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{"created":"2022-01-31T13:53:45.216472+00:00","id":"lit30364","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Runze, G.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 16: 448-449","fulltext":[{"file":"p0448.txt","language":"de","ocr_de":"448\nLiteraturbericht.\nSeelenleben bildet der Charakter das morphologische Prinzip. Auch hier beobachten wir eine gewisse Konstanz der Aeusserungen, aber ebensogut gewisse Abweichungen. Damit ein Wesen frei sei, muss es Nachdenken besitzen.\nDas sind ungef\u00e4hr die Grundgedanken der interessanten Abhandlung. Wie die Freiheit der Seele mit der Erweiterung des Denkens fortschreitet, findet man sehr verst\u00e4ndig dargestellt bei P. Caeus in seiner Schrift \u00fcber das Selbstbewusstsein.\tM. Giesslek (Erfurt).\nWood Hutchinson. The Value of Pain. The Monist. Vol. YII (4), S. 494 bis 504. July 1897.\nYerf. erblickt im Schmerz- und Unlustgef\u00fchl eine der Haupttriebfedern des Lebens. Schon das unscheinbare Protoplasmakl\u00fcmpchen f\u00fchlt den Schmerz und weicht ihm und damit der Gefahr aus. Den Menschen belehrt ein k\u00f6rperliches Weh, dass und wo er erkrankt ist, und n\u00f6thigt zur Schonung der leidenden Organe. Qualen und Sorgen erwecken das Streben, sie zu beseitigen; sie machen erfinderisch, veranlassen die Bildung von Gesellschaften und Staaten zwecks gemeinschaftlicher Abwehr und f\u00fchren zur fortschreitenden Entwickelung von Moral, Kunst und Wissenschaft. Mit einem Worte: \u201eDer Schmerz ist die Mutter des Geistes.\u201c\nSCHAEFEE (Rostock).\nHenky Rutgeks Maeshall. I. The Religious Instinct, II. The Functions of Religious Expression. Mind. VI (21 und 22), S. 40\u201458 und 182\u2014203. 1897.\nNach einer ebenso klaren, wie fesselnden Analyse der mannigfachen im Leben wirksamen Instinkte, der individualistischen wie der sozialen, ihres Gegensatzes und ihrer Tendenz, sich einander unterzuordnen, sucht der r\u00fchmlichst bekannte Verfasser zu zeigen, dass auch die religi\u00f6sen Be-th\u00e4tigungen nichts anderes sind als der Ausdruck eines freilich nur dem Menschen eigenen Instinktes. Diese Ansicht ist ja hier nicht zum ersten Male-ausgesprochen, die Art aber, wie sie vom Standpunkt der Psychologie begr\u00fcndet wird, verdient als hervorragend lehrreich und zum gr\u00f6ssten Theil auch einleuchtend Beachtung. Ein starkes Argument zu Gunsten der instinktiven Natur der religi\u00f6senBeth\u00e4tigungen liege in ihrer Universalit\u00e4t innerhalb der Sph\u00e4re menschlichen Seelenlebens, \u2014 selbst wenn man zugiebt, dass die Masse des Volkes zu religi\u00f6sen Aeusserungen durch die Gewohnheiten derer beeinflusst wird, welche ihr junges Leben leiteten.. Und religi\u00f6se Funktionen im eigentlichen Sinne finden sich nur beim Menschen. Man beobachte zwar auch an Thieren Aeusserungen, die an Fetischverehrung erinnern; aber sie verrathen nur Affekte des Erstaunens oder der Furcht. Und falls man geltend machen m\u00f6chte, dass namentlich der letztgenannte Aff ekt der Auf an g auch m en s chli eher Religion gewesen sei, so lassen sich doch nicht alle Erscheinungsformen dessen, was wir heute Religion nennen, daraus herleiten. Vielmehr erweisen sich die religi\u00f6sen Handlungen als Ausdr\u00fccke einer Kraft, die wie die anderen Instinkte durch die Natur des gesammten menschlichen Organismus, den wir erblich","page":448},{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Li ter a turbericht.