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{"created":"2022-01-31T12:34:43.527789+00:00","id":"lit30295","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Witasek","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 16: 198-208","fulltext":[{"file":"p0198.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\nAlois H\u00f6fler. Psychologie. Wien und Prag, F. Tempsky. 1897. XII und 604 S.\nDie \u201eLogik\u201c, welche H\u00f6fler im Jahre 1890 erscheinen liess, stellte sich als ersten Band einer philosophischen Prop\u00e4deutik vor, als deren zweiter eine Psychologie in Aussicht genommen war. Diese Psychologie ist nun erschienen. Aber nicht als zweiter Band der Prop\u00e4deutik; denn sie geht in ihrer ganzen Anlage \u00fcber den Rahmen einer solchen weit hinaus. Sie ist vielmehr unseren grossen Lehr- und Handb\u00fcchern der Psychologie anzureihen und an diesen zu messen.\nDa nun das Buch im Ganzen doch noch den Habitus jener Logik, der sich dort so gut bew\u00e4hrt hat, beizubehalten versucht, so ist der Eindruck, den es beim ersten, fl\u00fcchtigen Durchbl\u00e4ttern macht, der des Befremdlichen. Sein Aeusseres ist n\u00e4mlich von dem, das wir an den Kompendien der Psychologie gewohnt sind, auffallend verschieden. Es liegt das zun\u00e4chst an dem ausgiebigen Gebrauch typographischer H\u00fclfsmittel, an der Ein-theilung in meist kurze Paragraphe mit ganz kurzen Unterabschnitten und dem verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig geringen Ausmaass der Literatur-Nachweise. Bei n\u00e4herem Einblick st\u00f6sst man h\u00e4ufig auf Uebungsbeispiele und Uebungs-fragen, sowie auf schlagwortm\u00e4ssige Hinweise und Anregungen, die dem Stil solcher B\u00fccher nicht minder fremd sind wie die Methode, auch ganz elementare Dinge, die sonst, obwohl immer von ihnen die Rede ist und mit ihnen operirt wird, meist als selbstverst\u00e4ndlich bekannt vorausgesetzt und daher h\u00f6chstens beil\u00e4ufig gestreift werden, wirklich ganz ausdr\u00fccklich und einfach mitzutheilen. Auch die Gepflogenheit, ohne viel Umschweife, ohne historische oder sonstige Einf\u00fchrung gleich zu Beginn eines jeden Paragraphen das Problem, um das es sich handeln soll, in kurzen, knappen Worten zu formuliren und dann zu beantworten, dabei immer das Problem selbst im Vordergrund des Interesses zu behalten und nicht dasjenige, was Andere \u00fcber dieses Problem gedacht und geschrieben haben, giebt dem Buche eine vom Gewohnten abweichende Physiognomie.\nEs ist klar, dass ein Buch mit solchen Eigenth\u00fcmlichkeiten nichts weniger als angenehm lesbar sein kann und denjenigen, der bei der","page":198},{"file":"p0199.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n199\nLekt\u00fcre neben der wissenschaftlichen Ausbeute auch einen gewissen \u00e4sthetischen Genuss verlangt, nicht befriedigen wird. Aber gerade diese Eigent\u00fcmlichkeiten sind es zum grossen Theil, die dem Buche trotz der ziemlichen Zahl von Gesammtclarstellungen der Psychologie, die wir bereits besitzen, die Existenzberechtigung sichern. Sie machen es n\u00e4mlich, allerdings nur in Verbindung mit seinem wissenschaftlichen Gehalte sowohl als der Einfachheit und Uebersichtlichkeit seiner Darstellung, zu einem Lehr- und Lernbuche von ausserordentlicher praktischer Verwendbarkeit, .wie wir bis jetzt noch keines besessen haben. Der Verfasser d\u00fcrfte der didaktischen Aufgabe, die er sich gestellt hat (S. V.), vollauf gerecht geworden sein, ein Erfolg, der durch die Eingangs erw\u00e4hnten Eigent\u00fcmlichkeiten der Form des Buches gewiss nicht zu teuer erkauft ist.\nEher k\u00f6nnte es scheinen, dass den didaktischen R\u00fccksichten gegen\u00fcber die zweite Aufgabe des Buches, die wissenschaftliche, etwas zu kurz gekommmen sei und jenem ersten Zweck allzu grosse Opfer h\u00e4tte bringen m\u00fcssen. Nicht vielleicht darin, dass in allgemeinen sowohl wie in speziellen Problemen die Auseinandersetzungen mit gegnerischen Ansichten so kurz gehalten, ja meist ganz vermieden sind; ein Kompendium, das durch das ganze Gebiet psychischen Geschehens f\u00fchren will, kann sich damit nicht allzu sehr aufhalten, und muss das den Monographien \u00fcberlassen. Wohl aber vielleicht darin, dass in manchen Partien die Ergebnisse der Einzel-iorschung unber\u00fccksichtigt geblieben sind. So vermisst man bei der Behandlung der Geruchsempfindungen die Spuren der Forschungen Zwaakde-maker\u2019s, bei der der Geschmacksempfindungen die Kiesow\u2019s. Die Erledigung des gesammten Tastsinnes ist eine auffallend summarische; ja der ganze Abschnitt \u00fcber die Empfindungen zeigt einen ungew\u00f6hnlich geringen Umfang, dem man es schon von aussen ansieht, dass er bei Weitem nicht Alles, was die psychologische Forschung der letzten Periode an Detaildaten zu Tage gef\u00f6rdert hat, enth\u00e4lt. Und so k\u00f6nnte man wohl meinen, diese Beschr\u00e4nkung sei aus didaktischen Gr\u00fcnden erfolgt.