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{"created":"2022-01-31T12:26:56.252378+00:00","id":"lit30313","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Hirn, Yrj\u00f6","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 16: 233-235","fulltext":[{"file":"p0233.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turberi ch t.\n233\nbleiben, es ist als regulative Idee unentbehrlich, bei Strafe des R\u00fcckfalles in das Unwissenschaftliche, in die oben erw\u00e4hnte doppelte Unendlichkeit.\nWichtiger als die Forderung der illusorischen \u201ehistorischen Psychologie\u201c sind die terminologischen Er\u00f6rterungen R.\u2019s \u00fcber die mannigfachen Bedeutungen von \u201eSeele\u201c, \u201eGeist\u201c, \u201eSubjekt\u201c u. a. Es wird z. B. ein psychophysisches, ein psychologisches und ein erkenntnisstheoretisches Subjekt unterschieden. Doch bleibt es meist bei skizzenhaften Andeutungen, ohne Ber\u00fccksichtigung verwandter Ansichten anderer Philosophen; es ist zu w\u00fcnschen und zu hoffen, dass die in Aussicht gestellte zweite H\u00e4lfte n\u00e4here Ausf\u00fchrungen bringe.\tP. Bakth (Leipzig).\nYrj\u00f6 Hirn. F\u00f6rstudier tili en konstfilosofi p\u00e4 psykologisk grundval. (Vorstudien zu einer Kunstphilosophie auf psychologischer Grundlage.) Helsingfors, 1896. 162 S. Selbstanzeige.\nVerfasser ist seit einigen Jahren besch\u00e4ftigt mit Vorarbeiten zu einer Philosophie der Kunst, die auf die Psychologie der Gef\u00fchle gegr\u00fcndet werden wird. Obengenanntes Buch besteht aus Fragmenten dieses Werkes, die im Fr\u00fchjahr 1896 als Akademische Dissertation vorl\u00e4ufig mitgetheilt wurden.\nIm ersten Kapitel: \u201eDie Kunst bei den Thieren\u201c, sucht Verf. nachzuweisen, dass die \u00e4sthetischen Charaktere und Pr\u00e4stationen des M\u00e4nnchens nicht als Resultat eines bewussten, kunstverst\u00e4ndigen W\u00e4hlens des Weibchens entwickelt sind. Der Gesang und der Tanz, welche Verf. als unvermittelte Ausdr\u00fccke eines \u00fcberm\u00e4chtigen Gef\u00fchles auffasst, sind aber im eminenten Grade geeignet, den Geschlechtscharakter des M\u00e4nnchens dem Weibchen zu verdeutlichen. Mit H\u00fclfe dieser Aeusserungen, mit seiner stolzen, aufgeschwollenen Haltung und mit der Pracht seines Gefieders dr\u00e4ngt sich das Bild des M\u00e4nnchens in die Sinne des, gem\u00e4ss seinem Instinkte, scheuen und sch\u00fcchternen Weibchens ein. Die verschiedenen, durch ihre Kleinheit und Glanz faszinirenden Gegenst\u00e4nde, mit welchen die australischen Laubenv\u00f6gel vor dem Weibchen figuriren, dienen demselben Zwecke wie die Ocelli des Pfaues und die Troddel einiger Kolibriarten. Der einzige Unterschied ist, dass der eine Vogel auf dem Schw\u00e4nze tr\u00e4gt was der Andere im Schnabel h\u00e4lt. Dass gleichartige Gegenst\u00e4nde auch beim Schmuck der Menschen verwendet werden, beruht nicht, wie Darwin es glaubt, auf gemeinsamen \u00e4sthetischem Geschmack, sondern hat seinen Grund darin, dass V\u00f6gel und Menschen durch gleichartige Sinneseindr\u00fccke stimulirt werden.\nDie Untersuchungen des Verfassers haben in manchen Punkten zu gleichen Resultaten gef\u00fchrt wie die Studien des Prof. Groos. Verf. entfernt sich von Groos in seiner Auffassung von dem Verh\u00e4ltnisse zwischen Ausdrucksbewegungen und Instinktbewegungen. W\u00e4hrend Groos das Singen und Tanzen etc. des M\u00e4nnchens als ein instinktives Bewerbungsmittel auffasst, glaubt Verf. vielmehr, dass dieses Betragen urspr\u00fcnglich nur ein Gef\u00fchlsausdruck gewesen, welcher Ausdruck aber durch nat\u00fcrliche Auswahl eine bestimmte, eminent exzitirende Form gewonnen. Leider wurde ihm \u201eDie Spiele der Thiere\u201c bekannt erst nachdem sein Manuskript schon","page":233},{"file":"p0234.txt","language":"de","ocr_de":"234\nLiteraturbericht.