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{"created":"2022-01-31T12:26:31.075911+00:00","id":"lit30312","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Barth, P.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 16: 231-233","fulltext":[{"file":"p0231.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n231\nbild halte. Haben innerhalb eines Jahres n Wiederholungen stattgefunden, so wird das letzte Bild anders anssehen, als wenn in der ganzen Zwischenzeit der urspr\u00fcngliche Eindruck sich ungehindert h\u00e4tte entwickeln und transformiren k\u00f6nnen. \u2014\nDa der Artikel die Wiedergabe des Kongressvortrages ist; so werden die Ergebnisse der Versuche mehr in Bausch und Bogen mitgetheilt und nur an wenigen speziellen Beispielen illustrirt. Mehr Einzelheiten und vor Allem recht ausgiebige Darbietung der Zeichnungsserien d\u00fcrfen wir wohl von sp\u00e4teren Publikationen erhoffen, da dieselben, trotz aller oben ausgesprochener Bedenken, doch nach vielen Bichtungen hin lehrreich zu sein scheinen. Ph. theilt die m\u00f6glichen Transformationen der Vorstellungsbilder in drei Hauptgruppen ein; bald hat das Bild eine Tendenz zu verschwinden (sei es, dass es so matt und wirr wird, dass eine zeichnerische Wiedergabe immer schwerer m\u00f6glich wird, sei es, dafs es mehr und mehr an Details verliert und sich schematisirt) ; bald wechselt es, nimmt neue Details auf und geht schliesslich in einen ganz andern Typus \u00fcber; bald n\u00e4hert es sich einem generellen Typus, welcher die Gruppe, der der Gegenstand angeh\u00f6rt, repr\u00e4sentirt. Die drei Gruppen werden freilich nur schwer auseinanderzuhalten sein. Merkw\u00fcrdiger Weise erw\u00e4hnt Verf. gar nicht den Einfluss, den die begleitende Wortvorstellung auf die Umwandlung des Vorstellungsbildes hat ; die F\u00e4lle, wo sie stark mitwirkt, w\u00fcrden dann wohl in die dritte Gruppe zu rechnen sein. Denn da mit dem Wort \u201eMaske\u201c, \u201eKnopf\u201c etc. bereits eine auf zahlreiche Einzelerfahrungen aufgebaute undeutliche Gesichtsvorstellung verbunden ist, so kann sich diese, falls die Erinnerung an den gezeigten Gegenstand sich wesentlich an das Wort kn\u00fcpft, leicht f\u00fcr das spezifische optische Erinnerungsbild gerade dieser Maske, dieses Knopfes einschleichen.\nEs w\u00e4re erfreulich, wenn die PH.\u2019sche Anregung, die Lebendigkeit und Entwickelungsf\u00e4higkeit des Vorstellungsbildes zu untersuchen, auf fruchtbaren Boden fiele. Gegen jene mythologischen Vorstellungen von der Vorstellung, die diese f\u00fcr ein stabiles Ding halten und sie erledigt zu haben glauben, wenn sie sie in irgend eine Erinnerungszelle eingeschachtelt haben, werden Forschungen dieser Art ein gutes Kampfmittel sein.\nW. Steen (Breslau).\nH. Bickert. Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung. Eine\nlogische Einleitung in die historischen Wissenschaften. Erste H\u00e4lfte.\nFreiburg i. B. und Leipzig. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr. 1896. 304 S.\nUnzufrieden mit der bisherigen seit J. St. Mill angenommenen Unterscheidung von Natur- und Geisteswissenschaften und ihrer Begr\u00fcndung will der Verfasser ein neues Merkmal der Eintheilung der Wissenschaften finden. Und zwar bietet ihm ein solches nicht die Verschiedenheit des Objekts, sondern, indem er einen von W. Windelband in seiner Bektorats-rede von 1894 ausgesprochenen Gedanken weiter ausf\u00fchrt, die Verschiedenheit der Methode der Betrachtung. Die naturwissenschaftliche Betrachtung sucht nach B. die Unendlichkeit der Einzeldinge (die extensive Unendlichkeit) und die Unendlichkeit der Merkmale eines Dinges (die intensive Un-","page":231},{"file":"p0232.txt","language":"de","ocr_de":"232\nLi ter a turberich t.