4ltnis 2: 5 u. s. f.\nNun scheint diese Aufstellung freilich schon auf den ersten Blick zwei erhebliche M\u00e4ngel aufzuweisen: Die sub a ausgesprochene Annahme nimmt keine R\u00fccksicht darauf, dafs der Grundton, auf den sich zwei T\u00f6ne als Obert\u00f6ne beziehen lassen, stets bis zu gewissem Grade willk\u00fcrlich bleibt, indem etwa c und g ebenso als 1. und 2. Oberton von c, wie als 3. und 5. Oberton von C aufgefafst werden k\u00f6nnen. Darm aber scheint das gleichzeitige Gelten der Positionen a und b mit sich zu f\u00fchren, dafs T\u00f6ne gleichen Schwingungs- resp. Ordnungszahlenverh\u00e4ltnisses, falls es einmal doch gelingen sollte, zwischen den verschiedenen gleichm\u00f6glichen absoluten Ordnungszahlen eine andere als willk\u00fcrliche Entscheidung zu treffen, je nach Ausfall dieser Entscheidung in verschiedenem Grade verschmelzen m\u00fcfsten, da die betreffenden Paare dann zwar im Sinne b gleich, im Sinne a aber verschieden w\u00e4ren. Verschiedenheit der Ver-\n1 Auch durch, private Mitteilung seitens des Autors aufser Zweifel gestellt, vergl. \u00fcberdies a. a. O, S. 279 Anm.","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nA. Meinong und St Witasek.\nschmelzungsgrade trotz gleichem Schwingungszahlenverh\u00e4ltnis aber widerspricht den am besten gesicherten und am genauesten zusammenstimmenden von s\u00e4mtlichen Erfahrungen, die im Bereiche der Verschmelzungsthatsachen \u00fcberhaupt gemacht worden sind. N\u00e4her besehen aber entf\u00e4llt Willk\u00fcr lich-keit wie Erfahrungswidrigkeit gegen\u00fcber der besonderen Sachlage, aus der die Annahmen a und b hervorgegangen sind. Resultiert eine \u201ephysiologische Gew\u00f6hnung\u201c, daher Verschmelzung daraus, dafs die auf c abgestimmte Grundmembranfaser auch auf c reagiert, resultiert ferner eine Gew\u00f6hnung daraus, dafs die Faser 0 sowohl auf c als auf c anspricht, also die beiden T\u00f6ne das eine Mal mit den Ordnungszahlen 1 und 2, das andere Mal mit den Ordnungszahlen 2 und 4 in Rechnung kommen, so ist gar nichts gegen die Annahme einzuwenden, dafs die erste dieser beiden Gew\u00f6hnungen an sich betr\u00e4chtlicher sei als die zweite; denn in der Erfahrung kommt keine dieser beiden Gewohnheiten gesondert zur Geltung, beide treffen vielmehr im T\u00f6nepaar cc gleichsam aufeinander und es ist zu erwarten, dafs sie sich unterst\u00fctzen. Die Position a ist also nur etwa durch den Beisatz zu erg\u00e4nzen, dafs die zun\u00e4chst mafsgebenden Ordnungszahlen f\u00fcr jedes Intervall relativ prim sein m\u00fcssen.\nEine andere Unbestimmtheit unserer Prinzipien a und b jedoch l\u00e4fst sich nicht durch vorg\u00e4ngige Erw\u00e4gung beseitigen. Es handle sich z. B. um T\u00f6ne von den Verh\u00e4ltnissen 1:3 und 2:3. Nach a k\u00e4me dem ersten, nach b dem zweiten dieser T\u00f6nepaare die st\u00e4rkere Verschmelzung zu; welchem Prinzipe geb\u00fchrt sozusagen die Pr\u00e4rogative? Die Erfahrung hat hierauf zu antworten. Sie hat aber freilich auch noch die Prinzipien a und b selbst zu verifizieren und dann g\u00fcnstigen Falles auch den theoretischen Erw\u00e4gungen, aus denen sie hervorgegangen sind, neue St\u00fctzen zu bieten. In diesem Sinne sei hier die Frage erhoben : Gelingt es mit H\u00fclfe der Prinzipien a und b, in die aus den oben mitgeteilten Versuchen hervorgegangene Verschmelzungsreihe eine Gesetzm\u00e4fsigkeit hineinzubringen, und wenn ja, ergiebt sich daraus etwas \u00fcber das mutmafsliche Verh\u00e4ltnis der beiden Prinzipien?