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{"created":"2022-01-31T12:29:09.475801+00:00","id":"lit30380","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Meyer, Max","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 1-14","fulltext":[{"file":"p0001.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die\nIntensit\u00e4t der Einzelt\u00f6ne zusammengesetzter Kl\u00e4nge.\n^Fortsetzung der Abhandlung: \u201eZur Theorie der Differenzt\u00f6ne und der Geh\u00f6rsempfindungen \u00fcberhaupt\u201c.)\nVon\nMax Meter.\n(Mit 2 Fig.)\nDie Intensit\u00e4t zweier (oder mehrerer) T\u00f6ne 1 steht in einem anderen Verh\u00e4ltnifs, wenn die T\u00f6ne gleichzeitig, als wenn sie gesondert erklingen. Auf diese Thatsache ist schon wiederholt (so namentlich von Alfred Mayer 2) hingewiesen worden. Die Verschiedenheit des Intensit\u00e4tsverh\u00e4ltnisses ist freilich nicht unter allen Umst\u00e4nden gleich auff\u00e4llig, in der musikalischen Praxis vor Allem nur in geringem Grade, so dafs die geringe Beachtung, die diese Erscheinung bisher gefunden hat, nicht wunderbar ist\nDafs man die fragliche Erscheinung bis dahin nicht hat theoretisch verwerthen k\u00f6nnen, erkl\u00e4rt sich leicht. Der herrschenden Theorie des H\u00f6rens, die einen Resonanzapparat im Ohre wirksam sein l\u00e4fst, bietet sie eben gar keinen Ankn\u00fcpfungspunkt Um die Intensit\u00e4tsverschiedenheiten zu erkl\u00e4ren, bleibt f\u00fcr einen Vertheidiger der Resonanzhypothese nur der eine, g\u00e4nzlich unfruchtbare Weg \u00fcbrig, neue Hypothesen zu machen \u00fcber den Ablauf der noch vollkommen unbekannten Nerven-processe.\n1 Hier und im Folgenden wird unter \u201eTon\" immer eine Tonempfindung verstanden. Wenn von physikalischen T\u00f6nen, Tonschwingungen, die Rede ist, wird dies ausdr\u00fccklich angegeben.\n* Researches in Acoustics, No. 8. American Journal of Science and Arts, XII, 1876.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XVII.\n1","page":1},{"file":"p0002.txt","language":"de","ocr_de":"2\nMax Meyer.\nEins der auff\u00e4lligsten Beispiele f\u00fcr das Verhalten der Tonintensit\u00e4t darf man in dem Umstande erblicken, dafs die Intensit\u00e4t der Obert\u00f6ne bei Stimmgabeln auf Resonanzk\u00e4sten in vielen F\u00e4llen gleich Null ist, obwohl sie physikalisch durchaus nicht so schwach sind, dafs sie f\u00fcr sich allein nicht h\u00f6rbar w\u00e4ren. Aus der von nur aufgestellten Theorie ergiebt sich nun ohne Weiteres, dafs die Obert\u00f6ne gamicht h\u00f6rbar sein k\u00f6nnen, so lange der Grundton, wie es bei Stimmgabeln der Fall ist, f\u00fcr sich allein bedeutend st\u00e4rker ist als die Obert\u00f6ne. Man construire nur einmal eine Sinusschwingung, f\u00fcge hinzu die schw\u00e4chere Octave, die noch schw\u00e4chere Duodecime u. s. w. (Solche Figuren sind enthalten in R. K\u00f6kig\u2019s \u201eExp\u00e9riences d'acoustique\u201c.) So lange die Amplitude der Theilschwingungen einen gewissen Bruchthe\u00fc der Amplitude der Grundschwingung nicht \u00fcberschreitet, ist die Folge der Superposition nur die, dafs an die Stelle der urspr\u00fcnglichen Sinuscurve eine andere Curve tritt, die ebenfalls die Eigenth\u00fcmlichkeit besitzt, nur ein einziges Maximum und ein einziges Minimum aufzuzeigen. Dann aber kann der neuen Theorie zufolge auch nur ein einziger Ton (der Grundton) zur Empfindung gelangen. Denn nach der Theorie h\u00e4ngt es nicht wesentlich von der Form der auf das Ohr einwirkenden Schwingung, sondern von der Zahl der Maxima und Minima (und deren Ordinatenwerthen) ab, welche T\u00f6ne geh\u00f6rt werden.