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{"created":"2022-01-31T12:27:36.879675+00:00","id":"lit30332","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Reichel","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 16: 310-313","fulltext":[{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turber ich t.\nPACiNi\u2019schen K\u00f6rperchen \u00e4hnliche Gebilde auftreten; ebenso wie an den Kapseln und B\u00e4ndern der Gelenkfl\u00e4chen Nervenendigungen von sein-wahrscheinlich sensitiver Natur gefunden wurden. Die von K\u00f6lliker 1862 entdeckten Gruppen von Nerven- und Muskelfasern (Muskel-knospen und Muskel spindein) wurden von Kerschner 1888 als sensitive Organe erkannt. \u2014 Damit liesse sich allerdings der peripherische Ursprung aller Aeusserungen des Muskelsinnes erkl\u00e4ren. Zu bedenken ist indess, dass wir die spezifischen Funktionen dieser Nervenendigungen in den Bewegungsorganen nicht kennen. Ferner fragt es sich, wenn die passive Bewegung rein peripherisch ist, ob die aktive darum, weil sie auf einem Willensakt beruht, sich von jener unterscheidet, da die Sensation bei beiden dieselbe ist; endlich \u2014 vorausgesetzt, dass die Muskelnerven nicht den Grad der Kontraktion, sondern nur den der Erm\u00fcdung anzeigen,\n\u2014\tist es denn erwiesen, dass Kraftanstrengung, M\u00fcdigkeit und Schmerz mir Abstufungen einer und derselben Gef\u00fchlsform sind?\nIV.\tBeweisender f\u00fcr den Muskelsinn scheinen auserlesene klinische F\u00e4lle zu sein, bei denen es sich haupts\u00e4chlich um Tabes dorsualis mit Verlust der spezifischen Muskelempfindung f\u00fcr Gewicht und Lage der Glieder handelt, mit oder ohne An\u00e4sthesie der Haut; ferner um Zust\u00e4nde, wo die aktiven Bewegungen nichts an ihrer Energie einb\u00fcssen unter der Kontrolle der Augen, andernfalls aber das Bewusstsein der Lage und des Gewichtes fehlen \u2014 trotz Integrit\u00e4t der Sensibilit\u00e4t (Landry). In Duchenne\u2019s F\u00e4llen von Hysterie ist jede Bewegungsf\u00e4higkeit bei Ausschluss des Gesichtes behindert, in denen von Ataxie die Wahrnehmung der Bewegung.\n\u2014\tSeit der HiTzia\u2019schen Entdeckung der psychomotorischen Centren auf der Grosshirnrinde wurde von verschiedenen Forschern der Muskelsinn dort gesucht. Bastian verlegte ihn in die Gyri fornicatus und hippocampus ; ihm folgte Ferrier, andere englische Autoren aber widersprechen. Beobachtungen von Nothnagel, der den Schl\u00e4fenlappen als das Centrum finden Muskelsinn ansieht und ein Fall von Murri, wo ein Abscess im linken Stirnlappen gefunden wurde, zeigen \u00fcberdies, dass mangelndes Bewegungsund Lagebewusstsein der Muskeln isolirt von dem Gef\u00fchl f\u00fcr Schwere Vorkommen kann.\nV.\tIn dem Abschnitt zur S\u00e9miologie des Muskelsinnes, in dessen\nBereich eine grosse Anzahl anderer Dinge gezogen sind, die mehr oder weniger mit dem Selbstgef\u00fchl der Muskeln zu thun haben, hat der Verfasser eine reiche Auslese aus den auf Raum-, Zeitsinn, Erm\u00fcdung u. s. w. in neuerer und neuester Zeit bez\u00fcglichen Schriften zusammengestellt, deren Aufz\u00e4hlung hier zu weit f\u00fchren w\u00fcrde.\tFraenkel.\nMaximilian Ar ree. Ueber die Bedeutung der Konvergenz- uni \u00c4kkomodations-bewegungen f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung. Philosophische Studien. Bd. XIII, Heft 1 S. 116\u2014161, Heft 2 S. 222\u2014304. 1896 u. 1897.