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{"created":"2022-01-31T14:00:48.918156+00:00","id":"lit30322","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Guillery","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 16: 264-274","fulltext":[{"file":"p0264.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber Baum- und Lichtsinn.\nVon\nDr. Guillery,\nOberstabsarzt in K\u00f6ln.\nWenn wir die in der Physiologie gew\u00f6hnlich getrennt behandelten Qualit\u00e4ten des Sehorganes, den Raum-, Licht- und Farbensinn in ihren gegenseitigen Beziehungen betrachten, so k\u00f6nnen wir uns einen Reiz, welcher nur die beiden ersteren, aber nicht den letzteren erregt wohl vorstellen, \u00bb eine Erregung jedes der. drei f\u00fcr sich \u2022allein ist -aber \u2022 nicht denkbar. * Wird der Farbensinn in Anspruch genommen, so sind die beiden anderen stets betheiligt, denn jede .Farbenempfindung hat auch eine Helligkeitsvalenz und ebenso muss das betreffende Sehding, von welchem die Erregung des Farbensinnes ausgeht, einen r\u00e4umlichen Eindruck hervorrufen. In gleicher Weise hat aber auch jede, farblose r\u00e4umliche Erregung ihre Helligkeitsvalenz, denn nur- dadurch, dass der Gegenstand heller oder dunkler ist, als seine Umgebung k\u00f6nnen wir ihn von derselben unterscheiden, und zwar gilt dies ebenso gut von einem kleinen Netzhautbilde, wie von einem grossen. Der Lichtsinn ist also insofern vom Farben- und ebenso vom Raumsinn untrennbar, als wir ohne die Unterscheidung von Hell und Dunkel \u00fcberhaupt nichts sehen. Wenngleich ich diesen meinen Standpunkt in verschiedenen Arbeiten ausdr\u00fccklich betont habe \\ bin ich von Asher 2 dahin missverstanden worden, dass ich bei Untersuchungen \u00fcber den Raumsinn eine g\u00e4nzliche Ausschliessung des Lichtsinnes f\u00fcr m\u00f6glich hielte, obschon ich in der von ihm zitirten Arbeit selbst1 2 3 die Unentbehrlichkeit des Lichtsinnes bei jeder optischen\n1\tZ. B. Arch. f. Augenheilkd. XXIII, 3, S. 326; ibid. XXXI, 3, S. 220ff.\n2\tZeitschr. f. Biologie Bd. XXXV, X. F. XVII.\n3\tZeitschr. f. Psychol. Bd. XII, S. 249.","page":264},{"file":"p0265.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber Baum- und Lichtsinn.\nWahrnehmung ausdr\u00fccklich hervorhebe. Ich gebe zu, dass die von Asher herausgegriffene Stelle, f\u00fcr sieh allein betrachtet, dieses Missverst\u00fcndniss veranlassen konnte, indem ich von einer Empfindung sprach, welche vollst\u00e4ndig auf dem Gebiete des Raumsinnes bleibt, mit Ausschluss von Licht- und Farbensinn. Nach den mehrfach er\u00f6rterten Beziehungen zwischen den beiden ersteren Funktionen schien mir aber der Zusatz betreffend den Lichtsinn \u201esoweit dies \u00fcberhaupt m\u00f6glich\u201c zu selbstverst\u00e4ndlich, als dass ich ihn noch ausdr\u00fccklich h\u00e4tte machen sollen.\nWill man die Feinheit des Raumsinnes untersuchen, so wird man den kleinsten r\u00e4umlichen Reiz, also, da unsere Netzhautbilder fl\u00e4chenhaft sind, die kleinste' Fl\u00e4che ermitteln m\u00fcssen, welche noch eine Wahrnehmung hervorrufen kann, ebenso wie wir die Feinheit des Lichtsinnes pr\u00fcfen durch Feststellung der kleinsten erkennbaren Helligkeitsdifferenz. Zu dem genannten,\n\u2022\twie zu verschiedenen anderen Zwecken bed\u00fcrfen wir eines = Maasses, um uns eine Vorstellung von der Ausdehung des dem\nobjektiven Reize entsprechenden Netzhautbildes zu verschaffen, und ist es hierf\u00fcr allgemein \u00fcblich sich der Werthe des redu-zirten Auges zu bedienen. Dass diese Methode unvollkommen -ist, und das so berechnete Bild auf absolute