\nHier entsteht nun die doppelte Aufgabe, theoretisch sowie durch Beobachtung die Grenzen zu bestimmen, innerhalb deren die Intensit\u00e4t von h\u00f6heren T\u00f6nen bleiben mufs, wenn diese durch einen tieferen Ton ausgel\u00f6scht werden sollen.\nDie theoretische Aufgabe ist (allerdings mit gewissem Vorbehalt, wie noch bemerkt werden wird) verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig leicht zu l\u00f6sen, wenn wir auf eine allgemeine L\u00f6sung verzichten und uns auf specielle F\u00e4lle beschr\u00e4nken, auf solche Phasenunterschiede n\u00e4mlich, die besonders charakterisirte Curven liefern. Wir erhalten auf diese Weise f\u00fcr das gesuchte Amplitudenver-h\u00e4ltnifs zwei Werthe, welche die \u00e4ufsersten Grenzen darzustellen scheinen, zwischen denen jenes Verh\u00e4ltnifs sich bewegt.\nDie beiden Funktionen, durch welche die Curven bestimmt werden, seien q> (x) (f\u00fcr den tieferen) und ip (x) (f\u00fcr den h\u00f6heren Ton). Soll das Steigen oder Fallen der zusammengesetzten Curve nur von (p (x) abh\u00e4ngen, so mufs offenbar an allen Stellen,","page":2},{"file":"p0003.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Intensit\u00e4t der Einzelt\u00f6ne zusammengesetzter Kl\u00e4nge.\ns\nwo (p (x) und ip (x) sich in entgegengesetzter Richtung bewegen, die Bedingung erf\u00fcllt sein, dafs dem absoluten Betrage nach die Ableitung von \\p (x) kleiner oder h\u00f6chstens gleich der Ableitung von q> (x) ist, also\nV (*)\nq>\u2018 (x)\nxt ( x ( xt.\nDies wenden wir nun auf eine Reihe von Intervallen an.\nIntervall 1 : 2.\nL (p (x) \u2014 a sin x, ip (x) \u2014 \u2014 \u00df sin 2 x. Die gesuchte Bedingung ist\n2\u00df cos 2x -- a cos x\n0< *< f-\n\u00df < cos x a =B*S 2 cos 2x\nDer kleinste Werth, den der Bruch auf der rechten Seite innerhalb des angegebenen Bezirks von x erreichen kann, ist\n^ f\u00fcr x = 0. Also ist die gesuchte Bedingung\ni <\na\n1\n2'\nIL (p (x) = a COS X, tp (x) mm \u2014 \u00df oo\u00bb 2x.\n0< X< |\n\u00df / sin x _______ 1\na \"\u201c= 2 sin 2x 4 cos x\nDer kleinste Werth, den dieser Bruch erreichen kann,\n- * 1 ISt \u2014r.\n4\nWir sind also zu dem ErgebniTs gelangt, dafs die Octave bei dem g\u00fcnstigsten Phasenverh\u00e4ltnifs die H\u00e4lfte, bei dem ung\u00fcnstigsten ein Viertel der Amplitude des Grundtons nicht \u00fcberschreiten darf, um f\u00fcr das Ohr zu verschwinden.\nL <p(x)\nIntervall 1 : 3.\na sm x, xp (x)\n\u2014 \u2014\u00df sin 3x.\n\u00b0<*<f\n\u00df ( COS X\na ~ 3 cos 3 x\n1*","page":3},{"file":"p0004.txt","language":"de","ocr_de":"4\nMax Meyer.\nIL 9(z)\na sin x, iff (x)\nit\n-\\~\u00df sin Sx\n7t\n6 < *< 2\nI <\talso \u2014 < -\na 3 cos Sx \u2019\to = 9\nIntervall 1 : 4.\nI. (p (x) = a sin sr, xp (x) \u2014 \u2014\u00df sin i x\n\u00bb \u2022<\u25a0<!\u25a0 2>T<\u2018<\n4 - \u00cf' 21 a < m,\u00abda,r 53\n7 TT 8 *\nDen Werth f\u00fcr 2) habe ich, der hier entstehenden Schwierig-keiten wegen, nur angen\u00e4hert berechnet.