\nArrer hat Wundt\u2019s Versuche \u00fcber die Bedeutung der Augenmuskelempfindungen f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung einer Nachpr\u00fcfung unterzogen. Wundt zeigte der Versuchsperson einen Faden, den er in verschiedene","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht\n311\nEntfernungen verschob. Es wurde beurtheilt, ob ein Entfernungsunterschied zu merken war und in welcher Richtung. So konnte aber der Entfernungs-Unterschied auch aus der jeweiligen H\u00f6he einzelner F\u00e4serchen an dem Faden erkannt worden sein. Desshalb hat Arber zwei F\u00e4den benutzt. Mit dem einen zeigte er nur die Normalentfernung, mit dem anderen die Vergleichsentfernungen. Die Versuche wurden monokular und binokular angestellt. Ihre Ergebnisse stehen mit den WuNDT\u2019sehen im Einklang. Binokular ist die Tiefenwahrnehmung genauer als monokular. In den monokularen Versuchen sind die Schwellenwerthe f\u00fcr die Entfernung meist etwas gr\u00f6sser, als f\u00fcr die Ann\u00e4herung, sie nehmen aber mit der Verk\u00fcrzung der Normalentfernung relativ schneller ab, als diese, und stimmen mit ihnen am Nahpunkt ziemlich \u00fcberein. Die Werthe sind \u00fcbrigens durchweg kleiner, als bei Wundt. Die aus ihnen berechneten Differenzen der Gesichtswinkel liegen unterhalb der ITnterseheidungsgrenze, so dass die Entfernung des Fadens nicht aus einer Verminderung seiner scheinbaren Dicke erkannt worden sein kann. Auch in den binokularen Ver suchen sind die Schwellenwerthe f\u00fcr die Entfernung meist gr\u00f6sser als f\u00fcr die Ann\u00e4herung, was bei Wundt nur in den mittleren Lagen seiner binokularen Versuche der Fall war.\nZur Erkl\u00e4rung seiner Versuche geht Arrer auf die subjektiven Vorg\u00e4nge speziell bei den binokularen Versuchen n\u00e4her ein. Die Versuchspersonen suchten eine bestimmte Vorstellung von der Normalentfernung zu gewinnen und dieselbe dadurch, dass sie sich den Faden mit den im Apparat sichtbaren Grenzlinien zu einer geometrischen Figur verbunden dachten, im Ged\u00e4chtniss festzuhalten. Wurde dann die Vergleichsentfernung gezeigt, so erkannten sie die ver\u00e4nderte Stellung des Fadens entweder sofort und meistens richtig, oder gaben erst nach einiger Zeit ein h\u00e4ufig auch falsches Urtheil \u00fcber sie ab. Im letzteren Falle hielt sich das Urtheil an meist subjektiv bedingte Ver\u00e4nderungen in der scheinbaren Dicke und Deutlichkeit des Fadens. Erfolgte das Urtheil sofort, so sprachen solche Ver\u00e4nderungen wohl mit, \u00fcbten aber keinen modifizirenden Einfluss aus. Es k\u00f6nnte nach gewissen Untersuchungen von Wundt, Helmholtz u. s. w. fraglich sein, ob die Entfernungsvorstellung wirklich eine bestimmte, d. h. also bei gleichen Bedingungen immer die gleiche war. Aber diese Untersuchungen sind nicht einwandfrei. Daher st\u00fctzt sich Arrer auf das Zeugniss der inneren Wahrnehmung seiner Versuchspersonen und danach war die Entfernungsvorstellung bestimmt. F\u00fcr die Frage nach ihrem Ursprung stehen zwei Theorien zur Verf\u00fcgung, die HERiNo\u2019sche und die W\u00fcNDT\u2019sche. Arrer entscheidet sich f\u00fcr letztere. Dort, wo das Vergleichs-urtheil nicht sofort erfolgte, fehlte die bestimmte Entfernungsvorstellung oder kam in Folge einer St\u00f6rung nicht zur Geltung, dort spielten auch jene Ver\u00e4nderungen in der Dicke und Deutlichkeit des Fadens die Hauptrolle, wurde das Urtheil aber sofort abgegeben, so geschah es auf Grund eines Assimilationsprozesses. Wie beobachtet wurde, verschob sich dann jene im Ged\u00e4chtniss festgehaltene Figur der Normalentfernung in der Tiefe. Sie assimilirte sich mit der neueintretenden sinnlichen Konvergenzempfindung und diese wTar es, durch die in ihr die ver\u00e4nderte Tiefe zum Ausdruck kam. Der Unterschied in den Schwellen-","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nLitera turberich t.