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{"created":"2022-01-31T12:27:21.090786+00:00","id":"lit30381","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Filehne, Wilh.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 15-61","fulltext":[{"file":"p0015.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen der im k\u00f6rperlichen Sehen\nerworbenen Erfahrung.\nVon\nWiliH. Filehne.\n(Mit 33 Fig.)\nEinleitang.\nDie folgenden Ausf\u00fchrungen sollen in einer f\u00fcr den Leser m\u00f6glichst bequemen Weise dasjenige bringen, worauf es dem Autor ankommt. Das Literarhistorische der Angelegenheit und die bisherigen Beobachtungen und Meinungen sind nur soweit erw\u00e4hnt und kritisirt, als es f\u00fcr den Zusammenhang nothwendig erschien: der Fachmann wejfs ja, wie die Sache steht \u2014 und bedarf nicht mehr als ich erw\u00e4hne \u2014, und derjenige, der ohne Fachmann zu sein mir durch die nachstehende Besprechung folgt, wird sich begn\u00fcgen k\u00f6nnen, oder, angeregt durch diese Arbeit, das nicht Erw\u00e4hnte selbst zu finden wissen.\nDie Untersuchung war bereits abgeschlossen, als das Lipps\u2019sche Buch \u00fcber \u201eRaum\u00e4sthetik und geometrisch-optische T\u00e4uschungen44 (Leipzig 1897) in Aussicht stand. Sein Erscheinen wartete ich ab, bevor ich zur Ver\u00f6ffentlichung meiner Versuche und Auffassungen schritt. Das Studium dieses Buches war mir nicht nur ein grofser Genufs, sondern entwickelte in mir auch einige Gedanken, die in dieser Einleitung dargelegt sind. Aus dieser Darlegung wird der Leser ersehen, warum die Lipps\u2019schen Ausf\u00fchrungen den von mir beabsichtigten und zum Theil bereits ausgearbeiten Wortlaut dieser meiner Ver\u00f6ffentlichung nicht beeinflussen konnten.\nTh. Lipps hat sich in seinem Buche das bleibende Verdienst erworben, als der Erste die zahllosen geometrisch - optischen","page":15},{"file":"p0016.txt","language":"de","ocr_de":"16\nWi\u00eeh. F\u00fceJine.\nT\u00e4uschungen nicht blos gesammelt (und schon hierf\u00fcr geb\u00fchrt ihm der Dank aller Betheiligten), sondern auch gemeinsam mit den \u00e4sthetischen Elementen in ein einheitliches System gebracht zu haben, das, von zweifellosen \u00e4sthetischen Thatsachen ausgehend, streng und folgerichtig durchgef\u00fchrt ist. M\u00f6gen auch vielleicht sp\u00e4tere Forscher ihm nachweisen k\u00f6nnen, dafs er die einzelnen Kategorien der T\u00e4uschungen zu gewaltsam zusammen* geschweifst habe, so ist doch durch ihn ein fester Boden gewonnen. Die \u201eTh\u00e4tigkeiten\u201c und \u201eTendenzen\u201c, die \u201eBewegungen\u201c, welche er den Linien u. s. w. zutheilt, sind festgewonnene Resultate. Gemeinsame Aufgabe der von der philosophisch-\u00e4sthetischen Seite her und der von der physiologischpsychologischen Seite her anfassenden Forschung wird es sein, klar zu stellen, wie aus den sinnlich-optischen Empfindungen und Wahrnehmungen heraus jene Vorstellung von \u201eTh\u00e4tig-keiten\u201c, \u201eTendenzen\u201c u. s. w. sich entwickele, die wir in die Formen legen.\nAber wenn die folgenden Ermittelungen und Auseinandersetzungen nur f\u00fcr eine begrenzte Gruppe \u201eoptischer T\u00e4uschungen\u201c die Zur\u00fcckf\u00fchrung auf bereits Bekanntes aus der Lehre vom Sehen liefern, und wenn ich \u2014 von der physiologischpsychologischen Seite kommend \u2014 jene T\u00e4uschungen an sicher-gestellte Thatsachen angliedere, so erw\u00e4chst mir nicht die Pflicht, Stellung zu Lipps\u2019 Aesthetik zu nehmen. Auch treten die folgenden Ausf\u00fchrungen, obschon sie nichts von dem enthalten, was Lipps \u00fcber eben dieselben T\u00e4uschungen sagt, doch nicht in Widerspruch zu Lipps; es kann \u00fcberhaupt nicht meine Aufgabe sein, und k\u00e4me mir auch gar nicht zu, die Lipps\u2019schen Auffassungen zu bek\u00e4mpfen oder zu kritisiren. Unsere Arbeiten liegen, trotzdem sie die gleichen Ph\u00e4nomene behandeln, auf zwei ganz verschiedenen, zur Zeit noch getrennten Gebietern Ein naheliegendes Beispiel m\u00f6ge dies erl\u00e4utern : Die analytische Geometrie leitet aus einer Formel z. B. s\u00e4mmtliche Eigenschaften einer unter gewissen realen Bedingungen entstehenden krummen Linie ab : eine z. B. aus Metall gearbeitete Kette (oder eine Laub-Guirlande *) resp. ein biegsamer nicht dehnbarer Faden sei an zwei Punkten frei aufgeh\u00e4ngt, so dass an allen Punkten gleiches Gewicht (z. B. das an allen Punkten gleiche eigene Ge-\n1 z. B. im Empire-Styl als Ornament.","page":16},{"file":"p0017.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc.\n17\nwicht der Kette) getragen wird; die so gebildete Bogenlinie, welche einen eigenartigen \u00e4sthetischen Eindruck macht, ist vollkommen auszudr\u00fccken durch eine Formel ; denn bei Wahl einer passenden L\u00e4ngeneinheit ist (im Cartesianischen Coordinaten-sy8tem) jede Ordinate y in Werthen der zugeh\u00f6rigen Abscisse x gemessen :\ny\u2014 7t(**+0.\nwobei e = 2,7182818 ....ist\nOder: die Formel der Ellipse, die bei gegebenen Werthen ihrer beiden Axen eine ganz bestimmte \u00e4sthetische Wirkung hat, lautet, wenn a die halbe grofse Axe und b die halbe kleine Axe ist:\nAlle Eigenschaften dieser Linien sind aus den Formeln abzuleiten. Trotzdem kann der Aesthetiker aus ihnen die \u00e4sthetische Wirkung nicht ableiten. Und weder ihm noch dem Mathematiker kann es unmittelbar zur Pflicht gemacht werden, entweder den fehlenden Zusammenhang herzustellen oder \u00fcberhaupt \u00fcber diese Linien keine Forschungen mehr anzustellen. Und doch mufs ja zwischen den durch die Formeln ausgedr\u00fcckten Eigenschaften jener transcendenten Linie und dieses Kegelschnitts einerseits, und andererseits dem \u00e4sthetischen Eindr\u00fccke, den diese Linien machen, eine sehr nahe Beziehung bestehen. Aber wir empfinden weder dort die Logarithmen noch hier die Quadratwurzeln. Hier fehlt eben die verbindende \u201eBr\u00fccke\u201c \u2014 und ein Kampf \u00fcber Ergebnisse der analytischen Geometrie und der Aesthetik w\u00e4re schon an sich ein Unding.\nEbenso steht meine folgende Publikation zur Aesthetik, speciell zur Lipps\u2019schen Auffassung in keinerlei Kampfesm\u00f6glichkeit\nIm Gegentheil, es ist zu hoffen, dafs die eifrige Bearbeitung beider Gebiete uns dem Augenblicke n\u00e4her bringe, wo jene Br\u00fccke geschlagen\u2019 werden kann, \u2014 wo \u00e4sthetische und physiologische Auffassung eindeutig am selben Punkte ankn\u00fcpfen k\u00f6nnen.\nGanz besonders aber mufs ich mich dagegen verwahren, dass meine Auffassung deswegen verworfen werde, weil sie nicht alle geometrisch-optischen T\u00e4uschungen in Betracht zieht, oder\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XVII.\t2","page":17},{"file":"p0018.txt","language":"de","ocr_de":"18\nffilh. F\u00fcthne.\nweil ich nicht alle diese T\u00e4uschungen erkl\u00e4re oder nicht erkl\u00e4ren k\u00f6nne. Denn einerseits w\u00e4re es m\u00f6glich (und ist mir sehr wahrscheinlich), dafs nicht f\u00fcr alle jene T\u00e4uschungen die physiologische Veranlassung sich unmittelbar auf die gleiche Weise entwickelt habe; andererseits k\u00f6nnte dies der Fall sein und doch k\u00f6nnte ich f\u00fcr eine begrenzte Gruppe der T\u00e4uschungen die Erkl\u00e4rung richtig gegeben haben, obwohl es mir nicht gelungen w\u00e4re \u2014 oder ich es nicht versucht h\u00e4tte \u2014, den analogen Zusammenhang bei den \u00fcbrigen T\u00e4uschungen aufzudecken.\nDas Wesentliche meiner Theorie.\nF\u00fcr gew\u00f6hnlich sehen wir nur r\u00e4umlich. Wo wir eine Ebene sehen, sehen wir sie doch in dem Raume \u2014 als Grenzfl\u00e4che eines Raumvolums im Raume, oder als Grenze zweier Raumvolumina. Wir sehen auch f\u00fcr gew\u00f6hnlich im Raume keine Linien und keine Punkte, sondern Kanten und Ecken u. s. w. \u2014 also Grenzen von r\u00e4umlichen Dingen. Die Photographien, die Zeichnungen, die uns vor Augen kommen, stellen \u2014 mit sp\u00e4ter zu erw\u00e4hnenden Ausnahmen \u2014 Wirklichkeiten aus derRaumwelt dar, und da das von ihnen gelieferte Netzhautbildchen in der Hauptsache mit dem von dem Originale gelieferten Netzhautbildchen (f\u00fcr eine bestimmte gegenseitige Stellung) \u00fcbereinstimmt, so hat das Bewusstsein nicht nur keine","page":18},{"file":"p0019.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachtcirkungen etc.\n19\nSchwierigkeit ein Bild r\u00e4umlich, oder wie hier meist gesagt wird : perspectivisch zu sehen, sondern umgekehrt: wenn das Bild nur einigermaassen correct ist, so liegt geradezu ein Zwang vor, perspectivisch zu sehen, und es bedarf selbst bei einer einfach linearen perspectivischen Zeichnung einiger Willensenergie, um nicht-perspeetivisch, um so zu sagen planimetrisch zu sehen.\nDieser Zwang beruht auf unserem grofsen Vorrathe von latenten raumweltlichen Erinnerungsbildern, die beim Anblicke der Zeichnung zu einem Theile sofort ins Bewufstsein treten, zu einem Theile nur bis nahe zur Schwelle des Bewufstseins auftauchen und entweder unbewufst bleiben, aber doch wirksam werden, oder eventuell erst in Folge von Ideenassociationen resp. durch einen Willensakt ins Bewufstsein eintreten.\nJene halb geweckten d. h. unter der Schwelle des Bewufstseins bleibenden Erinnerungsbilder fr\u00fcherer r\u00e4umlicher Wahrnehmungen (sei es im Original oder in wirksamen Abbildungen) k\u00f6nnen nun auch in F\u00e4llen wirksam werden, in denen eine betrachtete Zeichnung zwar wegen Unfig\u00fcrlichkeit keine bewufst perspectivische Wahrnehmung erzeugt, aber doch zeichnerisch perspectivische Motive enth\u00e4lt Was unter letzterer Bezeichnung zu verstehen ist, wird im Laufe der folgenden Ausf\u00fchrungen sch\u00e4rfer ausgedr\u00fcckt werden. Vorl\u00e4ufig gen\u00fcge es, sie dahin zu definiren, dafs es sich um einfachste Zusammenstellungen von Linien oder (resp. und) Winkeln handelt, welche, zum mindesten durch einen Willensakt, r\u00e4umlich aufgefafst werden k\u00f6nnen. Fig. 1 stellt ein solches \u201eperspectivisches Motiv\u201c\ndar. Die meisten Menschen werden hier drei um einen Punkt\njjruppirte stumpfe Winkel sehen, \u2014 aber man kann, wenn man\nwill, die Figur als eine k\u00f6rperliche Ecke auffassen \u2014 (und\nsieht dann leicht drei Winkel von 90\u00b0 dargestellt). Manche\nMenschen haben eine so ausgebildete Neigung, jede \u201eZeichnung\u201c\n2*","page":19},{"file":"p0020.txt","language":"de","ocr_de":"20\nWUh. Filehne.\nperspectivisch zu sehen (ich selber geh\u00f6re zu ihnen), dafs sie beim unbefangenen Hinblicke auf Fig. 1 sofort eine \u201ek\u00f6rperliche Eckeu sehen.\nNur wenn ein solches \u201eperspectivisches Motiv44 vorliegt, sieht man stumpfe Winkel zu klein und spitze Winkel gr\u00f6fser als sie thats\u00e4chlich sind. Dabei ist aber keineswegs erforderlich, dafs das Motiv bewufst perspectivisch gedeutet werde. Die Fig. 2\nFig. 2.\nbietet kein solches Motiv: eine Raute mit sehr schiefen Winkeln im Innern eines Sechsecks. Dagegen enth\u00e4lt die Fig. 3\nFig. 3.\nzwei Mal das durch die obige Fig. 1 dargestellte Motiv. Obschon die in der Mitte von Fig. 3 enthaltene Raute der in Fig. 2 congruent ist, erscheinen in Fig. 3 die spitzen Winkel etwas weniger spitz, die stumpfen weniger stumpf als in Fig. 2: das Vorhandensein eines f\u00fcr die meisten Menschen gar nicht, oder erst durch einen Willensakt ins Bewufstsein eintretenden perspectivischen Motivs gen\u00fcgt, um spitze Winkel gr\u00f6fser, stumpfe kleiner erscheinen zu lassen. Viel auffallender wird dies noch \u2014 und hier tritt dann der besprochene \u201eZwang zum R\u00e4umlichsehen44 auf \u2014, wenn man in Fig. 2 an die (innere) Raute die gleichen sechs Strahlen f\u00fcgt, welche sie in Fig. 3 tr\u00e4gt. Es entsteht dann die Fig. 4. Man \u00fcberzeuge sich, dafs unter der H\u00e4uf un g desselben perspectivischen Motives, das jetzt selbst bei widerstrebendem Willen raum weltliche Erinnerungsbilder ins Bewufstsein eintreten l\u00e4fst, die Raute rechteckig erscheint. Ferner: wer Fig. 2 angeschaut hat, wird nach der Ent-","page":20},{"file":"p0021.txt","language":"de","ocr_de":"Dit geometrisck-optischtn T\u00e4uschungen als Kachioirkungen etc.