\nWenn man die zugeh\u00f6rige Figur zeichnet und nach Vorschrift der Theorie zerlegt und deutet, so \u00fcberzeugt man sich, dafs bei dem hier angenommenen Phasenverh\u00e4ltnifs der\nS\t1\nBruch \u2014 den Werth -f-q nicht \u00fcberschreiten darf, wenn der cf\to,y\nh\u00f6here Ton verschwinden soll. Dafs an der Stelle 1), wo die Bedingung \u2014 ist, der betreffende Reiz auch bei geringer Ueber-\nschreitung des Amplitudenverh\u00e4ltnisses ^ noch verschwindet,\ndarf nicht als Hindemifs f\u00fcr die Entstehung des Tones 4 angesehen werden, da immerhin noch drei Reize von der erforderlichen Frequenz in der Periode \u00fcbrig bleiben.\nq) (x) \u2014 a cos x,\n\u00df ( sin x a 4 sin 4 x \u2019\nip (x) = \u2014 \u00df cos 4x.\n1) 0 < c <\t2) | ( X <\n3 7t\n~T\n2) \u00a3 < ungef\u00e4hr\nZeichnet man die hierzu geh\u00f6rige Figur, so sieht man, dafs bei diesem Phasenverh\u00e4ltnifs zwei M\u00f6glichkeiten vorliegen, zwischen denen vorl\u00e4ufig keine Wahl getroffen werden kann: Wenn zwei Reize an Stelle von vieren noch den Ton 4 er-\n\u00df /\t1\nzeugen k\u00f6nnen, so gilt die Bedingung \u2014 JL -jg-. Verm\u00f6gen zwei Reize bei Ausfall der beiden anderen den Ton 4 nicht zu er-","page":4},{"file":"p0005.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die Intensit\u00e4t der Einzelt\u00f6ne zusammengesetzter Kl\u00e4nge.\n5\n\u00df\t1\nzeugen, so braucht der Bruch ~ nur den Werth nicht zu \u00fcberschreiten, wenn der h\u00f6here Ton verschwinden soll.\nIntervall 1 : 5.\nL <p (x) = a sin x, xp (x) = \u2014\u00df sin hx.\nCOS X\nIL\na 5 cos\nfe. D 0 < * < \u00a3. 2) *\u00a3 < X < *\n1)\n10\u2019 ' 10 ' ~ ' 2 1\na o ' a 25\u2019\nWenn drei Reize bei Ausfall von zweien zur Hervorbringung\n\u00df(l\nl < 1 2) \u2014 <\n5\u2019\t; a \u201c\ndes Tones 5 gen\u00fcgen, so gilt die Bedingung\na\n25\n; gen\u00fcgen\nsie nicht, so gilt\t.\n1 < 1\na\nIL (p (x) = a sin x, xp (x)\nAi\na\n+ /\u00a3 \u00abn 5x.\nCOS X\ttt y /\t3^\n5m5x' 10 ' * ^ \u00cf0\u2018\n| ( ungef\u00e4hr ^\nIntervall 2 : 3.\nI.\t(p (x) \u2014 a sin 2x, ip (x) = \u2014\u00df sin 3x.\nj\u00e2f /\t2 cos 2x\t\u00bb.\t.\tre\n\u2014\t0-----^ -,\t0 (\tx <\t\u00bb.\na\t\u00f6 cos \u00f4x\tN\tx\t6\n\u00df < 2\na 3*\nII.\t(p (x) = a cos 2x, xp (x) = \u2014\u00df cos 3x.\nA < 2***2a; es ( x/n\n\u00ab\t3wi 3x\u2019\t^\t'\t3\u2019\n\u00df ( 4 a = 9*\nIntervall 4 : 5.\nJ. (p {x) \u2014 a sin 4 x, xp (x) = \u2014 /? .vm 5 x.\n\u00df / 4 C08 4x \u00bb. .TT c ^\t, 0 < x < T\u00bb.\na 5 ros 6 x x N 10\n\u00a3 < 4\n\u2014_:\ttm \u2022\na o","page":5},{"file":"p0006.txt","language":"de","ocr_de":"6\nMax Meyer.\nII. f (x) = a cos 4a*, xp (x)\n\u00df cos bx.\n\u00df / 4 81)1 4 x\t. 7t\n-\t\u2022=\t\u25a0 , L , 0\t< x <\tp .\na 5\tsin bx\t5\n\u00a3 < 16 a \u201d 25\u2018\nBei diesem Intervall ist zu ber\u00fccksichtigen, dafs nach den Grunds\u00e4tzen\tder\tTheorie\tvielleicht\tselbst\tdann\tnoch\tder\tTon\t5\nzur Empfindung\tkommt,\twenn nur\t4 Reize\tin\tder\tPeriode\tvor-\nhanden sind, vorausgesetzt, dafs ihre Frequenz f\u00fcr den Ton 5 besser pafst als f\u00fcr den Ton 4. In diesem Falle w\u00fcrden die\nbeiden Werthe f\u00fcr \u2014 zu grofs sein. (Fragezeichen in der\na\nTabelle ! )\nIntervall 4 : 7.\nI. cp (x) = a sin 4z, tp (x) = \u2014 \u00df sin Ix.\n\u00a3 < 4ew4s . o / x ( \u2014\t\u2014\t\u2014\na\t1 cos 1 x' 1'' ^ x ' 14 \u2019 \u201c' 14 ' ' 14 '\n1) 4 = 7\u2019 2) 4 < ungef\u00e4hr \u2014j.\n\u00df\nBei diesem Phasenverh\u00e4ltnifs mufs\na\nkleiner sein als\n2,1\n, wenn der h\u00f6here Ton verschwinden soll. II. cp (x) = a cos 4a:, xp (x) = \u2014\u00df cos 7a*.