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{"created":"2022-01-31T12:28:52.606802+00:00","id":"lit30227","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Axenfeld, Th.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 15: 227-230","fulltext":[{"file":"p0227.txt","language":"de","ocr_de":"Litteraturbericht.\n227\nalso sicher innerhalb des st\u00e4bchenfreien Gebietes) sich s\u00e4mtliche Farben zeigen, sobald ihre Helligkeit vermehrt wird.\nDie Farbenempfindlichkeit f\u00fcr Rot und Gr\u00fcn nimmt schon innerhalb der Macula rasch ab, denn die n\u00e4chste Ringzone hat schon dreimal so grofse Fl\u00e4che als die zentrale Zone. Jenseits der Macula m\u00fcssen die Fl\u00e4chen um das 4\u20145 fache zunehmen, damit Perzeption eintritt.\nDie zentrale Abstumpfung f\u00fcr Blau ist offenbar durch das gelbe Maculapigment bedingt; sie verwischt den soeben erw\u00e4hnten Unterschied zwischen Zentrum und Peripherie und bewirkt, dafs bis weit in die Peripherie hinein die Perzeptionsfl\u00e4che, mithin die Empfindlichkeit, konstant bleibt.\nMithin ist eine genaue Analyse der Fovea speziell nur f\u00fcr den Dunkeladaptationslichtsinn geliefert; die Farbenversuche waren nicht fein genug, um mehr als vorl\u00e4ufige Orientierung \u00fcber das Verh\u00e4ltnis der Macula zu ihrer Umgebung zu geben.\nG. beh\u00e4lt sich vor, durch Modifikationen seiner Methode, die einen entschiedenen Fortschritt in unserer Gesichtsfeldkenntnis bedeutet, auch diese L\u00fccken auszuf\u00fcllen.\tCrzellitzer (Breslau).\nH. Wilbrand. Die Erholungsausdebnung des Gesichtsfeldes unter normalen und pathologischen Bedingungen. 181 S. mit 9 Tafeln. Wiesbaden, 1896. J. F\u00bb Bergmann. M. 6.\u2014.\nBei seinen au\u00dferordentlich sorgf\u00e4ltigen, geistvollen Untersuchungen hat Wilbrand in erster Linie das Wesen der rein funktionellen Gesichtsfeldst\u00f6rungen, besonders die viel diskutierten \u201eErm\u00fcdungserscheinungen\u201c definieren wollen. Er hat aber in den Kreis seiner Beobachtungen eine solche F\u00fclle von physiologischen Fragen hineingezogen und diese mit seiner neuen Methode am \u201eDunkelperimeter\u201c gepr\u00fcft, dafs auch f\u00fcr die normale Physiologie und Psychologie das vorliegende Buch \u00e4ufserst interessant und lesenswert genannt werden mufs.\nUm genau festzustellen, ob bez\u00fcglich der Ausdehnung seines Gesichtsfeldes ein Auge auf der H\u00f6he der Funktion steht, resp. um den Grad seiner \u201eUnterwertigkeit\u201c zu bestimmen, k\u00f6nnte man entweder das Untersuchungsobjekt immer mehr verkleinern oder lichtschw\u00e4cher machen und das kleinste resp. lichtschw\u00e4chste Objekt feststellen, welches bei einer konstanten Beleuchtung noch normale Gesichtsfeldgrenzen er-giebt, oder auch, man k\u00f6nnte mit ein und demselben Objekt bei allm\u00e4hlicher Herabsetzung der Beleuchtung untersuchen und die unterste Helligkeitsgrenze feststellen. Da aber mit diesen Methoden sichere Mafse nur sehr schwierig zu gewinnen sind, die bekannten photometrischen Apparate von Masson, Foerster u. a. f\u00fcr das periphere Sehen nicht geeignet sind, so bediente sich Wilbrand einer neuen Methode: Er untersuchte mit kleinen, stecknadelkopfgrofsen Leuchtfarbeperlen im absoluten Dunkelraum am Perimeter, auf welche Weise und in welchem Zeitraum das Gesichtsfeld bei normalen wie pathologischen Zust\u00e4nden seine Erholungsausdehnung bis zu den normalen Grenzen bewerkstelligt. Um im Dunkelraum von vornherein eine Fixation zu erm\u00f6glichen, liefs er das mit einem Knopf versehene Zentrum des Peri-\n15*","page":227},{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n228\nmeters abtasten. Die Bestimmungen der Grenzen erfolgten in verschiedenen Zwischenr\u00e4umen, und der Vergleich der jedesmal gefundenen Werte giebt in der That ein sicheres Mafs f\u00fcr diese Schnelligkeit der Erholungsausdehnung.