\nDas w\u00e4re aber ein Missverst\u00e4ndnis. Es ist aus der ganzen Anlage des Buches erkennbar und zudem im Vorwort vom Verfasser ausdr\u00fccklich gesagt, dass er keineswegs die Absicht hatte, eine m\u00f6glichst vollst\u00e4ndige Sammlung und Zusammenfassung aller Ergebnisse der psychologischen Kleinarbeit, unseres Detailwissens zu bieten, sondern vielmehr \u201edie grundlegenden Bestimmungen begrifflicher, terminologischer, klassifikatorischer Art in m\u00f6glichster Sch\u00e4rfe herauszuarbeiten\u201c und das Seelenleben im Ganzen nach seinen charakteristischen Hauptbeth\u00e4tigungen mit grossen, scharfen Z\u00fcgen zu zeichnen. Ein reichliches Detail k\u00f6nnte da nur verwirren und verwischen, wie denn \u00fcberhaupt dort, wo es sich um ein m\u00f6glichst getreues Gesammtbild des Seelenlebens handelt, die Lehre von den Empfindungen nicht die H\u00e4lfte der ganzen Darstellung einnehmen darf.\nAber dass das Buch seiner wissenschaftlichen Aufgabe gerecht wird, ist nat\u00fcrlich nicht nur in dem richtigen Umfangs-Verh\u00e4ltniss seiner einzelnen Theile begr\u00fcndet; vielmehr d\u00fcrfte dieser Erfolg im Allgemeinen zun\u00e4chst auf drei Punkte zur\u00fcckzuf\u00fchren sein, die wohl als seine Hauptvorz\u00fcge aufgefasst werden k\u00f6nnen.\nDer erste von ihnen liegt darin, dass es der reinen Beschreibung","page":199},{"file":"p0200.txt","language":"de","ocr_de":"200\nBesprechungen.\nund Analyse ihr volles Recht widerfahren l\u00e4sst. Es ist ja keine Frage, dass das Erkl\u00e4ren \u00fcber dem Beschreiben steht und derjenige mehr leistet, der jenes, als wer nur dieses zu Stande bringt. Aber das Erkl\u00e4ren steht nur dadurch \u00fcber dem Beschreiben, dass es sich auf dieses st\u00fctzt; es st\u00fcrzt zusammen, wo diese Grundlage fehlt. Ebenso ist es ausser Zweifel, dass ein Ausblick auf evolutionstheoretische Gedankenwege oder auf psycho - physiologische Hypothesen verlockender erscheinen mag und interessantere, sch\u00f6nere, in gewissem Sinne auch wissenschaftlich werthvollere Fr\u00fcchte verspricht; die ungerechte Vernachl\u00e4ssigung der Beschreibung, die wir heute vielfach zu beklagen haben, ist ja eine Folge -dieser Verlockung. Aber ohne Beschreibung geht es in einer empirischen Wissenschaft auf die Dauer nicht und so ist es denn mit Freuden zu be-gr\u00fcssen, dass sie im H\u00d6FLER\u2019schen Buch wieder einmal zu Ehren kommt. Ueberall ist ihr die erste Stelle angewiesen und ihre Arbeit nach einer jedesmaFfestgehaltenen Ordnung planm\u00e4ssig durchgef\u00fchrt. Und erst wenn das gethan ist, wird auch der Erkl\u00e4rung ihr Recht. \u201eNur dem Bed\u00fcrfnisse der ,Erkl\u00e4rung* in der Form von Deduktionen \u2014 sei es aus physiologischen, sei es aus metaphysischen Pr\u00e4missen \u2014 Konzessionen zu machen, ist sorgf\u00e4ltig (vielleicht wird man finden : eigensinnig) vermieden worden. Deshalb schien auch ein besonderer Zusatz ,Empirische Pychologie* o. dgl. \u00fcberfl\u00fcssig. Was Psychologie ist, ist ganz von selbst empirisch, mag eine ersch\u00f6pfende Empirie schliesslich auch bis in die Metaphysik hineinf\u00fchren. Nur aus [der Metaphysik heraus f\u00fchrt kein Weg zur Psychologie. Ebensowenig aber einer aus der Physiologie heraus zur Psychologie/* (S. IV.)\nDer zweite Hauptvorzug des Buches liegt in seiner als \u00fcberaus gl\u00fccklich zu bezeichnenden Disposition. Sie ist eine so nat\u00fcrliche, so sehr in der Sache selbst liegende, dass sich beim Aufsuchen irgend einer Materie das dem Buche am Schl\u00fcsse beigegebene Sachregister nicht selten als \u00fcberfl\u00fcssig erweisen wird. Da sie in der Hauptsache mit der Eintheilung der psychischen Thatsachen selbst zusammenf\u00e4llt, so kommen die Vorz\u00fcge dieser auch ihr zu Gute, und daher stellt sich schon das Inhaltsverzeichniss als ein in scharfen Strichen gezeichnetes, leicht zu \u00fcberblickendes Gerippe des Gesammtbildes vom psychischen Leben dar.\nDer dritte Hauptvorzug des Buches endlich liegt darin, dass es gem\u00e4ss der durch sein wissenschaftliches Ziel gebotenen Gleichm\u00e4ssigkeit der Behandlung s\u00e4mmtlicher Theile des Seelenlebens auch diejenigen von ihnen, die in anderen Psychologien aus diesem oder jenem Grunde entweder ganz -unber\u00fchrt geblieben oder nur fl\u00fcchtig behandelt sind, ins richtige Licht r\u00fcckt und so keine empfindliche L\u00fccke mehr in dem Gesammtbilde zur\u00fcckl\u00e4sst. In dieser Beziehung ist vor Allem die Behandlung des Urtheils bemerkenswert]!. H\u00f6fler begn\u00fcgt sich nicht mit einer gelegentlichen Erw\u00e4hnung des Urtheils, sondern was er davon sagt, geht weit \u00fcber den Rahmen eines blossen Theiles oder Anhanges der Vorstellungs-Psychologie hinaus und entspricht der Bedeutung, die dieser psychische Vorgang im Seelenleben besitzt. \u2014 Eine weitere, bisher noch \u00fcberall f\u00fchlbar gewesene L\u00fccke f\u00fcllt H\u00f6fler dadurch aus, dass er den Komplexions-Vorstellungen die ihnen geb\u00fchrende Aufmerksamkeit zuwendet, sie, sowie \u00fcberhaupt die Eigenart des","page":200},{"file":"p0201.