\n21\nterming der Zeichnung richtig angeben k\u00f6nnen, dafs er ein Sechseck gesehen habe und dies f\u00fcr sich aus der Erinnerung\nreproduciren k\u00f6nnen. Anders bei Fig. 4. Nur wenn man durch einen besonderen Willensakt, der von Unbehagen begleitet ist, weil sich die r\u00e4umliche Auffassung immer wieder vordr\u00e4ngen will, die planimetrische Auffassung erzwingt, sieht man die Raute mit ihren sechs Strahlen in einem Sechsecke \u2014 und kann dies in der Erinnerung nach Entfernung der Zeichnung reproduciren.\nIn Fig. 2 erscheint also die Raute so schiefwinklig wie sie halt ist In Fig. 3 dagegen erscheint sie weniger schiefwinklig auch f\u00fcr den Fall der nicht - perspectivischen Ausdeutung \u2014, sei es dafs dem Beschauer die r\u00e4umliche Ausdeutung sich \u00fcberhaupt nicht aufdr\u00e4ngt, sei es dafs er sie unterdr\u00fcckt Und in Fig. 4 erscheint die Raute noch weniger spitzwinklig auch in dem Augenblicke, wo es gelingt, das Perspectivisch-Sehen zu unterdr\u00fccken.\nEs kann nicht mehr mifsverst\u00e4ndlich sein, wenn wir sagen: auch wo kein Perspectivisch-Sehen vorliegt, wirken die sonst latenten, jetzt durch den Anblick einer Zeichnung, welche per-spectivische Motive enth\u00e4lt, nicht ganz aber bis nahe zur Schwelle des Bewufstseins geweckten Erinnerungsbilder dahin, dafs jene perspectivischen Motive ganz in dem Sinne wie beim r\u00e4umlichen Sehen in Kraft treten.\nUnd auf diese Weise entstehen, nach unserer Theorie, die sogenannten \u201eT\u00e4uschungen41 beim Zoellner\u2019sehen Muster, bei Loeb\u2019s Anordnung u. s. w. Man nenne immerhin diese Wahrnehmungen \u201eT\u00e4uschungen44, aber man t\u00e4usche sich nicht selber durch solch ein Wort. Nennt man diese Wahrnehmungen T\u00e4uschungen, so ist das K\u00f6rperlichsehen irgend einer Zeichnung, einer Photographie eine noch gr\u00f6fsere T\u00e4uschung. Ja, unser R\u00e4umlichsehen der wirklichen Welt, obwohl es der Wirklichkeit entspricht, ist dann, physiologisch und psychologisch genommen,","page":21},{"file":"p0022.txt","language":"de","ocr_de":"22\tWith. F\u00fcehm.\neine \u2014 allerdings sehr zweckm\u00e4fsige und erfreuliche \u2014 Generalt\u00e4uschung.\nDie an Fig. 2\u20144 gemachten Erfahrungen wolle der Leser durch folgendes Experiment \u2014 aber nicht blos in der Vorstellung sondern thats\u00e4chlich \u2014 vervollst\u00e4ndigen. Man nehme eine mindestens quartblattgrofse photographische Darstellung eines im Hintergr\u00fcnde liegenden Geb\u00e4udes, in welchem der Vorraum eben und unbesetzt ist, gepflastert oder mit Rasen bedeckt , oder noch besser: die Photographie eines mit Statuen geschm\u00fcckten Museumssaales, auf welcher ein gr\u00f6sserer Theil des Fufsbodens als frei dargestellt ist; jetzt ziehe man mit Bleistift zwei parallele Linien im Gebiete des Fufsbodens (event der ebenen Saaldecke) und zwar so, d&fs sie zu dem unteren Rande des Bildes (dieses rechteckig vorausgesetzt) im Winkel von etwa 45\u00b0 liegen (das Maximum der T\u00e4uschung bei Zoellner ist gegeben, wenn die Hauptlinien in 45\u00b0 liegen, \u2014 was. zu beachten ist): man sieht die im Gebiete des Fufsbodens liegenden Parallelen nach oben, \u2014 die etwa an der Decke gezogenen nach unten, beide also im Bilde nach hinten divergiren. Die Aufmerksamkeit m\u00f6ge noch so sehr vom Bilde abgelenkt und den Strichen (vorausgesetzt, dafs sie in der Farbe vom Untergr\u00fcnde nicht allzu sehr abweichen) zugewandt werden : die Striche divergiren. Niemand wird folgende Erkl\u00e4rung gerade als falsch bezeichnen: W\u00fcrden objectiv parallele Linien des Fufsbodens auf dem Bilde wiedergegeben sein, so m\u00fcfsten sie im Bilde nach oben (in der Wirklichkeit: hinten) convergiren. Da sie nun im Bilde parallel sind, m\u00fcssen sie Divergirendes darstellen \u2014 und so fassen wir es auf, obwohl wir ganz von der perspectivischen Betrachtung des Bildes uns zu emancipiren bestrebt sind und obwohl wir wissen, dafs jene Striche gar nicht zu dem Bilde geh\u00f6ren. Indefs ist diese Erkl\u00e4rung doch nur sehr mit Einschr\u00e4nkung richtig. Man nehme ein anderes Exemplar derselben photographischen Darstellung (oder entferne die schr\u00e4gen Striche) und ziehe in sonst gleicher Weise zwei ebenso lange Parallelen in gleichem gegenseitigen Abstande nur mit dem Unterschiede, dafs die Linien nicht einen Winkel von 45\u00b0, sondern einen solchen von 90\u00b0 mit dem unteren Rande der Photographie bilden (Notabene : bei 90\u00b0-Stellung der Hauptlinien des ZoEiiLNEa\u2019schen Musters ist die \u201eT\u00e4uschung\u201c bez\u00fcglich der Con- und Divergenz ein Minimum). Man wird erstaunt sein zu","page":22},{"file":"p0023.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrischoptischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc.\n23\nsehen, dafs in unserer Photographie diese Parallelen parallel erscheinen. Ja, man hat gar nicht einmal n\u00f6thig, das R\u00e4umlichsehen (in Bezug auf das Bild selber) zu unterdr\u00fccken. Wenn ich dann freiwillig diese beiden Linien als im Bilde dargestellte Objecte zu entr\u00e4thseln, zu deuten suche, \u2014 um mir zum Bewufstsein zu bringen, was in mir, bis hierher offenbar noch unbewufst, wirksam war, um jene \u201eT\u00e4uschung\u201c herbeizuf\u00fchren, dafs ich parallele Linien f\u00fcr parallel halten konnte, \u2014 so bemerke ich schliefslich, d. h. so wird mir jetzt erst \u201ebewufst\u201c, dafs ich im Bilde jene zwei Striche f\u00fcr aufrecht stehende St\u00e4be oder Aehnliches halten w\u00fcrde und nicht f\u00fcr in oder auf dem Fufsboden liegende Binge. Jetzt entdecke ich auch \u2014 wenn ich dieses Bild mit dem vorigen vergleiche (in welchem die Striche schr\u00e4g gezogen waren), dafs dort die Striche mir l\u00e4nger zu sein scheinen als hier: die ungeheure H\u00e4ufigkeit des Anblicks auf dem Fufsboden aufrecht stehender Gegenst\u00e4nde (B\u00e4ume, Aehren, Stangen, H\u00e4user, Menschen, Thiere u. s. w.) hat, ohne dafs es uns noch zum Bewufstsein kam, jene im Bilde senkrecht stehenden Parallelen als kurz und parallel wie sie wirklich sind \u201eerscheinen\u201c lassen. Und diese Dinge kehren,, wie wir sehen werden, im ZoELLNEit\u2019schen Muster u. s. w. wieder.1 \u2014\nEin allerdings mit dem ZoELLNEn\u2019schen Muster in keinem unmittelbaren Zusammenh\u00e4nge stehendes, aber, wie mir scheint, interessantes Beispiel f\u00fcr den Einflufs des halbgeweckten, sonst latenten im r\u00e4umlichen Sehen gewonnenen Erfahrungsschatzes\n1 Schon aus dieser kurzen Darstellung ergiebt sich, dafs nur die von A. W. Volkmann seiner Zeit ge\u00e4ufserte Auffassung mit der uneinigen wesentliche Ber\u00fchrungspunkte hat. Zwar hat Hbring trotz seiner physiologischen Theorie der ZoELLNBR\u2019schen T\u00e4uschung mehrfach erw\u00e4hnt, dafs er die \u201eLeitern\u201c zuweilen aus der Papier-Ebene hervortreten sehe und dies durch den Willen bef\u00f6rdern k\u00f6nne, aber er so wenig wie die meisten, welche die Deutbarkeit des Musters als etwas Plastischen bemerkten, haben von dort aus die Erkl\u00e4rung versucht. Dagegen sagt A. W. Volkmann: \u201eAlle Tiefenwahrnehmungen sind erworbene und nur hierdurch wird begreiflich, wie die objektive Lage einer Projectionsfl\u00e4che durch eine imagin\u00e4re verdr\u00e4ngbar ist\u201c, wo er die ZoBLLNER\u2019schen T\u00e4uschungen darauf bezieht, dafs die schiefwinkligen Kreuze auf eine \u201ecomplicirte Projectionsfl\u00e4che hinweisen\u201c. Man sieht, er bezieht die T\u00e4uschung auf eine gleichsam perspectivische Betrachtungsweise der Figur. Aber er giebt nicht die psychologische Ableitung dieser Betrachtungsweise und erkl\u00e4rt","page":23},{"file":"p0024.txt","language":"de","ocr_de":"24\nWith. F\u00fcehnc.\nauf die Art unserer Wahrnehmung geometrischer Formen, in denen perspectivische Motive enthalten sind, ist folgendes, das auch insofern beachtenswerth sein m\u00f6chte, als es einen Uebeiv gang zur Aestethik (im Sinne von Lipps) gestattet\nFlg. 6.\nDie Figuren 5 und 6 wurden verschiedenen Personen vorgelegt und diese \u00fcber den Eindruck befragt, den diese Zeichnungen auf sie machten. Bei Fig. 5 wurde von den meisten ein k\u00f6rperlicher Eindruck etwa wie von einem profilirten Quaderstein an einem aus Sandstein erbauten Hause und Aehnliches angegeben. Wo diese r\u00e4umliche Auffassung nicht spontan erfolgte, entstand sie doch sofort auf eine diesbez\u00fcgliche Anfrage meinerseits. Bei Fig. 6 ging es im Wesentlichen ebenso ; einige sahen hier ein krippenartiges Gebilde (also vertieft), andere (Mediciner) sprachen von Krystallen des Ammoniak-Magnesium-Phosphats. Wenn ich dann die Mitte beider Figuren mit dem Ende eines Federhalters zudeckte, so st\u00f6rte dies bei Fig. 6 den k\u00f6rperlichen Eindruck des Vertieften oder Erhabenen nicht, dagegen etwas aber nicht v\u00f6llig bei Fig. 5. \u2014 Hierauf forderte ich die Versuchspersonen auf, sich vorzustellen, dafs Jemand runde Etiquetten auf die Spitze jenes Quadersteines und auf die Mitte der Krystall-kante in Fig. 6 geklebt habe. Das gelang ihnen.\nAls ich den Versuchspersonen dagegen das Resultat dieser Etiquettirung in Fig. 7 und 8 vorlegte, die sie eben so wie\nnicht, wieso trotz Gelingens der fl\u00e4chenhaften Auffassung der Figur dennoch die T\u00e4uschung sich aufdr\u00e4ngt.\nZoellner selber war, unter Anerkennung der VolkmaNischen Erw\u00e4gungen, sp\u00e4ter geneigt anzunehmen, dafs in seinem Muster die schr\u00e4gen H\u00fclfslinien dunkle Vorstellungen von Projectionsfl\u00e4chen hervorrufen, welche gerade die Neigungen der langen Hauptlinien nach sich ziehen.\nFig. 7.\nFig. 5.","page":24},{"file":"p0025.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc.\n25\n5 und 6 k\u00f6rperlich sehen sollten, so konnten sie dies nicht; sie erkl\u00e4rten diese Gebilde f\u00fcr flach; einer sagte: \u201eder dunkle Kreis dr\u00fcckt die Figuren zusammen\u201c. Man sieht, diese Person sprach im Sinne der Lipps\u2019schen Aestethik von Th\u00e4tigkeiten, Handlungen und Bestrebungen der Figuren. Viele waren sich \u2014 wenigstens im Anf\u00e4nge \u2014 dessen nicht bewufst, was sie am K\u00f6rperlichsehen hinderte; andere kamen sofort darauf: \u201edas ist ja ein Brief\u201c \u2014 und nun war die flache Form nat\u00fcrlich nur schwer zu beseitigen. Eine Person sagte, \u00e4hnlich wie die vorher erw\u00e4hnte: \u201edas Siegel plattet jetzt das Ding ab, ich kann es nicht mehr hoch bekommen\u201c.\nBei denjenigen nun, denen der Gedanke nicht kam, dafs es ein \u201eBrief\u201c sei, der hier abgebildet ist, und die dennoch die Ge-b\u00fcde f\u00fcr abgeplattet im Gegens\u00e4tze zu Fig. 5 und 6 erkl\u00e4rten, war also das Erinnerungsbild des in so vielen Exemplaren gesehenen Dinges \u201eBrief\u201c noch nicht bis ins Bewufstsein aufgetaucht, aber trotzdem reichte der Einflufs des halbgeweckten Erfahrungsschatzes aus, um die Gebilde abzuplatten. \u2014\nMit mehr Reserve m\u00f6chte ich folgende F\u00e4lle als unter dem Einfl\u00fcsse halbgeweckter Erfahrung stehend bezeichnen.\nFig. 9.\tFig. 10.\nIn Fig. 9 und 10 ist eine bekannte \u201eT\u00e4uschung\u201c zu finden. In Fig. 9 scheint die (quere) Hauptlinie l\u00e4nger zu sein als in Fig. 10, obwohl beide gleichlang sind. Durch das Ansetzen der (schr\u00e4gen) H\u00fclfslinien sind beiden Figuren \u201eperspectivisohe Motive\u201c (im besprochenen Sinne) gegeben, welche Erinnerungsbilder bis nahe zur Schwelle des Bewufstseins f\u00fchren m\u00fcssen.\nFig. 1h\nFig. 12.","page":25},{"file":"p0026.txt","language":"de","ocr_de":"26\tWilh. Filthne.\nAls denkbar einfachste Wirklichkeitsformen, von denen die Erinnerungsbilder gewonnen sein k\u00f6nnen, stellen sich K\u00f6rper dar von der Form, wie sie linearperspectivisch in den Fig. 11 und 12 (letztere eine Wiederholung von Fig. 6) vorgef\u00fchrt sind. Sollte nun nicht in Fig. 10 die halbgeweckte Vorstellung von einem sich lang von rechts nach links erstreckenden Dinge (Fig. 12) und bei Fig. 9 die Erinnerung an ein von rechts nach links ver-h\u00e4ltnifsm\u00e4fsig wenig ausgedehntes Ding (Fig. 11) jene T\u00e4uschung hervorrufen ? Erscheint doch auch eine Dame in langer Schleppe gr\u00f6fser als ohne diese.\nDie perspektivischen Motive.\nDas \u201eperspectivisehe Motiv44 ist das untheilbar Letzte, was zu einer k\u00f6rperlichen, r\u00e4umlichen Auffassung des zugeh\u00f6rigen Bildes Anlafs giebt. Nimmt man hier nur noch eine Linie, einen Winkel fort, so h\u00f6rt jede r\u00e4umliche Auffassung auf und der Rest wirkt nur \u201eplanimetrisch44 oder arabeskenhaft u. s. w.