mathematische Genauigkeit keinen Anspruch machen kann, ist gewiss richtig. Es ist aber wenig dadurch gef\u00f6rdert, wenn man diesen allseitig em--pfundenen Uebelstand bem\u00e4ngelt, ohne etwas besseres an seine Stelle setzen zu k\u00f6nnen, und man sich desshalb gegebenen Falles ebenfalls der Konstanten des reduzirten Auges bedienen muss1. Die Bef\u00fcrchtung, dass diese Ungenauigkeit des so berechneten Werthes in Vergessenheit gerathen sei', kann ich nicht theilen, glaube vielmehr, dass diese optischen M\u00e4ngel des Auges, so wie die auf ihnen beruhenden Erscheinungen der Irradiation f\u00fcr\n\u2022\tJeden der sich mit diesen Dingen befasst zu gel\u00e4ufig sind, als dass er jedes Mal ausdr\u00fccklich darauf hinweisen sollte. Von mir\n-selbst sind sie verschiedentlich hervorgeh\u00f6ben, z. B. Arch. f. - Augenhcilh. XXIII:5 S. 326. Zeitschr. f. Psychol, Band XII... S. 248. Sicherlich ist aber, die Annahme unzul\u00e4ssig, dass Aubert, dem wir- eingehende Untersuchungen \u00fcb\u00e8r die Irradiation verdanken, sich, unter dem von ihm eingef\u00fchrten Begriffe des physiologischen . Punktes ein mathematisch scharfes Netzhautbild gedacht haben\n1 Asher 1. c. S. 408.","page":265},{"file":"p0266.txt","language":"de","ocr_de":"266\nGuillery.\nsollte. Wenn er seine Gr\u00f6sse zu bestimmen suchte und sie mit derjenigen der Zapfenoberfl\u00e4che verglich, so sollte damit offenbar nur gesagt sein, dass die durch die Berechnung gefundenen Werthe, wenn sie nat\u00fcrlich auch nicht als absolut genaue anzu-Jsehen sind, doch innerhalb derjenigen Grenzen bleiben, welche die Histologen f\u00fcr den Durchmesser eines Zapfens angeben. Bo lange diese letzteren Werthe so sehr differiren, wie es bisher der Fall ist, wird sich die Frage, ob sich das kleinste wahrnehmbare Netzhautbild mit der Oberfl\u00e4che eines Zapfens deckt, \u00fcberhaupt nicht entscheiden lassen. Das Aberrationsgebiet zwischen Schwarz und Weiss kann aber kein Hinderniss sein, diese Gr\u00f6sse festzustellen, da wir ja ein einfaches Mittel besitzen, dasselbe mehr oder weniger vollst\u00e4ndig zu beseitigen, n\u00e4mlich das Vorsetzen eines Diaphragmas mit kleiner Oeffnung vor das Auge. Ich kann nun nicht finden dass hierdurch die Gr\u00f6sse des kleinsten, ^ben sichtbaren Objektes sich merklich \u00e4ndert. Wenn die Empfindungsfl\u00e4che wirklich wesentlich gr\u00f6sser ist, als das \u201eKernbild\u201c eines objektiven Punktes (nicht mathematischen), so sollte man annehmen, dass das kleinste, eben wahrnehmbare Objekt durch Vorhalten eines Diaphragmas nicht mehr zur Perzeption gelangt. Die durch die Irradiation vergr\u00f6sserte Empfindungsfl\u00e4che (Mach) m\u00fcsste durch Aufheben der ersteren unter die Schwelle sinken, wenn dieselbe vorher gerade erreicht war. Die einzige Aenderung des Eindruckes, welche ich bemerke, ist indessen die, dass das Objekt etwas sch\u00e4rfer und tiefer schwarz, weniger schattenhaft, wenn ich so sagen darf, erscheint. Es ist aber nicht erforderlich, das Netzhautbild durch Ann\u00e4herung zu vergr\u00f6ssern, um dasselbe hierdurch etwa auf den Umfang der vorher vorhandenen Empfindungsfl\u00e4che zu bringen. Ebenso l\u00e4sst sich das Aberrationsgebiet einschr\u00e4nken durch unmittelbare Abschw\u00e4chung des Kontrastes zwischen Objekt und Hintergrund. Die Versuche Aubert\u2019s \u00fcber den Einfluss, welchen eine solche Abschw\u00e4chung auf die Gr\u00f6sse eines eben sichtbaren Objektes hat, ergeben, dass diese in hohem Maasse von jenem unabh\u00e4ngig ist1. Dasselbe fand Groenouw 2 bei Nachpr\u00fcfung dieser Versuche. Man muss also hieraus schliessen, dass die Ausdehnung\n1 Auf diese Versuche gehe ich nicht nochmals ein, da sie ausf\u00fchrlich er\u00f6rtert sind in meiner Arbeit: \u201eWeitere Untersuchungen \u00fcber den Lichtsinn\u201c, Zeitschr. f. Psychol. Bd. XIII, S. 190 ff.