\n7 \u2022\n4 - \u201d11\u2019 2) \u00ab < un&ef\u00e4hr X8-\n\u00df\nBei diesem Phasenverh\u00e4ltnifs mufs wahrscheinlich \u2014 kleiner\na\nsein als\n1,8\n, wenn der h\u00f6here Ton verschwinden soll.\nDas Ergebnifs der vorstehenden Untersuchungen ist nicht\na\ngerade sehr befriedigend. Nicht nur ist der Grenzwerth -- bei\neinem und demselben Intervall verschieden je nach dem Phasenverh\u00e4ltnisse der beiden T\u00f6ne, sondern selbst f\u00fcr einen bestimm-","page":6},{"file":"p0007.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Intensit\u00e4t der Einzelt\u00f6ne zusammengesetzter Kl\u00e4nge.\n7\nten Phasenunterschied erh\u00e4lt man vielfach mehrere Werthe von\no\n^ , aus denen der maafsgebende nicht immer a priori ausgew\u00e4hlt werden kann, da die theoretischen Voraussetzungen, aus denen hier zu deduciren w\u00e4re, erst durch die Erfahrung gewonnen werden m\u00fcssen.\nDie folgende Tabelle enth\u00e4lt das Ergebnifs in \u00fcbersichtlicher Darstellung. In denjenigen F\u00e4llen, wo es zweifelhaft ist, welcher von zwei Werthen in Betracht kommt, sind beide angegeben, der jedoch, dessen Geltung mir weniger wahrscheinlich ist, in kleineren Zahlen in Klammem.\nIntervall\nGrenzwerth von \u2014 bei einem\na\nPhasenverh\u00e4ltnifs, das f\u00fcr das Verschwinden des h\u00f6heren Tons\nmehr und weniger\ng\u00fcnstig ist.\n1:2\n1:3\n1:4\n1:5\n2:3\n4:5\n4:7\n1\n1\n3\n1\n4\n1\n9\n4\n'9\n16\n25\n?\n1\n2,1\nDas vorliegende Problem der Abschwftchung bezw. g\u00e4nzlichen Ausl\u00f6schung h\u00f6herer T\u00f6ne durch tiefere wurde nun auch durch Beobachtungen untersucht Ich werde \u00fcber das Ergebnifs","page":7},{"file":"p0008.txt","language":"de","ocr_de":"8\nMax Meyer.\nhiervon, das mit den theoretischen Ableitungen ganz gut in\nUebereinstimmung steht, gesondert berichten.\n\u00bb\nErweiterung der Theorie des H\u00f6rens.1\nIn der fr\u00fcheren Darstellung der Theorie war vorausgesetzt worden, dafs die Nervenendigungen in gleicher Dichtigkeit der L\u00e4nge nach \u00fcber die Basilarmembran ausgebreitet seien, und dafs die von einer Querfaser der Membran bei der Einwirkung einer Tonschwingung beschriebene Fl\u00e4che am Anf\u00e4nge der Schnecke ebenso grofs sei wie an der Spitze der Schnecke und an jeder anderen Stelle der Membran. Diese letztere Voraussetzung entspricht, wie schon fr\u00fcher erw\u00e4hnt wurde, zweifellos nicht der Wirklichkeit, da die Membran an Breite nach der Schneckenspitze hin betr\u00e4chtlich zunimmt. Im Folgenden wird nun dargestellt, welche Wirkung die verschiedene Breite der Membran der neuen Theorie zufolge auf die Intensit\u00e4t der T\u00f6ne haben mufs.\nWir wollen voraussetzen, die Basilarmembran nehme vom Anf\u00e4nge bis zur Schneckenspitze gleichm\u00e4fsig um so viel zu, dafs die gr\u00f6fste Breite sechsmal so grofs ist als die geringste. Letztere sei gleich 6. Die L\u00e4nge der Membran sei gleich 150 6. Diese Annahmen d\u00fcrften nach den bisherigen Messungen der Membran einigermafsen mit den wirklichen Verh\u00e4ltnissen \u00fcbereinstimmen. Die Entfernung einer beliebigen Stelle der Membran vom Anf\u00e4nge sei x, die Breite der Membran an diesem Punkte \u00df.