\nDie bekannte Erscheinung, dafs beim Betreten eines dunkeln Raumes einige Zeit vergeht, bis wir uns der Beleuchtung adaptiert haben, stellt sich an dem genannten Dunkelperimeter in Gestalt einer anf\u00e4nglichen konzentrischen Gesichtsfeldeinengung dar, welche aber beim normalen Auge sich im Verlauf einiger Minuten vollst\u00e4ndig verliert. Da die temporale Gesichtsfeldh\u00e4lfte bis 90\u00b0, die nasale bis 70\u00b0 reicht, so wird am l\u00e4ngsten die temporale H\u00e4lfte eingeengt erscheinen. Im Zentrum erscheint die Leuchtperle dem gesunden Auge schon nach wenigen Sekunden; doch h\u00e4ngt dies wie \u00fcberhaupt der Grad der St\u00f6rung ab von dem Verbrauch, dem die Sehsubstanz vorher unterworfen war; je st\u00e4rker geblendet das Auge war, um so langsamer die Erholung. Auch partiell lassen sich dadurch Verschiedenheiten erreichen, indem z. B. nach st\u00e4rkerer Reizung nur der zentralen Teile in diesen im Dunkelzimmer ein zentrales Skotom hervortritt. Doch sind in diesem Falle auch die peripheren Grenzen eingeengt, woraus hervorgeht, dafs die Inanspruchnahme eines Teiles der Netzhaut auch in den \u00fcbrigen Partien einen Verbrauch der Sehsubstanz und damit auch hier eine gewisse \u201eUnterwer tig keit\u201c veranlasst. Je unterwertiger, um so langsamer die Erholung.\nDiese bei jedem Normalen nachweisbaren Erscheinungen beruhen darauf, dafs nach Aufenthalt im Hellen die zun\u00e4chst an Quantit\u00e4t und Qualit\u00e4t unterwertige Sehsubstanz im Dunkelraum von der Leuchtperle erst gen\u00fcgend erregt wird, wenn durch Assimilierung eine Erholung eingetreten ist. Dafs die Peripherie am sp\u00e4testen funktionsf\u00e4hig wird, liegt an ihrem geringeren Gehalt an Sehsubstanz. Wilbrand schliefst sich in der Erkl\u00e4rung und in der Nomenklatur hier vollkommen der HERiN\u00f6schen Theorie des Lichtsinnes an, wie sie in den bekannten Arbeiten sich findet : \u201eZur Lehre vom Lichtsinn, Wien 1878\u201c und \u201eTheorie der Vorg\u00e4nge in der lebendigen Substanz, Lotos Bd. IX, Prag 1888\u201c. Wilbrand giebt im 1. Abschnitt eine eingehende Darstellung dieser Theorie, besonders bez\u00fcglich des simultanen Kontrastes und der simultanen Lichtinduktion, aus welchen sich auch f\u00fcr die Untersuchung bei heller Beleuchtung (Punktfixation am Perimeter) die bereits hervorgehobene Thatsache ergiebt. dafs bei partieller Reizung auch die nicht getroffenen Teile der Netzhaut mit reagieren.\nAuch auf das Erkennen der Farben hat der Erholungszustand Ein-flufs. Im nicht erholten Auge verlieren bei allm\u00e4hlicher Verdunkelung fr\u00fcher die Pigmente ihren farbigen Eindruck und im ausgesprochen unterwertigen Auge ist zu konstatieren, dafs die Blaugrenze sich verh\u00e4ltnism\u00e4fsig st\u00e4rker einengt, als die f\u00fcr rot, sie kann sogar schliefslich enger als die Rotgrenze sein.1\n1 Lichtsinn und Blauempfindung h\u00e4ngen innig zusammen. Nach Parinaud, A. K\u00f6nig, Krienes u. a. sind beide Funktionen des Sehpurpurs.","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturbericht.\n229\nWilbeaxd hat nun auf diese Verh\u00e4ltnisse hin eine grofse Zahl von pathologischen Zust\u00e4nden untersucht.