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n201\nZusammenseins von Psychischem gem\u00e4ss dem Stande unseres heutigen Wissens beleuchtet und dessen Bedeutung f\u00fcr das gesammte Seelenleben wenigstens andeutet. \u2014 Schliesslich muss an dieser Stelle noch einiger theils der allgemeinen, theils der speziellen Dispositions-Psychologie ge-widmeter Paragraphen gedacht werden. \u2014\nWird nun der Verfasser dank diesen Vorz\u00fcgen seines Buches der Aufgabe, ein gleichm\u00e4ssiges Gesammtbild des psychischen Lebens zu bieten, in hohem Grade gerecht, so ist er doch in einem Punkte andern auf das gleiche Ziel gerichteten Darstellungen gegen\u00fcber im Nachtheil. Es steht 'ihm keine Idee zur Verf\u00fcgung, durch die er uns die Mannigfaltigkeit der psychischen Thatsachen gleichsam centrirt vorf\u00fchren k\u00f6nnte, seine Analysen f\u00fchren ihn nicht auf eine psychische Grundfunktion, aus der er das ganze Seelenleben vor unseren Blicken wieder aufbauen k\u00f6nnte. Im Gegentheil, sie f\u00fchren ihn ausser zu den jeweiligen positiven Ergebnissen noch zu dem negativen, dass weder Association noch Apperception diese Grundfunktion sein k\u00f6nnen, und sie daher in den nach ihnen benannten Richtungen der heutigen Psychologie ihre Rolle mit Unrecht spielen. Dieses negative Ergebniss ist schon in der Gesammtheit der positiven Einzelergebnisse so selbstverst\u00e4ndlich mit enthalten, dass es der Verfasser gar nicht erst ausdr\u00fccklich auszusprechen brauchte und die wenigen Worte, die er dieser Sache trotzdem widmet, mehr aus \u00e4usseren denn aus inneren Gr\u00fcnden beizubringen scheint. Allerdings weiss er, wie gesagt, keinen Ersatz ; das von ihm gebotene Gesammtbild des Seelenlebens hat also kein Centrum. Aber es ist ja gar nicht ausgemacht, dass sich jede Thatsachen-Mannigfaltigkeit einheitlich um ein Centrum gruppiren, daher auch centrirt darstellen lassen m\u00fcsse, und so wird es wohl erst der weiteren Kritik und Pr\u00fcfung Vorbehalten bleiben, zu erweisen, ob der Verfasser auf seinem Wege wirklich das kleinste Uebel gew\u00e4hlt hat. \u2014\nDie ersten 87 Seiten des Buches f\u00fcllt eine \u201eAllgemeine Einleitung in die Psychologie\u201c. Sie besteht aus drei Abschnitten. Der erste von ihnen behandelt \u201eGegenstand, Aufgabe und Methode der Psychologie\u201c in dem bereits gekennzeichneten Sinne. Der zweite giebt einen \u201eVorblick auf die Hauptklassen psychischer Erscheinungen und auf das System der Psychologie\u201c und f\u00fchrt damit auf eine h\u00f6chst wichtige, viel umstrittene Frage der deskriptiven Psychologie. Verfasser erledigt sie dahin, dass er psychische Erscheinungen des Geisteslebens einer-, des Gem\u00fcthslebens andererseits unterscheidet und jene in Vorstellungen und Urtheile, diese in Gef\u00fchle und Begehrungen abtheilt. Dann nennt er die Haupt-Ein-theilung der Vorstellungen und die der Urtheile und f\u00fchrt schliesslich den Begriff der psychischen Disposition ein. \u2014 Der dritte Abschnitt handelt von den \u201eAbh\u00e4ngigkeitsbeziehungen zwischen Physischem und Psychischem\u201c. Was er aus der Anatomie und Physiologie des Nervensystems, dann \u00fcber Schlaf und Traum, hypnotische Zust\u00e4nde, psychische St\u00f6rungen bringt, ist in der Hauptsache nur vom p\u00e4dagogisch-didaktischen Standpunkt aus zu beurtheilen. H\u00f6heren, wissenschaftlichen Werth hat jedoch wieder der Paragraph \u00fcber \u201edie metaphysischen Theorien von den Beziehungen zwischen Leib und Seele\u201c, bei deren Behandlung manch neuer \u2018Gesichtspunkt verwerthet ist. Doch schliesst er nicht mit einer Ent-","page":201},{"file":"p0202.txt","language":"de","ocr_de":"202\nBesprechungen.\nScheidung, sondern mit der Versicherung, dass die Beziehungen zwischen Leib und Seele \u201enoch auf lange hinaus ein Problem bilden werden, das dem philosophischen Denken immer neuen Stoff geben und wahrlich ,des Schweisses der Edlen* werth sein wird**. Der Verfasser begn\u00fcgt sich damit, die Haupttypen der hierher geh\u00f6rigen Theorien einer kritischen Betrachtung zu unterziehen, in der er sowohl f\u00fcr als gegen eine jede von ihnen etwas vorzubringen weiss \u2014 mit Ausnahme des Materialismus, den er in letzter Linie durch den Hinweis auf die Evidenz der inneren Wahrnehmung entschieden ablehnt. Darnach stellt sich am ung\u00fcnstigsten die sogenannte \u201ezwei Seiten Hypothese** (Fechnfr), die Hypothese des metaphysischen Monismus bei ph\u00e4nomenalem Dualismus, dar, w\u00e4hrend am g\u00fcnstigsten eigentlich die alte, popul\u00e4re Hypothese der Wechselwirkung zwischen Physischem und Psychischem erscheint. Denn die beiden