\nDann ist\n\u00df-b\nx\n66 \u2014 b 1506\n1\n30\n, also\n\u00df= 6 +\n306 -f t 30\n1 Die folgende Ableitung geht nicht etwa von einer der Theorie hin-zugefttgten Hilfshypothese aus, sondern ist eine Ber\u00fccksichtigung der that-s\u00e4chlichen, wenn auch noch nicht mit grofser Genauigkeit und Zuverl\u00e4ssigkeit festgestellten anatomischen Befunde.","page":8},{"file":"p0009.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die Intensit\u00e4t der Einzelt\u00f6ne zusammengesetzter Kl\u00e4nge.\n9\nDie von einer Querfaser der Membran bei der Bewegung aus der Ruhelage bis zur maximalen Ausbuchtung beschriebene Fl\u00e4che sei am Anf\u00e4nge der Membran q, an einer beliebigen Stelle x. Machen wir \u00fcber das Verh\u00e4ltnis von q und x die einfachste Annahme, dafs n\u00e4mlich diese Fl\u00e4chen \u00e4hnlich sind, so ist:\nx _ \u00df*\t(306 + xf\nq~b* 900 62\nDie von einem ausgebuchteten Theile der Membran aufgenommene Fl\u00fcssigkeitsmenge f ist :\nx\tx\nf-J*** -./ 'om^30b+^i-\n*i\n= ~21Q0b\u2018r K30b +\t- (30A +\nDie gesammte in der Ausbuchtung der ganzen Membran Platz findende Fl\u00fcssigkeitsmenge F erhalten wir, wenn wir rt =0, x2 \u2014 1506 setzen:\nF \u201c 270015- [(1806)* - (30*)*] = 2150*7\nWir wollen nun berechnen, wie weit die Membran vom Anf\u00e4nge an sich ausbuchten mufs, um die Fl\u00fcssigkeitsmenge 50 6$ aufzunehmen. Dann ist x1 \u2014 0, x^ die zu berechnende Unbekannte.\n50*7 = -27(L [(30* + r)* - 27000**]\ner = 24,5146\nAuf dieselbe Weise k\u00f6nnen wir berechnen, wie weit die Membran vom Anf\u00e4nge an sich ausbuchten mufs, um die Fl\u00fcssigkeitsmengen 100 bq, 150 bq1 200 bq u. s. w. aufzunehmen. Die folgende Tabelle zeigt uns die Ergebnisse der Rechnung. Links stehen die Fl\u00fcssigkeitsmengen als Vielfache der willk\u00fcrlich an* genommenen Einheitsmenge 50 67, rechts die zugeh\u00f6rigen Werthe von x als Vielfache von 6.","page":9},{"file":"p0010.txt","language":"de","ocr_de":"10\nMax Meyer.\nf\tX\tf\tX\tf\tX\tf\tX\tf\tX\n1\t24,51\t11\t84,78\t21\t111,98\t31\t131,50\t41\t147,18\n2\t36,72\t12\t88,10\t22\t114,18\t32\t133,20\t42\t148,60\n3\t45,60\t13\t91,24\t23\t116,31\t33\t134,88\t43\t160,00\n4\t52,77\t14\t94,22\t24\t118,38\t34\t136,51\t\t\n5\t58,88\t15\t97,07\t25\t120,40\t36\t138,12\t\t\n6\t64,24\t16\t99,80\t26\t122,36\t36\t139,70\t\t\n7\t69,06\t17\t102,42\t27\t124,28\t37\t141,25\t\t\n8\t73,45\t18\t104,94\t28\t126,14\t38\t142,77\t\t\n9\t77,49\t19\t107,37\t29\t127,97\t39\t144,26\t\t\n10\t81,25\t20\t109,71\t30\t129,75\t40\t145,73\t\t\nIch will nun an einem Beispiel zeigen, wie obige Tabelle bei den theoretischen Intensit\u00e4tsbestimmungen zusammengesetzter Kl\u00e4nge zu verwerthen ist. Von der durch den Steigb\u00fcgel eines Ohres verdr\u00e4ngten Fl\u00fcssigkeitsmenge kann angenommen werden, dafs sie der Entfernung des Steigb\u00fcgels aus seiner Ruhelage proportional sei. Nun mache der Steigb\u00fcgel eine periodische Schwingung, die zusammengesetzt sein soll aus den Sinusschwingungen des Quintenintervalls in gleichen Amplituden.1 Um in diesem Falle ein Bild von der Bewegung der Basilar-membran zu erhalten, m\u00fcssen wir zun\u00e4chst die Schwingungs-curve nach den fr\u00fcher entwickelten Regeln zerlegen. Wir erhalten dann f\u00fcr die drei h\u00f6rbaren T\u00f6ne 3, 2 und 1 drei Amplitudentheile, die sich ungef\u00e4hr verhalten wie 2:9:8. Diese Theile bedeuten jedoch der wachsenden Membranbreite wegen nicht auf einander folgende L\u00e4ngen der Basilarmembran, sondern auf einander folgende Fl\u00fcssigkeitsmengen. Die zu diesen Fl\u00fcssigkeitsmengen geh\u00f6rigen Membranl\u00e4ngen bestimmen wir nun aus der Tabelle auf folgende Weise.