\n* Arch. f. Augenheilkd. XXVI, 2.","page":266},{"file":"p0267.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen Jiher^Raum- Mnd-Lichi&inn.\t267\nd\u00e9s schwarzen Zentrums, des \u201eKembildes\u201c eines solchen Objektes f\u00fcr die Wahrnehmung weit mehr ins Gewicht f\u00e4llt, als das Aberrationsgebiet. Ich spreche hier ausdr\u00fccklich nur von der Wahrnehmung eines schwarzen Punktes auf weis,sein Hintergr\u00fcnde, und lassen sich hieraus nat\u00fcrlich nicht ohne Weiteres Schl\u00fcsse ziehen auf die Unterscheidung von Linien, Gittern u. dergh, ebenso wenig aber umgekehrt. Es w\u00e4re ja z. B. denkbar, dass bei Ann\u00e4herung von Linien Theile des Aberrationsgebietes durch Deckung sich gegenseitig verst\u00e4rkten und so zur Wahrnehmung k\u00e4men, was nat\u00fcrlich eine entsprechende Ver-gr\u00f6sserung der Zwischenr\u00e4ume zur Folge haben m\u00fcsste.\nDie Oeffnung eines solchen Diaphragmas darf bei dem obigen Versuche nat\u00fcrlich nicht zu gross sein, da sonst eine wesentliche Verkleinerung des Aberrationsgebietes nicht stattfindet, andererseits auch nicht zu klein, da alsdann die Lichtst\u00e4rke schliesslich so sehr vermindert ist, dass die Wahrnehmung unm\u00f6glich wird. Um die zul\u00e4ssige Grenze zu ermitteln, bediente ich mich einer ausziehbaren, innen geschw\u00e4rzten R\u00f6hre, welche an ihrem vorderen Ende das Diaphragma hatte. Durch Verl\u00e4ngerung der R\u00f6hre wurde der Lichtkegel allm\u00e4hlich vermindert, und liess sich so der etwaige Einfluss beobachten, welchen die Beschr\u00e4nkung des Aberrationsgebietes auf die Wahrnehmbarkeit des Objektes hatte, bis zu dem Punkte wo dieses unsichtbar wurde. Man k\u00f6nnte nun sagen, dass letzteres eben die Folge der Beseitigung des Aberrationsgebietes war. Thats\u00e4chlich verschwand aber der Punkt nicht eher bis die Lichtst\u00e4rke so weit herabgemindert war, dass die Deutlichkeit der Wahrnehmung auch f\u00fcr jedes gr\u00f6ssere Netzhautbild sank. Zum Vergleiche bediente ich mich der zur Feststellung der Sehsch\u00e4rfe eingef\u00fchrten Schriftproben, wobei sich zeigte, dass, sobald die Erkennbarkeit des Punktes anfing ungewiss zu werden, auch einzelne Buchstaben nicht mehr zu entziffern waren. Ein genaues Maass ist dies ja freilich nicht, da die M\u00f6glichkeit einzelne Buchstaben an ihren ungef\u00e4hren Umrissen zu errathen, bekanntlich von den verschiedensten Bedingungen abh\u00e4ngt, die sich einer genauen Sch\u00e4tzung entziehen1. Jedenfalls beweist der Versuch, dass das Aberrationsgebiet in hohem Maasse eingeschr\u00e4nkt werden kann, ohne dass die Erkennbarkeit des kleinsten, mit freiem Auge wahrnehmbaren Punktes darunter leidet.\nMST\u00e4heres im Arch. f. Augenheilkd. XXVIII, 3, XXXI, 3.","page":267},{"file":"p0268.txt","language":"de","ocr_de":"\u2018268\t'' Guillery.