\nwerihen f\u00fcr die Ann\u00e4herung und Entfernung ist nun leicht erkl\u00e4rt. Wo geometrisch schon bei gleicher Drehung der Augen auf die Schwelle f\u00fcr die Entfernung ein gr\u00f6sserer Werth f\u00e4llt, wurde in Folge des Unterschiedes im Anwachsen der Empfindung nach aussen eine gr\u00f6ssere Drehung voll zogen, als nach innen; daher mussten die Schwellenwerthe f\u00fcr die Entfernung gr\u00f6sser werden, als f\u00fcr die Ann\u00e4herung.\nDie Erkl\u00e4rung der binokularen Versuche gilt zugleich f\u00fcr die monokularen, da die Verkn\u00fcpfung von Akkomodation und Konvergenz doch so weit geht, dass mit der passenden Akkomodation des sehenden Auges allemal auch eine Konvergenzeinstellung beider Augen erfolgte, zumal die Augen nach jeder Betrachtung des Fadens in die ihnen bequemste Stellung zur\u00fcckgingen. Der Unterschied in den binokularen und monokularen Ergebnissen r\u00fchrt daher, dass beim monokularen Sehen die Blicklinie des verdeckten Auges ungenau eingestellt war und ausserdem das zweite Netz hautbild fehlte, das an und f\u00fcr sich zur Tiefenwahrnehmung beitr\u00e4gt, wie aus dem weit plastischeren Eindruck der binokularen Versuche hervorgeht. Im Uebrigen handelt es sich beide Male um denselben Vorgang, wenn auch monokular auf Nebenumst\u00e4nde wie die Deutlichkeit des Fadens mehr geachtet wurde.\nNach dem vorhin Gesagten musste das Ergebniss negativ sein, wenn die bestimmte Vorstellung von der Normalentfernung fehlte. So war es auch bei einigen Versuchspersonen, die nach ihrer eigenen Aussage die Vorstellung von der Normalentfernung nicht im Ged\u00e4chtniss behielten. Dieselben vermochten umgekehrt in monokularen Versuchen mit zwei gleichzeitig gezeigten F\u00e4den die Entfernungsunterschiede ganz gut zu erkennen, weil es hier einer Entfernungsvorstellung von so bestimmter Form wie sonst nicht bedurfte.\nAre,er stellte auch Versuche nach den beiden Versuchsklassen der HiLLEBRAND\u2019schen Versuchsanordnung (diese Zeitschrift Bd. VII S. 97) an. Hierbei wurde der Entfernungsunterschied nicht an einem Faden beurtheilt, sondern an der Kante eines verschiebbaren Schirmes, der das Gesichtsfeld der Versuchsperson zur H\u00e4lfte verdeckte. Arber erhielt dasselbe Ergebniss wie Hillebrand. Die richtige Beurtheilung des Entfernungsunterschiedes gelang erst bei pl\u00f6tzlichen gr\u00f6sseren Verschiebungen. Der Hauptgrund f\u00fcr die Bathlosigkeit der Versuchspersonen gegen\u00fcber diesen Versuchen liegt nach Arrer darin, dass sie keine bestimmte Vorstellung von der Normalentfernung bekommen konnten, daher war auch die Beurtheilung des Entfernungsunterschiedes so schwierig. Doch folgt aus den Versuchen nach A. nicht, dass die Konvergenz- und Akkomodationsempfindungen f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung bedeutungslos sind. Hillebrand\u2019s Deutung, dass der Entfernungsunterschied nur verm\u00f6ge der bewussten Akkomodation bemerkt wurde, scheint ihm nicht begr\u00fcndet. Das g\u00e4nzlich negative Ergebniss der ersten Versuchsklasse, wo es sich um allm\u00e4hliche Verschiebungen handelte, erkl\u00e4rt sich daraus, dass hier Akkomodation und Konvergenz zu sehr ab-^gestuft wurden. In der zweiten Versuchsklasse, wo es sich um pl\u00f6tzliche Verschiebungen handelte,hoben die Versuchspersonen hervor, dass die Akkomodationszeit f\u00fcr die Entfernung l\u00e4nger ist, als f\u00fcr die Ann\u00e4herung. Entweder spannte sich n\u00e4mlich der Akkomodationsmuskel auf das Zer-","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberich t.