Open Access
{"created":"2022-01-31T12:38:43.507787+00:00","id":"lit30222","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Fraenkel","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 15: 220-222","fulltext":[{"file":"p0220.txt","language":"de","ocr_de":"220\nLitteraturbericht.\nSeine eigenen, mit minuti\u00f6sester Sorgfalt an 11 Tauben, denen er die Grofshirnhemisph\u00e4re exstirpierte, ausgef\u00fchrten Experimente \u2014 die auf 23 Tabellen \u00fcber K\u00f6rpergewicht und chemische Ausscheidungen graphisch dargestellt sind \u2014 f\u00fchren den Verfasser zu folgenden Schl\u00fcssen:\n1.\tDas Hirn hat einen sehr grofsen Einflufs auf den Stoffwechsel des gesamten Organismus, dessen Ern\u00e4hrung es \u2014 in Gemein-schaft mit den niederen Nervenzentren \u2014 reguliert vermittelst der erheblichen Th\u00e4tigkeit, die es auf die Zersetzung des Eiweifses aus\u00fcbt und infolgedessen auf die fortdauernde Erneuerung der Elemente, aus denen die verschiedenen Gewebe bestehen.\nDieser trophische Einflufs erstreckt sich bei den Grofshirn-hemisph\u00e4ren \u2014 vermutlich auf dem Wege durch das Mittelhirn \u2014 auf den ganzen K\u00f6rper, w\u00e4hrend die Spinalzentren beschr\u00e4nkte Gebiete versorgen.\nEr ist aber unabh\u00e4ngig vom Bewufstsein und wird angefacht durch die von der Peripherie aus l\u00e4ngs der Sinnesnerven zur Hirnrinde best\u00e4ndig fliefsenden Reizwellen.\n2.\tDagegen ist unerwiesen, dafs das Nervensystem an sich, ein-schliefslich des Gehirns, irgendwo und wie der Sitz sehr lebhafter Umwandlungsprozesse sei.\n3.\tEs l\u00e4fst sich nicht beweisen, dafs auch die psychischen Prozesse an die Vermehrung der chemischen Produkte im Gehirn gebunden sind.\n4.\tEs~scheint nicht einmal, dafs die reinen psychischen Prozesse, d. h. die einfachen Ver\u00e4nderungen des Bewufstseins, entsprechende \u00c4nderungen im allgemeinen Stoffwechsel verursachen oder dadurch bedingt sind.\n\u201eWenn ein psychischer Prozefs an motorische \u00c4ufserungen ankn\u00fcpft, so k\u00f6nnen wir die beiden Momente nicht voneinander trennen,\u201c mit einem Wort, \u201ewir haben keine einzige positive Thatsache, um zu behaupten, dafs ein psychischer Akt \u2014 d. h, eine Bewegung oder eine mit Bewufstsein ausgef\u00fchrte Reihe von Muskelkontraktionen \u2014 an gr\u00f6fsere Stoffwechselver\u00e4nderungen gebunden ist oder verschieden ist von solchen, die ohne Bewufstsein, d. h. durch einen Reflex oder automatischen Akt, geschehen.\u201c\tFraenkel (Dessau).\nS. Tonnini. Semejotica delle lesioni corticali nei cani in rapporto con alcune questioni di Fisio-Patologia umana. Biv. di fren. XXII (4).\nS.\t749\u2014787. 1896.\nIm Anschlufs an den in dieser Zeitschrift (Bd. XIV, H. 1 u. 2, S. 146) besprochenen Gegenstand ist als besonders auff\u00e4lliges Symptom bei den Canes sigmoid, bilater. (worauf Ltjgaro in Biv. di Patol. nerv. Vol. II f. 3 aufmerksam macht) hervorzuheben das Sichb\u00e4umen der Hunde in den ersten Tagen nach der Operation, wobei die Kontraktion der R\u00fccken-und Nackenmuskeln so stark ist, dafs sie nicht selten hinten\u00fcberfallen. Es bedeutet ein Mifsverh\u00e4ltnis zwischen der angewendeten Kraft und dem beabsichtigten Ziel des Aufstehens und spricht f\u00fcr Mangel an Muskelsinn.\nDasselbe ist bei dem Symptom des Schwimmens der Fall, wo die","page":220},{"file":"p0221.