gegen sie erhobenen Einw\u00e4nde, die am meisten Schein besitzen, n\u00e4mlich der DESCARTEs\u2019sche von der un\u00fcberbr\u00fcckbaren Heterogeneit\u00e4t zwischen Leib und Seele, und der moderne, aus dem Gesetz von der Erhaltung der Energie gesch\u00f6pfte, thut der Verfasser \u00fcberzeugend als gegenstandslos dar. Dennoch meint er, dass diese Hypothese nur dann Stand halten k\u00f6nne, wrenn ihr popul\u00e4rer Kausalbegriff durch einen logisch und erkenntnisstheoretisch gel\u00e4uterten ersetzt, oder noch besser, wenn er durch Ausschaltung des Merkmals der Succession in den Begriff einer weiter gefassten Abh\u00e4ngigkeits-Beziehung umgewandelt wird. Dadurch n\u00e4hert er jedoch die Kausalit\u00e4ts-Hypothese derjenigen Hypothese, auf deren Seite offenbar seine Sympathien stehen, n\u00e4mlich der Hypothese vom ph\u00e4nomenalen, universellen Parallelismus.\nBei der Darstellung der speziellen Psychologie zerf\u00e4llt nun das Buch gem\u00e4ss der Eintheilung der psychischen Thatsachen in zwei grosse Haupt-theile, von denen der erste die Psychologie des Geisteslebens, der zweite die des Gem\u00fcthslebens erledigt.\nDie Psychologie des Geisteslebens hat drei Abschnitte: I. Die Vorstellungen, II. Die Urtheile, III. Einige besondere Klassen von Vor-stellungs- und Urtheils-Inhalten. Ist schon diese Eintheilung ebenso nat\u00fcrlich wie praktisch, so gilt das in noch erh\u00f6htem Maass von der weiteren Disposition des Abschnittes \u00fcber die Vorstellungen. Er zeigt n\u00e4mlich die Haupttitel: A. Die Wahrnehmungsvorstellungen von physischen Inhalten; a. die Empfindungen, b. die zusammengesetzten Vorstellungen der \u00e4usseren Wahrnehmung (Empfindungskomplexionen, Anschauungen). B. Die Phantasievorstellungen von physischen Inhalten; a. die Vorstellungen aus reproduktiver Phantasie oder die Erinnerungsvorstellungen, b. die Vorstellungen aus produktiver Phantasie oder die Phantasie-Vorstellungen im engeren Sinne. C. Wahrnehmungs- und Phantasie-Vorstellungen von psychischen Inhalten. \u2014 Gewiss eine \u00fcbersichtliche Eintheilung. H\u00f6chstens daran k\u00f6nnte man Anstoss nehmen, dass die ganze Lehre vom Ged\u00e4chtniss, von der Association etc. und die von der produktiven Phantasie unter dem Titel des Vorstellens von physischen Inhalten abgehandelt wird, w\u00e4hrend sie ja doch f\u00fcr psychische Inhalte ebenso giltig, wenn auch nicht ebenso wichtig ist. Doch hat das wohl keine praktische Bedeutung.\nH\u00f6fler\u2019s Definition der Empfindung als einer \u201eWahrnehmungsvor-","page":202},{"file":"p0203.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n203\nStellung von m\u00f6glichst einfachem physischem Inhalte\u201c d\u00fcrfte kaum auf ungetheilten Beifall stossen. Denjenigen, der von anderen psychologischen Systemen herkommt, wird sie in mehr als einer Beziehung anfremden. Aber das hat seine Wurzel in der Verschiedenheit der prinzipiellen Ausgangspunkte. Wer ihr gerecht werden will, muss sie im Zusammenhang mit wenigstens der ganzen Vorstellungslehre H\u00f6eler\u2019s betrachten und dann wird sie sich nicht nur an sich als v\u00f6llig brauchbar und treffend, sondern auch als von den anderw\u00e4rts gebr\u00e4uchlichen Empfindungs-Definitionen nicht erheblich abweichend darstellen. \u2014 Besonders bemerkenswert!! ist im Abschnitte \u00fcber die Empfindungen der Paragraph, der sich mit dem WEBEn\u2019schen Gesetz und der FECHNEit\u2019schen Maassformel befasst. Und zwar deshalb bemerkenswerth, weil er die althergebrachten Wege verl\u00e4sst und bereits ganz auf dem Boden der neuesten Untersuchungen dieses Gegenstandes (von Meinong) steht. Er weist n\u00e4mlich bei der Kritik der Ableitung der Maassformel auf die wesentliche Divergenz zwischen addir-baren und nicht addirbaren Gr\u00f6ssen hin und zeigt vor Allem, dass die Kernfragen, um die es sich bei dieser Ableitung handelt, n\u00e4mlich die vom begrifflichen Auseinandergehen von Unterschied und Verschiedenheit und dann die \u00fcber Gleichheit und Verschiedenheit von eben merklichen Verschiedenheiten, Fragen der Urtheilspsychologie sind; die endgiltige Entscheidung wird daher auf diese verschoben. \u2014- Anregend ist ein Paragraph, der von den Analogien zwischen den Empfindungen verschiedener Sinne handelt. Auch der \u00fcber die Empfindungskomplexionen ist bemerkenswerth, weil er zum ersten Mal die neue, so fruchtbare und grundlegende Lehre von den fundirten Inhalten in eine Gesammtdarstellung der Psychologie einf\u00fchrt. Der Terminus \u201eAnschauung\u201c bekommt durch die Definition \u201eWahrnehmungsvorstellung von zusammengesetztem physischem Inhalt\u201c seine fast verlorene Brauchbarkeit wieder. Schliesslich sind noch die bei aller K\u00fcrze kl\u00e4renden Ausf\u00fchrungen \u00fcber Analyse hervorzuheben.