\nendlichkeiti durch allgemeine Begriffe und Gesetze zu \u00fcberwinden. Diese \u2022Begriffe und Gesetze aber ignoriren das Individuelle, sie verlieren darum schliesslich jede Anschaulichkeit, werden zu mathematischen Relationsbegriffen, dem Ideale und Ziele der Naturwissenschaft. Im Gegens\u00e4tze zu ihnen soll die geschichtliche Betrachtung sich nur auf das Individuelle, das Anschauliche richten, dieses allein zu ihrem Objekte machen, so dass \u201ehistorische Gesetze\u201c f\u00fcr Rickert eine \u201econtradictio in adjecto\u201c sind (S. 258).\nDie Psychologie galt bisher von J. St. Mill bis Wundt als die Grundlage der Geisteswissenschaften; f\u00fcr R. f\u00e4llt mit der MiLL\u2019schen Unterscheidung diese grundlegende Stellung der Psychologie. Vielmehr ist auch nach ihm auf sie der grundlegende Unterschied anzuwenden, den er zwischen den zwei verschiedenen wissenschaftlichen Methoden macht. Es giebt eine naturwissenschaftliche Psychologie; ihr Ziel ist ein System aus einfachen, darum nothwendig abstrakten, nicht anschaulichen, nur begrifflich isolirten Elementen des Seelenlebens, entweder aus der \u201eeinfachen Empfindung\u201c allein oder daneben noch aus Gef\u00fchl und Wille aufzubauen. Ausser dieser aber soll es noch eine der von Dilthey geforderten \u00e4hnliche \u201ehistorische\u201c Psychologie geben, die das Individuelle rein beschreibend darstellt. Ihre \u201eSt\u00e4rke\u201c beruht nach Rickert \u201evielleicht auf dem Mangel an Systematik\u201c (S. 188).\nDie erste Art von Psychologie ist also eine reine Naturwissenschaft, aber nicht im Sinne des Materialismus. Denn Natur ist nichts weiter als \u201edie Wirklichkeit mit R\u00fccksicht auf ihren gesetzm\u00e4ssigen Zusammenhang\u201c (S. 212), eine Definition, die rein Kantianisch ist, ohne dass R. sich dessen bewusst zu sein scheint. Freilich k\u00f6nnen nach R. die Elemente dieser Psychologie nicht ganz so qualit\u00e4tslos sein, wie die Elemente der Physik ; denn die letzteren haben, nach Verlust jeder Qualit\u00e4t, noch die r\u00e4umlichen Bestimmungen zu ihrem Inhalte, w\u00e4hrend die Begriffe des Seelenlebens, die von r\u00e4umlichen Bestimmungen von vornherein nichts enthalten (auch nichts von zeitlichen?), wenn sie nicht irgend eine Qualit\u00e4t enthielten, ganz inhaltsleer w\u00e4ren. Damit bleibt aber die von Rickert bek\u00e4mpfte W\u00fcNDT\u2019sche Unterscheidung bestehen, dass die letzten Thatsachen der Psychologie anschaulich, die der Naturwissenschaften aber erschlossen sind. Denn die auch bei R. unentbehrliche Qualit\u00e4t der seelischen Ph\u00e4nomene ist Anschauung. R.\u2019s historische Psychologie aber, die auf jede Systematik, auf jede begriffliche Zusammenfassung verzichten, sich nur in Aufz\u00e4hlung von Einzelheiten ersch\u00f6pfen soll, ist eine Unm\u00f6glichkeit, ein Phantom, ein Begriff, der, nur durch logische Kontradiktion gegen das Gesetzm\u00e4ssige zu Stande gekommen, der Anwendbarkeit auf das Wirkliche ebenso entbehrt, wie etwa der Begriff des Nicht-Seienden, und der nur soweit eine gewisse Ausf\u00fchrbarkeit erh\u00e4lt, als er mit einem kontr\u00e4ren Gegens\u00e4tze des Gesetzm\u00e4ssigen, dem weniger Gesetzm\u00e4ssigen, verwechselt wird. Und was dem RiCKERT\u2019schen Gegens\u00e4tze zu Grunde liegt, ist wohl das nicht zu v\u00f6lliger Klarheit gekommene Bewusstsein, dass ein Unterschied obwaltet zwischen der einfachen Kausalit\u00e4t des von den Bedingungen der Association beherrschten Seelenlebens, die sich der Einfachheit der Kausalit\u00e4t der Mechanik ann\u00e4hert, und der komplizirteren Kausalit\u00e4t der \u00fcber die Association hinausgehenden psychischen Th\u00e4tigkeit. Aber das Streben nach der Feststellung des Gesetzm\u00e4ssigen muss immer und \u00fcberall bestehen","page":232},{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turberi ch t.