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n221\nBewegungen im Wasser zwar rhythmisch und regelm\u00e4fsig erfolgen, aber heim Landen die St\u00f6rung der Willk\u00fcrbewegung verraten. Ein drittes Symptom betrifft die Sensibilit\u00e4t der einseitig Operierten; w\u00e4hrend n\u00e4mlich An\u00e4sthesie auf der der L\u00e4sion gegen\u00fcberliegenden Seite eintritt, findet in 50 % der F\u00e4lle Hyper\u00e4sthesie der L\u00e4sionsseite statt, besonders an der Vorderpfote, und zwar oft in so hohem Grade, dafs die Tiere zu winseln anfangen, wenn man auch nur Miene macht sie zu ber\u00fchren. Das Symptom verschwindet indes mehr oder minder bald.\nDer Geruchssinn erlitt bei allen Arten der Operation keine bedeutende und anhaltende St\u00f6rung, am meisten noch in der von Luciani angegebenen Sph\u00e4re, Mitte der Aufsenseite der Grofshirnhemisph\u00e4re.\nDer Geh\u00f6rs sinn blieb ungest\u00f6rt bei den Canes sigmoidales; schwer und langdauernd gest\u00f6rt nach der Abtragung des Schl\u00e4fen-Keilbeinlappens, besonders des linken, auf der entgegengesetzten Seite der L\u00e4sion. Hierher ist die eigentliche H\u00f6rsph\u00e4re zu verlegen.\nGesichtssinn. Bei Exstirpation des linken Gyrus sigmoideus stellte sich eine nach 20 Tagen verschwindende Hemiamblyopia bilateralis sinistra ein, bei gleichzeitiger Entfernung beider Gyri sigmoidei in einem Falle keine Gesichtsst\u00f6rung, in zwei F\u00e4llen ebenfalls linksseitige Hemiam-blyopie, w\u00e4hrend die rechten Betina-Segmente normal waren. Auf Entfernung einer ganzen Hemisph\u00e4re (ohne den Schl\u00e4fenlappen) folgte stets Hemianopsia bilateralis homonym der operierten Seite. Entfernung des Schl\u00e4fenlappens allein ergab, nach 20 Tagen verschwundene, Hemianopsia bilateralis. \u2014 Die Occipitalregion, die eigentliche Sehsph\u00e4re, auf beiden Seiten exstirpiert, ergiebt in den ersten Tagen bei Hund M. fast keine Sehst\u00f6rung, bei den anderen mit bedeutender Sehst\u00f6rung \u2014 geht die Blindheit nachgerade in Amblyopie \u00fcber, sie haben Lichtschein \u2014 weichen den Hindernissen aus \u2014 psychische Blindheit. Hervorgehoben wird der Umstand, dafs die an beiden Occipitallappen gleichzeitig Operierten weniger in ihrem Verhalten litten als die einseitig Operierten. Die Sehst\u00f6rung bringt n\u00e4mlich die willk\u00fcrliche Bewegung beim Treppensteigen, Springen u. s. w. in Unordnung.\nPsychische St\u00f6rung und zwar eine Art von Depr ession oder vielmehr Abulie zeigte sich bei 2 Sigmoidales, 2 Hemispheric!, 1 Occipitalis. Aufgeregtheit, Zorn (bei 2 Sigm., 1 Hemisph.) vermutlich infolge der Hyper\u00e4sthesie (s. oben) eine Art von Delirium als Geschmackshalluzination (Kauen). Dafs die Hunde nach Exstirpation der hintern Hirnlappen sanfter und zutraulicher w\u00fcrden, wie Goltz will, hat Tonnini nicht beobachtet, bei zwei Hunden sogar das Gegenteil.\nDem allgemeinen psychischen Verhalten der Tiere gegen\u00fcber sind die elementaren, die Sensationen und Perzeptionen betreffenden St\u00f6rungen in reicherem Mafse vorhanden. Jene halten mit den die Konservative und reproduktive Funktion vermittelnden V org\u00e4ngen gleichen Schritt. Die St\u00f6rung der Bewegung und des Muskelsinnes wird nie zu einer wahren L\u00e4hmung einer Muskelgruppe, \u2014 dieselben Muskeln verm\u00f6gen viel eher Bewegungen auszuf\u00fchren, die dem fundamentalen Ged\u00e4chtnis der Species angeh\u00f6ren, als dem des Individuums. (S. oben das Schwimmen.) \u2014 Die Tiere, die das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr das Gehen, Laufen","page":221},{"file":"p0222.txt","language":"de","ocr_de":"222\nLitter aturbericht.