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{"created":"2022-01-31T16:14:28.967291+00:00","id":"lit30309","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Ziehen","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 16: 228-229","fulltext":[{"file":"p0228.txt","language":"de","ocr_de":"228\nLiteraturbericht\ngleich einfallen wollten, erzielt. Man darf auf die von Titchener ange* k\u00fcndigte genauere Untersuchung dieses neuen Ablenkungsmittels gespannt sein.\tO. K\u00fclpe (W\u00fcrzburg).\nHenri Bergson. Mati\u00e8re et m\u00e9moire. Essai sur la relation du corps \u00e0 l\u2019esprit.\nBiblioth\u00e8que de philosophie contemporaine. Paris, F. Alcan. 1896. 279 S.\nYerf. sucht den Unterschied zwischen den unbewussten und bewussten Vorg\u00e4ngen aufzukl\u00e4ren. Beide bezeichnet er als \u201eimages\u201c. Die Materie ist die \u201eimage pr\u00e9sente\u201c, die bewusste Empfindung die \u201eimage repr\u00e9sent\u00e9e\u201c. Zwischen beiden, zwischen \u201e\u00eatre\u201c und \u201e\u00eatre consciemment per\u00e7u\u201c besteht nur ein gradueller Unterschied. Die materiellen Objekte wirken auf einander mit allen ihren Elementartheilen und werden daher nicht bewusst empfunden und empfinden nicht bewusst. Nur wenn sie auf ein mit spontaner Reaktionsf\u00e4higkeit begabtes Centrum (unser Gehirn) stossen, nimmt ihre Wirkung um ein Entsprechendes ab, und diese Abnahme ihrer Wirkung ist eben die Vorstellung, welche wir von ihnen haben. Der geistreiche Vergleich mit der totalen Reflexion (S. 24) oder auch mit der photographischen Platte (S. 26) giebt die Meinung des Verf. sehr h\u00fcbsch wieder. Das Bewusstsein bedeutet sonach eine Isolirung und eine Auswahl einzelner Wirkungen der Objekte. Perzeption findet unter allen Objekten statt, insofern sie auf einander wirken. Bewusste Perzeption entsteht durch eine Limitation und diese Limitation h\u00e4ngt mit der Indetermination unseres Willens zusammen. Unser Centralnervensystem reflektirt die Wirkungen der umgebenden Objekte und in dieser Reflexion besteht die \u00e4ussere Wahrnehmung. Mit grossem Geschick windet sich der Verf. durch die zahlreichen Schwierigkeiten hindurch, auf welche diese Theorie allenthalben st\u00f6sst. Selbstverst\u00e4ndlich muss er die Existenz von Centren bewusster' Empfindungen bestreiten. F\u00fcr ihn ist auch die ganze Hirnrinde nur ein motorischer Reflexapparat (\u201einstrument d\u2019action et non de repr\u00e9sentation\u201c). Auf S. 56 giebt Verf. nochmals einen kurzen Abriss seiner Anschauung.\nDas 2. Kapitel ist der Untersuchung des Ged\u00e4chtnisses gewidmet. Verf. unterscheidet 2 Formen des Ged\u00e4chtnisses: une m\u00e9moire, qui imagine, Und une m\u00e9moire, qui r\u00e9p\u00e8te. Das letztere Ged\u00e4chtniss ist nur eine ge-wohnheitsm\u00e4ssige F\u00e4higkeit der Wiederholung (z. B. durch Auswendig-\u2019 lernen), - das erstere ist die Registrirung pers\u00f6nlicher zeitlich bestimmter Erlebnisse. Erinnerungsbilder kommen nur diesem zu. Zwischen Erinnerungsbild und Empfindung besteht nicht nur ein intensiver Unterschied. Eine Lokalisation der Erinnerungsbilder wird nicht zugestanden.\nDas 3. Kapitel ist betitelt : La Survivance des images, la m\u00e9moire et l\u2019esprit, das vierte: De la d\u00e9limitation et de la fixation des images. Per^ ception et mati\u00e8re. Ame et corps. Hier behandelt der Verf. ausschliesslich erkenntnisstheoretische und metaphysische Fragen. Es gen\u00fcge hier zu bemerken, dass nach Anschauung des Verf.\u2019s das Wiedererkennen nicht auf einem Wecken latenter Erinnerungsbilder beruht, sondern \u201eauf eine mehr oder minder hohe Spannung des Bewusstseins hinweist, welches in dem reinen Ged\u00e4chtniss die. reinen Erinnerungen holt, um sie im Kontakt","page":228},{"file":"p0229.