\nWenn wir als Fl\u00fcssigkeitseinheit 50 bq annehmen, so erhalten wir als die zur Erzeugung des Tones 3 dienende Membranl\u00e4nge 36,7 (da x = 36,7 f\u00fcr f = 2). Gehen wir um 9 Fl\u00fcssigkeitsmengen weiter, so erhalten wir x = 84,8, als Membranl\u00e4nge f\u00fcr den Ton 2 also 84,8 \u2014 36,7 = 48,1. Gehen wir\n1 Siehe diese Zeitschrift Bd. 11, S. 218, Fig. 1.","page":10},{"file":"p0011.txt","language":"de","ocr_de":"lieber die Intensit\u00e4t der Bmeettone wmmsmengmetgter M\u00e2nge. H\nnun um 8 Fl\u00fcssigkeitsmengen weiter, so erhalten wir x \u2014 107,4, als Membranl\u00e4nge f\u00fcr den Ton 1 also 107,4 \u2014 84,8 = 22,6. Die zur Erzeugung der T\u00f6ne 3, 2 und 1 dienenden Membranl\u00e4ngen verhalten sich daher ungef\u00e4hr wie 37 : 48 : 23.\nWenn wir als Fl\u00fcssigkeitseinheit 100 bq annehmen, d. h. wenn wir die physikalischen T\u00f6ne auf das Ohr in demselben St\u00e4rkeverh\u00e4ltnifs, aber mit verdoppelter Amplitude ein wirken lassen, so erhalten wir als Membranl\u00e4ngen f\u00fcr die drei T\u00f6ne 3, 2 und 1 bezw. 52,8, 114,2 \u2014 52,8 = 61,4, 142,8 \u2014 114,2 ==\u00bb 28,6. Die zur Erzeugung der T\u00f6ne 3, 2 und 1 dienenden Membranl\u00e4ngen verhalten sich also in diesem Falle ungef\u00e4hr wie 53 : 61: 29.\nDas St\u00e4rkeverh\u00e4ltnifs der geh\u00f6rten T\u00f6ne w\u00fcrde hiernach nicht ganz unabh\u00e4ngig sein von der absoluten Intensit\u00e4t, mit der die Tonschwingungen auf das Ohr einwirken. Vielmehr wird durch gr\u00f6fsere absolute Tonintensit\u00e4t die relative Intensit\u00e4t der h\u00f6heren T\u00f6ne etwas beg\u00fcnstigt. Doch ist der Unterschied nicht so grofs, dafs man hoffen k\u00f6nnte, ihn durch Beobachtung festzustellen, da die Schwierigkeiten bei feineren Untersuchungen dieser Art dem Anscheine nach un\u00fcberwindlich sind.\nBei der fr\u00fcheren Darstellung meiner Theorie d\u00fcrfte es Anstofs erregt haben, dafs die Abschw\u00e4chung des h\u00f6heren von zwei Prim\u00e4rt\u00f6nen im Zusammenklange nach der Theorie so aufserordentlich grofs ist, und dafs die Differenzt\u00f6ne verh\u00e4ltnifs-m\u00e4fsig gar zu stark sind. Die obigen Ausf\u00fchrungen zeigen, dafs dieses auff\u00e4llige St\u00e4rkeverh\u00e4ltnifs. durch die Wirkung der verschiedenen Membranbreite derart modifizirt wird, dafs kaum noch Anstofs daran zu nehmen ist, zumal wenn man bedenkt, dafs die Gr\u00f6fsenverh\u00e4ltnisse der Membran hier nur der Wahrscheinlichkeit nach angenommen sind, in Wirklichkeit aber noch andere sein k\u00f6nnen.\nFalls die Basilarmembran nicht bei allen Individuen in gleicher Weise gebaut w\u00e4re, sondern bei einigen gr\u00f6ssere, bei anderen geringere Breitenunterschiede aufweisen w\u00fcrde, was keineswegs unwahrscheinlich ist, so w\u00fcrde dies nach der Theorie individuelle Unterschiede des H\u00f6rens zur Folge haben. Vor Allem w\u00fcrden Personen, bei denen die Zunahme der Membranbreite nicht so betr\u00e4chtlich ist, die Differenzt\u00f6ne bei Weitem st\u00e4rker h\u00f6ren als solche, deren Membran nach der Schneckenspitze zu sich stark verbreitert.