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{"created":"2022-01-31T12:31:40.394025+00:00","id":"lit30346","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Wreschner, Arthur","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 16: 427-429","fulltext":[{"file":"p0427.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n427\nDas aber sind Pfade, auf denen wir ihm nicht zu folgen verm\u00f6gen, und ich halte daher ein weiteres Eingehen auf den Inhalt des Buches f\u00fcr \u00fcberfl\u00fcssig. Die Psychologie der Heiligen von H. Joly ist ein braves Buch, ein erbauliches Buch, das sich ohne Zweifel der Zustimmung aller Rechtgl\u00e4ubigen erfreuen und niemals Gefahr laufen wird, auf den Index zu kommen.\nEine Psychologie der Heiligen dagegen ist sie nicht.\nPelman.\nTheodor Lipps. Zur Psychologie'der Suggestion (Vortrag, gehalten am 14. I. 97 in der \u201ePsychologischen Gesellschaft\u201c zu M\u00fcnchen ; mit angeschlossener Diskussion). Zeitschr. f. Hypnotismus etc. Bd. VI, S. 94\u2014128. Auch sep. Leipzig, J. A. Barth. 1897. 45 S.\nVerf., der lediglich die Urtheilssuggestion behandeln will, weist zun\u00e4chst die Ansicht zur\u00fcck, als ob Suggestion gleichbedeutend w\u00e4re mit Weckung von psychischen Vorg\u00e4ngen; denn in dieser besteht alles seelische Leben. Dagegen habe die historische Entwickelung dem Begriff der \u201eSuggestion\u201c den Charakter des Ausser ge wohnlichen, Inad\u00e4quaten in den Bedingungen der Erzeugung aufgepr\u00e4gt, so dass die Vorstellungen, die stets auf dem Wege der Assoziation zu Stande kommen, \u00fcberhaupt auszuschliessen sind. Seine Hauptaufgabe erblickt daher Verf. in der genauen Analyse jener inad\u00e4quaten Bedingungen, um so zu einer neuen Definition des Begriffs \u201eSuggestion\u201c zu gelangen. Er geht dabei aus von der Definition des Urtheils, die er folgendermaassen formulirt; \u201edas Urtheil ist die Ueberinacht einer Vorstellung oder Vorstellungsverbindung \u00fcber die dabei in Betracht kommenden Gegenvorstellungen, die lediglich an den Objekten oder Inhalten der Vorstellung als solchen haftet, unabh\u00e4ngig von jedem subjektiven Interesse an diesen Inhalten\u201c (S. 10). Normaler Weise wird nun diese Uebermacht durch die Erfahrung bestimmt, bei der Suggestion dagegen funktioniren die er-fahrungsgem\u00e4ssen Gegenvorstellungen gegen eine Behauptung nicht, selbst wenn sie kein besonderes Nachdenken voraussetzen. Wenn n\u00e4mlich in unserem Vorstellungsgewebe irgend welche Punkte erregt werden, so strahlt gew\u00f6hnlich die Erregung nach allen Richtungen hin aus, um im Falle einer Hemmung durch eine auf gedr\u00e4ngte Vorstellung den Gegenvorstellungen nach dem sog. Gesetze der Stauung die Kraft der Uebermacht zu verleihen. Im Zustande der Suggestion aber unterbleibt diese Ausstrahlung; dagegen wohnt dem suggerirten Urtheile an und f\u00fcr sich nicht eine besondere Uebermacht etwa in Folge des vertrauenerregenden Tones oder der Glaubw\u00fcrdigkeit einer Person inne. Denn letzteres kann der Fall sein, ohne dass eine Suggestion zu Stande kommt. Nicht zu \u00fcbersehen hierbei ist jedoch die Thatsache der Ein\u00fcbung, durch welche die Macht des suggerirten Urtheils bezw. seines Gegentheils im Wiederholungsf\u00e4lle w\u00e4chst. Nimmt man endlich noch den Umstand hinzu, dass bei der Suggestion, selbst bei der Autosuggestion, eine scharfe Scheidung zwischen Subjekt und Objekt vorhanden ist, so ergiebt sich folgende Definition: \u201eDie Suggestion ist also die Hervorrufung einer \u00fcber das blosse Dasein einer Vorstellung hinausgehenden psychischen Wirkung in einem Individuum, durch Weckung einer Vorstellung seitens einer Person oder eines von dem Individuum","page":427},{"file":"p0428.txt","language":"de","ocr_de":"428\nLi ter a turberich t.