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{"created":"2022-01-31T12:54:09.132650+00:00","id":"lit30231","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Giessler, M.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 15: 235-236","fulltext":[{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Litter aturberich\u00ee.\n235\nJ. Clavi\u00e8re, La rapidit\u00e9 de la pens\u00e9e dans le r\u00eave. Rev. philos. Bd. 48. S. 507\u2014512. No. 5. 1897.\nCl. kommt noch einmal anf den ber\u00fchmten Traum von Maury \u00fcber die franz\u00f6sische Revolution zu sprechen. Zwei Ansichten stehen einander gegen\u00fcber. Die eine behauptet, der Traum habe genau in dem Moment begonnen, als die Bettstange den Nacken des Tr\u00e4umenden traf. Die andere dagegen glaubt annehmen zu m\u00fcssen, der Traum habe schon vor dem Herabfallen der Bettstange begonnen, das Herabfallen habe nur auf den weiteren Verlauf bestimmend mitgewirkt. Da bei der Erinnerung an unsere Tr\u00e4ume bezw. ihre Einzelheiten nicht die Intensit\u00e4t den Ausschlag giebt, sondern der Grad, wie sich die Tr\u00e4ume dem vollst\u00e4ndigen Erwachen n\u00e4hern, und da der Traum Maurys mit dem vollst\u00e4ndigen Erwachen endet, so ist anzunehmen, dafs durch diesen Umstand die Erinnerung an die lange Kette von Traumereignissen erm\u00f6glicht wurde, welche aber in Wirklichkeit schon vor dem Herabfallen der Bettstange sich abgespielt hatten, hervorgerufen durch eine Vorstellung oder unbewufste Empfindung. Zur genaueren Entscheidung zwischen den erw\u00e4hnten beiden Ansichten behandelt Verfasser die Frage, ob man in exakter Weise die Dauer der Tr\u00e4ume messen k\u00f6nne. Das Messen bereitet geringere Schwierigkeiten bei rein visuellen Tr\u00e4umen als bei Tr\u00e4umen des Geh\u00f6rs und der Bewegung. Da die bisherigen Methoden unvollkommen sind, so schl\u00e4gt Ol. eine andere vor. Man kann die Schnelligkeit des Gedankens in denjenigen F\u00e4llen messen, wo das L\u00e4uten einer Weckuhr, welches in bestimmten zeitlichen Abst\u00e4nden erfolgt, als Bestandteil in den Traum eingeht und auf diese Weise einen Teil des Traumes abgrenzt. Cl. erz\u00e4hlt einen solchen Traum, in welchem er sich im Theater zu befinden meint, und wo w\u00e4hrend der erlebten Vorg\u00e4nge daselbst pl\u00f6tzlich ein L\u00e4utwerk ert\u00f6nt, w\u00e4hrend er selbst beim darauf folgenden L\u00e4uten erwacht. Dies zweimalige L\u00e4uten r\u00fchrte von seiner Weckuhr. Cl. hat die erlebten Traumereignisse in Wachen im Gedanken wiederholt und gefunden, dafs ihr Verlauf k\u00fcrzere Zeit in Anspruch nahm als w\u00e4hrend des Traumes, obwohl doch manche Vorg\u00e4nge, wie z. B. das organische Aussprechen der W\u00f6rter, im Wachen l\u00e4ngere Zeit erfordern als im Traume. Aus diesem Grunde nimmt Cl. an, dafs von der \u201eblitzartigen, gleichsam geheimnisvollen\u201c Schnelligkeit des Gedankens im Traume nichts zu halten sei. Deshalb h\u00e4lt er auch die oben erw\u00e4hnte zweite Ansicht f\u00fcr die richtige. \u2014\nMit Cl. kann man annehmen, dafs die Schnelligkeit des Gedankens im Traume im allgemeinen geringer ist als im Wachen. Diese Herabsetzung hat ihren Grund in dem meist verminderten Blutzuflufs nach dem Gehirn, in der eingetretenen An\u00e4sthesie und Katalepsie, welche die Vorstellungsbildung erschweren, ferner darin, dafs das Denken im Traume an das Auspr\u00e4gen von Bildern gebunden ist und dadurch eine Verz\u00f6gerung erf\u00e4hrt, welche beim Denken im Wachen sich auf ein Minimum reduziert.