\t'\nWie oben gesagt, m\u00fcssen wir zur Pr\u00fcfung der Feinheit des Lichtsinnes die geringste wahrnehmbare Helligkeitsdifferenz, zu der des Raumsinnes das kleinste wahrnehmbare Netzhautbild ermitteln. Diese beiden grunds\u00e4tzlich verschiedenen Untersuchungsmethoden w\u00e4ren irrth\u00fcmlicher Weise von einzelnen Autoren in Parallele gestellt und hatte ich1 darauf hingewiesen , dass die hieraus gezogenen Schl\u00fcsse falsch sein m\u00fcssten. Wenn hierbei die durch die Irradiation geschaffenen Verh\u00e4ltnisse nicht ausdr\u00fccklich erw\u00e4hnt wurden, so geschah dies lediglich desshalb, weil dadurch an dem prinzipiellen Unterschiede nichts w\u00e4re ge\u00e4ndert worden. Denn wenn wir auch die Irradiation in Betracht ziehen, so haben wir in dem einen Falle (Lichtsinn) bei der gebr\u00e4uchlichen Untersuchungsmethode, zwei gr\u00f6ssere Fl\u00e4chen von m\u00f6glichst geringer Helligkeitsdifferenz, in dem anderen (Raumsinn) eine m\u00f6glichst kleine tief schwarze Fl\u00e4che, umgeben von grauen T\u00f6nen, welche sich mit allm\u00e4hlicher Ab Schw\u00e4chung in ihre Umgebung verlieren. Dass diese beiden Reizwirkungen identisch w\u00e4ren wird doch Niemand behaupten wollen, und ich war also vollkommen im Rechte, wenn ich den Unterschied hervorhob.\nBei der Messung dieses kleinsten Netzhautbildes werden wir andere Funktionen, um den Versuch nicht zu kompliziren, so weit wie m\u00f6glich auszuschliessen suchen, also auch den Lichtsinn. Verstehen wir unter demselben die F\u00e4higkeit Helligkeitsdifferenzen zu unterscheiden, so ist das einfachste Mittel, sich vom Lichtsinno thunliehst unabh\u00e4ngig zu machen, ein m\u00f6glichst grosser Heiligkeitskontrast zwischen Objekt und Hintergrund, also tiefes Schwarz auf reinem Weiss oder umgekehrt. W\u00e4hlen wir schwache Kontraste, so k\u00f6nnte schon eine geringe Beeintr\u00e4chtigung des \"Lichtsinnes die Wahrnehmung st\u00f6ren, aber wenn nicht einmal mehr Schwarz auf Weiss unterschieden wird, so m\u00fcsste der Lichtsinn so gut wie erloschen sein. Selbst wenn man wiederum das 'Aberrationsgebiet in Betracht zieht, ist es doch klar, dass die Feinheit des Lichtsinnes vielmehr in Anspruch genommen wird, wenn man von vornherein schwache Kontraste w\u00e4hlt. In diesem Sinne ist es zu verstehen, wenn ich die M\u00f6glichkeit er\u00f6rterte, sich bei Versuchen \u00fcber den Raumsinn vom Lichtsinne unabh\u00e4ngig zu machen.\nZeitschr. f. Psychol. Bd. XII, S. 243.\n","page":268},{"file":"p0269.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber Baum*- und Lichtsinn.\n209\nAsher hat nun seinerseits (1, c.) den Beweis zu erbringen versucht, dass die r\u00e4umliche Unterscheidung sehr kleiner Objekte in Bezug auf Gr\u00f6sse als eine Leistung des Lichtsinnes zu bezeichnen sei. Der Lichtsinn w\u00e4re demnach nicht nur diejenige Funktion, durch welche wir Helligkeitsunterschiede wahrnehmen, sondern er \u00fcbernimmt auch die Gr\u00f6ssensch\u00e4tzung, welche bisher als eine besondere Leistung des Auges betrachtet worden ist. Diese Auffassung, welche die Sache nur noch mehr verwirren kann, erfordert aus theoretischen wie praktischen Gr\u00fcnden eine n\u00e4here Er\u00f6rterung.\nAsher kommt zu jenem Ergebnisse, indem er die Versuche' Ricio\u2019s \u00fcber das Verh\u00e4ltnis von Lichtst\u00e4rke und Fl\u00e4che nachpr\u00fcfte. Der genannte Autor fand, dass bei sehr kleinem Netzhautbilde die Helligkeit des Objektes sich nicht \u00e4ndert, wenn das Produkt aus Helligkeit mal Fl\u00e4che konstant bleibt oder mit anderen Worten: Wenn die Helligkeit um das w-fache zunimmt, muss die Fl\u00e4che um das w-fache abnehmen und umgekehrt, wenn der Eindruck derselbe bleiben soll. Ausser dieser (mir nicht zug\u00e4nglichen) Arbeit von Ricio geh\u00f6ren in gewissem Sinne hierher die Untersuchungen von Ole Bull, Charpentier und Fick; ferner sind auch von mir solche bereits im Jahre 1895 ver\u00f6ffentlicht1, bei welchen die Versuchsanordnung mit der von Asher in seiner zweiten Beobachtungsreihe gew\u00e4hlten fast genau \u00fcbereinstimmt. Fick ist der Einzige, welcher sich von