\nWeder eine systematische Er\u00f6rterung noch eine casuistische Aufz\u00e4hlung der perspectivischen Motive w\u00e4re hier am Platze. Indefs gen\u00fcgt es doch selbst f\u00fcr unseren Zweck nicht, dafs wir bisher nur ein einziges derartiges Motiv, n\u00e4mlich drei in einem Punkte zusammenstofsende Linien kennen gelernt haben. Um kurz zu sein erw\u00e4hne ich, dafs die Figur eines Nebenwinkelpaares, vorausgesetzt, dafs es ein schiefwinkliges Paar ist und nicht jeder ein Rechter, auch schon ein selbst\u00e4ndiges, per-spectivisches Motiv ist. Daher wird man finden, dafs zwei gleich grofse spitze oder stumpfe Winkel nicht mehr gleich erscheinen, wenn man bei dem einen den zugeh\u00f6rigen Nebenwinkel anf\u00fcgt, d. h. den einen Schenkel \u00fcber den Scheitel verl\u00e4ngert; und zwar erscheint der einsam gebliebene spitze Winkel etwas kleiner als der gepaarte Spitze, und der einsam gebliebene stumpfe Winkel etwas gr\u00f6fser als der gepaarte Stumpfe. Zwei Nebenwinkel, die Rechte sind, wirken als perspectivisches Motiv nur in Vereinigung mit anderen Motiven. Dafs eine einzelne gerade Linie kein perspectivisches Element oder Motiv darstellt, versteht sich von selbst; ebenso ist ein einzelner Winkel, gleichviel von welcher Gr\u00f6fse, kein perspectivisches Element, ebenso wenig also auch zwei Linien die sich nicht schneiden \u2014 zwei Parallele. Auch eine krumme Linie, gleichviel ob offen oder geschlossen (z. B. Kreis, Ellipse) giebt keinen","page":26},{"file":"p0027.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc.\n27\nAnlafs zum r\u00e4umlichen Sehen. Dagegen sind stets drei in einem gemeinsamen System befindliche Linien, welche nicht Gerade zu sein brauchen, resp. zwei zu einem S3rstem vereinte Winkel ausreichend. Der Fall dreier Parallelen resp. sich nicht schneidenden geraden Linien tritt, wie wir sehen werden, bei der LoB\u00df\u2019schen T\u00e4uschung ein.\nUm nun zu demonstriren, dafs ein bestimmtes System von Linien u. s. w. ein perspectivisches Motiv in unserem Sinne ist, braucht man nur so zu verfahren, wie wir es S. 25\u201426 in Bezug auf Fig. 9 und 10 thaten : man f\u00fcgt ohne in das System \u00e4ndernd einzugreifen m\u00f6glichst einfache andere perspectivische Motive an und \u00fcberzeugt sich, ob das in Frage stehende System von Linien u. s. w. innerhalb des so hergestellten \u201eBildes\u201c f\u00fcr sich allein perspectivisch wirkt. Und so wollen auch wir f\u00fcr einige sog. \u201eT\u00e4uschungen\u201c Vorgehen, um zu zeigen, dafs sie alle mit dem normalen r\u00e4umlichen Sehen in der angef\u00fchrten Weise in einfachstem und nat\u00fcrlichem Zusammenh\u00e4nge stehen. Bevor dies jedoch geschieht, wollen wir uns genauer klar machen, welche objectiv parallelen Linien einer fig\u00fcrlichen Zeichnung resp. Photographie u. s. w. von uns als parallel ausgedeutet werden und welche nicht; denn Parallele, die in einer Photographie oder fig\u00fcrlichen Zeichnung nicht als parallel gesehen werden k\u00f6nnen, k\u00f6nnen auch in einer wenn auch unfig\u00fcrlichen, aber mit perspectivischen Motiven versehenen Zeichnung bei Einmischen von Erinnerungsbildern unm\u00f6glich als parallel gesehen werden (und um parallel oder nicht-parallel dreht sich zum grofsen Theil die Frage des ZoELLNEB schen Musters).\nDie parallelen Linien der Bilder.\nFig. 13 (folg. S.) giebt eine absichtlich simpel gehaltene Landschaft Die Linien, auf die es ankommt, sind dunkel markirt. Die Strafse begleitend zieht ein Telegraphendraht. Ein Baumstamm liegt quer auf der Strafse, also fast senkrecht zur Richtung der Strafse, und also auch (fast) senkrecht zur Richtung des Telegraphendrahts (wenn auch in einer anderen Ebene des Raums). Und doch \u2014 man messe es nach \u2014 sind die beiden Linien, welche einerseits den Telegraphendraht und andererseits den Baumstamm-Contour (oben) darstellen \u2014 genau parallel!!","page":27},{"file":"p0028.txt","language":"de","ocr_de":"28\nWilh. Filehne.\nFig. 13.\nWie kann man nun erwarten, dafs in einer nicht-fig\u00fcrlichen Zeichnung (\u00e0 la Zoellner\u2019s Muster), vorausgesetzt dafs in ihr die in Fig. 13 vorhandenen perspectivischen Motive benutzt und an gleichen Bildstellen wie hier angebracht sind, \u2014 wie, frage ich, kann man da erwarten, dafs diese beiden thats\u00e4chlich parallelen Linien dort als parallel gesehen werden, w\u00e4hrend sie hier (Fig. 13) unter dem Einfl\u00fcsse eben derselben perspectivischen Motive als fast senkrecht zueinander gerichtet erscheinen ? \u00ce Die perspectivischen Motive wirken \u2014 wie wir sahen und wie man nicht vergessen m\u00f6ge \u2014 auch dann, wenn es zu einem be-wufsten r\u00e4umlichen Sehen nicht kommt. Uebrigens habe ich und viele Andere beim Anblick aller jener \u201eT\u00e4uschungsmuster\u201c ein sehr ausgesprochenes r\u00e4umliches Sehen. Aber, wie bemerkt, es bed\u00fcrfte dessen nicht und das Gesagte gilt auch f\u00fcr Diejenigen, die diese Muster ganz fl\u00e4chenhaft sehen.\nDie Kategorien derjenigen auf der Zeichnung parallel gezogenen Linien, welche auch als parallel gesehen, d. h. gedeutet werden, sind verh\u00e4ltnifsm\u00e4fsig wenig zahlreich. Es sind (mit einigen in der Fufsnote zu erledigenden Einschr\u00e4nkungen) folgende: Alle in der Wirklichkeit auf dem Fufsboden senkrecht stehenden Linien z. B. der H\u00e4user, der Menschen, B\u00e4ume, \u2022Stangen u. s. w.1 Ferner die horizontalen Linien solcher Dinge, welche perspectivisch unverk\u00fcrzt parallel zum unteren oder oberen Bildrande (das Bild rechteckig gedacht) gezeichnet werden In\u00fcssen, d. h. welche im Raume beliebigen Ebenen angeh\u00f6ren, die der Frontalebene des dargestellten Raumes parallel sind. Daher sind in unserer Fig. 13 die Ackerfurchen1 und die Strich-\n1 Streng genommen m\u00fcfste ein Bild nur von einem bestimmten Punkte aus (etwa durch ein Loch in einem vor das Bild gestellten Schirme)","page":28},{"file":"p0029.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc. 29\nw\u00f6lken des Himmels am Horizonttheile des Hintergrunds parallel und werden parallel gedeutet Auch horizontale Linien en face stehender H\u00e4user (Fenster, D\u00e4cher u.s. w.) u. s. w. w\u00fcrden hierher gezogen werden k\u00f6nnen; sie geh\u00f6ren aber eigentlich in eine andere Kategorie, n\u00e4mlich in die, welche in unserer Figur durch die beiden Dr\u00e4hte repr\u00e4sentirt ist, die die vorderste Telegraphenstange fixiren. Es sind dies alle irgendwie \u2014 also auch senkrecht oder horizontal \u2014 verlaufenden, zueinander parallelen Linienpaare, welche im Raume in derselben zur Frontalebene parallelen (verticalen) Ebene liegen. Auch diese sind also parallel zu zeichnen und werden dann parallel gesehen, gedeutet\nbetrachtet (und gezeichnet) werden. Wird dieses Bild \u2014 wie es doch f\u00fcr gew\u00f6hnlich geschieht \u2014 nicht auf eine gekr\u00fcmmte, sondern auf eine ebene Fl\u00e4che gezeichnet, so m\u00fcfsten nur die in der Mittellinie der Zeichnung zum Fufsboden senkrecht stehenden Dinge auch lothrecht zum unteren Bildrande gezeichnet werden; je weiter nach aufsen die betreffende als vertical darzustellende Linie liegt, um so mehr m\u00fcfste sie mit ihrem obern Ende nach aufsen (also auf der rechten Seite des Bildes nach rechts, auf der linken nach links) \u00fcberh\u00e4ngend (und l\u00e4nger) gezeichnet werden. Nur so erscheint sie f\u00fcr das Auge vertical (und in geringerer H\u00f6he). Man zeichne \u2014 in der beschriebenen Weise durch ein Loch blickend \u2014 auf einer langen horizontalen Linie anscheinend gleich hohe Senkrechte und wird die Richtigkeit dieser scheinbaren Monstrosit\u00e4t best\u00e4tigt finden. \u2014 Unter den gleichen Bedingungen m\u00fcfsten \u2014 mit R\u00fccksicht auf das scheinbare allseitige Aufsteigen der Horizontebene in die Ferne \u2014 von Rechts wegen auch alle im Fufsboden liegenden frontal verlaufenden Linien der Wirklichkeit nicht als Gerade, sondern als schwach gekr\u00fcmmt, mit der Concavit\u00e4t nach oben, gezeichnet werden, wodurch die Winkel, wrelche die r\u00e4umlich verticalen Linien (die auf den Seitentheilen des Bildes, wie wir sahen, ohnedies dem Beschauer stumpfe Winkel zukehren) mit der die Horizontale repr\u00e4sentirenden krummen Linie bilden, nur in der Mittellinie Rechte, nach den Seiten hin um so stumpfer werden m\u00fcfsten. Bei kleineren Zeichnungen reduciren sich diese Differenzen ohne Weiteres auf Null. Aber auch auf gr\u00f6fseren Gem\u00e4lden ist allgemein auf diese Dinge keine R\u00fccksicht genommen; denn dem Beschauer ist im Allgemeinen f\u00fcr seine Aufstellung bei Betrachtung von Bildern r\u00e4umliche Freiheit gelassen. Ja, man will sogar beim Vorbeigehen das Kunstwerk geniefsen k\u00f6nnen. Doch aber glaube ich mich nicht geirrt zu haben, wenn es mir erschienen ist, als ob auf Wbreschtschagin\u2019s Bilde \u201eder Kreml\u201c diese Dinge maafsvoll ber\u00fccksichtigt seien. Es ist dies ein Bild, das wegen seiner grofsen Horizontalausdehnung zu Beachtung dieser Frage um so mehr Veranlassung geben konnte, als die Feinheit und Kleinheit vieler Details den Beschauer hindert, weit vom Bilde zur\u00fcckzutreten, Den vollen Genuss des Gem\u00e4ldes hat man nur, wenn man vor der Mitte und nicht sehr entfernt steht.","page":29},{"file":"p0030.txt","language":"de","ocr_de":"30\nWilk. Fileline.\nDagegen k\u00f6nnen die meisten auf einem Bilde parallel gezogenen Linien perspectivisch nicht als parallel gesehen werden (vergl. in der Figur Baumstamm und Telegraphendraht), und die meisten der perspectivisch parallel gesehenen Linienpaare sind auf dem Bilde con- resp. divergirend gegeben.\nDaher k\u00f6nnen in unfig\u00fcrlichen Zeichnungen, sobald sie wie Zoellner\u2019s Muster perspectivische Motive enthalten, nur diejenigen in der Figur parallel gezogenen Linien als parallel gesehen werden, welche wie die soeben discutirten liegen und in Bezug auf ihre Lage durch die perspectivistischen Motive so wie besprochen bestimmt sind.\nDie in dem Bilde auf derselben Geraden liegenden und nicht zusammengeh\u00f6rigen Dinge und die \u201eNonius-artige\nVerschiebung\u201c bei Zoellner.\nAn dem Zoellner\u2019sehen Muster (s. Fig. A S. 18), nicht aber in der ihm von Hering gegebenen Gestalt (s. Fig. B ebenda) ist von jeher auf gef allen, dafs die unteren St\u00fccke der Querstriche zu den oberen nicht zu passen scheinen, \u2014 sie sind noniusartig gegen jene verschoben. Seitdem ich mich gew\u00f6hnt habe das Muster ganz k\u00f6rperlich, und nur \u2014 je nachdem \u2014 aufrechtstehende oder umliegende, im Raume schief gegen einander schwebende Z\u00e4une u. s. w. zu sehen, bemerke ich f\u00fcr gew\u00f6hnlich diese Verschiebung nicht. Aber auch fr\u00fcher, bevor ich dem Antriebe zum r\u00e4umlichen Sehen nachgab, fiel es mir auf, dafs dieser Trug wechselte: pl\u00f6tzlich war er da und ebenso pl\u00f6tzlich verschwand er wieder f\u00fcr einige Zeit. Das Unbewufste im Sehen der perspectivischen Motive wechselt offenbar und ist jedenfalls auch individuell verschieden, wie aus Folgendem sich ergiebt. Funke sagte in seinem Lehrbuche der Physiologie (1866) : \u201ehat man das Papier um 4fr\u00b0 gedreht, so fehlt die nonius-\u201eartige Verschiebung g\u00e4nzlich an den Querstrichen, \u201ewelche nun senkrecht stehen, ist dagegen am gr\u00f6fsten \u201ean denen, welche wagerecht liegen. (Hering giebt irr-\u201eth\u00fcmlich an, dafs im letzteren Falle die Verschiebung \u201ealler Querstriche am kleinsten, bei senkrechten oder \u2022 \u201ewagrechten L\u00e4ngsstrichen am gr\u00f6fsten ausfalle.)\u201c","page":30},{"file":"p0031.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc.\n31\nDarauf ist zu erwidern, dafs ein so ausgezeichneter Beobachter wie Hering sich doch wohl nicht geirrt haben wird. Hering hat die Verschiebung also bei 45\u00ae Neigung der L\u00e4ngslinien auch an den horizontalen Querstrichen am schw\u00e4chsten gesehen und Funke hat sie bei derselben Lage am st\u00e4rksten gesehen. Nun ist zweifellos Hering\u2019s Sehorgan im plastischen Sehen ganz besonders ge\u00fcbt gewesen, und wohl auch von Natur hierzu hervorragend veranlagt, wie Jeder weifs, der Hering\u2019s Arbeiten aus jener Zeit (Anfang der sechziger Jahre) kennt Offenbar hat Hering, wie auch ich es mufs, bei der 45\u00b0 Neigung dem Antriebe plastisch zu sehen unbewufst nachgegeben: dann verschwindet die Verschiebung. Auch ich gewinne wie Hering die Verschiebung leicht nur bei L\u00e4ngs- oder Querlage der Hauptlinien, dagegen so gut wie nie bei 45\u00b0 Neigung, w\u00e4hrend Funke offenbar das Muster stets fl\u00e4chenhaft sah.