\nBetrachtet man nun daraufhin die Anfangsglieder unserer Reihe, so f\u00e4llt an den drei ersten derselben sofort die \u00fcbereinstimmende Verh\u00e4ltniszahl 1 ins Auge, denen dann die Ver-","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Zur experimentellen Bestimmung der Tonverschmelzungsgrade. 203\nh\u00e4ltniszahl 2 folgt. Mehr als 3 Glieder mit der Verh\u00e4ltniszahl 1 aber sind gegen\u00fcber der auf den Raum der Doppeloktave beschr\u00e4nkten Fragestellung unserer Versuche \u00fcberhaupt ausgeschlossen. Dies f\u00fchrt auf den Gedanken an ein \u00e4ufserst einfaches Schema: Wie, wenn in der Verschmelzungsreihe die Intervalle mit der Verh\u00e4ltniszahl 1 obenan zu stehen k\u00e4men, dann die mit 2, 3 folgten u. s. f., also zun\u00e4chst Prinzip a sich entscheidend erwiese, dem Prinzip b aber die Funktion zuk\u00e4me, die Stufen innerhalb der so nach dem Prinzip a gebildeten Hauptgruppen zu bestimmen? Die Antwort ergiebt sich am einfachsten aus einer \u00dcbersicht \u00fcber die in diesem Sinne gebildeten Gruppen. Es seien zu diesem Ende die relativen Schwingungszahlen, welche die Doppeloktave nicht \u00fcberschreiten, in je eine Horizontalreihe gesetzt, die demgem\u00e4fs je\nnach den Ausgangspunkten 1, 2, 3,.......bis 4, 8, 12,......\nreicht* Bezeichnet in jeder dieser Horizontalreihen die erste, fett gedruckte Zahl den tieferen Ton, jede folgende Zahl derselben Zeile den h\u00f6heren Ton eines Zweiklanges, so bedeutet jede dieser letzteren (nicht fett gedruckten) Zahlen zugleich eine bestimmte Verschmelzungsstufe, deren Stelle in der Verschmelzungsreihe im Sinn\u00a9 des eben gekennzeichneten Schemas neben jeder dieser Zahlen links oben durch ein Zahlzeichen in kleinerem Druck ersichtlich gemacht ist. Die ausdr\u00fcckliche Z\u00e4hlung ist nicht \u00fcberfl\u00fcssig, weil, wie wir gesehen haben, ein erster Partialton mit einem zweiten nicht anders verschmilzt als ein zweiter mit einem vierten, ein dritter mit einem sechsten u. s. f. Zahlen, die mit der fett gedruckten Ausgangszahl der Reihe ein gemeinschaftliches Mafs haben, bedeuten sonach jedesmal eine schon vorher gez\u00e4hlte Verschmelzungsstufe, tragen daher links oben kein Stufenzeichen. Die \u00dcbersicht ist in dieser Weise auf nachstehender Tabelle II nur bis zur Ausgangszahl 5 vollst\u00e4ndig durchgef\u00fchrt; aufserdem sind nur noch die Stellen angedeutet, an welche die wenigen noch h\u00f6here Ausgangszahlen auf weisenden Verschmelzungsf\u00e4lle unserer Reihe zu kommen h\u00e4tten. Von einer Z\u00e4hlung dieser Stufen nach dem in Rede stehenden Schema mufste demnach nat\u00fcrlich abgesehen werden \u2014 ohne Schaden f\u00fcr das derzeit zu gewinnende Ergebnis, wie sich sogleich zeigen wird.\nUm nun n\u00e4mlich zu erkennen, inwieweit das obige Schema mit der in unserer Verschmelzungsreihe niedergelegten Empirie","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nA. Meinong und St Witas\u00e9k.\nTabelle IL\nISS\n1 2 3 4 5 6\n1\tS 3\n2\t3 4 *5 6\n4\t5\n7\t8\n3 4 5 6\n6\t7\n11\n4 5 6 8\n15\n5 6\n9\n6\n7 8 16\n9\t10\n7\t8\t9\t10\t11\t12\n15\t10\n17\t8\t*9\t10\t11\t12\t13\t14115\t16\n18\t24\t23\n16 17 18\t19\t20\t21\t22\n7\t8\t9\t10\t11\t12\t13\t14\t15\t16\t17\t18............\n13 12 22\t11\t17\t14\t20\n23\t24\n8\t9\t10\t11\t12\t13\t14\t15\t16\t17\t18... 32...