diesem Verh\u00e4ltnisse nicht \u00fcberzeugen konnte, (entsprechend seiner Versuchsanordnung), w\u00e4hrend die anderen Genannten alle jenen Satz best\u00e4tigt fanden, z. Th. sogar in gr\u00f6sserem Umfange, als man erwarten sollte. Die Ausdehnung derjenigen Stelle, f\u00fcr welche er g\u00fcltig ist, habe ich in diesen, so wie in sp\u00e4teren, von anderen Gesichtspunkten ausgehenden Versuchen2 zu bestimmen gesucht, und dieselbe als das physiologische Centrum der Netzhaut, im Gegens\u00e4tze zur Peripherie bezeichnet, aus dem Grunde, weil innerhalb dieser Stelle die Netzhautelemente gleichwerthig sein m\u00fcssen, und erst jenseits derselben die minderwerthigen der Peripherie beginnen. Nur unter der Voraussetzung, dass die Empfindlichkeit der gereizten Elemente die gleiche ist, l\u00e4sst sich die Erscheinung erkl\u00e4ren, dass die Erregungsst\u00e4rke a von b Ele-\n1\tArch. f. Augenheilkd. XXXI, 3.\n2\tPfl\u00fcg. Arch. Bd. 66 u. Arch. f. Augenheilkd. XXXV, 1.","page":269},{"file":"p0270.txt","language":"de","ocr_de":"270\nGuillery-\nmenten ebenso empfunden wird, wie die Erregungsst\u00e4rke -~-\nu\nvon 2 b Elementen. Dies ist aber auch der einzige Schluss, der aus diesen Versuchen gezogen werden kann. Bei gr\u00f6sseren Objekten h\u00f6rt jenes konstante Verh\u00e4ltniss nat\u00fcrlich auf (Charpentier glaubte es allerdings auch bei solchen zu finden), weil immer mehr Elemente von allm\u00e4hlich abnehmender Empfindlichkeit in den Bereich des Netzhautbildes fallen. Ein prinzipieller Unterschied zwischen den durch ein grosses und ein kleines Netzhautbild gesetzten ErregungsVorg\u00e4ngen l\u00e4sst sich indessen hieraus nicht ableiten.\nAsher f\u00fchrt nun ein neues Moment in die Betrachtung, n\u00e4mlich die Gr\u00f6ssensch\u00e4tzung. Er fand, dass bei diesem Verh\u00e4ltnisse zwischen Lichtst\u00e4rke und Fl\u00e4che die betreffenden Objekte bis zu einem Winkel von etwa 2 Minuten in ihrer Gr\u00f6sse gleich aussahen, und schliesst daraus, dass innerhalb der genannten Grenzen das r\u00e4umliche Aussehen der benutzten kleinen Sehdinge nur abhing von ihrer Lichtmenge. Nach der sonst \u00fcblichen Annahme h\u00e4ngt die Gr\u00f6ssensch\u00e4tzung in erster Linie ab von der Genauigkeit des Augenmaasses, und ist es freilich richtig, dass dasselbe bei sehr kleinem Netzhautbilde h\u00f6chst unzuverl\u00e4ssig wird. Nimmt man kleine schwarze Punkte an der Grenze ihrer Wahrnehmbarkeit, also entsprechend einem Sehwinkel von etwa 25\", so kann man ihre Fl\u00e4che um das doppelte bis 3 fache vergr\u00f6ssern, ehe man mit Sicherheit einen Gr\u00f6ssenunterschied erkennen kann, d. h. also, man macht dieselbe Beobachtung auch ohne jenen Ausgleich von Fl\u00e4che und Lichtst\u00e4rke, wenngleich der Wechsel der letzteren die Beurtheilung noch erschweren mag.\nSind nun bei Betrachtung grosser Objekte keine Erscheinungen zu finden, welche den geschilderten analog w\u00e4ren? Was zun\u00e4chst die Irradiation betrifft, so ist der Einfluss derselben auf die Gr\u00f6ssensch\u00e4tzung bei jeder beliebigen Ausdehnung des Netzhautbildes l\u00e4ngst bekannt, und werden ja hierdurch die verschiedensten T\u00e4uschungen des Augenmaasses hervorgerufen (s. die bekannten Beispiele bei von Helmholtz u. A.). Aber auch abgesehen davon l\u00e4sst sich unschwer darlegen, dass das Gesagte auf Netzhautbilder von ganz beliebiger Gr\u00f6sse Anwendung finden kann.. Es l\u00e4sst sich sowohl die Lichtst\u00e4rke wie die Fl\u00e4che eines jeden Objektes in gewissem Grade ver\u00e4ndern, ehe diese Ver\u00e4nderung empfunden wird. Nehmen wir an, das","page":270},{"file":"p0271.