Open Access
{"created":"2022-01-31T12:36:02.436019+00:00","id":"lit30218","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Verworn","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 15: 214-216","fulltext":[{"file":"p0214.txt","language":"de","ocr_de":"214\nLitteraturbericht.\nAuch, \u00fcber die endgiltige Bewertung der Philosophie Fechners werden die Meinungen naturgem\u00e4fs auseinandergehen. Der Verfasser glaubt mit einigen Einschr\u00e4nkungen, dafs von Fechner die Grundlinien einer Philosophie der Zukunft, deren Aufgabe die Vers\u00f6hnung des Wissens mit den Bed\u00fcrfnissen des Glaubens sei, richtig gezeichnet seien. Wir m\u00f6chten unsererseits diese Anerkennung mehr auf die Art, wie diese Aufgabe von Fechner erfafst wurde, als auf die Art ihrer L\u00f6sung einschr\u00e4nken. Wir k\u00f6nnen uns des Eindrucks nicht erwehren, dafs bei der Ausgestaltung seiner Weltanschauung im Einzelnen dem Philosophen Fechner der liebensw\u00fcrdige und feinsinnige, aber den theologischen Erinnerungen zug\u00e4nglichere und weniger systematische Dr. Mises doch im Wege gestanden hat.\nLasswitz schliefst sein Buch mit den folgenden Worten: \u201eDie Erfahrung als Ausgangspunkt der menschlichen Erkenntnis, die Erkenntnis selbst aber ein unendlicher Prozefs, der in der Weltentwicklung sich sch\u00f6pferisch vollzieht, die Weltentwicklung endlich ein gesetzlicher Fortschritt des Alllebens zur Harmonie des Welt-bewufstseins, das sind Grunds\u00e4tze FECHNERScher Philosophie. Der Mensch, verpflichtet zur ernsten Arbeit der eigenen Kraft, berechtigt zum edlen und heitern Genufs des Daseins, hingewiesen auf die grofsen Aufgaben des Diesseits und doch bestimmt, durch eigenen Willen in der diesseitigen Arbeit sein unendliches pers\u00f6nliches Leben sich zu gestalten, eingekn\u00fcpft als ein selbstschaffendes Organ in Gottes Sch\u00f6pfergeist, verbunden mit allem Seienden und Werdenden in der Liebe Gottes und aufgerichtet in aller Not durch diesen Glauben \u2014 das sind w\u00fcrdige Ergebnisse FECHNERScher Welt auffas sung. Sie sind der allgemeinverst\u00e4ndliche Inhalt aus der Denkerarbeit, in welcher Fechner als echter Philosoph des neunzehnten Jahrhunderts Spekulation und Erfahrung, Glauben und Wissenschaft, Metaphysik und Naturforschung, Idealismus und Eealismus, Jenseits und Diesseits verbindet, nicht ihre Eechte und Grenzen unklar verwischend, sondern von h\u00f6herer Warte sie \u00fcberschauend, bewahrend und nutzend. Auf dem festen Boden der Wirklichkeit fufsend, weist er, ein prophetischer Seher, der unruhig hastenden Zeit die von ihm geschauten Wege zum Ideal.\u201c\nGoetz Martius (Bonn).\nLeDantec: 1. Th\u00e9orie nouvelle de la vie. Paris 1896. F\u00e9lix Alcan. 320 S. \u2014 2. Le D\u00e9terminisme biologique et la personnalit\u00e9 consciente. Paris, 1897. F\u00e9lix Alcan. 156 S.\nEs d\u00fcrfte heutzutage schwer sein, ohne Herbeischaffung eines umfangreichen neuen Thatsachenmaterials oder wenigstens ohne Eine neue Entdeckung von einiger Tragweite, unsere Anschauungen vom Wesen des Lebens in neue Bahnen zu lenken. Die bisher gewonnenen That-sachen, auf denen sich unsere allgemeinen Vorstellungen \u00fcber die Lehensprozesse und Lebenserscheinungen aufbauen, sind so oft und so gr\u00fcndlich von Tausenden begeistert nach Erkenntnis strebender Forscher durchdacht und in ihre Konsequenzen verfolgt worden, dafs es sehr unwahrscheinlich ist, ohne wesentliche Erweiterung des vorhandenen Materials zu neuen","page":214},{"file":"p0215.