\nDafs die Membran gerade am Anf\u00e4nge so sehr schmal ist,","page":11},{"file":"p0012.txt","language":"de","ocr_de":"12\n' Max Meyer.\nbringt unter Anderem den Vortheil mit sich, dafs selbst ein Schall von sehr geringer Schwingungsamplitude noch leicht eine Schallempfindung hervorruft (was ja hinl\u00e4nglich bekannt), da infolge der geringen Breite der Membran auch bei minimalen Schwingungen des Steigb\u00fcgels ein nicht unbedeutender L\u00e4ngenabschnitt der Basilarmembran in Bewegung gerathen mufs.\nEine Konsequenz der entwickelten Anschauungen ist, dass bei der Verst\u00e4rkung einer einfachen auf das Ohr ein wirkenden Tonschwingung die zum Centralorgan fortgepflanzte physiologische Erregung nicht in gleichem, sondern in geringerem Maasse zunimmt, als die Schwingungsamplitude.\nDie vorstehenden Auseinandersetzungen \u00fcber zusammengesetzte Kl\u00e4nge beschr\u00e4nken sich auf solche Kl\u00e4nge, die von nur zwei physikalischen Komponenten gebildet werden. Wenn nicht nur zwei, sondern eine gr\u00f6fsere Zahl Sinusschwingungen erzeugt werden, so gelten nat\u00fcrlich dieselben theoretischen Regeln. Bedenken erregende Schwierigkeiten scheinen mir aus diesen complicirteren F\u00e4llen f\u00fcr die Theorie nicht zu entstehen.\nBei vielstimmigen Accorden, wie sie in unserer Orchestermusik ganz gew\u00f6hnlich sind, ist zu erwarten, dafs der erw\u00e4hnten Reflexionen wegen nicht alle T\u00f6ne gleich stark auf beide Ohren, sondern die einen st\u00e4rker auf das eine, die andern st\u00e4rker auf das andere Ohr einwirken. Dies w\u00fcrde nach der Theorie in vielen F\u00e4llen zur Folge haben, dass gewisse T\u00f6ne auf dem einen, gewisse auf dem anderen Ohi;e unh\u00f6rbar werden. Da wir aber mit beiden Ohren h\u00f6ren, so kann nur selten ein Ton f\u00fcr unsere Empfindung g\u00e4nzlich verloren gehen, da es nicht wahrscheinlich ist, dass h\u00e4ufig derselbe Ton f\u00fcr beide Ohren verschwindet.\nF\u00fcr den Genuss vielstimmiger Musik d\u00fcrfte daher die Existenz von zwei Geh\u00f6rorganen nicht ohne Bedeutung sein. Man kann sich leicht durch Beobachtung davon \u00fcberzeugen, wenn man beim H\u00f6ren von Musik das eine Ohr mit dem Finger verschliefst. Die Akkorde werden dann nicht nur schw\u00e4cher, sondern verlieren auch im Allgemeinen erheblich an Klangf\u00fclle, was kaum anders erkl\u00e4rt werden kann als dadurch, dass einzelne T\u00f6ne bei einohrigem H\u00f6ren stark geschw\u00e4cht oder ganz unh\u00f6rbar sind.\nDurch den Umstand, dafs die Schnecke so klein ist gegen die Wellenl\u00e4nge der akustischen Reize, steht unser Geh\u00f6rorgan in mancher Hinsicht zur\u00fcck hinter dem Auge, da die Wellen-","page":12},{"file":"p0013.txt","language":"de","ocr_de":"Ueber die Intensit\u00e4t der Einzelt\u00f6ne zusammengesetzter Kl\u00e4nge. 13\nl\u00e4nge der optischen Reize verschwindend klein ist gegen die Dimensionen der Netzhaut Dieser Nachtheil wird nur dadurch einigermafsen ausgeglichen, dafs die Entfernung unserer beiden Geh\u00f6rorgane von einander einen ziemlich grofsen Bruchtheil der Wellenl\u00e4nge der h\u00e4ufiger vorkommenden akustischen Reize darstellt\nAnhang.\nUeber einen Apparat zur Demonstration der Wellenzerlegung durch das Geh\u00f6rorgan.