\nbeinahe druckfertig war. Es war dadurch unm\u00f6glich, auf alle die von Groos dargelegten neuen und interessanten Gesichtspunkte n\u00e4her einzugehen.\nIn dem allgemein thierischen Triebe, steigernden und befreienden Ausdruck f\u00fcr \u00fcberm\u00e4chtige Gef\u00fchle zu suchen, sieht Verf* den Grund der Kunst\u00e4usserungen bei den Menschen. Als Vorbereitung f\u00fcr die Behandlung derselben dient der zweite Abschnitt : \u201eGef\u00fchl und Ausdruck.\u201c Nachdem Verf. hier das Verh\u00e4ltniss zwischen Lust bez. Unlust und Activit\u00e4ts-Hemmung und -Steigerung er\u00f6rtert, wird es versucht, die LANGE-jAMEs\u2019sche Auffassung f\u00fcr sowohl die einfachen Gef\u00fchle als auch die zusammengesetzten Emotionen anzuwenden. Da aber die Definitionen James\u2019 leicht missverstanden werden, wird eine etwas modifizirte Formulirung seiner S\u00e4tze gegeben. Ebenso werden, um scheinbare Widerspr\u00fcche zu entfernen, einige Emotionen, \u2014 der Stolz und der Zorn, \u2014 analysirt. Vom letztgenannten Gef\u00fchlszustande glaubt Verf. z. B., dass das prim\u00e4re Unlustgef\u00fchl allm\u00e4hlich durch die motorischen Reaktionen in einen bisweilen ganz vorz\u00fcglich lustbetonten Zustand verwandelt wird. In dergleichen Wirkungen sieht Verf. eine von den wichtigsten Ursachen der sogenannten Wonne des Leids, welches Ph\u00e4nomen n\u00e4her untersucht wird. Es werden dann, als Endergebniss des Kapitels, die allgemeinen Gesetze f\u00fcr die Aeusserungen \u00fcbernormaler Gef\u00fchle hergeleitet.\nIm dritten Kapitel: \u201eDie objektlose Extase\u201c theilt Verf. Exempel der orgiastischen Kulte mehrerer V\u00f6lker mit. Die bacchantische Exaltation wird hier als Typus angewendet. Von den verschiedenen Auswegen, stimulirenden und befreienden Ausdruck des starken Gef\u00fchles zu bewirken, werden besonders hervorgehoben: die extatische Grausamkeit, die Selbstpeinigungen und der Trieb nach schmutzigen und ekelhaften Dingen. Durch diese Mittel werden die Exaltirten nicht nur stimulirt, sondern sie gewinnen auch eine Befriedigung des instinktiven Begehrens nach Sensationen, welches, wie Verf. es glaubt, oft als Folge der exaltirten Sinneserschlaffung eintritt. Die Beschreibung orgiastischer Rituale der primitiven und der gleichartigen Degenerationsph\u00e4nomene der kultivirten V\u00f6lker beweisen aber deutlich, dass solch ein, nur durch Stimulirung auszul\u00f6sender Ausdruck nie vollst\u00e4ndige Befreiung schenken kann. Erst wenn die Bewegungen durch eine Form gebunden werden, wird die Gewalt des \u00fcberm\u00e4chtigen Gef\u00fchles neutralisirt. Als einfachstes Exempel dieses Verh\u00e4ltnisses wird der Einfluss des Taktes auf die exaltirten T\u00e4nze zitirt. In den bakchischen Reliefs glaubt Verf. die Wirkungen dieses Formelementes in den leichten und grazi\u00f6sen Bewegungen einiger T\u00e4nzerinnen zu sp\u00fcren, welche sich von den krampfhaften und verrenkten Geberden derer, die noch mit der Gewalt ihres Gef\u00fchles k\u00e4mpfen, unterscheiden. Der Takt, welcher eine neue, positive Lust schenkt, erleichtert auch die Pr\u00e4zision der Bewegungen. Durch ihn gewinnt der Tanz Leichtigkeit und Anmuth.\nDieser Gedankengang wird im vierten Kapitel : \u201eDie Anmuth\u201c, weitergef\u00fchrt. Verf. sucht hier erstens nachzuweisen, dass die Grazie, d. h. die Leichtigkeit und Pr\u00e4zision der Bewegungen, eine im Kampfe ums Dasein n\u00fctzliche Eigenschaft gewesen sei. Hierdurch erkl\u00e4rt es sich, dass sie vorz\u00fcglich bei Raubthieren und kriegerischen Naturv\u00f6lkern zu finden ist. Die relative Anmuth aber, welche dasselbe Individuum unter ver-","page":234},{"file":"p0235.