\nBez\u00fcglich des Traumes von Maury aber kann die Unhaltbarkeit der ersten der oben erw\u00e4hnten Ansichten durch eine einfache \u00dcberlegung dargethan werden. Jedenfalls ist anzunehmen, dafs die Intensit\u00e4t des","page":235},{"file":"p0236.txt","language":"de","ocr_de":"236\nLi\u00fceraturbericht\nAufschlags der Bettstange kein allm\u00e4hliches, sondern ein pl\u00f6tzliches Erwachen bewirkte. Andererseits mufsten doch die successiven Traum-Vorstellungen von einander unterschieden werden, wenn sie ihrer Individualit\u00e4t nach erkannt werden sollten. Dazu geh\u00f6rte aber eine bestimmte Zeit. Die Geschwindigkeit des Verlaufes durfte also einen bestimmten Grad nicht \u00fcberschreiten. Und nun ber\u00fccksichtige man, wie viele Typen der franz\u00f6sischen Revolution vom Tr\u00e4umenden wirklich nach einander erkannt worden sind, wie viele Diskussionen er gehabt, wie vielen Scenen er beigewohnt hat, so wird man einsehen, dafs die obige erste Ansicht unhaltbar ist.\tM.Giessler (Erfurt).\nThomayer und Simerka. La signification de quelques r\u00eaves. Rev. neurolog. Bd. 5. S. 98\u2014101. No. 4. 1897.\nVerfasser berichten \u00fcber einen jungen Mann, welcher schwere und peinliche Tr\u00e4ume hatte und am Schlufs derselben regelm\u00e4fsig von Herzklopfen und einer unerkl\u00e4rlichen Empfindung im Gehirn heimgesucht wurde. W\u00e4hrend dieser Tr\u00e4ume sprach er mit erhobener Stimme, schrie, lachte oder weinte. Ein anderer junger Mann, Familienvater, hatte ebenfalls schwere Tr\u00e4ume, in denen er meist in k\u00f6rperlichem Kampfe mit Priestern sich zu befinden meinte. W\u00e4hrend dieser Tr\u00e4ume schrie er und erwachte dann am ganzen K\u00f6rper zitternd, so dafs er zwei bis drei Stunden lang nicht wieder Schlaf finden konnte. Am Tage hatte er gew\u00f6hnlich von 11 Uhr vormittags bis 3 Uhr nachmittags einen Anfall: das Zimmer drehte sich um ihn, er empfand eine Blendung, Schwindel, Kopfschmerz, Niedergeschlagenheit und Neigung zum Fallen. Alsdann kehrte die Erinnerung an den Traum der vorhergehenden Nacht zur\u00fcck.\nNach Thomayer ist der geschilderte Zustand am Tage ein leichter epileptischer Anfall mit Sinnesverwirrung, denn nach den Forschungen von Siemeblino brauchen leichtere epileptische Anf\u00e4lle nicht mit Sinnesverwirrung verbunden zu sein. Vergleichen wir hiermit die geschilderten Zust\u00e4nde w\u00e4hrend des Schlafes, so kommen wir zu der \u00dcberzeugung, dafs dies ebenfalls epileptische Zust\u00e4nde sind. Jedoch entsann sich der Kranke des Schwindels nicht mehr, sondern nur der psychischen Verwirrung, welche die Form eines peinlichen Traumes annahm. \u2014 Bei dem anderen Kranken konnte allerdings keine Spur eines epileptischen Anfalls am Tage entdeckt werden, doch kann man aus dem eben Berichteten schliefsen, dafs auch seine Tr\u00e4ume epileptische Zuf\u00e4lle enthielten.\nThomayer hat in der vorliegenden Arbeit an einer Art von Geisteskrankheit gezeigt, wie die Traumwissenschaft f\u00fcr die \u00e4rztliche Kunst verwertet werden kann. Ich selbst kannte einen fr\u00fcheren Spirituosenh\u00e4ndler, welcher an Verfolgungswahn litt. Auch in seinen Tr\u00e4umen w\u00e4hnte er sich mit Menschen herumzuschlagen, welche ihn ermorden wollten. Die fixe Idee kam ihm jedoch nicht sogleich zu Beginn des Traumes, sondern erst im Verlaufe desselben.\nM. Giessler (Erfurt).","page":236}],"identifier":"lit30231","issued":"1897","language":"de","pages":"235-236","startpages":"235","title":"J. Clavi\u00e8re: La rapidit\u00e9 de la pens\u00e9e dans le r\u00eave. Rev. philos. Bd. 43. S. 507-512. No. 5. 1897","type":"Journal Article","volume":"15"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:54:09.132656+00:00"}