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber Raum- und Licht sinn.\t271\nObjekt sei schwarz auf weissem Hintergr\u00fcnde und zwar soll das Weiss etwa seehzigmal heller sein als das Schwarz, so ist es klar, dass nicht jede geringste Ver\u00e4nderung dieses Verh\u00e4ltnisses durch Hellerwe\u00efden des S\u00d6h#arz oder Duhkl\u00earw\u00ebrd\u00e9n des W\u00e8iss sofort \u00fcber die Schwelle tritt. Bis zu einem gewissen Grade wird dies untermerklich bleiben, und ebenso wird die Gr\u00f6sse der Fl\u00e4che sich mehr oder weniger yariiren lassen, ehe die Ver\u00e4nderung bemerkbar wird. Dies letztere muss um so mehr der Fall sein, wenn gleichzeitig der Kontrast zwischen Objekt und seiner Umgebung sich mildert, denn indem hierdurch die Irradiations-ercheinungen abnehmen, erscheint das Objekt gr\u00f6sser und wird daher in seinen Dimensionen entsprechend ver\u00e4ndert werden k\u00f6nnen, bis es wieder ebenso erscheint, wie unter den fr\u00fcheren Helligkeitsverh\u00e4ltnissen. In welchen Grenzen dies m\u00f6glich ist, h\u00e4ngt in erster Linie ab von der getroffenen Netzhaut stelle, d. h. von der Empfindlichkeit der sie bedeckenden Elemente, und wird es ferner von dem Verh\u00e4ltnisse, in welchem diese sich gegenseitig unterst\u00fctzen abh\u00e4ngen, in wie weit eine Kompensation von Fl\u00e4che und Helligkeit in dem oben angegebenen Sinne stattfindet. Aber bei jeder beliebigen dieser Variationen werden wir den Antheil, welchen der Raumsinn doch immer an der Empfindung nimmt, auf die kleinste wahrnehmbare Gr\u00f6sse reduziren k\u00f6nnen, ohne dass die Wahrnehmung darum aufh\u00f6rte dem Gebiete des Raumsinnes anzugeh\u00f6ren. Eine unendlich kleine Lichtempfindung giebt es nun einmal nicht, es. muss also auch der kleinste Punkt der Aussenwelt, in jeder Lichtst\u00e4rke, bei welcher er empfunden wird, einen r\u00e4umlichen Eindruck hervorrufen. Ob wir denselben bez\u00fcglich seiner Ausdehnung richtig sch\u00e4tzen, ist eine andere Frage und kommen hier gewiss die Verh\u00e4ltnisse der Lichtst\u00e4rke und noch verschiedene andere in Betracht. Es ist aber thats\u00e4chlich eine untere Grenze nicht denkbar, an welcher eine Wahrnehmung des Sehorganes das Gebiet des Raumsinnes verliesse und vollst\u00e4ndig in das des Lichtsinnes \u00fcbertr\u00e4te.\nAsher ist der Ansicht, dass zwei Objekte gleich gross erscheinen, wenn ihre Empfindungsfl\u00e4chen gleich viele Empfindungskreise decken. Es ist dies, wie man sieht, die alte, aber l\u00e4ngst widerlegte Weber\u2019sehe Theorie vom Augenmaasse. Fechner und Hering haben schon vor vielen Jahren darauf hingewiesen, dass dieser Satz f\u00fcr die analogen Verh\u00e4ltnisse .der Haut nicht zutrifft*.","page":271},{"file":"p0272.txt","language":"de","ocr_de":"272\nda sonst eine Zirkelspitzenentfernung von 600 nun auf der R\u00fcckenha\u00fct ebenso gross erscheinen m\u00fcsste, wie eine von 20 mm auf der Zungenspitze. Ebenso wenig kann davon die Rede sein, dass auf der Peripherie der Netzhaut zwei Punkte, welche eben getrennt empfunden werden, ebenso nahe zusammen erscheinen, wie zwei mit dem Centrum fixirte, welche bis zu, dem f\u00fcr ihre Unterscheidung zul\u00e4ssigen Abstande gen\u00e4hert werden. Die Beobachtungen \u00fcber das Augenmaass sowohl bei grossem, wie bei kleinem Netzhautbilde lassen sich mit den Empfindungskreisen nicht in Einklang bringen, und ist die Gr\u00f6ssensch\u00e4tzung leider ein viel zu komplizirter Vorgang, als dass sie in dieser einfachen Weise erkl\u00e4rt werden k\u00f6nnte. Auch aus anderen Gr\u00fcnden ist die Annahme