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n235\nschiedenen Verh\u00e4ltnissen entwickelt, hat, wie im Gegensatz zu Souriait nachgewiesen wird, nicht ihren Grund im Streben nach Sch\u00f6nheit. Sie ist eine Eigenschaft derartiger Bewegungen, die unter erleichterten Lebensbedingungen als Ausdr\u00fccke freier und froher Gef\u00fchle auftreten. Demnach haben wir im Lustgef\u00fchle die Grundbedingungen der Anmuth zu suchen. Alle zusammengesetzte Emotionen, in welchen eine volle, reine und un-reflektirte Lust als Element besteht, werden mit relativ anmuthigen Bewegungen ausgedr\u00fcckt. Wenn man, wie Schiller, die Bedingungen der Anmuth in der geistigen Freiheit sucht, oder wie Guyau die Anmuth als einen Ausdruck des Wohlwollens und der Liebe auffasst, hat man einen Theil mit dem Ganzen verwechselt.\nIn seiner Zusammenfassung versucht Verf. zu beweisen, dass derselbe Trieb, starke Gef\u00fchle durch steigernden und befreienden Ausdruck auszul\u00f6sen, welche den sog. Kunst\u00e4usserungen der Thiere vorausgeht, noch in der h\u00f6chst entwickelten Kunstproduktion als treibende Ursache wirkt. Der Taktsinn ist, wie Wallaschek\u2019s Untersuchungen beweisen, zu seiner hohen Entwickelung gelangt, weil er eine gemeinsame Aktion erm\u00f6glicht. Das einfachste formale Element in den primitivsten T\u00e4nzen hat sich demnach als ein Mittel, gemeinsame Aktion und Gef\u00fchlsgemeinschaft zwischen verschiedenen Individuen herzustellen, entwickelt. Der Trieb, ein Gef\u00fchl m\u00f6glichst weit zu verbreiten, um dadurch Reizung von Anderen, welche das eigene, urspr\u00fcngliche Gef\u00fchl sympathisch wiederholen, zu gewinnen, ist aber nur ein Spezialfall des allgemeinen Ausdruckstriebes. Dieser besondere Fall gewinnt aber Bedeutung dadurch, dass er die Menschen zwingt, die Aneignung ihrer Gef\u00fchle so leicht wie m\u00f6glich zu machen, ihnen ein sinnliches Vehikel, welches leicht auf gefasst und zur Aufmerksamkeit lockt, zu schaffen. Auf diesem Wege geht das Ausdrucksbed\u00fcrfniss zum Kunsttrieb \u00fcber.\nMit fortschreitender Entwickelung wird dieser Trieb mehr und mehr vermittelt. Der K\u00fcnstler ist nicht zufrieden mit der R\u00fcckwirkung, die das zuf\u00e4llige Publikum in seiner Umgebung leisten kann. Er schafft, d. h. er dr\u00fcckt sich aus f\u00fcr einen ideellen, fingirten Zuschauer, f\u00fcr \u201esich selbst\u201c oder f\u00fcr die Nachwelt. F\u00fcr die fl\u00fcchtigen Gef\u00fchlszust\u00e4nde, die ihn beherrschen, sucht er eine Form, die ihre Wiederholung unter allen Zeiten und bei allen V\u00f6lkern erm\u00f6glicht. Auf ihren niedrigsten Stufen vermag die Kunst ein Gef\u00fchl nur zu verbreiten, auf ihren h\u00f6chsten kann sie es verewigen.\nLochte. Beitrag zur Kenntniss des Vorkommens und der Bedentung der\nSpiegelschrift. Arch. f. Psychiatrie 28 (2), 379\u2014310. 1896.\nWenn man verschiedene Personen auffordert, mit der linken Hand, so gut es gehe, ihren Namen, ihr Alter oder sonst etwas zu schreiben, so st\u00f6sst man bisweilen auf Jemanden, der der Forderung nicht in gew\u00f6hnlicher rechtsl\u00e4ufiger Schrift, sondern in deren symmetrischen Z\u00fcgen nachkommt, der also ein Spiegelbild des Verlangten liefert. lieber diese Erscheinung hat Lochte ausgedehnte Untersuchungen an Kindern und Erwachsenen, Gesunden und Kranken angestellt, u. A. an mehr als 3000 normalen Schul-","page":235}],"identifier":"lit30313","issued":"1898","language":"de","pages":"233-235","startpages":"233","title":"Yrj\u00f6 Hirn: F\u00f6rstudier till en konstfilosofi p\u00e5 psykologisk grundval. (Vorstudien zu einer Kunstphilosophie auf psychologischer Grundlage.) Helsingfors, 1896. 162 S. Selbstanzeige","type":"Journal Article","volume":"16"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:26:56.252384+00:00"}