\n25\t26\n25\t26\n15 16 17 18 ...32...\n27\tSi\n27\t28\n32 ... 46 ... 90\n19\t21\nzusammenstimmt, braucht man nur noch zu jeder der Zahlen in der eben gebildeten Tabelle die Ordnungszahl der zugeh\u00f6rigen Stufe aus unserer Vers chm elzungstafel I zu setzen; die links unten beigegebenen kleinen Ziffern haben diese Bedeutung. Die \u00dcbereinstimmung reicht, wie man sieht, nur bis zur Ordnungszahl 5; weiterhin gehen die beiden Z\u00e4hlungen so v\u00f6llig auseinander, dafs an eine Korrektur unserer Yerschmelzungsreihe im Sinne des Schemas auch bei gr\u00f6fstem Mifstrauen gegen die Endg\u00fcltigkeit unserer Versuche nicht zu denken ist. Zudem schhefsen Verh\u00e4ltniszahlen wie 32,45 oder 90, die in unserer Verschmelzungsreihe nicht einmal den letzten Platz einnehmen, die ausschliefsliche Berufung auf Partialt\u00f6ne schon an sich aus, von F\u00e4llen wie denen temperierter Intervalle gar nicht zu reden, die aus durchaus \u00e4ufserlichen Gr\u00fcnden nicht in unsere Versuche einbezogen wurden, denen aber jedenfalls auch nicht die denkbar niedrigsten Verschmelzungsgrade zukommen werden, obwohl z. B. im Hinblick auf die temperierte grofse Terz noch","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Zur experimentellen Bestimmung der Tonverschmelzungsgrade. 205\nein 635., bei der temperierten Quinte gar nocb ein 2655\u00ab Partialton in Anspruch zu nehmen w\u00e4re.\nUm so auff\u00e4lliger ist, dafs die \u00dcbereinstimmung in den beiden Z\u00e4hlungen bis zur neunten Stufe unserer Reihe hergestellt werden kann, sobald man in Tafel II nur die 6 ersten Partialt\u00f6ne ber\u00fccksichtigt, somit alles, was rechts von der punktierten Vertikalen liegt, vernachl\u00e4ssigt. Ja es scheint, dafs sich unter dieser Voraussetzung noch um zwei Stufen mehr dem fraglichen Schema f\u00fcgen, zwei Stufen, die nur infolge der unseren Versuchen zu Grunde liegenden Beschr\u00e4nkung auf den Bereich der Doppeloktave aufser der Untersuchung geblieben sind. Erg\u00e4nzt man n\u00e4mlich die erste Horizontalreihe der Tafel II bis zu der eben gesteckten Grenze des sechsten Partialtones, so repr\u00e4sentiert die Reihe nun noch die Intervalle 1 :5 und 1 : 6, die dem Schema zufolge noch vor die zweite Horizontalreihe zu stehen kommen m\u00fcfsten. Nun haben wir \u00fcber diese Intervalle systematische Versuche freilich nicht angestellt; nachtr\u00e4glich ad hoc vorgenommene Vergleichungen aber sind dieser Annahme durchaus g\u00fcnstig ausgefallen, so dafs damit thats\u00e4chlich 11 Versch melzungs stufen unserem Schema und damit der EBBiNGHAUSschen Theorie subsumiert w\u00e4ren.\nWer solches Zusammentreffen nicht f\u00fcr blofsen Zufall nehmen will, wird nicht umhin k\u00f6nnen, darin eine Verifikation der EBBiNG-HAusschen Hypothese zu erblicken. Freilich aber fehlt es dann einstweilen noch an jedem Gesichtspunkt, die Thaisachen rechts von der punktierten Linie unserer Tabelle II theoretisch zu erfassen. Ob und wie es gelingen mag, auch sie der in Rede stehenden Hypothese unterzuordnen, das festzustellen mufs vorerst k\u00fcnftigen Untersuchungen \u00fcberlassen bleiben.","page":205},{"file":"p0205s0001table1.txt","language":"de","ocr_de":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, Band XV, S. 196 ff. (Zu Meinong und Witasek, Tomerschmelzungsgrade.)\nTabelle I.