\nIn verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig weniger neuartigem Gew\u00e4nde stellt sich der Abschnitt \u00fcber die Phantasievorstellungen dar. Er zeichnet sich vor Allem durch eingehende Beschreibungen der betreffenden Thatsachen aus. Dass die bekannten EBBiNGHAus\u2019schen Ged\u00e4chtsnissforschungen geb\u00fchrende Ber\u00fccksichtigung erfahren haben, ist selbstverst\u00e4ndlich. Bei der Behandlung der Associationen, deren zwei Typen, durch Aehnlichkeit und durch Gleichzeitigkeit, anerkannt werden, f\u00e4llt ein Abschnitt auf, der manchen landl\u00e4ufigen Unklarheiten zu Leibe r\u00fcckt, betitelt: Einige psychische Vorg\u00e4nge und Beziehungen, die f\u00e4lschlich oft f\u00fcr Association gehalten werden. \u2014 Ein Absatz \u00fcber Uebung, Mit\u00fcbung, Erm\u00fcdung und Erholung ist als Anhang an die Ausf\u00fchrungen \u00fcber das Ged\u00e4chtniss ganz gut untergebracht, da diese dispositioneilen Thatsachen im psychischen Gebiet eben an den Ged\u00e4chtnissvorg\u00e4ngen am auffallendsten zu Tage treten. \u2014 Die Phantasievorstellungen im engeren Sinne werden charakterisirt durch die beiden Merkmale der Anschaulichkeit und der Spontaneit\u00e4t, die in genauer begrifflicher Fixirung gegeben sind.\nSehr inhaltsreich ist der zweite Abschnitt der Psychologie des Geisteslebens, der \u00fcber das Urtheil. Bedenkt man, wie kursorisch dieser Gegen\u201c stand sonst behandelt zu werden pflegt, so wird man den Werth dieses","page":203},{"file":"p0204.txt","language":"de","ocr_de":"204\nBesprechungen.\nAbschnittes um so h\u00f6her anschlagen. Nur eines muss dabei beklagt werden. Das Buch steht, wie schon Eingangs erw\u00e4hnt, in einem unbestimmten \u00e4usseren Zusammenhang mit des Verfassers Logik. Dieser Zusammenhang ist im Ganzen ein ziemlich loser \u2014 die Psychologie ist ja betr\u00e4chtlich gr\u00f6sser angelegt als die Logik \u2014 und dem Titel der beiden B\u00fccher nach ganz aufgegeben. In einem Punkte ist er aber festgehalten, n\u00e4mlich dort, wo er zu einer Eaumersparniss bei der Abfassung der Psychologie verhilft. Nun enth\u00e4lt jene Logik eine psychologische Einleitung und einen Abschnitt \u00fcber die psychologischen Grundeigenschaften der Urtheile, und die Psychologie entschl\u00e4gt sich der Er\u00f6rterung der dort behandelten Fragen, obwohl sie h\u00f6chst wichtige, psychologische Dinge betreffen, und begn\u00fcgt sich damit, auf die Logik zu verweisen. Macht sich der analoge Vorgang schon bei der Lehre von den Vorstellungen st\u00f6rend bemerkbar, so l\u00e4sst er die vom Urtheil geradezu empfindlich l\u00fcckenhaft erscheinen : Wir haben ein Kompendium der Psychologie vor uns, aus dem man sich \u00fcber die wichtigsten Fragen der allgemeinen Urtheils-Psychologie nicht Rathes erholen kann. Bedenkt man die Aeusserlichkeit der Ursache dieses Mangels, so wird man ihn umso beklagenswerther finden, als zu bef\u00fcrchten steht, dass die Verbreitung und Wirksamkeit des sonst so brauchbaren Buches dadurch in unverh\u00e4ltniss-m\u00e4ssigem Grade beeintr\u00e4chtigt werden k\u00f6nnte. \u2014 Doch bleibt der Inhalt des Abschnittes \u00fcber die Urtheile auch so noch reich genug. Der erste Paragraph besch\u00e4ftigt sich mit der \u00e4usseren Wahrnehmung, den Sinnes-urtheilen im Allgemeinen und den Sinnest\u00e4uschungen. Auf Grund anschaulicher Beschreibung des Thatbestandes der Wahrnehmung wird diese definirt als Wahrnehmungsvorstellung -j- Wahrnehmungsurtheil. Die Urtheile der \u00e4usseren Wahrnehmung sind evidenzlos. \u2014 Den Terminus \u201eSinnesurtheile\u201c gebraucht H\u00f6fler nach Stumpf f\u00fcr \u201ealle diejenigen elementaren Beurtheilungen von Empfindungsinhalten, welche die gew\u00f6hnliche Sprache als , Auffassung* der T\u00f6ne, Farben . . . (allgemein : der physischen Erscheinungen und ihrer inneren Beziehungen) bezeichnet. Die Erl\u00e4uterung des Begriffs der Sinnest\u00e4uschung h\u00e4lt die beiden Arten: Urtheils-t\u00e4uschung (\u201ees scheint mir, dass ...\u201c) und eigentliche Sinnes- (Empfindungs-) T\u00e4uschung (\u201ees erscheint mir so, als ob . .\u201c) klar auseinander und illustrirt sie durch geeignete Beispiele. \u2014 Weiters kommen die Vergleiehungs-Urtheile an die Reihe. Auch hier verwerthet der Verfasser die Ergebnisse der neuesten Arbeiten, besonders derer Meinong\u2019s. Nach einer psychologischen Beleuchtung der Th\u00e4tigkeit des Vergleichens er\u00f6rtert er die Begriffe Merken, Merklich, Eben-merklich, dann das Auseinanderfallen von Verschiedenheit und Unterschied und gewinnt so die Grundlagen zu endlicher Erledigung der Angelegenheit des WEBEn\u2019schen Gesetzes und der Maassformel. Daraus und aus den Untersuchungen \u00fcber die Messung von Verschiedenheitsgr\u00f6ssen ergiebt sich die Bedeutung des WEBER\u2019schen Gesetzes dahin, dass f\u00fcr den Bereich seiner Giltigkeit Reizgr\u00f6sse und Empfindungsgr\u00f6sse einander proportional zu- und abnehmen; an Stelle der Maassformel tritt die MEiNONG\u2019sche Formel f\u00fcr die Messung der Verschiedenheits-Gr\u00f6ssen. Ferner finden in diesem Paragraphen unter dem Titel: \u201eVergleichungst\u00e4uschungen und Grenzen evidenter Vergleichungs-Urtheile** die psychologischen Theorien der Contrasterscheinungen, einiger visueller","page":204},{"file":"p0205.