\n233\nbleiben, es ist als regulative Idee unentbehrlich, bei Strafe des R\u00fcckfalles in das Unwissenschaftliche, in die oben erw\u00e4hnte doppelte Unendlichkeit.\nWichtiger als die Forderung der illusorischen \u201ehistorischen Psychologie\u201c sind die terminologischen Er\u00f6rterungen R.\u2019s \u00fcber die mannigfachen Bedeutungen von \u201eSeele\u201c, \u201eGeist\u201c, \u201eSubjekt\u201c u. a. Es wird z. B. ein psychophysisches, ein psychologisches und ein erkenntnisstheoretisches Subjekt unterschieden. Doch bleibt es meist bei skizzenhaften Andeutungen, ohne Ber\u00fccksichtigung verwandter Ansichten anderer Philosophen; es ist zu w\u00fcnschen und zu hoffen, dass die in Aussicht gestellte zweite H\u00e4lfte n\u00e4here Ausf\u00fchrungen bringe.\tP. Bakth (Leipzig).\nYrj\u00f6 Hirn. F\u00f6rstudier tili en konstfilosofi p\u00e4 psykologisk grundval. (Vorstudien zu einer Kunstphilosophie auf psychologischer Grundlage.) Helsingfors, 1896. 162 S. Selbstanzeige.\nVerfasser ist seit einigen Jahren besch\u00e4ftigt mit Vorarbeiten zu einer Philosophie der Kunst, die auf die Psychologie der Gef\u00fchle gegr\u00fcndet werden wird. Obengenanntes Buch besteht aus Fragmenten dieses Werkes, die im Fr\u00fchjahr 1896 als Akademische Dissertation vorl\u00e4ufig mitgetheilt wurden.\nIm ersten Kapitel: \u201eDie Kunst bei den Thieren\u201c, sucht Verf. nachzuweisen, dass die \u00e4sthetischen Charaktere und Pr\u00e4stationen des M\u00e4nnchens nicht als Resultat eines bewussten, kunstverst\u00e4ndigen W\u00e4hlens des Weibchens entwickelt sind. Der Gesang und der Tanz, welche Verf. als unvermittelte Ausdr\u00fccke eines \u00fcberm\u00e4chtigen Gef\u00fchles auffasst, sind aber im eminenten Grade geeignet, den Geschlechtscharakter des M\u00e4nnchens dem Weibchen zu verdeutlichen. Mit H\u00fclfe dieser Aeusserungen, mit seiner stolzen, aufgeschwollenen Haltung und mit der Pracht seines Gefieders dr\u00e4ngt sich das Bild des M\u00e4nnchens in die Sinne des, gem\u00e4ss seinem Instinkte, scheuen und sch\u00fcchternen Weibchens ein. Die verschiedenen, durch ihre Kleinheit und Glanz faszinirenden Gegenst\u00e4nde, mit welchen die australischen Laubenv\u00f6gel vor dem Weibchen figuriren, dienen demselben Zwecke wie die Ocelli des Pfaues und die Troddel einiger Kolibriarten. Der einzige Unterschied ist, dass der eine Vogel auf dem Schw\u00e4nze tr\u00e4gt was der Andere im Schnabel h\u00e4lt. Dass gleichartige Gegenst\u00e4nde auch beim Schmuck der Menschen verwendet werden, beruht nicht, wie Darwin es glaubt, auf gemeinsamen \u00e4sthetischem Geschmack, sondern hat seinen Grund darin, dass V\u00f6gel und Menschen durch gleichartige Sinneseindr\u00fccke stimulirt werden.\nDie Untersuchungen des Verfassers haben in manchen Punkten zu gleichen Resultaten gef\u00fchrt wie die Studien des Prof. Groos. Verf. entfernt sich von Groos in seiner Auffassung von dem Verh\u00e4ltnisse zwischen Ausdrucksbewegungen und Instinktbewegungen. W\u00e4hrend Groos das Singen und Tanzen etc. des M\u00e4nnchens als ein instinktives Bewerbungsmittel auffasst, glaubt Verf. vielmehr, dass dieses Betragen urspr\u00fcnglich nur ein Gef\u00fchlsausdruck gewesen, welcher Ausdruck aber durch nat\u00fcrliche Auswahl eine bestimmte, eminent exzitirende Form gewonnen. Leider wurde ihm \u201eDie Spiele der Thiere\u201c bekannt erst nachdem sein Manuskript schon","page":233}],"identifier":"lit30312","issued":"1898","language":"de","pages":"231-233","startpages":"231","title":"H. Rickert: Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung. Eine logische Einleitung in die historischen Wissenschaften. Erste H\u00e4lfte. Freiburg i. B. und Leipzig. Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr. 1896. 304 S.","type":"Journal Article","volume":"16"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:26:31.075916+00:00"}