\nDiese \u201eVerschiebung\u201c giebt Veranlassung nachzusehen, wie im Netzhautbilde oder bei perspectivischer Betrachtung einer Zeichnung solche dargestellte Dinge wirken, deren Konturen auf dem Bilde nur zuf\u00e4llig in derselben geraden Linie liegen, w\u00e4hrend die Dinge selber mit einander nichts zu thun haben, d. h. das eine nicht etwa die Verl\u00e4ngerung des anderen bildet u. s. w.\nFig. 14 zeigt das Gew\u00fcnschte. Ein Kasten, dessen W\u00e4nde von Glas sind, hat hinten zwei ohrf\u00f6rmige Handhaben, von denen die f\u00fcr den Beschauer nach rechts gelegene uns nachher besonders interessiren wird* Im Boden des Kastens und im Deckel sind zwei L\u00f6cher, durch welche ein stabf\u00f6rmiges Instrument so geschoben ist, dafs seine beiden Enden oben und unten nach aufsen","page":31},{"file":"p0032.txt","language":"de","ocr_de":"32\nmih. Filehnt.\nragen; der Stab geht also von unten, hinten und (f\u00fcr den Beschauer) links nach oben, vom und etwas nach rechts. Wer nun seine Blicke auf diesen Stab \u00fcberhaupt und dann besonders auf den unteren Griff des Stabes, soweit er unter dem Boden des Kastens sichtbar ist, gelenkt hat und dann auf die oben erw\u00e4hnte ohrf\u00f6rmige Handhabe (f. d. Besch, rechts) und von dieser wieder auf den Griff schaut, wird sofort merken, dafs er mit dem B\u00fccke abweiche, d. h. dafs Stabgriff und jene Handhabe dahinten nicht zu einander passen und diese im Raume d. h. also in der Wahrnehmung nicht die Verl\u00e4ngerung jenes darstellt: \u2014 und doch liegen Stabgriff und Handhabe im Bilde auf einer und derselben Geraden, aber sie sind f\u00fcrs Sehen gegeneinander verschoben, weil sie eben nicht zu einander geh\u00f6ren, \u2014 weil sie in ganz verschiedenen Ebenen des Raumes hegen.\nWir erkennen aus diesem Beispiele soviel: der zuf\u00e4\u00fcige Umstand, dafs die bildlichen Projectionen zweier Dinge im (Netz-haut-)Bilde auf einer geraden Linie zu hegen kommen, giebt dem Bewufstsein keinen Anlafs diese Geradlinigkeit zu bemerken; \u2014 im Gegentheil, sie wird im Interesse der r\u00e4umlichen Auffassung systematisch durchaus vernachl\u00e4ssigt, unterdr\u00fcckt.\nUnmittelbarere, sch\u00e4rfere Aufkl\u00e4rung \u00fcber den Mechanis-mus der noniusartigen Verschiebung (bei Zoellneh) giebt uns das Studium der bekannten Fig. 15, dieses klassischen R\u00fcstzeuges aller Commentatoren unseres Problems. Obwohl die beiden schr\u00e4gen H\u00fclfsstriche thats\u00e4chhch in einer geraden Linie hegen, also einer die Verl\u00e4ngerung des anderen bildet, erscheint doch der obere wesentlich nach oben, resp. der untere nach unten, verr\u00fcckt \u2014 noniusartig verschoben. Warum ? Ich \u00fcbergehe die bisher gegebenen Erkl\u00e4rungen ohne Fig*\terst den Versuch zu machen sie\nzu widerlegen. Entweder macht sich der Leser meine hier","page":32},{"file":"p0033.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nach Wirkungen etc. 3\u00e0\nfolgende Auffassung zu eigen \u2014 und dann sind jene f\u00fcr ihn ohne Weiteres widerlegt, \u2014 oder es m\u00f6gen jene f\u00fcr ihn G\u00fcltigkeit behalten. Er weifs jetzt nat\u00fcrlich im Voraus, wie ich Vorgehen werde. Ich werde ausf\u00fchren m\u00fcssen:\n1.\tIn Fig. 15 ist Veranlassung zu (unbewufst) perspective schem Sehen gegeben.\n2.\tEs liegt kein perspektivisches Motiv vor, wegen dessen nicht hier (in Fig. 15) ebenso wie in Fig. 14 f\u00fcr die Wahrnehmung der Umstand unterdr\u00fcckt werden sollte,, dafs die beiden schr\u00e4gen H\u00fclfslinien in ein und derselben Geraden liegen. Mit anderen Worten:\n3.\tDie beiden schr\u00e4gen Striche geh\u00f6ren perspecti^isch nicht zu einander, sie stellen Dinge dar, welche in verschiedenen Ebenen liegen. Oder mit noch anderen Worten:\n\u2022 \u00ab\n4.\tDie beiden schr\u00e4gen Striche bilden mit dem senkrechten Mittelst\u00fcck nicht ein gemeinsames, sondern zwei getrennte, von einander unabh\u00e4ngige perspec-tivische Motive.\n5.\tAlles unter 1 \u2014 4 gesagte mufs sich aus unserer r\u00e4umlichen Erfahrung \u00fcberzeugend und anschaulich ableiten lassen.\nBevor wir aber diese Darlegung durchf\u00fchren, seien einige einfache F\u00e4lle bezeichnet, in denen jene \u201eT\u00e4uschung\u201c nicht (oder stark verringert) eintritt. Die Figuren 16 \u201419 zeigen diese\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XYIL\n3","page":33},{"file":"p0034.txt","language":"de","ocr_de":"W\u00fch, F\u00eekkm.\nFig. 18.\nF\u00e4lle. In Fig. 16 mufs die \u201eT\u00e4uschung\u201c ausbleiben, da die beiden schr\u00e4gen Striche wegen der D\u00fcnnheit der Hauptlinie augenscheinlich in einander \u00fcbergehen. Deshalb fehlt auch in der analog gezeichneten HERiNo\u2019schen Modification des Zoellneb-schen Musters (s. Fig. B. S. 18) die nomusartige Verschiebung der Querstriche, man mag die Figur drehen wie man wolle. Daher k\u00f6nnen die in Fig. 16 vertretenen perspectivischen Motive \u2014 wie weiter oben dargelegt wurde \u2014 nichts anderes bewirken, als dafs die spitzen Winkel sowohl als die stumpfen dem Aus-sehen rechter Winkel sich n\u00e4hern. Fig. 17 erlaubt trotz der Dicke (Breite) des Mittelst\u00fccks die Continuit\u00e4t der beiden schr\u00e4gen Striche zu constatiren: es fehlt die \u201eT\u00e4uschung\u201c. In Fig. 18 ist die Continuit\u00e4t zwar nicht unmittelbar zu verfolgen, aber ein bestimmtes perspectivisches Motiv zwingt zur Voraussetzung dieser Continuit\u00e4t, und obwohl die Breite der Unterbrechung eben so grofs ist wie in Fig. 15, so fehlt doch in Fig. 18 auch bei planimetrischer Betrachtung die T\u00e4uschung (ganz oder fast ganz). Das Gleiche gilt f\u00fcr Fig. 19, wo das perspectivische Motiv, welches, wenigstens bei perspectivischer Auffassung, das Entstehen der T\u00e4uschung verhindert, ein noch einfacheres ist, als in Fig. 18.","page":34},{"file":"p0035.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc. -}5\nFig. 20 \u00fcbernimmt v\u00f6llig unver\u00e4ndert das Material 4er ? Fig. 15 (vergl. diese !) \u2014 Aber an die \u00e4ufseren Enden\nFig. 20.\n4er Schr\u00e4gstriche sind perspectivische Motive angebracht, welche 4iese Schr\u00e4gstriche aus dem Motivsysteme, zu dem sie in Fig. 15 mit dem Mittelst\u00fccke organisch verbunden waren, ausl\u00f6sen und in ein neues Motiv einzw\u00e4ngen. Eine M\u00f6glichkeit beiden Systemen zu dienen ist durch die Art und Gewalt der neuange-f\u00fcgten Factoren ausgeschlossen: sofort ist die T\u00e4uschung so gut wie verschwunden (auf Augenblicke ganz verschwindend).\nWie in Fig. 20 die Schr\u00e4gstriche durch Anf\u00fcgung neuer Motive vom Mittelst\u00fcck unabh\u00e4ngig gemacht wurden, so zeigt Fig. 21 das Material der t\u00e4uschenden Fig. 15 mit der Ab\u00e4nderung, 4afs hier die beiden das Mittelst\u00fcck bildenden Verticalen durch Einf\u00fcgung einer einzigen Schr\u00e4glinie ein wirksames perspectivi-\u00abches Motiv erhalten und hierdurch von den beiden urspr\u00fcnglichen Schr\u00e4gstrichen unabh\u00e4ngig werden : sofort ist die T\u00e4uschung,\nund hier v\u00f6llig, verschwunden \u2014 auch bei rein-planimetrischer\n3*","page":35},{"file":"p0036.txt","language":"de","ocr_de":"36\tWilh. Fitehnc.\nBetrachtungsweise. Wenn in der Fig. 19 und 20 die T\u00e4uschung\nminder v\u00f6llig beseitigt worden ist, so d\u00fcrfte das daran liegen, dafs hier in Fig. 21 das modificirende Motiv in gr\u00f6fse-rer N\u00e4he wirkt.\nAus dem in Fig. 18\u201421 vorgef\u00fchrten leite ich schon jetzt die Berechtigung zu folgender Bemerkung ab:\nW\u00e4re in Fig. 15 die Verschiebung des oberen Schr\u00e4gstriches nach oben und des unteren nach unten auf ein allgemein g\u00fcltiges psychologisches Gesetz oder gar auf einen physiologischen Grund, z. B-auf den Bau des Auges zur\u00fcckzuf\u00fchren, so m\u00fcfste sie auch in den planimetrisch Fig. 21.\tbetrachteten Zeichnungen 18, 19 und 21T\nsie m\u00fcfste auch in der perspectivisch betrachteten Fig. 20 und sie m\u00fcfste sogar der r\u00e4umlichen Wirk lichkeit gegen\u00fcber stets in die Erscheinung treten. Da letzteres aber bekanntlich, und ersteres, wie uns die Fig. 18\u201421 gelehrt haben, nicht der Fall ist, so m\u00fcssen die bisherigen Erkl\u00e4rungen irrig sein. Denn sie alle gehen yon der Meinung aus, dafs die Verschiebung allgemein g\u00fcltig, ein unserem Sehen unver\u00e4ufserlich anhaftender Fehler sei. \u2014\nEs ist mm wohl nicht n\u00f6thig zur Erkl\u00e4rung der Aufw\u00e4rtsverschiebung des oberen Schr\u00e4gstriches gegen den unteren (und vice versa) in Fig. 15 das oben in den S\u00e4tzen 1. bis 5. ausge^ sprochene Programm ganz innezuhalten. Dass in Fig. 15 in den zwei Nebenwinkelpaaren und dem durch zwei Linien begrenzten Mittelst\u00fccke mehr als nur ein perspectivisches Motiv gegeben ist, geht aus dem fr\u00fcher Entwickelten hervor. Ich werde mich begn\u00fcgen d\u00fcrfen aus den allerallt\u00e4glichsten uns umgebenden Raumformen ein besonders einfach gestaltetes Beispiel herauszugreifen, um an ihm zu zeigen, dafs f\u00fcr die menschliche Auffassung in Fig. 15 jeder der beiden Schr\u00e4gstriche mit dem Mittelst\u00fccke ein besonderes, d. h. mit dem vom anderen Schr\u00e4gstriche gelieferten, nicht unmittelbar zusammenh\u00e4ngendes* perspectivisches Motiv b\u00fcdet, das demnach auch ohne unmitteL bare Beziehung zum anderen aufgefafst wird, und ich werde zeigen, dafs in der r\u00e4umlichen Wirklichkeit das durch den","page":36},{"file":"p0037.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc. 37\nunteren Schr\u00e4gstrich Dargestellte thats\u00e4chlich tiefer liegt als das von dem oberen Schr\u00e4gstriche Dargestellte, \u2014 obwohl doch in der Zeichnung der eine die lineare Verl\u00e4ngerung des anderen bildet.\nIst dann erst einmal gezeigt, dafs die \u201enoniusartige Verschiebung\u201c der beiden Schr\u00e4gstriche in Fig. 15 (unteres St\u00fcck nach unten, oberes St\u00fcck nach oben) unserem r\u00e4umlichen Sehen tind zugleich der r\u00e4umlichen \"Wirklichkeit entspricht, so ist die \u201eErkl\u00e4rung\u201c der T\u00e4uschung gewonnen. Was als im Raume\nPig. 22.","page":37},{"file":"p0038.txt","language":"de","ocr_de":"38\nWilh. Filehne.\nthats\u00e4ehlieh tiefer resp. h\u00f6her gelegen durch das perspectivische Sehen erkannt ist, wird in Folge mechanisirter Erfahrung auch in der Zeichnung so gesehen, wenn sie das charakteristische per* spectivische Motiv hierf\u00fcr bietet, denn unser Alltagssehen ist r\u00e4umliches, nicht planimetrisches Sehen.\nIn Fig. 22 stellen die dunkleren (dickeren) Linien eine Wiederholung der Fig. 15 dar. Die dicke Linie \u00fcber der Inschrift \u201enach Berlin44 und die dicke Linie unter den Worten \u201enach Breslau^ sind planimetrisch auf derselben Geraden gelegen, \u2014 die eine, ist die Verl\u00e4ngerung der anderen. Trotzdem sehen wir hiervon nichts bei r\u00e4umlicher Betrachtung. Die Berliner Linie erscheint hoch \u00fcber der Breslauer. Das ist es, was man sieht Wie man nun auch derartige perspectivische Zeichnungen variiren mag, stets wird in der resultirenden r\u00e4umlichen Wirklichkeits-Darstellung 1) jeder der beiden Schr\u00e4gstriche mit dem Mittelst\u00fccke eine von der anderen gesonderte K\u00f6rperform darstellen (zwei verschiedene Ecken u. s. w.) und 2) der untere Schr\u00e4gstrich ein im Raume tiefer liegendes Gebilde darstellen als der andere Schr\u00e4gstrich. Nur wenn man nach Art der Fig. 18, 19, 20 und 21 besondere Motive einf\u00fchrt, \u00e4ndert sich dies, \u2014 dann aber f\u00e4llt auch die T\u00e4uschung fort Diese T\u00e4uschung ist also aus unserem r\u00e4umlichen Sehen stammende Erfahrung, die sich beim planimetrischen Sehen, f\u00fcr das wir im Vergleiche zur H\u00e4ufigkeit des r\u00e4umlichen Sehens nur eine verschwindende Uebung haben, T\u00e4uschung erzeugend eindringlich oder aufdringlich reproducirt Abgesehen n\u00e4mlich von den doch kaum in Betracht kommenden mathematischen Figuren der Planimetrie und Trigonometrie ist es eigentlich nur die \u201eSchrift\u201c \u2014 geschriebene und gedruckte \u2014 wo wir ge\u00fcbt sind, in der Ebene liegende Linienz\u00fcge als in der Ebene bleibend zu sehen und uns dabei von jeder perspectivischen Anwandlung frei zu halten. Ich erinnere daran, dafs die geringf\u00fcgigsten an den Lettern des Drucks angebrachten perspectivischen Motive (wie man sie in manchen Zeitungsreklamen findet) das Lesen ungemein hindert Nennen wir noch fl\u00e4chenhaft gezeichnete Arabesken und Ornamente und \u2014 soweit sie keine perspectivischen Motive enthalten \u2014 die zuf\u00e4lligen linearen Figuren, wie sie sich auf den in der Raumwelt vorhandenen Oberfl\u00e4chen vorfinden, so ist das im Vergleiche zu unserem best\u00e4ndigen r\u00e4umlichen Sehen doch sehr sp\u00e4rliche Material der ' Uebung unseres planimetrischen Sehens im Wesentlichen ersch\u00f6pft","page":38},{"file":"p0039.