\nMan hat bekanntlich, um die Eigenth\u00fcmlichkeit der Wellenbewegung zu verdeutlichen, allerlei Wellenmaschinen construirt, die einen der Wellenbewegung analogen Vorgang vor dem Auge des Betrachtenden vor\u00fcberziehen lassen. Zu \u00e4hnlichem Zwecke, um n\u00e4mlich die durch Einwirkung einer beliebigen akustischen Welle auf das Ohr meiner Theorie gem\u00e4fs bewirkte verschieden frequente Reizung der Nervenendigungen in der Schnecke in ganz langsamer Aufeinanderfolge darzustellen, habe ich einen Apparat construirt, dessen Einrichtung und Function ich kurz beschreiben m\u00f6chte.'\nWie die Figur zeigt, enth\u00e4lt der Apparat eine Reihe (12) Gl\u00fchl\u00e4mpchen, die eine Reihe von Nervenendigungen in der Schnecke vertreten sollen. Die in der Figur sichtbare eiserne Scheibe, die vermittelst einer Schraube ohne Ende langsam gedreht werden kann, enth\u00e4lt an der Peripherie eine Curve, die zusammengesetzt ist aus zwei ein Nonenintervall (4 :9) bildenden Sinusschwingungen. Da die Scheibe leicht auswechselbar ist, so kann jedoch auch jede beliebige anders zusammengesetzte Curve angewandt werden. Der die Wellenzerlegung bewirkende Mechanismus besteht aus zw\u00f6lf beweglichen Holzrahmen (ent-\n* Der Apparat befindet sich im Psychologischen Seminar zu Berlin and kann dort in Augenschein genommen werden.","page":13},{"file":"p0014.txt","language":"de","ocr_de":"14\nMax Meyer.\nsprechend den zw\u00f6lf L\u00e4mpchen), von denen jeder einen eigen-th\u00fcmlich gebauten Schleifkontakt tr\u00e4gt\nDie Holzrahmen, die durch Drehung der Curvenscheibe bewegt werden, sind so eingerichtet, dafs eine kleine (positive oder negative) Steigung der Curve nur den bezw. die ersten Rahmen in (positive oder negative) Bewegung versetzt und damit ein Ergl\u00fchen oder Erl\u00f6schen der zugeh\u00f6rigen L\u00e4mpchen ver-anlafst. Je gr\u00f6fser die Steigung der Curve ist, um so gr\u00f6feer ist auch die Zahl der bewegten Rahmen und damit der zum Ergl\u00fchen bezw. Erl\u00f6schen gebrachten L\u00e4mpchen. Dies entspricht insofern der Bewegung der Basilarmembran, als durch eine kleine Hin- und Herbewegung des Steigb\u00fcgels nur der am Anf\u00e4nge gelegene Theil der Basilarmembran in Bewegung versetzt und so auf die hier lagernden Nervenendigungen ein Reiz ausge\u00fcbt wird, w\u00e4hrend durch gr\u00f6fsere Hin- und Herbewegungen des Steigb\u00fcgels auch weiter nach der Schneckenspitze hin gelegene Theile der Basilarmembran bewegt werden.\nDreht man nun die Scheibe mit der Curve (4:9) einmal herum, so sieht man die ersten L\u00e4mpchen neunmal, die weiter folgenden viermal und die letzten einmal ergl\u00fchen, entsprechend den drei T\u00f6nen, die bei Einwirkung einer solchen Luftwelle auf das Geh\u00f6rorgan thats\u00e4chlich geh\u00f6rt werden. Man kann also auf diese Weise auch dem, der nicht n\u00e4her in die Theorie eingeweiht ist, die M\u00f6glichkeit einer den wirklichen Tonempfindungen entsprechenden Zerlegung des physikalischen Schwingungsvorganges anschaulich zeigen, was der Zweck des Apparates ist.","page":14}],"identifier":"lit30380","issued":"1898","language":"de","pages":"1-14","startpages":"1","title":"Ueber die Intensit\u00e4t der Einzelt\u00f6ne zusammengesetzter Kl\u00e4nge. (Fortsetzung der Abhandlung: \"Zur Theorie der Differenzt\u00f6ne und der Geh\u00f6rsempfindungen \u00fcberhaupt\". [Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorg., 1898, Bd. 16, S. 1-34])","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:29:09.475807+00:00"}