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n229\nmit der gegenw\u00e4rtigen Wahrnehmung progressiv zu materialisiren\u201c (une tension plus ou moins haute de la conscience, qui va chercher dans la m\u00e9moire pure les souvenirs purs, pour les mat\u00e9rialiser progressivement au contact de la perception pr\u00e9sente). Die reine Erinnerung ist ein geistiger Vorgang (une manifestation spirituelle). Die gew\u00f6hnliche Wahrnehmung ist stets eine Synthese der reinen Erinnerung und der reinen Wahrnehmung, und da Verf. erstere mit dem Geist, letztere mit der Materie identifizirt, so stellt sich ihm das Problem des Zusammenhangs von Seele und K\u00f6rper von einer ganz neuen Seite dar. Die Gegens\u00e4tze zwischen beiden glaubt Verf, durch seine Hypothese bezw. auf dem Boden derselben befriedigend aufl\u00f6sen zu k\u00f6nnen.\nSehr erfreulich ist an dem Buch der allenthalben hervortretende Versuch zu erkenntnisstheoretischer Vertiefung, deren totale Abwesenheit so sehr charakteristisch ist f\u00fcr die neueren und neuesten Arbeiten und Vortr\u00e4ge \u00fcber den Zusammenhang des Materiellen bezw. des Gehirns und des Psychischen. Unklare metaphysische Spekulationen nehmen leider bei Bergson oft \u00fcberhand. Die psychologische Beobachtung wird nur hinterher als best\u00e4tigende Dienerin gelegentlich zugezogen.\nZiehen (Jena).\nV. et C. Henri. Enqu\u00eate sur les premiers souvenirs de Penfance. L'ann\u00e9e psychol. III. S. 184\u2014198. (1897.)\nDie Verfasser hatten es unternommen, durch Umfragen, die in einigen franz\u00f6sischen und englischen Fachzeitschriften ver\u00f6ffentlicht worden waren, und die die fr\u00fchesten Kindheitserinnerungen betrafen, Material \u00fcber diesen Gegenstand zu sammeln und versuchten es nun, die (von 123 Personen) eingelaufenen Angaben zu sichten und daraus die Psychologie des Ged\u00e4chtnisses zu bereichern. Aber das Unternehmen ist, wie die Verfasser selbst sagen, nur ein erster Versuch (vergl. \u00fcbrigens C. Miles, A Study of Individual Psychology, Amer. Journ. of Psych. VI. 555.1Se/*. diese Zeiischr. Bd. X. S. 446 f.) dessen Hauptwerth darin besteht, dass er eine Reihe von Fingerzeigen zu k\u00fcnftigem Bessermachen giebt. Der Inhalt der Antworten ist zu konkret und zu abstrakt zugleich, um eine f\u00fcr wissenschaftliche Verwerthung er-spriessliche Analyse zu gestatten. \u2014 Von den Ergebnissen scheint mit-theilenswerth, dass der geschlossene Strom der Erinnerungen immer ungef\u00e4hr drei Jahre nach der \u00e4ltesten Einzel-Erinnerung einsetzt, ferner, dass die \u00e4ltesten, aus den ersten Lebensjahren stammenden Erinnerungen ihre Best\u00e4ndigkeit durchaus nicht immer einer besonderen Gef\u00fchls- oder Aufmerksamkeits-Betonung zu verdanken haben, dann dass Gesichtseindr\u00fccke besser haften als Geh\u00f6rseindr\u00fccke und schliesslich, dass die zeitliche Lokalisation so fr\u00fcher Erinnerungen immer nur indirekt nach \u00e4usseren Anhaltspunkten m\u00f6glich ist.\tWitasek (Graz).\nJean Philippe. Sur les Transformations de nos images mentales. Rev. philos.\nBd. 43, S. 481\u2014493. 1897. Nr. 5.\nDas Vorstellungsbild ist nicht ein starrer, fisirter Seeleninhalt, sondern lebendig, beweglich, fortw\u00e4hrenden Transformationen unterworfen. Von diesen Wandlungen wissen wir im Allgemeinen nichts, da ja das Ver-","page":229}],"identifier":"lit30309","issued":"1898","language":"de","pages":"228-229","startpages":"228","title":"Henri Bergson: Mati\u00e8re et m\u00e9moire. Essai sur la relation du corps \u00e0 l'esprit. Biblioth\u00e8que de philosophie contemporaine. Paris, F. Alcan. 1896. 279 S.","type":"Journal Article","volume":"16"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:14:28.967296+00:00"}