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen \u00abfo Nachwirkungen etc.\n39\nDas angebliche Zagrofssehen spitzer and Zukleinsehen\nstumpfer Winkel.\nDie Entstehung der im Vorhergehenden besprochenen T&uschungen wurde fr\u00fcher allgemein darauf zur\u00fcckgef\u00fchrt, dass wir \u2014 angeblich \u2014 alle spitzen Winkel zu grofs und alle stumpfen Winkel zu klein auffassen. Die Erkl\u00e4rung dieser angeblichen Thatsache wurde theils psychologisch, theils physiologisch versucht\nIn neuester Zeit ist diese angebliche Thatsache wiederholt, z. B. auch durch Lipps bestritten worden.\nIn unseren vorangehenden Ausf\u00fchrungen ist gezeigt worden, dafs und wie Winkel durch Hinzutreten perspectivischer Motive f\u00fcr unsere Auffassung ver\u00e4ndert werden.1 Hieraus w\u00fcrde jedoch noch nicht hervorgehen, dafs wir den nackten Winkel richtig sehen.\nAber es ist ja gar nicht m\u00f6glich, dafs wir jeden spitzen Winkel zu grofs und jeden stumpfen zu klein sehen. Wenn wir einen von 0\u00b0 bis zu 180\u00b0 allm\u00e4hlich wachsenden Winkel vor uns haben, \u2014 wann soll denn da das Zugrosssehen des spitzen Winkels anfangen und enden, wann das entgegengesetzte beim Stumpfen ? !\nEs kann also nicht sein und es ist auch nicht so. Obschon es einer experimentellen Pr\u00fcfung hier nicht bed\u00fcrfte und das, was von Lipps u. A. beigebracht worden ist, mir gen\u00fcgen k\u00f6nnte, habe ich doch eine gr\u00f6fsere Versuchsreihe hier\u00fcber angestellt. Nat\u00fcrlich ist auch diese an sich anfechtbar; sie soll aber doch kurz erw\u00e4hnt werden. Ich w\u00e4hlte Winkel verschiedener Gr\u00f6fse, schwarz auf weifses Papier gezeichnet, und zwar um 45\u00b0 herum, um 90\u00b0 herum und um 135\u00b0 herum in gr\u00f6fserer Zahl mit Unterschieden von 1/i\u00b0, und liefs von verschiedenen Personen die* jenigen ausw\u00e4hlen, welche sie f\u00fcr einen halben Rechten, f\u00fcr einen ganzen Rechten und f\u00fcr ein und einen halben Rechten hielten. Die Winkel wurden \u2014 um doch m\u00f6glichst gleiche Bedingungen zu haben (und hier liegt die Anfechtbarkeit der Ver-\n1 Ich betone im Gegens\u00e4tze zu den bisherigen Autoren, dafs hierbei auch ein Winkel von 90\u00b0 in einen stumpfen oder spitzen ver\u00e4ndert werden frann. Der Rechte nimmt also keine besondere Stellung ein. Die Perspective entscheidet\u00ab","page":39},{"file":"p0040.txt","language":"de","ocr_de":"40\nWith. Filch ne.\nsuche bei Winkeln um 90\u00b0) \u2014 so vorgelegt, dafs der eine Schenkel horizontal lag und der Scheitel des Winkels stets auf der rechten Seite war. Am geringsten waren die Fehler beim Rechten: h\u00f6chstens 1\u00b0, bei Manchen nur 1I2\u00b0 \u2014 \u00fcbrigens eben so oft zu viel als zu wenig. Bei 1j2 und V/9 Rechten betrugen die Fehler bis zu 3\u00b0, meist nur 2\u00b0 zu viel oder 2\u00b0 zu wenig, \u2014 aber beim 1j% Rechten wurden genau so oft zu grosse als zu kleine Winkel gew\u00e4hlt Bei 11j2 Rechten wurden sogar etwas h\u00e4ufiger zu kleine Werthe geliefert. Auch wenn die Versuchsperson die Winkel mit dem Lineal selber zu ziehen hatte, war das Resultat das gleiche, nur wurden dann die Ausschl\u00e4ge gr\u00f6fser. Die nackten spitzen Winkel von 45\u00b0 werden also sicher nicht \u201ezu grofs\u201c gesehen. Und von einer Neigung einen spitzen oder stumpfen Winkel f\u00fcr einen Rechten zu nehmen habe ich selbst bei 88\u00b0 und 92\u00b0 nichts bemerkt und die w\u00e4ren doch die N\u00e4chsten dazu.\nDie Legende vom Falschsehen der schiefen Winkel an sich ist eben ein Irrthum gewesen. Nur beim Hinzutreten perspective scher Motive \u00e4ndern sich (f\u00fcrs Sehen) die Winkel, \u00e4ndert sich \u2014 wie wir sahen \u2014 manches. Aber schiefe Winkel n\u00e4hern sich dabei keineswegs stets nur dem Rechten, und Rechte bleiben nur unter gewissen Umst\u00e4nden unge\u00e4ndert\nZwar geh\u00f6rt folgendes nur mittelbar hierher, sei aber hierher gezogen : G. Hetmans 1 stellte auf die Probe die neuerdings noch von G\u00fcte vertretene Ansicht, nach welcher das (von Gute als thats\u00e4chlich acceptirte und von Hetmans nicht bestrittene) zu grofs sehen der spitzen und zu klein sehen der stumpfen Winkel von der Gewohnheit herr\u00fchre, objectiv rechte Winkel als schiefe Winkel wahrzunehmen. (Als ob objectiv spitze und stumpfe Winkel perspectivisch nicht ganz ebenso ver\u00e4ndert w\u00fcrden. W. F.). \u2022 Es besteht, bemerkt Hetmans sehr richtig, ein ganz \u00e4hnliches Verh\u00e4ltnifs wie zwischen objectiver Rechtwinkligkeit und wahrgenommener Schiefwinkligkeit auch zwischen objectiver Kreis- und wahrgenommener Ellipsengestalt. Daher w\u00e4re, \u2014 wenn die von Gute vertretene Ansicht richtig sein w\u00fcrde, \u2014 auch zu erwarten, dafs wir in Ellipsen die kurze Axe gegen\u00fcber der langen \u00fcbersch\u00e4tzten. Die Pr\u00fcfung ergab, dafs dies nicht stattfindet\n1 Diese Zeitschrift Bd. XIV. S. 101 \u2014139. Quantitative Untersuchungen u. s. w.","page":40},{"file":"p0041.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachioirkungen etc.\n41\nDa aber das vorausgesetzte Falschsehen nackter Schiefwinkel, wie wir sahen, auch nicht stattfindet, \u2014 so ist das von Heymans nachgewiesene Richtigsehen der Ellipsen f\u00fcr uns zwar interessant, aber kein neuer Ausgangspunkt. Eine einzelne krumme Linie, selbst in einer geschlossenen Figur, wie die Ellipse, ist ein rein planimetrisches und nicht ein perspectivisches Motiv, wie weiter oben ausgef\u00fchrt wurde. Erst wenn in organischer Weise noch zwei andere Linien ihr angeschlossen werden, kann sie \u2014 wie wir ausf\u00fchrten \u2014 Glied eines per-spectivischen Motivs werden. Hier ist Gelegenheit, die Probe auf die Richtigkeit unserer Darlegungen zu machen: zwei gleiche Ellipsen; bei der einen werden von den Scheiteln der grofsen Axe aus, beiderseits in gleicher Richtung, Tangenten gezogen. Diese (gamirte) Ellipse mufs, wenn wir Recht behalten sollen, im Vergleich zur anderen mehr kreisf\u00f6rmig erscheinen. Fig. 23 zeigt, dafs dem in der That so ist.\nViele sind sich bei Vorlage der Fig. 23 nicht klar, wieso die beiden Ellipsen ungleich erscheinen. Andere sehen sofort \u201eden Cylinder\u201c auf der einen Seite. Aber auch die Ersteren, obwohl sie nicht bewufst r\u00e4umlich deuten, sondern planimetrisch, verfallen in die T\u00e4uschung. \u2014 Anhangsweise seien hier noch Erscheinungen erw\u00e4hnt, die ich als auf Hemmung der T\u00e4uschung beruhend bezeichnen m\u00f6chte: Wenn vor mir zur Erl\u00e4uterung einer planimetrisch-mathematischen Gedankenfolge eine geometrische Figur entworfen wird, die reichlich perspec-tivische Motive enth\u00e4lt, so sehe ich sie doch planimetrisch, w\u00e4hrend ein hinzutretender Anderer, der sogar weniger als ich zu per-\u00dfpectivischer Betrachtungsweise geneigt sein darf, der aber den gedanklichen Zusammenhang, welcher sich mit jener Zeichnung verbindet, nicht kennt, sofort unter die Wirkung der perspectivi-\u00dfchen Motive ger\u00e4th, und entweder \u201eT\u00e4uschungen\u201c anheimf\u00e4llt oder k\u00f6rperliche Dinge (Lampencylinder, Schilderh\u00e4user, an* geschnittene Apfelsinen und Aehnliches) sieht.","page":41},{"file":"p0042.txt","language":"de","ocr_de":"42\nW\u00eelh. Filthne.\nMir i\u00dft es auch schon begegnet, dass ich Figuren, weiche nach Absicht des Autors perspectivisch wirken sollten, flach sah, weil ich, als sie mir vorgezeigt wurden, den Text noch nicht ge* lesen hatte, und sie in Folge der Mittheilung des Vorzeigenden f\u00fcr planimetrische Deductionen nahm.\nOben bei Vorf\u00fchrung der beiden Ellipsen habe ich \u2014 obwohl es \u00abmet an sich nicht ndtis^g gewesen w\u00e4re \u2014 absichtlich vom Anlegen zweier \u201eTangenten\u201c gesprochen; vie\u00fcaieht hat km dem einen oder anderen Leser das Wort \u201eTangente\u201c hemmend gewirkt und die T\u00e4uschung trat erst auf, nachdem die geometrische Bedeutung der beiden Striche wegen der Ueberfl\u00fcssig* keit dieser Bezeichnung vergessen und die reinzeichnerische d. h. perspectivische Bedeutung sich aufgedr\u00e4ngt hatte.\nDie Milton-Br&dley\u2019sclie Figur.\nSo wollen wir die bisher noch nicht benannte Zeichnung in Fig. 24 nennen.1\nFig. 24.\nObgleich die drei L\u00e4ngslinien hier parallel gezogen und ob* wohl alle Winkel rechte sind, scheint die Mittellinie schr\u00e4g gestellt zu sein d. h. der eine der von ihr beiderseits mit den Schmalseiten gebildeten Rechten erscheint spitz, der andere stumpf. Man sieht: bei passender Gelegenheit haben wir auch die \u201eNeigung\u201c rechte Winkel als schiefe zu deuten und es ist Unrecht die schiefen Winkel bei Zoellner blofs wegen ihrer Schiefheit f\u00fcr die T\u00e4uschung verantwortlich zu machen.\nDas in Fig. 24 enthaltene perspectivische Motiv ist folgen* dermaafsen darzustellen, wobei \u2014 was f\u00fcr alle derartige Figuren gilt \u2014 bemerkt werden mufs, dafs man nach Belieben das ver* tieft Bezeichnete ebenso gut auch als erh\u00f6ht betrachten kann,\n1 Sie findet sich bei G. Hetmans 1. c. S. 118 und auch bei Lipps.","page":42},{"file":"p0043.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen Tauschmmgen als Nachwirkungen etc.\n43\nwe\u00fcn man nur dann \u00bbmch das als erh\u00f6ht Bmiiohnete f\u00fcr zur\u00fcck\u00ab liegend nimmt:\nFig. 25.\nFig. 26.\nDas Auge w\u00e4re befriedigt, wenn die Zeichnung wie in Fig. 25, oder doch wenigstens so wie in Fig. 26 gegeben w\u00e4re. Jeder w\u00fcrde den Parallelismus der Mittellinie in Fig. 26 mit der Fufsbodenlinie deswegen anerkennen, weil sie mit der Fufs* bodenlinie nach der Ferne etwas convergirt. Da aber in Fig. 24 die Mittellinie als Repr\u00e4sentantin des Sitzes nicht zum Fufsboden convergirt, so kann sie nicht parallel gesehen werden, sondern mufs als im Terrain \u2014 in der Zeichnung nach links \u2014 auf steigend und nach rechts absteigend, also schief zur Fufsbodenlinie erscheinen. \u2014\nWenn man in Fig. 24 die Umkehrung machen will d. h. die bisher n\u00e4here Fl\u00e4che zur ferneren und vice versa w\u00e4hlt, so g\u00fct folgendes: man sieht jetzt die \u201eSessel\u201c von hinten. N\u00e4her ist uns die \u201eLehne\u201c, ferner dagegen das Unterst\u00fcck. Die Mittellinie repr\u00e4sentirt auch hier das Sitzbrett, jetzt aber seine hintere Kante (vorher war sie seine vordere Kante). Zwang uns vorher die Lage der \u201eDecken\u201c die \u201eBank\u201c zu unserer rechten Hand zu sehen, so sehen wir sie jetzt aus gleichem Grunde bei Umkehrung der Auffassung zu unserer Linken. In gleicher Ebene mit der Mittellinie (hintere Kante des Sitzes) liegt jetzt nicht wie vorher die Fufsbodenlinie sondern die obere L\u00e4ngslinie (die Begrenzung der Lehne). W\u00fcrden die hintere Kante des Sitzes und die obere Linie in der Richtung nach der Ferne d. h. jetzt in der Zeichnung nach rechts convergiren, so w\u00fcrden wir","page":43},{"file":"p0044.txt","language":"de","ocr_de":"44\nWilh. F\u00eflehne.\neie d. h. die Dinge \u2014 f\u00fcr parallel halten, da diese Linien aber parallel sind, scheinen sie zu divergiren d. h. die Mittellinie scheint nach rechts abzusteigen, nach links aufzusteigen \u2014 genau so wie bei der vorigen umgekehrten Betrachtung. Man mag also die Sache deuten wie man wolle, \u2014 die Mittellinie bleibt schief und zwar immer nach rechts absteigend. Man darf auch, ohne dafs sich etwas \u00e4ndert, die Figur selber (um 180\u00b0) umdrehen, da bei horizontaler Haltung immer das obere schwarze gegen das untere Quadrat nach rechts verschoben ist, gleichviel wie man die Figur nimmt. Und da auch stets bei verticaler Haltung die Figur \u2014 gleichviel welches Ende das untere ist, stets das linke Quadrat das h\u00f6here ist, so bleibt das Resultat, wie eine kurze Ueberlegung zeigt, \u00fcberall dasselbe : die Mittellinie bleibt in der angegebenen Weise schief.