\nZun\u00e4chst bespricht er die funktionellen Neurosen, hei denen die gew\u00f6hnliche Methode der Perimetrie die sog. Erm\u00fcdungserscheinungen und mehr oder weniger starke konzentrische Gesichtsfeldeinengung zeigt. Bei solchen Patienten ergiebt sich schon am FoEESTEESchen Perimeter eine Erh\u00f6hung der Reizschwelle sowie am Perimeter eine besonders deutliche Einengung f\u00fcr blau. Am Dunkelperimeter findet sich eine deutlich verlangsamte Adaptation, und zwar steht die L\u00e4nge derselben in Proportion zum Grade der vorher gefundenen konzentrischen Einengung. Seine gegenteilige Behauptung, die er fr\u00fcher Chaecot gegen\u00fcber einnahm, nimmt Wilbeand zur\u00fcck; er hatte fr\u00fcher immer erst nach einiger Adaptation untersucht. Es zeigt also auch das nerv\u00f6se Auge mit hochgradiger konzentrischer Einschr\u00e4nkung nach Eintritt ins Dunkelzimmer die Tendenz zur Erholungsausdehnung, aber verlangsamt, entsprechend der Unterwertigkeit, und zwar deshab, weil die Erholungsbedingungen viel ung\u00fcnstiger liegen.\nDie hieraus erwiesene Unterwertigkeit des nerv\u00f6sen Auges ist nun nach Wilbeakd auch die Ursache der bei demsellben beobachteten Gesichtsfeldanom alien. Untersuchen wir bei Tagesbeleuchtung am Perimeter, so wird das Fixieren des Zentrums auch die Peripherie unterwertiger machen (s. o.), und da schon vorher Unterwertigkeit vorlag, besonders peripher, so wird unter Umst\u00e4nden das benutzte 5 \u25a1 mm Objekt peripher ganz verschwinden, zun\u00e4chst auf der temporalen Seite, wie dies bei der Ermiidungseinschr\u00e4nkung so oft hervortritt, bei h\u00f6heren Graden in Gestalt allseitiger konzentrischer Einengungen. Dafs trotzdem solche Patienten, besonders hysterische, sich bekanntlich ganz ungehindert im Raum orientieren, liegt nach Wilbeand daran, dafs beim gew\u00f6hnlichen Sehen mit dem Wechsel der Belichtung der die Peripherie schw\u00e4chende Einfiufs der Fixation fortf\u00e4llt; wenn man aber z. B. solche Leute Gegenst\u00e4nde im Raume fest fixieren lasse, so ergebe sich ebenfalls eine konzentrische Einengung,\nAuch das sogenannte oscillierende Gesichtsfeld mancher Nerv\u00f6sen sucht Wilbeand \u00e4hnlich zu erkl\u00e4ren, indem er f\u00fcr das Schwanken der Grenzen in solchen F\u00e4llen die verschiedene St\u00e4rke der inneren Reize zu H\u00fclfe nimmt. Ebenso ist die Herabsetzung der zentralen Sehsch\u00e4rfe bei der nerv\u00f6sen Asthenopie die Folge retinaler Unterwertigkeit, desgleichen die h\u00e4ufige Erscheinung, dafs die Sehsch\u00e4rfe f\u00fcr kleine Schrift in der N\u00e4he noch relativ schlechter ist als f\u00fcr die Ferne.\nVerfasser giebt dann im einzelnen die verschiedenen Umst\u00e4nde an, welche die Verlangsamung der Assimilierung bedingen k\u00f6nnen: Allgemeine fehlerhafte BlutbeschafPenseit, lokale Ursachen in der Chorioidea und Retina (Zirkulationsanomalien1) und ganz besonders Hemmungs-\n1 Wenn Wilbeand geneigt ist, auch die Amaurose nach Blepharospasmus bei kleinen Kindern zu rechnen, so m\u00f6chte Referent dem entgegenhalten, dafs nach den j\u00fcngsten Untersuchungen von Uhthoef es hierbei ein Stadium giebt, das durchaus als eine Art Seelenblindheit resp. ein psychisches Verlernen der Deutung des Gesehenen aufzufassen ist.","page":229},{"file":"p0230.txt","language":"de","ocr_de":"230\nLitteraturbericht.