nicht haltbar, dass jeder Empfindungskreis seine Erregung g\u00e4nzlich isolirt dem Centrum \u00fcbermittele \\\nEs beweisen somit die Versuche von Asher bez\u00fcglich des Lichtsinnes eine Thatsache, die l\u00e4ngst bewiesen war,, und bez\u00fcglich der Gr\u00f6ssensch\u00e4tzung, dass diese unter den von ihm angegebenen Bedingungen sehr ungenau ist, theils weil dies bei sehr kleinem Netzhautbilde an sich schon der Fall, theils weil durch die Ver\u00e4nderungen der Irradiation bei kleinen wie grossen Objekten die T\u00e4uschungen noch beg\u00fcnstigt werden. Will Jemand beweisen, dass die Wahrnehmung eines kleinen schwarzen Punktes auf weissem Hintergr\u00fcnde in besonderem Maasse ab-h\u00e4ngig.ist von der Lichtst\u00e4rke, so muss er zun\u00e4chst die obigen Versuche von Aubert, Geoenouw und mir widerlegen, aus welchen gerade hervorgeht, dass innerhalb weiter Grenzen der Helligkeitsdifferenz zwischen diesem Objekte und Umgebung die Objektgr\u00f6sse sich nicht zu \u00e4ndern braucht.\nWenn es richtig w\u00e4re, dass die Wahrnehmung kleiner Punkte in so naher Beziehung st\u00e4nde zum Lichtsinn, so w\u00fcrde dies f\u00fcr die Praxis von durchgreifender Bedeutung sein. Dasselbe was f\u00fcr einen Punkt gilt, muss nat\u00fcrlich auch f\u00fcr mehrere zutreffen, da sich hier ja nur derselbe Vorgang an verschiedenen Stellen wiederholt. Seit langer Zeit sind nun in der Ophthalmologie Punktgruppen im Gebrauche zur Pr\u00fcfung der Sehsch\u00e4rfe. Die Burchardt\u2019sehen z. B., welche sich von diesen wohl der weitesten Verbreitung erfreuen, sind so berechnet, dass jeder\n1 N\u00e4heres hier\u00fcber in meinen Arbeiten : Pfl\u00fcg. Arch. Bd. 68, S. 141 ff, und Zeitschr. f. Psychol. Bd. X, S. 96 ff.","page":272},{"file":"p0273.txt","language":"de","ocr_de":"Bemerkungen \u00fcber Baum- und Lichtsinn.\n273\neinzelne Punkt unter einem Sehwinkel von 2,15 Minuten erscheint , also fast vollkommen innerhalb der von Ashee angegebenen Grenze, in deren Bereiche die r\u00e4umliche Unterscheidung derselben nicht als Leistung des Raumsinnes, sondern als eine solche des Lichtsinnes zu bezeichnen sein soll. Wir h\u00e4tten demnach bisher bei Benutzung solcher Objekte immer den Lichtsinn in Anspruch genommen, w\u00e4hrend wir in der Meinung waren, den Raumsinn zu pr\u00fcfen. Ich vermuthe indessen, dass, solange nicht \u00fcberzeugendere Gr\u00fcnde f\u00fcr diese Ansicht beigebracht werden, die Punktproben auch fernerhin zu demjenigen Zwecke werden Anwendung finden, zu welchem sie bisher einzig und allein benutzt worden sind.\nErfreulicher Weise giebt uns die Klinik ein ebenso einfaches, wie unwiderlegliches Mittel die Frage zu entscheiden. Wenn die Abh\u00e4ngigkeit der Wahrnehmung kleiner Netzhautbilder vom Lichtsinne wirklich in dem angegebenen Maasse vorhanden w\u00e4re, so m\u00fcsste bei erhaltenem Lichtsinne auch die F\u00e4higkeit kleine Punkte zu erkennen unbeeintr\u00e4chtigt sein, andererseits, bei Herabsetzung des Lichtsinnes diese F\u00e4higkeit sich entsprechend vermindern. Jeder diesbez\u00fcgliche Versuch beweist das Gegentheil, denn stets l\u00e4sst sich die Herabsetzung der Sehsch\u00e4rfe ebenso gut, oder vielmehr noch viel besser durch Untersuchung mit einzelnen Punkten nachweisen, als z. B. durch Buchstabenproben. Da ich Jahre lang, fast t\u00e4glich, derartige Versuche zur Kontrole meiner Punktproben1 * angestellt habe, glaube ich mir in dieser Frage ein Urtheil erlauben zu d\u00fcrfen. Wenn die Erkennbarkeit von Schriftproben abnimmt, wobei aus sattsam bekannten Gr\u00fcnden die Wahl der betreffenden Buchstaben und verschiedene andere Momente von Einfluss sind, so ist auch stets die Erkennbarkeit einzelner kleiner Punkte vermindert. Die Beeintr\u00e4chtigung der Feinheit des Raumsinnes ist also das Maassgebende, der Lichtsinn braucht aber dabei gar nicht herabgesetzt zu sein. Andererseits zeigen Herabsetzungen des Lichtsinnes gar keinen Zusammenhang mit der auf diese Weise festgestellten Sehsch\u00e4rfe.