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n205\nRaumt\u00e4uschungen, und die Abweichungen vom W^eber\u2019sehen Gesetze ihre nat\u00fcrliche Stelle. Den Schluss bildet ein Ueberblick \u00fcber Umfang und Bedeutung der Vergleichungen und der Vergleichungs-Urtheile innerhalb unseres psychischen Lebens. \u2014 Der n\u00e4chste Paragraph behandelt die Er-innerungs-Urtheile. Analog der Analyse des Wahrnehmungsthatbestandes wird der der Erinnerung in Erinnerungsvorstellung und Erinnerungs-Urtheil analysirt. \u2014 Daran schliesst sich unter dem Titel \u201eUrtheils-Dis-position\u201c eine Betrachtung der Thatsachen der Ueberlegung, der Urtheils-Uebung, des Urtheils-Ged\u00e4ehtnisses und der Bedeutungen der Ausdr\u00fccke Verstand und Vernunft. Dem Problem der Aufmerksamkeit ist ein eigener Paragraph gewidmet, der von der H\u00f6FLER\u2019schen Definition : \u201eAufmerken heisst bereit sein zu geistiger Arbeit\u201c ausgeht. Im Schlussparagraph wendet sich dieser Abschnitt den Urtheilen der inneren Wahrnehmung zu und f\u00fchrt so in nat\u00fcrlicher Weise auf die Frage nach den unbewussten psychischen Vorg\u00e4ngen und Zust\u00e4nden. Die Stellung H\u00f6fler\u2019s in dieser Angelegenheit ist in folgenden Worten ausgepr\u00e4gt: \u201eWir nennen einen psychischen Vorgang bewusst im urspr\u00fcnglichen Sinne, d. i. gewusst, wenn und insofern er Gegenstand eines Wahrnehmungsurtheiles wird.\u201c (Denn Wissen \u2014 evidentes Urtheilen.) \u201eIm \u00fcbertragenen Sinne wird ein psychischer Vorgang bewusst, bezw. unbewusst genannt, je nachdem ihm schon die blosse F\u00e4higkeit zu- oder abgesprochen werden soll, Gegenstand eines solchen Wahrnehmungs-Urtheiles zu werden. Es giebt (aktuell) unbewusste = nicht gewusste psychische Vorg\u00e4nge und Zust\u00e4nde. Es giebt keine (potentiell) unbewussten = nicht wissbaren psychischen Vorg\u00e4nge. Vielmehr geh\u00f6rt es zu den wesentlichsten Eigenschaften jedes psychischen Vorganges als solchen (z. B. selbst der schw\u00e4chsten Empfindung . . .), dass er Gegenstand eines auf ihn gerichteten unmittelbar evidenten Urtheiles der inneren Wahrnehmung werden kann und auch wirklich wird, bezw. w\u00fcrde, sobald f\u00fcr dieses Urtheil die n\u00f6thige psychische Energie verf\u00fcgbar ist, bezw. w\u00e4re.\u201c\nDer dritte Abschnitt der Psychologie des Geisteslebens unterzieht, wie schon gesagt, einige besondere Klassen von Vorstellungs- und Urtheils-Inhalten einer n\u00e4heren Betrachtung, n\u00e4mlich Raum, Zeit, Aussenwelt und Ich. Bei der Behandlung der Raumvorstellung ist die Sonderung der beschreibenden Analyse von der Untersuchung \u00fcber den psychologischen Ursprung mit dankenswerther Deutlichkeit durchgef\u00fchrt. Dabei folgt der Verf. vorwiegend HERiNG\u2019schem Gedankengange, obwohl er selbst eine entscheidende, ausdr\u00fcckliche Stellungnahme vermeidet und anscheinend zun\u00e4chst darauf ausgeht, dem Leser gen\u00fcgendes Material zu einer auf eigenem Nachdenken gegr\u00fcndeten Entscheidung zu bieten, vor Allem aber die Fragen genau zu formuliren; die knappe und klare Fassung der verschiedenen Theorien ist auch hier ganz besonders hervorzuheben. Trotzdem lassen sich gerade in diesem Paragraphen die Spuren der Schwierigkeiten, mit wenigem viel zu sagen und eine so weitl\u00e4ufige, komplizirte Materie in kurzen, klaren Z\u00fcgen ersch\u00f6pfend darzustellen, nicht am wenigsten f\u00fchlen, so dass es dem Leser keineswegs leicht gemacht ist, die Fr\u00fcchte seiner Arbeit einzuheimsen.\nAuch in der Eintheilung des zweiten Haupttheiles des Buches, der","page":205},{"file":"p0206.txt","language":"de","ocr_de":"206\nBesprechungen.\nPsychologie des Gem\u00fcthslebens, spiegelt sich die der psychischen That-sachen selbst ah. Er zerf\u00e4llt n\u00e4mlich in zwei Abschnitte: I. die Gef\u00fchle, II. die Begehrungen.\nDie Gef\u00fchlspsychologie gewinnt durch ausgiebige Ben\u00fctzung neuer Ideenentwickelungen (besonders derer von Meinong\u2019s \u201ePsychologischethischen Untersuchungen zur Werththeorie\u201c) eine v\u00f6llig neue Gestalt. Es ist daf\u00fcr zun\u00e4chst besonders die Einf\u00fchrung des Begriffs der \u201eGef\u00fchlsvoraussetzung\u201c ausschlaggebend. \u201ePsychologische Voraussetzung eines Gef\u00fchles nennen wir diejenigen psychischen Erscheinungen (einschliesslich ihrer Inhalte) ,an\u2018 welchen oder ,durch* welche wir Lust oder Unlust haben.\u201c \u201eJedes Gef\u00fchl hat eine psychologische Voraussetzung.