\nverschiedenen Objektes, sofern diese psychische Wirkung durch eine in ausserordentlichem Maasse stattfindende Hemmung oder L\u00e4hmung der \u00fcber die n\u00e4chste reproduzirende Wirkung der Suggestion hinausgehenden Vorstellungsbewegung bedingt ist\u201c (S. 28/9). Auf Grund dieser Definition h\u00e4lt Verf. einerseits auch das Wesen der Suggestion von Empfindungen oder Wahrnehmungen, von Willensakten oder Handlungen, der hypnotischen wie posthypnotischen Erscheinungen erkl\u00e4rt, andererseits seine Stellungnahme zu der von Wundt gegebenen Definition der Suggestion gen\u00fcgend gekennzeichnet. Er giebt diesem Forscher weder eine Einengung des Bewusstseins seinem Umfange nach, noch eine L\u00e4hmung der aktiven Aufmerksamkeit im Zustande der Suggestion zu. Denn abgesehen davon, dass er einen prinzipiellen Unterschied zwischen aktiver und passiver Aufmerksamkeit nicht anerkennt, ist nach seiner Meinung der Suggestible sogar in h\u00f6herem Grade aktiv als der Normale, insofern er, der zwingenden Gewalt der er-fahrungsgem\u00e4ssen Gegenvorstellungen entzogen, spontan die sonst nicht nothwendigen Gegengr\u00fcnde suchen kann; auch spinnt er oft aktiv das Suggerirte weiter fort, wie dies namentlich bei der Autosuggestion der Fall ist. \u2014 Den Schluss dieser sehr scharfsinnigen Analyse bildet eine Verteidigung der unbewussten psychischen Th\u00e4tigkeit, die unmittelbar gegeben ist, w\u00e4hrend daf\u00fcr substituirte Gehirnvorg\u00e4nge nur auf psychologischer Grundlage entstandene Postulate sind. \u201ePhysiologische Erkl\u00e4rung psychischer Erscheinungen ist Psychologie, nur in die Sprache der Gehirnphysiologie \u00fcbertragen\u201c (S. 30).\nIn der Diskussion, die sich an diesen Vortrag anschloss und die ebenfalls in der vorliegenden Schrift mitgetheilt ist, sucht von Schren\u00fck-Notzing die Nothwendigkeit einer klaren und pr\u00e4zisen Definition der \u201eSuggestion\u201c durch Anf\u00fchrung all der bereits gegebenen Definitionen nachzuweisen und bek\u00e4mpft insbesondere die Auffassungen von William Hirsch und Oskar Vogt. Indes auch mit der Lipps\u2019schen Definition kann er sich nicht einverstanden erkl\u00e4ren und stellt als eine \u201epr\u00e4zisere und weniger Missverst\u00e4ndnissen ausgesetzte\u201c folgende eigene hin: \u201eSuggestion ist Einschr\u00e4nkung der Assoziationsth\u00e4tigkeit auf bestimmte Bewusstseinsinhalte, lediglich durch Inanspruchnahme der Erinnerung und Phantasie in der Weise, dass der Einfluss entgegenwirkender Vorstellungsverbindungen abgeschw\u00e4cht oder aufgehoben wird, woraus sich eine Intensit\u00e4tssteigerung des suggerirten Bewusstseinsinhaltes \u00fcber die Norm ergiebt\u201c (S. 33 4). Es giebt Objekt-, Personal-, Auto- und absichtslose Suggestionen. \u2014 Parish weist darauf hin, dass das Wort \u201eSuggestion\u201c auf Grund der historischen Entwickelung nicht bloss, wie es im Vortrage der Fall ist, zur Bezeichnung ausserordentlicher Ph\u00e4nomene, sondern zur Erkl\u00e4rung der Hypnose dient. Auch k\u00f6nne nicht das Aussergew\u00f6hnliche das Wesen der Suggestion ausmachen ; sonst g\u00e4be es keine Psychologie der Suggestion ; vielmehr untersucht die Suggestionslehre die Anwendbarkeit der psychologischen Gesetze auf abnorme Erscheinungen. Endlich sei es nicht rathsam, in einer jungen Wissenschaft die Missverst\u00e4ndnisse noch durch einen neuen Sinn, den man einem bisher sehr nutzbringenden terminus technicus unterschiebt, zu vermehren. \u2014 Offner betont als wesentliche Merkmale der Suggestion 1) ihre Erzeugung nur auf reproduktivem Wege, namentlich durch","page":428},{"file":"p0429.txt","language":"de","ocr_de":"Li ter a turberich t.