\nHier ein Beispiel f\u00fcr viele. Ein junger Mann von 28 Jahren leidet an kongenitaler Hemeralopie. Das was uns aus meinen Notizen \u00fcber den Fall hier interessirt ist folgendes: die S betr\u00e4gt mit meinen Proben Vi2o? niit Pfl\u00fcg-. 4/33j3, Nied. 4/30, Sn. 4/25*\n1 J. F. Bergmann, Wiesbaden.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XYI.","page":273},{"file":"p0274.txt","language":"de","ocr_de":"274\nGuillery.\nDer Lichtsinn (Unterschiedsschwelle), nach Tbeitel gemessen* zeigte sich vollkommen normal. Da die untere Grenze, welche Tbeitel angiebt, kleine Herabsetzungen des Lichtsinnes nicht ausschliesst, so untersuchte ich ausserdem noch am r\u00f6hrenden Kreisel und fand hierbei den Lichtsinn auf 7,00 herabgesetzt* gegen 1j1S{) meines Auges. Jedenfalls besitzt ein Auge, welches Helligkeitsdifferenzen von 1/ioo unterscheidet immerhin noch grosse Empfindlichkeit f\u00fcr die Wahrnehmung von Lichtinten-sit\u00e4ten, und steht hierzu offenbar das ganz erheblich verminderte Unterscheidungsverm\u00f6gen f\u00fcr kleine schwarze Punkte in gar keinem Verh\u00e4ltnisse. Durch herabgesetzte Beleuchtung, bei welcher meine S auf 3/s (5/34 Sn) sank, verminderte die des Kranken sich auf Fingerz\u00e4hlen in 4 m. Sein Lichtsinn war dabei = Yis (T\u00df-)- Hach etwa 20 Minuten war seine S wieder 1/120 wie vorher, sein Lichtsinn aber immer noch unver\u00e4ndert = 1,nh.\nWir brauchen nun gar nicht nach solchen besonderen F\u00e4llen zu suchen, sondern haben stets die Mittel in der Hand, unser Unterscheidungs verm\u00f6gen f\u00fcr Helligkeitsdifferenzen, also den Lichtsinn herabzusetzen, z. B. durch das Vorhalten dunkler Gl\u00e4ser. Hierbei zeigt sich, wie ich dies oben und auch schon fr\u00fcher1 hervorgehoben habe, dass die Wahrnehmbarkeit einzelner Punkte mit der durch gr\u00f6ssere Objekte (Buchstaben) festgestellten Sehsch\u00e4rfe zwar nicht strikte zu vergleichen ist, wie dies ja in der Natur der Sache liegt, aber doch der Einfluss des verminderten Unterscheidungsverm\u00f6gens sich auch immer an der verminderten Deutlichkeit einzelner Buchstaben bemerklieh macht, wenn die kleinsten Punkte unkenntlich geworden sind, folglich die verminderte F\u00e4higkeit Helligkeitsdifferenzen zu unterscheiden die Deutlichkeit kleiner Punkte nicht mehr beeintr\u00e4chtigt, als die anderer Objekte.\nMan sollte meinen, diese einfachen und jeder Zeit leicht kontrollirbaren Thatsachen m\u00fcssten ein f\u00fcr alle Mal der Vorstellung ein Ende machen, die Unterscheidung einzelner kleiner Punkte sei keine Leistung des Baumsinnes, sondern des Lichtsinnes. Dass im Uebrigen die Helligkeitsverh\u00e4ltnisse und die von ihnen abh\u00e4ngigen Irradiationserscheinungen auf das Aussehen kleiner, wie grosser Gegenst\u00e4nde, je nach der Versuchsanordnung von mannigfachem Einfl\u00fcsse sind, wird selbstverst\u00e4ndlich nicht in Abrede gestellt.\n1 Arch. f. Augenheilkd. XXXI, 3, S. 221.","page":274}],"identifier":"lit30322","issued":"1898","language":"de","pages":"264-274","startpages":"264","title":"Bemerkungen \u00fcber Raum- und Lichtsinn","type":"Journal Article","volume":"16"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:00:48.918162+00:00"}