\nI\tII\tin\tIV\tV\tVI\tVII\tvm\tIX\tX\tXI\tXII\tXIII\tXIV\tXV\tXVI\txvn\tXVIII\tXIX\tXX\tXXI\tXXII\tXXIII\tXXIV\tXXV\tXXVI\tXXVII\txxvm\n1:2\t1:3\t1:4\t2:3\t2:5\t3:4\t3:5\t4:5\t5:6\t3:10\t5:12\t5:8\t5:7\t5:16\t3:8\t2:7\t5:14\t4:7\t32:45\t5:18\t32 : 90\t5:9\t4:15\t4:9\t8:9\t8:15\t15:16\t15: 32\nGO\t12\t15\t5\t10\t4\t6\t3\t3\t13\t10\t6\tT\t13\t11\ti8\tTs\ti\tT\t14\tTs\t7\t14\t9\t2\t7\t2\t9\n<\t204(151X2,2 >3\n<\t............4\n<... 4(0)... )\n(0) ..........>\n<............5\n.... 5(0) ....\n<..9|(4),1..>\n<\t............3\n(0)...........>\n.............)\n<\t.............\n<.. .12(1)...)\n(0)..........>\n<............5\n3(0),\n<... 3(0) . .. >\n<............\n(0)..........\n<............\n\u2022 >\n<\t. . 4(1) . .. )\n(0).........>\n<\t..........2|\n.... 3(0) ...\n<............\n<... 3(0) ... >\n<...........\n(0)............>\n...........>\n5(0),\n<\u2022\n<... 5(0) ... )\n(0).........\n<\t............3\n<\t..........\n\u25a0 >\n4(0)\n(...11(0)...)\n<..........16\n(0)........>\n.. 5(0).,\n<. ,16(7),1. .>\n(7),!1........>\n<\t............5\n..............>\n<\t.............\n<..............\n..............7\n<... 4(1) ... >\n<...........19\n(0).........>\n5(0)\n14f(5fl)*\n(i),i.......\n<.\u2022131(64)..)\n(12),13.....>\n<........19i\n<... 5(0)... >\n<............4\n(16),2.......>\n\u2022 >\n. 3(0),\n.16\n<-..4|(0)...) (1).........>\n<\t..........3\n<\t.........\n(0).\n\u2022 10i\n12(0)2\n(0).\n(7),2.\n7(0)\n(0). <\u2022.\n<.. . 5(0). . . >\n<...........13\n(0).........\n.. 4(0) ..\n(0).\n6(0)\n(1).\n3(0)\n<\u2022. .13(2)...)\n(64)........\n<...........\n3(0)\n<\t\u2022 .6|(3),2.. >\n<\t..........\n(0)...........>\n(0).\n<..\n6(1),\n<... 4(1) .. . >\n(1)...........>\n<...........8|\n<...........\n7(2).\n2(0) ,\n<... 5(0) ...)\n<............5\n(1)..........>\n....51(0)..\n\u25a041\n(0).\n2(0)\n(0).\n<.. . 4(1)\t..\t. >\n(0)............>\n<..............4\n............)\n..............>\n(0).\n(0).\n.10\n<... 5(0) ... >\n<............4\n(0)...........>\n(0).\n4(0),\n<...4-1(0)...)\n(0).........>\n<...........10\n<...........\n3(1)\n(0).\n(0).\n<... 2(0)...)\n<...........4\n(0)..........>\n13(21),1\n< \u2022 \u25a0 .31(0)...)\n(0)..........>\n.........41\n.)\n(1|)-\n5(0),\n<. .10(2),1.. )\n<.............6\n(1)...........)\n\u25a0 >\n<\u2022\u25a0 41(0)...) (0)...'.....)\n\u2018 Diese ZaWen ergi\u00fc)Em si<* bei ausschlie\u00dflicher Verwendung- des Dreiklangapparates. Eine Versuchsgruppe, in der wir zur Herstellung von 13 resp. 13, den Dreiklangapparat mit dem Intervallenapparat kombinierten, ergab f\u00fcr die gleiche Heihenfolge 0(5), resp. 16(1).\n\u2019 Diese Zahlen ergaben sich bei ausscliliefslicher Benutzung aes Dreiklangapparates zur Herstellung von 13, resp. 13. Die Versuchsgruppen, in denen wir dazu den Dreiklangapparat mit dem Intervallenapparat kombiniert benutzten, ergaben f\u00fcr die gleiche Keilionfolge die Zahlen 2{3>/2), resp. 0(7%).\nMit diesem Zweiklangpaar gelegentlich vorgenommene Nahversuche, d. h. solche, bei denen der Urteilende unmittelbar neben dem Apparat stand und nicht durch eine geschlossene Thiire von ihm getrennt war, ergaben f\u00fcr die gleiche Keilienfolge 9(1),1.\n4 Nahver suche mit diesem Paar ergaben die Zahlen 11(0).","page":0}],"identifier":"lit30215","issued":"1897","language":"de","pages":"189-205","startpages":"189","title":"Zur experimentellen Bestimmung der Tonverschmelzungsgrade","type":"Journal Article","volume":"15"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:37:44.101598+00:00"}