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n215\ntheoretischen Vorstellungen vom Wesen des Lehens zu gelangen. Es mufs daher in hohem Grade unsere Spannung erregen, wenn ein Buch erscheint, das in seinem Titel eine \u201eneue Theorie des Lehens\u201c ank\u00fcndigt. Leider ist man nach der Lekt\u00fcre des vorliegenden Buches gerade in diesem Punkte ein wenig entt\u00e4uscht, denn das was gut ist an dem Buch, ist nicht neu, und das was neu ist, wird wenig Beifall finden. Was der Verfasser als eigene Arbeit liefert, ist ausschliefslich die neue Behandlung und Darstellung bekannter Thatsachen und ihre Verwertung zu eigenen Theorien.\nDer Verfasser setzt sich vor, eine allgemeing\u00fcltige Definition des Lebenshegriffes zu gewinnen und unternimmt das in sehr ansprechender, klarer und geschickter Form und Sprache, indem er auf induktivem Wege den Begriff an der Hand der Thatsachen zu entwickeln versucht. In diesem Sinne wird zuerst das Leben der einzelligen Organismen (Plastiden) besprochen, das als \u201evie \u00e9l\u00e9mentaire\u201c zum Leben der Metazo\u00ebn, der \u201evie proprement dite\u201c in einen vielleicht etwas zu k\u00fcnstlichen Gegensatz gestellt wird. Was auf diesem Gebiete zuerst eine oberfl\u00e4chliche, dann eine gr\u00fcndlichere, und schliefslich eine dauernde Beobachtung zeigt, das wird zum Teil in sehr anregender Form, wenn auch im Hinblick auf das Ziel des Verfassers nur kurz behandelt. Dabei wird eine ganze Leihe von wichtigen Thatsachen und Problemen der allgemeinen Physiologie ber\u00fchrt: Die Bewegungen der Zelle, der Einflufs der Heize, die Nahrungsaufnahme, Leben und Tod, Irritabilit\u00e4t und An\u00e4sthesie, Bedeutung des Zellkerns, Zellteilung, Anpassung und Entwicklung und vieles andere wird, wie der Verfasser sagt \u201enach der Methode der Chemie\" mechanisch zu analysieren versucht. Hierin liegen die besten und wertvollsten Abschnitte des Buches.\nEin zweiter Teil ist der Lebensmechanik des vielzelligen Organismus gewidmet. Der Aufbau und die Entwicklung des Zellenstaates, das Verh\u00e4ltnis der Zellen zu einander, besonders die Bedeutung des Nervensystems, ferner Entstehung und Begriff der Individualit\u00e4t des vielzelligen Organismus, seine Fortpflanzung und sein Tod etc. werden schematisierend behandelt und mechanisch verst\u00e4ndlich zu machen gesucht, wobei der Verfasser deutlich erkennen l\u00e4fst, dafs es ihm an ernstlichem Nachdenken \u00fcber diese Fragen und an eifrigem Streben nach der Erkenntnis nicht gefehlt hat.\nDas wesentlichste Ergebnis aller Betrachtungen, Er\u00f6rterungen, Definitionen, Schlufsfolgerungen ist haupts\u00e4chlich im XXI. Kapitel enthalten. Hier wird die alte, festbegr\u00fcndete Ansicht, dafs die aktiven Lebens\u00e4ufserungen aus der Wechselwirkung zweier Phasen, der Assimilation und der Dissimilation der lebendigen Substanz resultieren, verworfen und an ihre Stelle die \u201eneue Theorie\u201c gesetzt, welche in dem \u201eGesetz der funktionellen Assimilation\u201c gipfelt. Der Verfasser kommt n\u00e4mlich zu dem Sehlufs, dafs nur die Assimilation, die chemische Synthese lebendiger Substanz Lebenserscheinungen erzeuge, dafs dagegen die Dissimilation mit Luhe verbunden sei. Der Muskel z. B. assimiliert, wenn er arbeitet, d. h. wenn er funktioniert, er dissimiliert, wenn er ruht. Dieses \u201eGesetz der funktionellen Assimilation glaubt der Verfasser in","page":215},{"file":"p0216.txt","language":"de","ocr_de":"216\nLi\u00fceraturbericht\nder ganzen lebendigen Welt und in allen Erscheinungen des Lebens realisiert zu finden. Es bedarf kaum des Hinweises, dafs sich mit dieser \u201eTheorie des Lebens\u201c wohl kaum ein Physiologe befreunden d\u00fcrfte. Man gewinnt \u00fcbrigens bei der Lekt\u00fcre des Buches den Eindruck, als wenn der Verfasser \u00fcber die Erscheinungen des Lebens mehr spekuliert als experimentiert, mehr nachgedacht und nachgelesen als selbst beobachtet h\u00e4tte.