\n449\n\u00fcberkommen, bestimmt wird. Auch der religi\u00f6se Instinkt erf\u00fcllt in der biologischen Entwickelung des Menschengeschlechts eine werthvolle Aufgabe : er bef\u00f6rdert die Wohlfahrt des Geschlechts, in welchem er hervortritt. \u2014-Im zweiten Artikel zeigt der Verf. nun n\u00e4her, wie die mannigfachen religi\u00f6sen Impulse, Aeusserungen und Gewohnheiten, wenn auch nicht selten f\u00fcr das Individuum von Nachtheil, doch f\u00fcr den Bestand der Gesammtheit als h\u00f6chst wirksam sich erweisen. So werden die Wirkungen des Eremitenlebens, des Fastens, der Askese, des Gebets und Opfers als f\u00f6rderlich f\u00fcr die Wohlfahrt der Gattung dargelegt. Alle solche Aeusserungen religi\u00f6sen Lebens seien in hohem Grade dazu angethan, die individuellen Instinkte zu Gunsten der sozialen zu beherrschen, n\u00f6thigenfalls zu unterdr\u00fccken. Die Aufmerksamkeit dessen, der sie \u00fcbt, werde von den zerstreuenden Reizen der Aussenwelt abgelenkt; und m\u00e4chtige Gef\u00fchle, die zur Anerkennung der eigenen Beschr\u00e4nktheit und der Erhabenheit des wahrhaft Grossen, was ausserhalb unser selbst liegt, f\u00fchren, werden in uns geweckt und rege erhalten. So k\u00f6nne es geschehen, dass schliesslich die Vernunft dem einf\u00e4ltigen Glauben sich unterwirft. Durch den religi\u00f6sen Instinkt solle zwar nicht unser moralischer Kodex bestimmt werden, \u2014 das sei mehr Sache der individuellen Entwickelung und selbstth\u00e4tiger Arbeit, \u2014 aber wenn wir jenem folgen, so st\u00e4rken wir das, was im sozialen Sinne Gutes in unserer Natur angelegt ist.\nWenn man \u2014 im Sinne vollkommener Wissenschaftlichkeit \u2014 von bestimmten Begriffen \u00fcber Religion und Moral, Individualismus und Sozialismus ausgehen d\u00fcrfte, so kann man dem Verf. wohl Recht geben. Aber das ist eben auf diesem Gebiete das Missliche, dass hier mehr als irgendwo sonst der Begriff nicht durch Feststellung von Thatsachen und durch Einheitlichkeit des Sprachgebrauchs bedingt, sondern in die Wechselwirkung beider miteinander und mit dem subjektiven Geschmack oder Willensideal verflochten ist. Die Vertreter der \u201eethischen Kultur\u201c sind der Meinung, dass die Moral es ist, welche die sozialen Instinkte beg\u00fcnstigt, w\u00e4hrend die Religion mehr Privatsache, Mittel subjektiver Befriedigung sei. Und Schleiermacher\u2019s Religionsbegriff, der doch auch auf feiner Beobachtung und Analyse des Gef\u00fchlslebens beruht, kommt dieser Auffassung entgegen. Um ein endgiltiges Urtheil \u00fcber den Werth der Religion zu f\u00e4llen, dazu reicht der Rahmen eines bloss auf diese oder jene Erscheinung des geschichtlichen Lebens R\u00fccksicht nehmenden Essay nicht aus : es geh\u00f6rt dazu eine erkenntnisstheoretisch-kritische Stellungnahme zu dem Problem der Wechselbeziehungen zwischen den psychichen Vorg\u00e4ngen, den geschichtlichen Thatsachen und dem stets wechselnden und schillernden Sprachgebrauch.\tG. Runze (Gr.-Lichterfelde).\nEnw. D. Starbuck. Psychology of Religion I. A Study of Conversion. American\nJournal of psychology. Vol. Ill (2), S. 267\u2014308. 1897.\nDer Versuch, die empirische Methode, die sich auf so vielen Gebieten der Forschung erfolgreich erwiesen hat, auch bei Untersuchungen \u00fcber die Natur des religi\u00f6sen Bewusstseins und die mannigfachen Aeusserungen religi\u00f6sen Lebens anzuwenden, ist nicht neu. Gleichwohl bietet der vorliegende Aufsatz manches Anregende und Belehrende. Der Verfasser will\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XYI.\t23","page":449}],"identifier":"lit30364","issued":"1898","language":"de","pages":"448-449","startpages":"448","title":"Henry Rutgers Marshall: I. The Religious Instinct, II. The Functions of Religious Expression. Mind. VI (21 und 22), S. 40-58 und 182-203. 1897","type":"Journal Article","volume":"16"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T13:53:45.216481+00:00"}