\nDie perspectivischen Motive im Zoellner\u2019schen Muster,\nMan betrachte auf Seite 18 Fig. B wie sie steht (oder Fig. A um 45\u00b0 gedreht). Die dort enthaltenen perspectivischen Motive sind ohne Hinzuf\u00fcgung von irgend etwas neuem aus der Fig. 27 ersichtlich. Wenn man das hier dargestellte, von mir ange-\nFig. 27.\nfertigte Modell in der Wirklichkeit von oben photographirt (oder zeichnet), so ergiebt sich das ZoELLNEn\u2019sche Muster (auf der Grundplatte). Blickt man auf unser Modell (in der Wirklichkeit) von oben, so hat man auf seiner Netzhaut Zoellnek\u2019s Muster (und das Bild der Grundplatte). Man sieht, 1) dafs die Drahtleiterchen in der dritten Dimension abwechselnd con- und divergiren, und so deuten wir das Bild, aber wir bemerken auch, 2) dafs ihre Projectionen auf der Grundplatte, also bei","page":44},{"file":"p0045.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optische^ T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc.\t45\nBezugnahme lediglich auf die beiden Dimensionen der Platte; einander parallel sind, und so zeichnen wir sie.' Man sieht ferner, 1) dafs die Winkel, welche die Querst\u00e4be mit den L\u00e4ngs\u00bb St\u00e4ben bilden, im Raume d. h. in Wirklichkeit Rechte sind, \u25a0und so deuten wir sie, und dafs 2) die Projectionen auf der Grundplatte schiefe Winkel haben und so zeichnen wir siei Am deutlichsten sieht man dies alles bei Drehung um 45\u00b0 (Bet traehtung von einer Ecke her): alles ganz so wie in Zoellneb\u2019s Muster. Denn dort sind thats\u00e4chlich die ' L\u00e4ngslinien auf demi Papiere parallel und was wir divergirend und convergirend sehen d. h. deuten, beziehen wir, sei es bewufst, sei es unbe-wufst, auf den Raum.\nFig. 28.\nFig. 28 giebt zwei neben einander gesetzte ZoELLNEa\u2019sche Muster mit unerheblichen Zuthaten. Um Raum zu sparen sind in jedem der beiden Muster nur zwei der abwechselnd gestrichelten Hauptlinien dargestellt Wir wollen in Analogie zu den Ausdr\u00fccken \u201erechtsgewundene Schraube\u201c und \u201elinks\u00bb gewunden\u201c, diejenigen L\u00e4ngsliriien, welche bei verticaler Haltung, die Schr\u00e4gstriche als von unten links nach oben rechts gehend aufweisen \u201ereehtsgestriehelt\u201c, die anderen als \u201elinks-gestrichelt\u201c bezeichnen. Man \u00fcberzeuge sich, dafs, wenn man z. B. den rechtsgestrichelten Stab umgekehrt aufh\u00e4ngt, er doch rechtsgestrichelt bleibt; auch beachte man, \u2014 um sp\u00e4ter kein Mifsverst\u00e4ndnifs aufkommen zu lassen, \u2014 dafs bei horizontaler Haltung der Hauptlinien die Schr\u00e4gstriche des rechts-, gestrichelten Stabes mit ihren oberen Enden nach links neigen. Auch hier \u00e4ndert sich in dieser Beziehung nichts, wenn","page":45},{"file":"p0046.txt","language":"de","ocr_de":"46\nW\u00fch. FiUhnt.\nman die Figur um 180\u00ae dreht (umkehrt). In Fig. 28 sind die beiden reducirten Muster so neben einander angebracht, d&fs di\u00a9 vier St\u00e4be (Hauptlinien) horizontal liegen und zwar bildet je der eine der beiden oberen und je der eine der beiden unteren genau die lineare Verl\u00e4ngerung des Nachbarn, worauf ich besonders zu achten bitte. Aufserdem sind die vier St\u00fccke so angeordnet, dafs, wie im Originale, parallel zu einem rechtegestrichelten ein linksgestricheltes liegt, dafs aber auch in der Verl\u00e4ngerung je eines rechtsgestrichelten ein linksgestricheltes angebracht ist.\nBei der gew\u00e4hlten Anordnung kann, so lange die Figur horizontal gehalten bleibt, mit einiger Energie jede perspec-tivische Anwandlung unterdr\u00fcckt werden, offenbar werden hier Erinnerungsbilder nur in geringem Maafse geweckt: man sieht die L\u00e4ngsst\u00e4be je paarweise in gerader Linie hegend und parallel, die Winkel s\u00e4mmtlich als schiefe, so schief wie sie wirklich sind. Sobald man aber die Figur soweit dreht, dafs der in ihr befindliche Pfeil aufrecht steht (wo alsdann die fr\u00fcher horizontalen L\u00e4ngsst\u00e4be um 45\u00ae gedreht sind), \u00e4ndert sich die Sachlage : jetzt tritt der Zwang zeichnerischer Perspective in Action, in sein Recht: Alle Winkel sind Rechte (d. h. scheinen es zu sein); mit verbl\u00fcffender Plasticit\u00e4t sehe ich zwei aufrecht stehende Zaunst\u00fccke und zwei umgeworfene. Diese letzteren hegen im Sinne des auf dem dargestellten Wege von links (f\u00fcr den Beschauer) nach rechts wandernden, weit nach links (nach oben im Bilde) von den aufrecht stehenden fort ; die geradhnie Zusammengeh\u00f6rigkeit zum seithchen Nachbar ist aufgehoben. Das rechts (vom Beschauer) gelegene Ende der umgeworfenen Z\u00e4une geht im Bilde nach hinten (oder oben), so dafs der linke unter\u00a9 Stab mit dem linken oberen (in der dritten Dimension) nach rechts convergirt, der rechte obere und der rechte untere nach rechts divergiren. Wer etwa meinen m\u00f6chte, dafs dies die\nWirkung der fig\u00fcrlichen Zuthaten sei, der drehe die Figur so,\n_ \u2022 ______\ndafs der Pfeil genau nach rechts weist: Trotz seiner Schlagschatten ist jetzt der obere linke Zaun umgest\u00fcrzt und hat den Mann plattgedr\u00fcckt, und trotz mangelnder Schlagschatten und trotz Unverst\u00e4ndlichkeit der St\u00fctze steht der linke untere Zaun jetzt aufrecht u. s. w. Jene Zuthaten (Schlagschatten u. s. w.) hatten nur den Zweck, die bereits besprochene bei allen schema-","page":46},{"file":"p0047.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc. 47\ntischen linear -perspectivischen Zeichnungen auftretende Alter-native zu beseitigen, was als n\u00e4her, was als ferner zu deuten sei.\nDa nun einmal diese Zeichnungen so wie geschildert wirken, so mufs ein Zeichner, der so wirken will, auch so wie geschildert zeichnen. Was Wunder also, wenn diese Linien auch im nicht garnirten Muster so wirken?!\nFig. 29.\nFig. 29 giebt das corrigirte Zoellner\u2019sehe Muster bei Ver-\u2022ticalstellung der Hauptlinien in einer fig\u00fcrlichen Darstellung, \u25a0die alles erforderliche ohne Commentar ausdr\u00fcckt.\nWie plastisch auch ohne Zuthun des Willens Zoellner\u2019s Muster bei 45\u00b0 Neigung der L\u00e4ngsst\u00e4be wirken kann, sieht man auch bei folgenden Versuchen: Man lege Fig. B S. 18 (Herin o\u2019s Aenderung) so wie sie steht gerade vor sich auf den Tisch und bewege, ruhig und stetig auf das Muster blickend, den Oberk\u00f6rper mit einer auszuprobenden Geschwindigkeit abwechselnd zur\u00fcck und vorw\u00e4rts. Ich sehe dann scheinbare parallaktische Verschiebungen, also Bewegungen, die beim Vorbeugen in umgekehrter Richtung als beim Zur\u00fccklehnen erfolgen. Manchem gelingt dies nicht; aber Jeder sieht jetzt plastisch die stehenden \u25a0Z\u00e4une und liegenden \u201eZahnradbahngeleise\u201c, jedenfalls plastischer als ohne Bewegung.\nEbenfalls in umkehrender Richtung bei Umkehr der eigenen Bewegung finden die von Helmholtz zuerst beschriebenen (neuerdings von Lipps besprochenen) Scheinbewegungen statt, wenn man in Fig. A Seite 18 mit einer Nadelspitze, die man mit dem Blicke fixirt, von rechts nach links und umkehrend \u00fcber das Muster f\u00e4hrt. Auch diese sich bei Umkehr der eigenen","page":47},{"file":"p0048.txt","language":"de","ocr_de":"48\nW\u00fch. Filehne.\nwirklichen Bewegung Umkehr enden Scheinbewegungen im Muster sind auf die Plastizit\u00e4t zu beziehen. Weder diese noch die von mir beobachtete, vorher erw\u00e4hnte umkehrbare Scheinbewegung bei wirklicher (eigener) Bewegung, haben irgend etwas zu thun mit den im n\u00e4chsten Capitel zu besprechenden, von mir in Zoellnkb\u2019s Originalmuster aufgefundenen Scheinbe-wegungen, welche von Bewegungen des Beobachters unabh\u00e4ngig und daher auch nicht durch Bewegungswechsel umkehrbar sind. Da ich dies\u00a9 auf Bewegungs-Erinnerungsbilder \u2014 wie ich \u00fcberzeugt bin mit Reoht \u2014 zur\u00fcckf\u00fchre, so sollen sie im Gegensatz\u00a9 zu den vorher erw\u00e4hnten als solche bezeichnet werden.\nDie auf Bewegungs-Erinnerungsbildern beruhende, nicht umkehrbare Scheinbewegung im Zoeliner \u2019sehen Muster\u00bb\nUm die Scheinbewegung kennen zu lernen, betrachte man das ZoELLNE\u00df\u2019sche Originalmuster Fig. A S. 18 nach einer Drehung um 90\u00b0, so dafs also die Hauptst\u00e4be horizontal liegen. Man blicke durch eine innen geschw\u00e4rzte R\u00f6hre oder durch di\u00a9 zusammengelegte Hand hindurch stetig auf das Muster; ein\u00a9 gelegentliche Bewegung des Auges ist eher vortheilhaft als st\u00f6rend. Ich sehe alsdann \u2014 und von 15 hierauf gepr\u00fcften gesunden M\u00e4nnern (auch Temperenzlern) sahen es nur zwei nicht, und zwar waren beide erprobte und zumal der eine ein ausgezeichneter Beobachter, \u2014 sehr bald Bewegung in die Zeichnung kommen : die Schr\u00e4gstriche fangen entweder sofort an colonnen-weise zu wandern oder sie \u201erucken\u201c colonnenweise erst etwas vorw\u00e4rts und zur\u00fcck, wie wenn etwas pulsirte, etwa wie das va-et-vient Cohnheim\u2019s in der Vene. Dann gleiten sie ab \u2014 bald f\u00fcr zwei, drei Sekunden \u2014 manchmal k\u00fcrzer, manchmal sehr lange, vrandernd, gleitend, zuweilen nur stofsweise. Manchmal rennt alles im Muster, manchmal nur der eine oder der ander\u00a9 Stab, \u2014 manchmal nur alle oder einige rechts- oder nur linksgestrichelte St\u00e4be. Die Richtung dieser Bewegung ist die, dafs sie in der Richtung der oberen \u00fcberh\u00e4ngenden St\u00fccke der Schr\u00e4gstriche erfolgt. Es laufen also die Schr\u00e4gstriche der rechtsgestrichelten St\u00e4be nach links, und die der linksgestrichelten nach rechts1.\n1 Diese Scheinbewegungen haben eine ungemein grofee, aber reift \u00c4ufserliche Aehnlichkeit mit den Scheinbewegungen, welche man an","page":48},{"file":"p0049.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc.\n49\nEtwas weniger leicht sieht man die Bewegung bei verticaler Stellung der L\u00e4ngsst\u00e4be. Es laufen hier die Schr\u00e4gstriche der rechtsgestrichelten St\u00e4be nach oben, die der linksgestrichelten nach unten. Wer sich die M\u00fche giebt, die St\u00e4be auch bei dieser verticalen Stellung als \u201eZ\u00e4une11 zu deuten, was hier unbequemer ist als bei horizontaler Lage der St\u00e4be, wird finden, dafs er f\u00fcr jeden Stab zwei verschiedene Lagen herausdeuten kami, die aber doch das gemeinsame haben, dafs beide Male an den rechtsgestrichelten St\u00e4ben die rechten (oberen) St\u00fccke einerseits in der Richtung der Bewegung \u00dcberh\u00e4ngen und andererseits an den \u201eZ\u00e4unen\u201c stets als die im Raume oberen, dem Auge ferneren Lattenst\u00fccke sich darstellen. Ebenso erscheinen an den linksgestrichelten St\u00e4ben bei den beiden m\u00f6glichen Ausdeutungen diejenigen Schr\u00e4gstrichst\u00fccke, welche in der Richtung der Bewegung \u201e\u00dcberh\u00e4ngen\u201c \u2014 hier die rechten unteren der Zeichnung \u2014 als die im Raume dem Beschauer abgekehrten ferneren Lattenst\u00fccke. Es erfolgt also auch bei Vertical-stellung der Hauptlinien die Bewegung in der Richtung, in welcher die Schr\u00e4gstriche in ihren r\u00e4umlich als dem Auge ferner gelegen gedeuteten St\u00fccken \u00dcberh\u00e4ngen.