\u201c Dadurch ist auch die Grundlage zu einer nat\u00fcrlichen Ein-theilung der Gef\u00fchle gewonnen, n\u00e4mlich zu der in Vorstellungs-, Urtheils-, Gef\u00fchls- und Begehrungsgef\u00fchle, je nachdem Vorstellungen, Urtheile etc. Voraussetzung sind. Als Urtheilsgef\u00fchle geben sich die zwei \u00fcberaus wichtigen, von einander charakteristisch verschiedenen Gruppen der Wissens- und der Werthgef\u00fchle zu erkennen. Bei der Behandlung der zusammengesetzten Gef\u00fchle bekommen wir unter Anderem einige sch\u00f6ne Analysen, bei der der Affekte eine kurze, sachliche Auseinandersetzung mit C. Lange. Ein Paragraph \u00fcber die Gef\u00fchlsdispositionen, Steigerung, Abstumpfung, Summirung, Gef\u00fchlsassociation etc. bildet den Schluss des allgemeinen Theiles der Gef\u00fchlspsychologie.\nEin spezieller Theil befasst sich mit einigen besonderen Klassen psychischer Werthe. Er gr\u00fcndet sich dabei auf eine \u2014 ebenfalls die Ergebnisse MEiNONG\u2019scher Untersuchungen in K\u00fcrze wiedergebenden \u2014 psychologischen Kl\u00e4rung der Begriffe Werth, Werthgef\u00fchl, Werthurtheil, und sondert sich dann in drei Kapitel : A. Aesthetische Gef\u00fchle, B. Logische Gef\u00fchle, C. Ethische Gef\u00fchle.\nDas erste davon ist eine kurze Darstellung der psychologischen Grundlagen der Aesthetik. Die Hauptcharakteristik der \u00e4sthetischen Gef\u00fchle ist durch ihre Einordnung unter die Vorstellungsgef\u00fchle gegeben und ihre Abgrenzung gegen\u00fcber den einfach sinnlichen (ausser\u00e4sthetischen) Gef\u00fchlen an der Hand von Beispielen darin gefunden, dass sie erst dort beginnen, wo zu fundirenden Inhalten fundirte hinzukommen. Dass bei der Behandlung der \u00e4sthetischen Prinzipe die \u00e4ltere wie auch die so reichhaltige neuere Literatur dieses Gegenstandes fast ganz unber\u00fccksichtigt geblieben ist, findet seine Rechtfertigung zum Theil in der selbstst\u00e4ndigen Stellungnahme des Verfassers, zum Theil in der Aufgabe dieses Abschnittes, die nicht auf Aesthetik oder gar auf Geschichte der Aesthetik gerichtet ist ; eine kleine Inkonsequenz mag dabei immerhin in der verh\u00e4ltnissm\u00e4ssig eingehenden Darstellung Fe chnek\u2019scher Lehren liegen.\nDas Kapitel \u00fcber logische Gef\u00fchle leistet durch eine Er\u00f6rterung der Begriffe: Theoretisches Interesse, Wahrheitsgef\u00fchl, Intellektuelle Bildung vor Allem den psychologischen Grundlagen der Didaktik werthvolle Beitr\u00e4ge.\nDas dritte dieser drei Kapitel verh\u00e4lt sich zur Ethik so, wie das erste zur Aesthetik, und wie dort sind auch hier historische Ausf\u00fchrungen nur dann auf genommen, wenn sie direkt auf dem Wege der Probleml\u00f6sung","page":206},{"file":"p0207.txt","language":"de","ocr_de":"Besprechungen.\n207\nliegen. Im Ganzen aber f\u00fchrt dieses Kapitel sowohl mit den den Grundfragen der Ethik gewidmeten Abschnitten, als auch mit dem ganzen Paragraphen \u201eEgoismus und Altruismus\u201c weit \u00fcber psychologisches Gebiet hinaus und in das der Ethik hinein; ein Gleiches gilt \u00fcbrigens auch von dem in der Willenspsychologie untergebrachten Paragraphen \u00fcber Zurechnung und Verantwortung. Doch wird man diese Gebiets-Ueber-schreitungen dem Verfasser nicht zum Vorwurf zu machen brauchen, sondern sie als Wirkung des vielleicht \u00fcbereifrigen Bem\u00fchens, \u201enicht ausschliesslich in den Niederungen psychologischer Forschung zu verweilen, sondern auch den Blick auf die h\u00f6chsten philosophischen Interessen offen zu halten\u201c, hinnehmen k\u00f6nnen.\nNoch ist von diesem speziellen Theile der Gef\u00fchlspsychologie zu berichten, dass er nicht selten den Versuch merken l\u00e4sst, durch Auf decken von Analogien und Wechselbeziehung zwischen den \u00e4sthetischen, logischen und ethischen Gef\u00fchlen die F\u00e4den, die nach noch immer unvergessenen philosophischen Ideen die Reiche des Sch\u00f6nen, Wahren und Guten verbinden, neuerdings zu Tage treten zu lassen. \u2014\nDer zweite Abschnitt der Psychologie des Gem\u00fcthslebens, die \u201eBegehrungen\u201c, widmet den Wirkungen und den Ursachen des Wollens je ein Kapitel, denen er eines \u201eZur Beschreibung der Begehrungen\u201c vor\u00e4nsetzt.\nDen charakteristischen Unterschied zwischen Wollen und W\u00fcnschen findet H\u00f6fler darin, dass jenes im Vergleich zu diesem \u201eder in seiner Art entwickeltste, abgeschlossenste Vorgang, und das W\u00fcnschen im Vergleich dazu etwas Unentwickeltes, Unvollst\u00e4ndiges, oft nur Rudiment\u00e4res ist.