\nAls allgemeinstes Resultat schliefslich ergiebt sich aus den gesamten Thatsachen und Er\u00f6rterungen f\u00fcr den Verfasser eine deterministische, mechanistische Auffassung des k\u00f6rperlichen Lebens, eine Auffassung, die der Verfasser bei dem Umfange, den der Mysticismus in Frankreich besitzt, mit Recht energisch betont.\nDen Schlufs des Buches bildet ein kurzer Abschnitt \u00fcber das psychische Leben. Da dieses Thema indessen hier etwas stiefm\u00fctterlich behandelt wurde, so hat sich der Verfasser entschlossen, ihm in einem eigenen als Nachtrag erschienenen kleinen B\u00e4ndchen speziell seine Feder zu widmen. \u201eLe D\u00e9terminisme biologique\u201c zeigt uns den Verfasser auf einem Standpunkt, der im wesentlichen den bekannten Ideen Haeckels \u00fcber die Beseelung der K\u00f6rperwelt entspricht. Die Theorie des Lebens mufs, so meint der Verfasser, nicht vom Bewufstsein ausgehen, wohl aber schliefslich zur Erkl\u00e4ruug der Bewufstseinserscheinungen gelangen. Dieser Vorstellung gem\u00e4fs kommt er nat\u00fcrlich nur zu der allgemein naturwissenschaftlichen Auffassung, dafs die psychischen Erscheinungen untrennbare Begleiterscheinungen ganz bestimmter k\u00f6rperlicher Vorg\u00e4nge sind, und es ist nur die letzte Konsequenz davon, wenn er schliefslich nicht blofs die einzelne Zelle, sondern sogar jedes Molek\u00fcl und selbst das kleinste Atom als beseelt und in gewisser Weise mit Bewufstsein begabt betrachtet. Aus dieser Vorstellung heraus sucht er eine Reihe von psychischen Erscheinungen, die Vernunft, das G-ed\u00e4chtnis, Schlaf und Tr\u00e4ume, den Tod etc. zu analysieren. Dabei nimmt er zur Erkl\u00e4rung des Schlafs die ganz unhaltbare Theorie von Lepine und Duval an, die auf der Vorstellung beruht, dafs die Ganglienzellen infolge der Anh\u00e4ufung von Erm\u00fcdungsstoffen ihre Pr\u00f6toplasmaforts\u00e4tze verk\u00fcrzen, so dafs die Kontiguit\u00e4t der einzelnen Neurone und damit der Wachszustand des Bewufstseins unterbrochen erscheint. Im \u00fcbrigen ist auch dieses B\u00e4ndchen in Form und Inhalt geschickt und anregend geschrieben. Verworn (Jena).\nPatr\u00efzi. I reflessi vascolari nelle membra e nel cervello dell\u2019 u\u00f6mo per vari stimeli e per varie condizioni fisiologiche e sperimentali.\nBiv. di fren. XXIII. (1.) S. 1\u201435. 1897.\nDas erneute Interesse, das man gegenw\u00e4rtig den Gef\u00e4fsreflexen in Beziehung auf die Gem\u00fctsbewegungen entgegen bringt, hat Prof. Patrizi (Sassari) veranlafst, seine schon auf dem Psychologenkongrefs zu M\u00fcnchen (1896) erw\u00e4hnten Beobachtungen an 2 Knaben (Favre und Par-dini)* von denen der erstere eine Bresche im Sch\u00e4del mit freiliegender Dura","page":216}],"identifier":"lit30218","issued":"1897","language":"de","pages":"214-216","startpages":"214","title":"Le Dantec: 1. Th\u00e9orie nouvelle de la vie. Paris 1896. F\u00e9lix Alcan. 320 S. - 2. Le D\u00e9terminisme biologique et la personnalit\u00e9 consciente. Paris, 1897. F\u00e9lix Alcan. 156 S.","type":"Journal Article","volume":"15"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:36:02.436024+00:00"}