\nStellt man die Fig. A so, dafs eine der beiden Diagonalen in den optischen Meridian f\u00e4llt, d. h. dafs die L\u00e4ngsst\u00e4be mit der Horizontalen einen Winkel von 45\u00b0 bilden, so wird man\nSchrauben (und Korkziehern) beobachtet, wenn sie ohne longitudinal vor-\u00abur\u00fccken (also nicht wie beim Einschrauben) an Ort und Stelle um ihre Axe gedreht werden (so dafs also jeder Punkt des Schraubenmantels bei jedesmaliger Umdrehung einen Kreis beschreibt). W\u00e4hrend beim Einschrauben \u2014 also beim thats\u00e4chlichen Vorr\u00fccken \u2014 das Schraubengewinde \u00abtili zu stehen und nur k\u00fcrzer zu werden scheint, sieht man beim objectiven Richt-Vorr\u00fccken w\u00e4hrend der Drehung eine Scheinbewegung im Gewinde, die bei der rechtsgewundenen Schraube zu demjenigen Ende hingeht, welches rechtsherum, bei der linksgewundenen Schraube zu demjenigen Ende hin gerichtet ist, welches links herum gedreht wird. Die Erkl\u00e4rung f\u00fcr diese Erscheinungen ist indefs eine so einfache und, wie man sofort -sieht, so ganz und gar nicht \u00fcbertragbar auf das ZoELLNsn\u2019sche Muster, dafs es wohl gen\u00fcgt, diese Dinge erw\u00e4hnt zu haben. Man k\u00f6nnte die Bewegung bei Zorllner objectiv darstellen durch rechts- und linksgewundene Schrauben, welche in einem Rahmen befestigt w\u00e4ren: bei horizontaler Stellung w\u00e4ren dann beide Arten von Schrauben am linken Ende rechtsherum oder am rechten Ende linksherum zu drehen. (Bei verticaler Stellung w\u00e4ren beide Arten entweder am oberen Ende rechtsherum oder -am unteren linksherum zu drehen.)\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XVII.\n4","page":49},{"file":"p0050.txt","language":"de","ocr_de":"50\nW\u00fch. FUehne.\nsofort bemerken, dafs es einen principiellen Unterschied macht, ob man die eine oder die andere Diagonale im Meridian hat, d. h. ob die L\u00e4ngsstriche von rechts unten nach links oben, oder von links unten nach rechts oben liegen. Betrachtet man n\u00e4mlich in der besprochenen Weise (z. B. durch eine R\u00f6hre hindurch) die um 45\u00b0 so gedrehte Figur A, dafs die urspr\u00fcnglich linke untere Ecke (oder rechte obere) sich zu unterst befindet, so ist die Bewegung allenthalben \u2014 zumal an den aufrechtstehenden Z\u00e4unen d. h den rechtsgestrichelten St\u00e4ben \u2014 ungemein lebhaft Dreht man dagegen die Figur aus ihrer urspr\u00fcnglichen Lage in der entgegengesetzten Richtung um 45\u00b0, so dafs die urspr\u00fcnglich rechte untere (oder linke obere) Ecke nunmehr nach unten zu liegen kommt, so ist keine Bewegung zu sehen*\nDieser Unterschied im Verhalten bleibt auch (selbstverst\u00e4ndlich) bestehen, wenn man durch Fortnahme eines der beiden \u00e4ufseren St\u00e4be (in der Figur sind 7 St\u00e4be) die Figur zu einer in Bezug auf rechts und links v\u00f6llig symmetrischen macht In Bezug auf die in Rede stehende optisch-psychologische Function sind also in diesem geometrisch oder zeichnerisch vollkommen symmetrischen Rechtecke die beiden Diagonalen un* glei chwerthig.\nHierdurch ist \u2014 wie ich glaube \u2014 unbestreitbar bewiesen,, dafs alle diejenigen, welche die \u201eBewegung\u201c eintreten und aus-bleiben sehen, das Muster auch dann nicht einfach \u201ep 1 anime trisch\u201c sehen, wo sie sich einer r\u00e4umlichen Auffassung nicht bewufst sind. Denn in einer planimetrisch aufgefafsten v\u00f6llig symmetrischen rechteckigen Figur k\u00f6nnen die beiden Diagonalen nicht ungleichwerthig sein.\nF\u00fcr uns ist es nicht schwer die Erkl\u00e4rung der ungleichen Werthigkeit der beiden Diagonalen zu geben, wobei die Motive, durch welche die Scheinbewegung hervorgebracht wird, vorl\u00e4ufig noch nicht er\u00f6rtert zu werden, ja gar nicht einmal bekannt zu sein brauchen.\nMan halte fest, dafs die rechts gestrichelten Linien eine Bewegung der Schr\u00e4gstriche zeigen, welche\n1)\tbei horizontaler Lage der St\u00e4be nach links\n2)\tbei verticaler Lage der St\u00e4be nach oben geht.\nWenn wir nun die Unke untere Ecke nach unten drehen, d. h. wenn die St\u00e4be von unten rechts nach oben links liegen* also sowohl nach links als nach oben, so besteht f\u00fcr di\u00a9 Be^","page":50},{"file":"p0051.txt","language":"de","ocr_de":"D\u00fc geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc. 51\nwegung in den rechtsgestrichelten St\u00e4ben die Tendenz der Schr\u00e4gstrich\u00a9 nach Satz 1) nach links und nach Satz 2) nach oben zu rennen- Hier ad dirt sich di\u00a9 Bewegung, sie erfolgt also nach oben und links.\nWenn dagegen die urspr\u00fcnglich rechte untere Ecke nach unten gekehrt wird, so dafs die Hauptst\u00e4b\u00a9 von unten links sowohl nach rechts als nach oben hegen, so wollen die Quer* striche der rechtsgestrichelten St\u00e4be, insoweit diese ja halb* horizontal hegen nach Satz 1) links weg, was hier auch abw\u00e4rts bedeuten w\u00fcrde, und insofern die St\u00e4be halb-vertical stehen, m\u00f6chten sie nach Satz 2) auch aufw\u00e4rts, was hier auch rechts weg bedeuten w\u00fcrde: die beiden durch die Lage sowohl nach rechts als nach aufw\u00e4rts inducirten Bewegungen gehen also gegeneinander, sie heben sich auf.1 Somit w\u00e4re die Verschiedenwerthigkeit der beiden Diagonalen erkl\u00e4rt.\nObschon Bewegungen des Auges dem Aufkommen der be* sprochenen Scheinbewegung f\u00f6rderhch sind, so sind doch weder diese absichtlichen noch auch feinere unwillk\u00fcrliche Bewegungen der Augen zu ihrer Erkl\u00e4rung heranzuziehen: Ich beobachtete die gleichen Scheinbewegungen an der Figur im verfinsterten Raume, wenn ich elektrische Funkenentladungen in so gen\u00fcgend h\u00e4ufiger Folge Momentanbeleuchtungen liefern liefs, dafs die Nachbilder eine andauernde Wahrnehmung der Figur gaben. Die Scheinbewegung ist daher von jeder objectiven, wirklichen Bewegung unabh\u00e4ngig, \u2014 sie kann also auch nur central ver-anlafst sein.\nWenn ich es jetzt unternehme diese Scheinbewegung auf Bewegungs-Erinnerungsbilder zur\u00fcckzuf\u00fchren, so sind zun\u00e4chst einige Vorbemerkungen n\u00f6thig.\nUnsere Bewegungs-Erinnerungsbilder sind selbstverst\u00e4ndlich r\u00e4umlicher Erfahrung entsprangen. Das Material zum Aufrufen\n1 Diese Erfahrung, dafs bei zweifacher Richtungs-Orientirung in einem in Bezug auf rechts und links symmetrischen Systeme, dennoch die beiden Diagonalen (von oben links nach rechts unten \u2014 und oben rechts nach links unten) f\u00fcr eine Function verschiedenwerthig sind, \u2014 k\u00f6nnte, rein begrifflich genommen, vielleicht durch Umpr\u00e4gung f\u00fcr den thats\u00e4chlichen Bedarf auch sonst noch in der Biologie verwerthbar sein. So denke ich \u2014 beispielsweise \u2014 an den Situs viscerum (und den Situs inversus), wo doch auch die beiden Diagonalen ungleichwerthig zu sein scheinen. Und im Ei liegt ja wohl zweifellos eine zweifache Orientirung vor.\n4*","page":51},{"file":"p0052.txt","language":"de","ocr_de":"52\nWilh. Filehne.\nvon r\u00e4umlichen Erinnerungsbildern haben wir in Zoellneb\u2019s Muster bereits nachgewiesen. E\u00df handelt sich jetzt also nur noch darum, in unserem Muster an jenem Materiale die Erfahrungskennzeichen einer vorhandenen Bewegung aufzudecken.\nZum Zwecke der Nachweisung der perspectivischen Motive \u2014 d. h. zur Aufzeigung der durch das Muster (und durch andere Zeichnungen) heraufgef\u00fchrten Erinnerungsbilder der r\u00e4umlichen Wahrnehmung \u2014 konnten wir uns vorteilhaft des Schulzeichnens bedienen, um die unter der Schwelle des Bewu\u00dftseins bleibenden Erinnerungen zur Bewufstseinsklarheit zu heben. Bei der Aufzeigung der Bewegungsbilder scheint dieses Verfahren den Dienst versagen zu wollen. Wenn in kunstgerechter Zeichnung eine Bewegung dargestellt wird, so geschieht dies bekanntlich nur indirect: es wird der als bewegt aufzufassende Gegenstand in einer relativen Ruhelage dargestellt, welche einerseits f\u00fcr eine bestimmte Bewegung charakteristisch, andererseits so beschaffen ist, dafs sie so wie sie ist nicht wohl andauem kann, sondern aller Erfahrung nach in eine Bewegung unmittelbar \u00fcbergehen mufs: der Ball in der Luft, das schr\u00e4ge Pendel einer Wanduhr, ein im vorst\u00fcrzenden Laufschritte dargestellter Mensch \u2014 sind dauernd in dieser relativen Ruhelage nicht vorstellbar; daher anerkennt man, dafs der Ball fliege, das Pendel schwinge, der Mensch renne, aber doch nur im receptiv-k\u00fcnstlerischen Sinne des Wortes. Man \u201esieht\u201c keine Bewegung.\nDoch aber giebt es drastische \u2014 von der h\u00f6heren Kunst, vom Schulzeichnen allerdings verp\u00f6nte \u2014 f\u00fcr uns aber brauchbare zeichnerische Darstellungsarten der Bewegung. Ich erinnere an Zeichnungen in den \u201eFliegenden Bl\u00e4ttern\u201c, in denen z. B. ein Klaviervirtuose mit Contouren von wohl zwanzig K\u00f6pfen und Hunderten von Fingern beim Vortrage eines \u201eFurioso\u201c dargestellt ist u. \u00e4hnl. So etwas wirkt, weil es unseren Erinnerungsbildern entspricht \u2014 und es wirkt komisch, weil es gegen die Regeln der Kunst mit deren eigenen Mitteln gemacht ist In der That sehen wir einen hastig sich hin und her bewegenden K\u00f6rper so. In bescheidener, discreter Weise wird \u00fcbrigens von diesen Hilfsmitteln gelegentlich auch in der h\u00f6heren Kunst Gebrauch gemacht. Da wir hier nicht die Kunst vertreten sondern der Erkenntnifs dienen wollen, sei uns gelegentlich die Anwendung derartiger zeichnerischer Hilfsmittel zugebilligt.","page":52},{"file":"p0053.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc.\n58\nWenn wir nun z. B. am hellen Tage in einer ebenen horizontallaufenden Strafse von S\u00fcden nach Norden gehen und auf einen, sagen wir f\u00fcnfzig Schritt nordw\u00e4rts, auf der anderen Seite der Strafse stehenden Latemenpfahl (er stehe genau lothrecht auf dem Boden) achten, so erscheinen uns die Winkel, die er mit dem Fufsboden bildet, so, dafs der s\u00fcdliche Winkel sehr stumpf, der n\u00f6rdliche spitz ist. Wir wissen ja sehr wohl, dafs beide Rechte sind, \u2014 aber ich bitte den Leser sich davon zu \u00fcberzeugen, dafs er den s\u00fcdlichen Winkel ganz deutlich als stumpf sieht Man sieht die horizontale Strafse vor sich deutlich nach Norden perspectivisch aufsteigend, aber man weifs und f\u00fchlt es und controllirt es fortw\u00e4hrend durch seine optischen Wahrnehmungen, dafs man sich rein horizontal bewegt. Jener s\u00fcdliche Winkel am Latemenpfahl wird nun w\u00e4hrend des Vorschreitens kleiner und kleiner und sobald wir vis-\u00e0-vis von dem Pfahl an ihm vorbeipassiren, erscheint uns der s\u00fcdliche Winkel als das was er ist, als Rechter, um bei unserem Weitergehen spitzer und spitzer zu werden. Diese an allen auf dem Fufsboden senkrecht stehenden Gegen* st\u00e4nden (Linien) gemachten Erfahrungen bilden einen erheblichen Theil unserer Erinnerungsbilder der freiwilligen, activen Bewegung, die bei passiven Bewegungen (Fahren u. s. w.) ebenso best\u00e4tigt werden, wie f\u00fcr den Fall, dafs wir ruhen und jene Gegenst\u00e4nde, sei es einzeln, sei es in der ganzen Masse, an uns vorbeiziehen. , Wir sind hieran so gew\u00f6hnt, dafs [.wir f\u00fcr gew\u00f6hnlich uns der Winkel\u00e4nderungen u. s. w. nicht, sondern nur der \u201eBewegung\u201c bewufst werden.\nAnders wird die Sache, wenn die Geschwindigkeit der relativen Bewegung (es bleibe hinfort unber\u00fccksichtigt, ob die Dinge sich in Bezug auf uns oder wir uns bei ruhenden Dingen bewegen, da dies optisch gleichbedeutend ist) eine ungewohnt grofse wird. Stellen wir uns vor, wir fahren auf ebenem (horizontalen) Gel\u00e4nde in einem Courierzuge, vorw\u00e4rts sitzend, also mit dem Gesichte der Locomotive zu. Wir blicken zum rechten Fenster hinaus und achten auf die \u201evorbeisausenden\u201c Telegraphenstangen. Zweierlei Bewegung sehen wir an ihnen: 1) die in der unserer Fahrrichtung entgegengesetzten Richtung erfolgende Fortbewegung in toto und 2) eine uhrzeigerartige Bewegung der Stange, etwa \u2014 d. h. nur gleichnifsweise so ausgedr\u00fcckt \u2014 als ob ein Uhrzeiger von der Ziffer 11 mit wach-","page":53},{"file":"p0054.txt","language":"de","ocr_de":"54\nWiih. Fiiehne.\nsender Geschwindigkeit \u00fcber Ziffer 12 und dann mit abnehmender Geschwindigkeit bis Ziffer 1 ginge, \u2014 wobei der Moment 12 derjenige ist, in welchem wir die Stange gerade passiren, resp. ihr am n\u00e4chsten sind. (Wenn man zum linken Fenster hinausschaut, bewegen sich die Stangen vice versa d. h. \u2014 scheinbar \u2014 umgekehrt wie ein Uhrzeiger, also z. B. von 1 \u00fcber 12 nach 11.)