\n313\nstreuungsbild hin zun\u00e4chst an und liess erst nach, wenn so nichts erreicht wurde, oder er liess, durch andere Gr\u00fcnde dazu bestimmt, sofort nach, doch nur langsam, um den Eindruck des ersten Augenblicks festz\u00fchalten. Da die Spannung des Akkomodationsmuskels gr\u00f6ssere Anstrengung erfordert, als die Entspannung, so sind die Dioptriedifferenzen f\u00fcr die richtig erkannte Ann\u00e4herung geringer, als f\u00fcr die Entfernung. In diesen Versuchen spielte die Reflexion eine Rolle. Es fehlte aber wiederum auch nicht an einem gewissen Grade unmittelbaren Erkennen\u00bb, wie alle Versuchspersonen in den ersten Augenblicken der Vergleichung bemerkten. Hier tritt der Einfluss der Augenmuskelempfindungen deutlich zu Tage. Dass im Uebrigen ihre Differenz so gross sein musste, ehe ein richtiges Urtheil erfolgte, lag daran, dass niemals eine bestimmte Vorstellung von der Normalentfernung vorhanden war.\nNach den Ergebnissen s\u00e4mmtlieher Versuche \u00e4ussern sich in den Unterschiedsstrecken, wenn auch nicht den absoluten Werthen, so doch dem allgemeinen Charakter nach \u00fcberall gleiche Verh\u00e4ltnisse. Es war also in allen Versuchen derselbe Faktor in gleicherweise wirksam. Dieser Faktor sind die Konvergenz- und Akkomodationsempfindungen. Sie eignen sich, da sie haupts\u00e4chlich quantitativ abgestuft sind, ganz besonders zur r\u00e4umlichen Ausmessung. Unseren Raumverh\u00e4ltnissen muss ein ebenso fein abgestufter Bewegungsmechanismus entsprechen. Es steckt demnach keine Schwierigkeit darin, sich ein ebenso fein abgestuftes System von Muskelempfindungen zu denken.\tReichel (Breslau).\nJ. Rehmke. Die Bewusstseinsfrage in der Psychologie. Zeiischr. f\u00fcr immanente Philo\u00e4. II. S. 346\u2014369. 1897.\t'\t'\t'\nDie Arbeit behandelt zwei psychologische Probleme, beide zun\u00e4chst von logischen Gesichtspunkten aus.\nDas eine ist die Frage nach der Existenz unbewusster psychischer Thatsaehen. Der Verfasser verneint sie. Bewusstsein im Sinne einer Bestimmtheit ist allgemeine Bestimmtheit und l\u00e4sst sich nicht als Besonderheit einer noch h\u00f6heren, allgemeineren Bestimmtheit fassen. Seine Besonderheit ist all dasjenige, was man Bewusstseinsthatsache nennt, also Empfindung; Vorstellung, Gef\u00fchl u. a. Diese weisen daher nicht etwa Bewusstsein als eine Besonderheit auf, die sie bisweilen haben k\u00f6nnen, bisweilen auch nicht, sondern sind selbst dessen Eintheilungsglieder, k\u00f6nnen also niemals als Nicht-Bewusstsein gegeben sein. Der Begriff der unbewussten Vorstellungkann keinen positiven Inhalt haben und verwickelt in Widerspr\u00fcche auch dann noch, wenn man ihm den eines blossen physiologischen Gehirn-yorgan ges unterlegt.\nDie zweite Frage ist folgende. Wenn das Bewusstsein allgemeine Bestimmtheit ist, so muss es, wie alles Allgemeine, irgend einem Einzelnen anhaften. Was ist also das Individuum, dessen Bestimmtheit dieses Bewusstsein ist, oder kurz, das das Bewusstsein hat? \u2014 Die einzelnen Empfindungen, Vorstellungen etc. sind es nicht, denn diese sind immer noch Allgemeines; die heutige Psychologie ist im Irrthum, wenn sie sie als","page":313}],"identifier":"lit30332","issued":"1898","language":"de","pages":"310-313","startpages":"310","title":"Maximilian Arrer: Ueber die Bedeutung der Konvergenz- und Akkomodationsbewegungen f\u00fcr die Tiefenwahrnehmung. Philosophische Studien. Bd. XIII, Heft 1 S. 116-161, Heft 2 S. 222-304. 1896 u. 1897","type":"Journal Article","volume":"16"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:27:36.879681+00:00"}