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{"created":"2022-01-31T12:29:44.177601+00:00","id":"lit30378","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 16: 460-461","fulltext":[{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\nLiteraturbericht.\nSteigerung eines solchen. Neben den musikalischen Zwangsvorstellungen finden sich vielfach auch Zwangsvorstellungen anderer Art. Wenn bei Melancholie die Zwangsvorstellungen vorzugsweise einen heiteren Charakter tragen, so ist nach Yerf. hieran das auch bei anderen psychischen Erscheinungen zu Tage tretende Assoziationsprinzip des Kontrastes maassgebend, so wie auch beispielsweise bei musikalisch hochstehenden und feiner f\u00fchlenden Naturen gerade triviale Melodien (Gassenhauer, Operettenwalzer etc.) den Inhalt der Zwangsvorstellungen bilden k\u00f6nnen.\nE. Schultze (Bonn).\nW. v. Bechterew. Ueber die k\u00fcnstliche lervorrifnng von Sinnest\u00e4uschungen bei an halluzinatorischen Formen von Wahnsinn leidenden Alkoholikern.\nCentralblatt f\u00fcr Nervenheilkunde und Psychiatrie. N. F. Bd. VIII. S. 505 bis 508. 1897.\nVor Kurzem hat Liepmann nachgewiesen, dass man bei an Delirium tremens erkrankten Individuen durch Druck auf die Aug\u00e4pfel Gesichtshalluzinationen und Illusionen hervorrufen kann ; er schliesst daraus unter Anlehnungen an entsprechende Beobachtungen von Jolly, Koppe, N\u00e4cke auf eine \u00e4tiologische Abh\u00e4ngigkeit der Halluzinationen von peripheren Reizungen der betreffenden Sinnesorgane.\nB. benutzt schon seit Jahren eine andere Methode zur k\u00fcnstlichen Erzeugung von Sinnest\u00e4uschungen; will er Geh\u00f6rst\u00e4uschungen herbeif\u00fchren, so l\u00e4sst er den Kranken auf den monotonen Ton des Hammers eines Induktionsapparates achten; Gesichtst\u00e4uschungen l\u00f6ste er aus durch langes Fixiren eines gl\u00e4nzenden, dicht vor den Augen des Betreffenden befindlichen Gegenstandes. So konnte er leicht nicht nur w\u00e4hrend des Bestehens eines akuten S\u00e4uferwahnsinns, sondern auch sp\u00e4ter noch k\u00fcnstliche Sinnest\u00e4uschungen produziren. Darin stimmt v. B. mit Liepmann \u00fcberein, dass die mit Psychosen alkoholischen Ursprungs Behafteten sich am meisten zu derartigen Experimenten eignen, sowie dass der Inhalt der k\u00fcnstlich hervorgerufenen Sinnest\u00e4uschungen ein anderer ist wie beim Delirium tremens selbst; v. B. f\u00fchrt aber ihre Entstehung zum Unterschiede von L. auf eine erh\u00f6hte Erregbarkeit der psychischen Centren zur\u00fcck, da deren krankhafte Th\u00e4tigkeit nur unter dem Einfluss einer auf diese oder jene \u00e4usseren Eindr\u00fccke gerichteten Aufmerksamkeit beobachtet werden kann.\tE. Schultze (Bonn).\nLino Ferriani. Entartete M\u00fctter. Eine psychisch-juridische Abhandlung. Deutsch von A. Ruhemann. Berlin 1897. S. Cronbach 196 S.\nSchon seit einer Reihe von Jahren kommen von jenseits der Berge B\u00fccher zu uns her\u00fcber, die unter dem Einfl\u00fcsse Lombroso\u2019s verfasst und auf dem Boden der von ihm hervorgerufenen Bewegung entstanden, den Lehren der sogenannten Neuen Schule auch bei uns Eingang zu verschaffen suchen.\nH\u00e4ufig genug muss der gute Wille f\u00fcr die That einstehen, und wir legen das Buch mit dem Ausdruck des Bedauerns, aber auch mit dem Gef\u00fchle der Verwunderung aus der Hand, dass man es der M\u00fche des Ueber-setzens f\u00fcr werth erachten konnte.","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n461\nSo schlimm ist es mit dem vorliegenden Buche nicht.