\u201c Man kann zugeben, dass diese Charakteristik im Grossen richtig ist; sie befriedigt jedoch nicht, wenn man auch die Analogie mit Wissen-Vermuthen als gelungen bezeichnen muss. Sch\u00e4rfere, und daher auch befriedigendere Fixirung erfahren wTeiters die Begriffe: Streben, W\u00e4hlen, Trieb, Begierde, Neigung, Leidenschaft, Projekt und Entschluss, wodurch ein um so ansprechenderes Bild von der Gesammtheit der Begehrungsthatsachen zu Stande kommt, als es sich bei aller wissenschaftlichen Strenge von den Ausdrucks- und Begriffsgebilden des Alltagslebens doch nicht zu sehr entfernt. \u2014 Die Besprechung der physischen Wirkungen des Wollens f\u00fchrt auf die alten Probleme von den Ausdrucksbewegungen und vom Ursprung der Lautsprache, wrnbei sich der Verfasser in der Hauptsache allerdings nur referirend verh\u00e4lt, w\u00e4hrend er im Paragraphen \u00fcber die psychischen Wirkungen des Wollens die wenigen da und dort verstreuten Erkenntnisse \u00fcber diesen Gegenstand in einer nat\u00fcrlichen Gruppe zu einem Ganzen vereinigt und in einigen Punkten erg\u00e4nzt. \u2014 Die Frage nach den Ursachen des Wollens nimmt \u2014 wohl zu Folge den \u00fcberall zu Tage tretenden lebhaften ethischen Interessen des Verfassers \u2014 sofort die pr\u00e4gnante Gestalt des Problems der Willensfreiheit an. Die L\u00f6sung dieses Problems wird aber durch eine Er\u00f6rterung der Motivationsgesetze und eine sorgf\u00e4ltige, wenn auch vielleicht nicht in jeder Beziehung ganz unmissverst\u00e4ndliche Sonderung der verschiedenen Bedeutungen des Terminus Willensfreiheit nur vorbereitet, des Weiteren jedoch der Metaphysik zugewiesen, und zwar mit der Begr\u00fcndung, dass jenes Problem, von dessen Beantwortung die Entscheidung zwischen Determinismus und Indeterminismus in letzter Linie abh\u00e4ngt, n\u00e4mlich das","page":207},{"file":"p0208.txt","language":"de","ocr_de":"208\nBesprechungen.\nvon der Giltigkeit des allgemeinen Kausalgesetzes, nicht mehr der Psychologie, sondern bereits der Metaphysik zugeh\u00f6rt. \u2014 Ein Paragraph von gleichm\u00e4ssig psychologischem wie ethischem Interesse, \u00fcber die Entwickelung eines sittlichen* Charakters, bringt das Buch zu w\u00fcrdigem Abschluss. Es sind zum Theil schon jenseits der Grenze wissenschaftlicher Strenge stehende Gesinnungselemente, die da bisweilen mitsprechen, und so ist es wohl vorauszusehen, dass die Schlussgedanken nicht in Jedermanns Brust sympathischen Widerhall wecken werden ; Achtung aber m\u00fcssen sie Jedem abn\u00f6thigen, der sittlichen Ernst zu sch\u00e4tzen weiss. \u2014\nUeberblicken wir somit den Inhalt des Buches, so finden wir ihn vor Allem dadurch ausgezeichnet, dass er eine ziemliche Menge neuer, f\u00fcr die Grundfragen der Psychologie wichtiger Gesichtspunkte und Forschungsergebnisse zum ersten Male einer zusammenh\u00e4ngenden Darstellung des Seelenlebens einf\u00fcgt. Es f\u00fcllt dadurch eine geradezu empfindliche L\u00fccke der psychologischen Literatur aus, freilich so, dass man auch nun von den \u00fcbrigen als brauchbar anerkannten Gesammtdarstellungen der Psychologie kaum eine wird missen wollen.\tWitasek (Graz).\nCarl Stumpf. Geschichte des Konsonanzbegriffes. Erster Theil. Abhandlungen der k. bayr. \u00c4kad. der Wissensch. I. Kl. XXI. Bd. 1. Abth. M\u00fcnchen 1897. In Kommission des G. Franz\u2019schen Verlags (J. Both). 78 S. 4\u00b0.\nCarl Stumpf. Die pseudo-aristotelischen Probleme \u00fcber Musik. Abhandlungen der k, preuss. Akademie der Wissensch. zu Berlin v. J. 1896. Berlin 1897. In Kommission bei Georg Beimer. 85 S. 4 \u00b0.\nNachdem Stumpf bereits mit seiner Tonpsychologie (Bd. I\u2014II, 1883, 1890) als F\u00fchrer auf neuen Bahnen in die vorderste Beihe der Vertreter der Musikwissenschaft getreten, stellt er sich mit den beiden vorliegenden Arbeiten nunmehr auch unter die Musikhistoriker, speziell unter die Forscher auf dem Gebiete der Musik der alten Griechen. Wie er dazu gekommen, berichtet er selbst (Gesch. d. K. S. 3): \u201eDie vorliegende Untersuchung wurde in erster Linie nicht aus historischem, sondern aus sachlichem Interesse unternommen, zu welchem das historische sich freilich bald gesellte. Man ist heute, nachdem Helmholtz\u2019 Erkl\u00e4rung der Konsonanz mehr als zweifelhaft geworden, mit der alten Frage aufs neue besch\u00e4ftigt. Ein Merkmal scheint Eingang zu finden, das der Verfasser ohne noch etwas von der altgriechischen Theorie zu wissen, bei langj\u00e4hriger Vertiefung in die Erscheinungen des Tongebietes als wesentlich zu erkennen glaubte, n\u00e4mlich die Unterschiede in den Verschmelzungsstufen oder in der Einheitlichkeit des Eindrucks beim Zusammenklange der T\u00f6ne. Da ist es nun lehrreich zu sehen, wie die scharfe Beobachtungsgabe der Griechen dieses Merkmal der sinnlichen Erscheinung bereits erfasste . . . Erst mit dem Beginn der christlichen Musikepoche traten mehr und mehr Unterschiede in der Annehmlichkeit des Zusammenklanges in den Vordergrund, die man dann auf allerlei Wegen, zuletzt durch den Hinweis","page":208}],"identifier":"lit30295","issued":"1898","language":"de","pages":"198-208","startpages":"198","title":"Alois H\u00f6fler: Psychologie. Wien und Prag, F. Tempsky. 1897. XII und 604 S.","type":"Journal Article","volume":"16"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:34:43.527795+00:00"}