\n429\nWorte und Zeichen; 2) ihre gr\u00f6ssere Intensit\u00e4t im Bewusstsein. Ein ganz anderes Problem sei die Frage nach Ursache und Wesen der Suggest ibili tat. \u2014 Minde weist auf die Geschichte der Suggestion und namentlich ihre Rolle in den Hexenprozessen hin. \u2014 Aus der Erwiderung des Vortragenden sei nur hervorgehoben, dass er Parish gegen\u00fcber es als Aufgabe einer jeden Wissenschaft erachtet, neben den normalen, auch die abnormen Erscheinungen zu erkl\u00e4ren.\nAus diesen Mittheilungen \u00fcber die Diskussion erkennt man zur Gen\u00fcge, dass der Hauptinhalt der Lipps\u2019schen Ausf\u00fchrung, die Definition der Suggestion, bereits nach den verschiedensten Richtungen hin beleuchtet wurde. Es sei daher hier nur noch darauf hingewiesen, dass sie zu ihrer Voraussetzung Erkl\u00e4rungsversuche des normalen psychischen Lebens hat, die noch keineswegs allgemein anerkannte psychologische Gesetze sind z. B. die einseitige Betonung der Assoziation f\u00fcr das Zustandekommen von Vorstellungen, die Definition des Urtheils, das \u201eGesetz der Stauung\u201c. Indes sind dies Ansichten, die Verf. bereits in fr\u00fcheren Arbeiten ausf\u00fchrlicher auseinandergesetzt hat und die schon deshalb hier nicht zur Kritik stehen. Dagegen m\u00f6chte ich noch betonen, dass die Art und Weise, wie Verf. Wundt gegen\u00fcber nachzuweisen sucht, dass bei der Suggestion gerade ein besonders hoher Grad von Aktivit\u00e4t vorhanden ist, wenig \u00fcberzeugend wirkt. Selbst wenn dem so ist, wie Verf. ausf\u00fchrt, wird der Suggestible von bestimmten, zwingenden psychologischen Gesetzen in seinem Seelenleben beherrscht. Verf. selbst hat ja gerade dieser Anschauung in seiner Entgegnung gegen Parish unzweideutigen und v\u00f6llig zutreffenden Ausdruck verliehen.\nArthur Wreschner (Giessen).\nOscar Vogt. Die direkte psychologische Experimentalmethode ia hypnotischen Bewnsstseinssnst\u00e4nden. Zeitschrift f\u00fcr Hypnotismus. Bd. V. S. 180 bis 218. 1897.\nVogt giebt hier in erweiterter Form den Vortrag, welchen er im Jahre 1896 in der Sektion f\u00fcr Psychologie des normalen Individuums auf dem M\u00fcnchener Psychologenkongress gehalten hat. Er will durch seine Ausf\u00fchrungen eine Verst\u00e4ndigung herbeif\u00fchren zwischen den Psychologen der inneren Erfahrung und den Kennern der hypnotischen Erscheinungen. Vogt behandelt im ersten Theil der Arbeit die direkte psychologische Experimentalmethode, um im zweiten, umfangreicheren Theil seine Erfahrungen \u00fcber psychologische Experimente in hypnotischen Bewusstseinszust\u00e4nden zu bringen. Leider passt die zum Theil sehr interessante Arbeit nicht f\u00fcr ein kurzes Referat. Jedenfalls m\u00fcssen Vogt\u2019s Feststellungen zur Nachpr\u00fcfung auf fordern. Die direkte psychologische Forschungsart ist die Grundlage f\u00fcr alle psychologische Erkenntniss, ist aber, wTie Wundt sagt, nur mit H\u00fclfe des Experiments m\u00f6glich. Die Suggestion ist es aber, wde Vogt hier nachzuw'eisen sucht, welche am meisten geeignet ist, zur Erweiterung der direkten psychologischen Experimentalmethode beizutragen. \u201eSie liefert neues Material und gleichzeitig eine Art Mikroskop zur Verarbeitung des alten und des neuen.\u201c\tUmpeenbach (Bonn).","page":429}],"identifier":"lit30346","issued":"1898","language":"de","pages":"427-429","startpages":"427","title":"Theodor Lipps: Zur Psychologie der Suggestion (Vortrag, gehalten am 14. I.97 in der \"Psychologischen Gesellschaft\" zu M\u00fcnchen; mit angeschlossener Diskussion). Zeitschr. f. Hypnotismus etc. Bd. VI, S. 94-128. Auch sep. Leipzig, J. A. Barth. 1897. 45 S.","type":"Journal Article","volume":"16"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:31:40.394030+00:00"}