\nWir lernen vielmehr in seinem Verfasser einen liebensw\u00fcrdigen und warmherzigen Menschen kennen, der viel gesehen hat, und dem die Qualen der gemarterten Kinder den heissen Wunsch eingefl\u00f6sst haben, bessernd und helfend einzugreifen. Er w\u00fcnscht daher seinem Werke Volkst\u00fcmlichkeit zu verschaffen, um besonders auf die Geschworenen einzuwirken, damit sie ihres Amtes im Sinne der vergeltenden Gerechtigkeit walten und sich in ihrem Urtheile nicht durch die R\u00fccksichten einer mattherzigen Milde bestimmen lassen.\nMit der meist kurzen Freiheitsstrafe und mit der Uebergabe des armen, halb zu Tode gemarterten Gesch\u00f6pfes in ein Asyl ist es nicht ge-than. Durch jenes Bestreben wird die etwas lebhafte Farbengebung erkl\u00e4rt, und der der italienischen Sprache ohnehin gern anhaftende Hang zu pathetischen Erg\u00fcssen, der uns nicht \u00fcberall in gleicher Weise behagen will. Wir alle in Italien sind ein wenig Dichter, sagt der Verfasser, und an poetischem Geiste fehlt es nicht. Was wir dagegen eher vermissen, ist die Vertiefung des Themas.\nWenn ein so tief in der Natur begr\u00fcndetes Gef\u00fchl, wie es die Liebe der Eltern zu ihren Kindern ist, so ganz und gar zu Grunde und in sein Gegen-theil \u00fcbergeht, wenn wir sehen wie sich die eigene Mutter an den Qualen ihres Kindes erg\u00f6tzen kann, wie sich Kinder von weniger als einem Jahre unter den abgefeimtesten Martern winden und unter den H\u00e4nden dieser Meg\u00e4ren zu Grunde gehen, dann muss an der Natur dieser M\u00fctter so vieles verkehrt und anders sein, dass sie nicht mehr als normal anzusehen sind.\nUnwillk\u00fcrlich werden wir dabei an Feuerbach und seine gl\u00e4nzende Darstellungsweise \u00e4hnlicher Zust\u00e4nde erinnert, und wir bedauern, dass der Verfasser seine Aufgabe nicht in gleicher Weise auf gefasst und gel\u00f6st hat.\nWie w\u00fcrde sich dieser Stoff unter der Hand des genialen Kriminalisten gestaltet haben!\nJedenfalls mangelt es nicht an Material, da dem Verfasser aus 6 Jahren 232 F\u00e4lle von Grausamkeit an Kindern, von einfachen Pr\u00fcgeln bis zur Verst\u00fcmmlung, zur Verf\u00fcgung stehen. Er hat diese 232 F\u00e4lle von seinem Standpunkte aus als Staatsanwalt verschiedentlich geschieden und zusammengestellt und nach der Schwere des Delikts so wie nach den ihm zu Grunde liegenden Motiven behandelt.\nDen Schluss des Buches bilden Vorschl\u00e4ge zur Ab\u00e4nderung der Strafgesetze, die der Verfasser versch\u00e4rft sehen m\u00f6chte.\nUnter dem vollen Eindr\u00fccke der von ihm geschilderten grauenvollen F\u00e4lle von ungez\u00fcgelter Grausamkeit und sittlicher Verworfenheit, wird man ihm in diesem Wunsche nur beistimmen. Eine Mutter, die das Mitleid gegen ihr eigenes Kind der Art aus den Augen setzt, dass sie es martert und qu\u00e4lt, verdient auch kein Mitleid von Seiten der Gesellschaft.\nPelmax.","page":461}],"identifier":"lit30378","issued":"1898","language":"de","pages":"460-461","startpages":"460","title":"Lino Ferriani: Entartete M\u00fctter. Eine psychisch-juridische Abhandlung. Deutsch von A. Ruhemann. Berlin 1897. S. 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