\neinfl\u00fcsse der zentrifugalen optischen Bahnen. Bez\u00fcglich des Vorkommens zentrifugaler fasern beruft er sich auf BamokyCajal, nach welchen in der That Nervenfasern mit ihren Endb\u00e4umchen in der inneren plexiformen Schicht enden, also an der Stelle, wo die bipolaren Zellen enden, welche mit den Sinnesepithelien in Kontakt stehen. Welche genaueren Verbindungen diese zentrifugalen Fasern eingehen, ist allerdings noch unerwiesen. Diese zentrifugalen Fasern sollen nach Wilbrakd den renitalen Stoffwechsel beherrschen; sie \u00fcbertragen beim Nerv\u00f6sen von den Zentren aus hemmende Einfl\u00fcsse, so z. B. bei Hysterischen. Da bei diesen bekanntlich die Sehst\u00f6rung sehr oft rein einseitig ist, so mufs Wilbrakd eine totale Kreuzung dieser zentrifugalen Fasern im Chiasma annehmen, da ja sonst die St\u00f6rung als Hemianopsie auftreten m\u00fcfste. Wilbrakd hebt hervor, dafs nach alledem die rein nerv\u00f6sen Sehst\u00f6rungen der erworbenen Hemeralopie nahest\u00e4nden. Die angeborene Hemeralopie sei dagegen anderer Art.\nAuch bei organischen Erkrankungen der Sehbahnen finde sich ein solcher zentrifugaler Hemmungseinflufs ; Wilbrakd hat bei verschiedenen Erkrankungen besonders des Sehnerven Verlangsamung der Adaptation und der Erholungsausdehnung in dem noch erhaltenen Bezirk gefunden. Eine h\u00f6chst interessante Beleuchtung erf\u00e4hrt diese Angabe dadurch, dafs inzwischen Saekger1 gefunden hat, dafs bei Patienten, welche an Sehnervenatrophie anscheinend schon v\u00f6llig erblindet waren, nach l\u00e4ngerem Aufenthalt im Dunkeln, also nach l\u00e4ngerer Erholung, wieder eine Lichtreaktion der Pupille sich einstellte. \u2014\nReferent m\u00f6chte zun\u00e4chst hervorheben, dafs an und f\u00fcr sich schon die WiLBRAKDsche Methode der Dunkelperimetrie als eine sehr sch\u00e4tzenswerte Bereicherung unseres Untersuchungsapparates begr\u00fcfst werden mufs. Wilbrakd liefert hierf\u00fcr selbst den besten Beweis, indem er mit ihrer H\u00fclfe uns eine F\u00fclle von Thatsachen2 und neuen Gesichtspunkten darbietet. Gerade auf die offenbar in der peripher gelegenen Sehsubstanz gelegenen St\u00f6rungen ist f\u00fcr die funktionellen Neurosen neuerdings besonders Gewicht gelegt, so z. B. von Kriekes, und die WiLBRAKDschen Daten liefern hierf\u00fcr besonders exakte Beweise. Ob freilich damit die nerv\u00f6se Amblyopie, besonders die hysterische, ganz erkl\u00e4rt ist, d\u00fcrfte noch der Diskussion unterliegen, ebenso die Hypothese \u00fcber Verlauf und Bedeutung der centrifugalen Fasern'; doch ist hier nicht der Ort, darauf einzugehen.\nDa zudem das eine gr\u00f6fsere Anzahl von Kurven und Gesichtsfeldzeichnungen bringende Buch in sehr klarer, leicht verst\u00e4ndlicher Darstellung geschrieben ist, so kann dasselbe weiten Kreisen aufs w\u00e4rmste empfohlen werden.\tTh. Axekfeld (Breslau).\n1\t\u00dcber eine neue Pupillenreaktion. Verhandlungen (1er 68. Naturforscherversammlung in Frankfurt 1896.\n2\tAls ein beil\u00e4ufiger interessanter Befund sei erw\u00e4hnt, da\u201cfs Wilbrakd bei fast allen Personen ein kleines Skotom in n\u00e4chster N\u00e4he des Fixierpunktes gefunden zu haben berichtet. Wurde das Objekt in diesem Skotom festgehalten, so erregte ihm das eine unangenehme Empfindung. (S. 42).","page":230}],"identifier":"lit30227","issued":"1897","language":"de","pages":"227-230","startpages":"227","title":"H. Wilbrand: Die Erholungsausdehnung des Gesichtsfeldes unter normalen und pathologischen Bedingungen. 181 S. mit 9 Tafeln. Wiesbaden, 1896. J. F. Bergmann","type":"Journal Article","volume":"15"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:28:52.606808+00:00"}