\nverloren haben, sind wie neugeboren; sie schwimmen noch, weil diese Art der Bewegung nicht erlernt, sondern an den der Spezies eigent\u00fcmlichen Reflex gebunden ist. \u2014 Umgekehrt verh\u00e4lt es sich beim Menschen, wo eine wahre Paralyse stattfindet; \u00e4hnlich sind nur die hysterischen Zust\u00e4nde, in denen das G-ed\u00e4chtnis f\u00fcr gewisse Muskelgruppenbewegungen erloschen ist.\tFraenkel (Dessau).\nJ. Eich. Ewald. \u00dcber die Beziehungen zwischen der excitabeln Zone des Grofshirns und dem Ohrlabyrinth. (Vortrag, gehalten auf der 68. Versammlung deutscher Naturforscher und \u00c4rzte in Frankfurt a. M.) Berliner Klin. Wochenschr. 1896. No. 42. S. 929\u2014932.\nAuf Grund seiner fr\u00fcheren, auch in dieser Zeitschrift regelm\u00e4fsig referierten Untersuchungen schreibt E. bekanntlich dem Ohrlabyrinth einen tonischen Einflufs auf die K\u00f6rpermuskulatur zu, dessen Fortfallen gewisse motorische St\u00f6rungen nach sich zieht. Diese letzteren sind bei Fr\u00f6schen verh\u00e4ltnism\u00e4fsig geringf\u00fcgig, bleiben aber daf\u00fcr auch ziemlich unver\u00e4ndert w\u00e4hrend des ganzen Lebens bestehen. Je h\u00f6her man in der Tierreihe aufsteigt, um so auffallender werden die Folgen der Exstirpation beider Labyrinthe, um so mehr werden sie aber auch nach einiger Zeit wieder ausgeglichen. So ist ein Hund einige Monate nach der angegebenen Operation, die ihn anf\u00e4nglich der F\u00e4higkeit regelrechter Lokomotion beraubte, bereits wiederum einem ganz normalen Tiere durchaus \u00e4hnlich. Die fr\u00fcheren Defekte sind so gut wie ganz ausgeglichen. Es erhebt sich daher die Frage, welches Organ oder welcher Sinn denn die regulierende Funktion der Labyrinthe nunmehr \u00fcbernommen habe. Es ergiebt sich, dafs dies der Tastsinn ist. Wenn man n\u00e4mlich dem wieder \u00e4ufserlich normal gewordenen Hunde beiderseits im Gebiete der kortikalen Tastsph\u00e4ren bestimmte symmetrische Partien der Hirnrinde entfernt, so tritt alsbald die absolute Unm\u00f6glichkeit irgend einer Ortsbewegung, ja sogar des Liegens auf dem Bauche ein. Auch diese weitgehenden Ausfallserscheinungen lernt jedoch der Hund allm\u00e4hlich wieder ausgleichen. Diesmal sind es die Augen, oder richtiger gesagt die optischen Centra, die f\u00fcr die fehlenden Labyrinthe und Tastsph\u00e4ren vikariierend eintreten. Der Hund ohne Labyrinthe und Tastsph\u00e4ren lernt nur wieder gehen, wenn er im Hellen gehalten wird* im Dunkelzimmer ist er vollkommen h\u00fclflos.\nDie hieraus hervorgehende funktionelle Verwandtschaft zwischen Labyrinthsensibilit\u00e4t, Tastgef\u00fchl und Gesicht ist nicht nur f\u00fcr die Statik und Dynamik des K\u00f6rpers, sondern auch f\u00fcr die Deutung gehirnphysiologischer Versuche \u00fcberhaupt von Wichtigkeit\nSchaefer (Rostock).\nW. W. Normax. D\u00fcrfen wir aus den Reaktionen niederer Tiere auf das Vorhandensein von Schmerzempflndungen schliefsen? Pfl\u00fcgers Arch. f. d. ges. Physiol Bd. LXVII. S. 137\u2014140. 1897.\nDafs der Wurm sich kr\u00fcmmt, wenn er getreten wird, ist sprichw\u00f6rtlich, und der Sinn des Sprichworts ist, dafs er dies aus Schmerz","page":222}],"identifier":"lit30222","issued":"1897","language":"de","pages":"220-222","startpages":"220","title":"S. Tonnini: Semejotica delle lesioni corticali nei cani in rapporto con alcune questioni di Fisio-Patologia umana. Riv. di fren. XXII (4). S. 749-787. 1896","type":"Journal Article","volume":"15"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:38:43.507797+00:00"}