\nDiese Thatsache ist leicht zu constatiren. Die Erkl\u00e4rung ist einfach: Wir sehen, wissen und f\u00fchlen, dafs wir uns horizontal bewegen ; wir sehen die Stange mit der Horizontalen erst einen stumpfen Winkel bilden, der mit wachsender Geschwindigkeit in einen Rechten \u00fcbergeht und dann mit abnehmender Geschwindigkeit sich in einen Spitzen verwandelt. Obwohl wir wissen, dafs die Stange objectiv keine Zeigerbewegung macht, so ist diese schnelle Aenderung des Winkels, den die Stange mit der Horizontalen macht, nach unserer Erfahrung, nach unseren Bewegungs-Erinnerungsbildern am einfachsten durch eine Zeigerbewegung erkl\u00e4rt, und unsere Auffassung erkl\u00e4rt sie auch so wider unser besseres Wissen, weil dies einfacher und sinnf\u00e4lliger ist und weil wir viel, viel h\u00e4ufiger Dinge haben umlegen (umfallen) und aufrichten sehen als Telegraphenstangen vorbeifliegen, noch dazu, da dieser Vorgang wegen seiner unangenehmen Pl\u00f6tzlichkeit von einer wirklichen Beachtung so sehr abschreckt* 1\nUm es jetzt allgemeiner auszudr\u00fccken: Zu beiden Seiten sehen wir, dafs die sich uns n\u00e4hernden Stangen sich uns zuneigen und nach dem Passiren in derselben Richtung \u2014 also von jetzt an von uns fort \u2014 sich weiter neigen. Achtet man auf Z\u00e4une, Pallisaden u. \u00e4hnl., so sieht man daher die objectiv aufrecht stehenden St\u00fccke nach derjenigen Richtung her- und hin\u00fcberfallen, nach welcher sie eilen (entgegengesetzt\nj\n1 Es bedarf wohl kaum der Erw\u00e4hnung, dafs das Jedem bekannte Auf- und Niedertanzen und Hin* und Herbalanciren des im Rahmen eines Coup\u00e9-Fensters sichtbaren St\u00fcckes Telegraphendraht, welches die Folge davon ist, dafs objectiv draufsen im Raume der Draht in wechselnder H\u00f6he verl\u00e4uft, nicht auf dieses Sich-Neigen der Stangen zu beziehen ist. W\u00e4hrend bei der graphischen Methode mittels Bewegung zeitliche Aende-rungen einer Ordinate in eine r\u00e4umlich sichtbare Curve umgestaltet werden, ist hier umgekehrt eine objectiv r\u00e4umlich vorhandene Curve in Folge von Bewegung durch zeitliche Aenderung der Ordinaten repr\u00e4sentirt.","page":54},{"file":"p0055.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc.\n56\nunserer Fahrrichtung). Die Bewegung der Dinge (Scheinbewegung) findet also in derjenigen Richtung statt, in der sie oben \u00dcberh\u00e4ngen \u2014 ganz wie im Zoellner\u2019sehen -Muster.\nDafs das Ueberh\u00e4ngen objectiv aufrechter Linien ein inte-grirender Bestandtheil unserer Bewegungs-Erinnerungsbilder ist (und dafs also bei unserem Muster durch den Anblick des Ueberh\u00e4ngens der Schr\u00e4gstriche jene Erinnerungsbilder zur -Wirksamkeit aufgerufen auftauchen), kann man durch folgende Zeichnung leicht feststellen. Man zeichne (wenige Striche gen\u00fcgen) das Innere eines Eisenbahn-Coup\u00e9\u2019s : drei nebeneinander gesetzte Rechtecke bezeichnen das Fenster, zwei oder drei beiderseits nach aufsen und unten divergirend gezogene Linien deuten die Sitze an; draufsen im Gel\u00e4nde d. h. im Rahmen der drei Rechtecke zeichne man mit einigen Verticalstrichen einige Telegraphen-Stangen (durch ein paar Dr\u00e4hte als solche gekennzeichnet) und zwar senkrecht stehend (parallel zu den Seitenlinien der Fenster). Ein zur Deutung auf gerufener Unbefangener wird erkl\u00e4ren, dafs der Zug still steht. Jetzt wiederhole man die Zeichnung mit der Modification, dafs die Telegraphen-Stangen s\u00e4mmtlich etwas nach der einen Seite geneigt sind, \u00dcberh\u00e4ngen: sofort wird der Befragte erkl\u00e4ren, dafs die Stangen nach der Seite enteilen, nach der sie \u00dcberh\u00e4ngen, dafs also der .Zug in entgegengesetzter Richtung fahre. Wo das Auftauchen des Erinnerungsbildes etwa durch die Erw\u00e4gung gehemmt werden sollte, dafs ja doch gelegentlich irgendwo wohl Telegraphen-Stangen auch objectiv schief stehen k\u00f6nnten, zeichne man H\u00e4user oder einen Eisenbahnzug, \u2014 das eine Mal so, dafs die von Rechts wegen aufrechten Linien aufrecht stehen (Stillstehen des Zuges resp. der Z\u00fcge), \u2014 das andere Mal so, dafs oben diese Linien nach einer Seite leicht \u00dcberh\u00e4ngen (Enteilen der Dinge nach dieser Seite). Niemals wird die entgegengesetzte Deutung gegeben.\nDas Ueberh\u00e4ngen derartiger Striche ist also ein integriren-der Bestandtheil unserer Bewegungs-Erinnerungsbilder. Es kann demnach nicht auffallen, dafs bei Betrachtung jener \u00fcberh\u00e4ngenden Linien des Zoellner\u2019sehen Musters diese Erinnerungsbilder so sehr geweckt werden k\u00f6nnen, dafs wir die zugeh\u00f6rige Bewegung wirklich sehen, wahrzunehmen vermeinen. Dafs es andererseits Menschen giebt, bei denen dies nicht eintritt (so giebt es ja auch,","page":55},{"file":"p0056.txt","language":"de","ocr_de":"56\nWith. Filehne.\nwie bekannt, mehr und minder plastisch sehende Menschen), \u2014 dafs also jene Erinnerungsbilder nicht nothwendig bis zur erforderlichen Lebhaftigkeit auftauchen m\u00fcssen, ja dafs sie es bei demselben Menschen in zeitlich und r\u00e4umlich wechselnden Maafse leisten und zuwe\u00fcen ganz versagen, \u2014 ist selbst-verst\u00e4ndlich.-----\nIch habe mir \u00fcbrigens einige ausf\u00fchrlichere Zeichnungen unter Zugrundelegung des ZoELLNE\u00df\u2019schen Musters hergestellt (Dampfschiffe, Ruderboote, Rauchwolken, Reiter, Eisenbahnz\u00fcge)\u00bb in welchen man wirkliche Bewegung zu sehen glaubt. \u2014\nDie Loeb\u2019sche T\u00e4uschung.\nDie LoEB sche T\u00e4uschung1 besteht in Folgendem :2\n\u201eBei fixirter Kopflage betrachtet man einen rechts parallel zur Medianlinie auf dem Tische liegenden Pappdeckelstreifen und versucht, einen anderen \u00e4hnlichen Streifen so einzustellen\u00bb dafs er in der Verl\u00e4ngerung jenes (etwa 20 cm von ihm entfernt) zu liegen scheint. Wird nun ein dritter Streifen zur rechten oder linken Seite parallel neben den zweiten gelegt, so erscheint dieser zweite nicht mehr als die Verl\u00e4ngerung des ersteren, sondern um 3\u20146 mm nach links oder rechts verschoben. Die gegenseitige Wirkung zweier paralleler Linien wird demnach von Loeb kurz als eine abstofsende, wodurch ihr scheinbarer Abstand vergr\u00f6fsert wird, bezeichnet; und er bemerkt, dafs diese Abstofsung nach seinen Versuchen auch statt* findet, wenn die Linien nicht parallel sind, und hierbei die Form eines Richtungscontrastes annehmen kann.\u201c\nNun zeigte G. Heymans, dass die quantitativen Verh\u00e4ltnisse der LoE\u00df\u2019schen T\u00e4uschung, bei welcher, im Gegens\u00e4tze zu Zoell-ner\u2019s Muster, perspectivisch zu deutende Winkel \u00fcberhaupt nicht vorliegen, durchaus dieselben sind, wie bei der von ihm mit gleicher Geschicklichkeit und gleicher Genauigkeit untersuchten Zoellneb sehen T\u00e4uschung. Er kam zu dem Schl\u00fcsse, dafs die beiden T\u00e4uschungen in ihrem Wesen identisch seien, und dafs jeder Versuch, die Zoellneb\u2019sehe T\u00e4uschung zu er-\n1 Ppl\u00fcqer\u2019s Archiv LX. Bd., S. 509 ff.\ns Fast w\u00f6rtlich abgeschrieben aus der G. HEYMANs\u2019schen Arbeit, 1. e. S. 119.","page":56},{"file":"p0057.txt","language":"de","ocr_de":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen etc.\n57\nkl\u00e4ren von vornherein als aussichtslos verworfen werden m\u00fcsse, wenn er nicht zugleich auf die LoEB\u2019sche T\u00e4uschung anwendbar sei. Deshalb verwirft Hetmans sowohl die Lipps\u2019sche als die HERiNG-G\u00fcYE\u2019sche als auch die Tm\u00c9BY\u2019sche Theorie.\nDementsprechend legte ich mir die Frage vor, ob meine Theorie der ZoellnEinsehen T\u00e4uschung auf die LoEB\u2019sche T\u00e4uschung \u201eanwendbar\u201c sei. Selbstverst\u00e4ndlich ist, dafs meine Theorie in sich sehr wohl auf diese letztere T\u00e4uschung \u201eanwendbar\u201c sein k\u00f6nnte, auch wenn es mir nicht gelungen w\u00e4re, die \u201eAnwendung\u201c thats\u00e4chlich correct durch- und vorzuf\u00fchren. Jedoch gl\u00fcckte dies leicht und schnell. Der Leser ist schon ausreichend orientirt bez\u00fcglich meiner Auffassung von den per-spectivischen Motiven. Es gen\u00fcgt daher, nur die aufkl\u00e4renden Versuche anzuf\u00fchren.\nErster Versuch: Man stelle den LoEB\u2019schen Versuch mit der Modification an, dafs er nicht auf einer ebenen Papierfl\u00e4che, sondern auf der (concaven) Innenfl\u00e4che eines Cylinderst\u00fcckes derart ausgef\u00fchrt wird, dafs\n1.\tdas beobachtende Auge (resp. Doppelauge) sich in der Cylinderaxe befindet, und\n2.\tdie Cylinderaxe parallel zu den LoEB\u2019schen Streifen (resp. Strichen) liegt.\nUnter diesen Umst\u00e4nden kommt die T\u00e4uschung \u2014 die \u201eAb-stofsung\u201c des einen Streifens durch den neben ihm liegenden \u2014 nicht zu Stande und der erstere wird richtig d. i. genau in die Verl\u00e4ngerung des 20 cm \u00fcber (vor) oder unter (hinter) ihm befindlichen Normalstreifens gelegt.\nZweiter Versuch: Der LoEBsche Versuch wird auf .-ebenem Papierblatte in folgender Form wiederholt: Die drei LoEB\u2019schen Striche sind durch drei fett gedruckte (lateinische grofse) I dargestellt, die in zwei \u00fcber einander angebrachten, um 10, 15 oder 20 cm von einander entfernten Druckzeilen untergebracht sind. In der unteren Zeile sind die zwei I von einander 2 cm entfernt. Das einzelne fette I der oberen Zeile stehe genau in der Verl\u00e4ngerung des (also genau \u00fcber dem) einen z. B. rechten (zweiten) I der unteren Zeile. Der \u00fcbrige Raum der beiden Druckzeilen sei durch einen beliebigen, in beiden Zeilen gleichlautenden aber nicht fettgedruckten sinngebenden Text so ausgef\u00fcllt, dafs genau Wort \u00fcber Wort, Buchstabe \u00fcber Buchstabe gesetzt ist Dem unteren linken (ersten) fetten I ent-","page":57},{"file":"p0058.txt","language":"de","ocr_de":"58\nWilh. Ftiehnt.\nspricht also oben ein genau in seiner Verl\u00e4ngerung liegende\u00ab nicht-fettes L\nBetrachtet man jetzt, w\u00e4hrend das Blatt rechts oder links von der Medianlinie liegt, ohne zu lesen, ohne auf die Wart-formen zu achten, die drei fetten I wie LoEB\u2019sche Striche, so scheint das obere nicht in der Verl\u00e4ngerung des zweiten (rechten) unteren, sondern zwischen beiden zu liegen : LoK\u00df\u2019sche T\u00e4uschung* Liest man aber den Text oder achtet man auch nur auf die Wortformen, so sieht man, dafs \u00fcberall gleiches Wort \u00fcber Wort, gleicher Buchstabe \u00fcber Buchstaben richtig steht: die LoEB'sche T\u00e4uschung bleibt aus. Wenn man sich darauf einge\u00fcbt hat, die \u2022T\u00e4uschung nach Belieben zu erzeugen, so erkennt man sofort, dafs beim Erzeugen der T\u00e4uschung das Auge f\u00fcr die Schrift \u2014 zumal f\u00fcr die der unteren die beiden fetten I enthaltenden Zeile *\u2014 nicht accomodirt. Sobald man aber zugleich mit der Schrift auch erkennt, dass die Papierebene im dreidimensionalen Raume thats\u00e4chlich eine zweidimensionale Ebene ist, auf der man die Schrift wahrnimmt, ist die T\u00e4uschung verschwunden.\nDritter Versuch: Man kann die soeben besprochene W\u00fcrdigung der Papierebene als zweidimensional unter gleichzeitigem Zum-Bewufstseinbringen des dreidimensionalen Raumes, dem sie angeh\u00f6rt, auch dadurch erzielen, dafs man statt der LoEB\u2019schen Striche oder d\u00fcnnen Streifen parallolepipedische Kl\u00f6tze, sehr dicke (hohe)M\u00fcnzen1 u. s. w. benutzt: die T\u00e4uschung kommt dann nicht zu Stande. Auch bei Anwendung der Loeb-\u00dfchen Streifen kann man die T\u00e4uschung dadurch fern halten, dafs man in ihrer N\u00e4he auf dem Blatte k\u00f6rperliche Dinge (Kl\u00f6tze, Gl\u00e4ser und Aehnliches) aufstellt, \u2014 wodurch ebenfalls die Erkennung der Ebene im dreidimensionalen Raume gew\u00e4hrleistet wird.\nAus allen diesen Versuchen ergiebt sich, dafs die Loes'scIio T\u00e4uschung nur dann entsteht, wenn f\u00fcr unser Sehen die Tischplatte, das Papierblatt so zu sagen eine Bildfl\u00e4che mit vertiefbarer Zeichnung, nicht aber eine zweidimensionale Ebene im dreidimensionalen Raume repr\u00e4sentirt Ferner: Die T\u00e4uschung bleibt aus, (Cylinderversuch) wenn die beiden seitw\u00e4rts vom Meridiane gelegenen Streifen nicht wie auf der Platte ungleich\n1 Loeb giebt an, dafs der Versuch auch mit M\u00fcnzen gelinge. Offenbar hat er nur d\u00fcnne (niedrige) M\u00fcnzen benutzt. \u2022","page":58},{"file":"p0059.txt","language":"de","ocr_de":"Dit gtometrisch-op tischen T\u00e4uschungen als Nachtoirkungen etc.\n59\nTom Auge entfernt, sondern gleichweit vom Auge (Doppelauge) entfernt sind und als auf einer gekr\u00fcmmten Fl\u00e4che liegend aufgefafst unserem r\u00e4umlichen Sehen Gen\u00fcge thun. Die T\u00e4uschung beruht also auch im LoEn\u2019schen Muster darauf, dafs wir anstatt planimetrisch zu sehen \u2014 unbewufst r\u00e4umlich sehen. Unserem bei den anderen Mustern ge\u00fcbten Vorgehen getreu, wollen wir uns veranschaulichen, welcher Art das durch die drei LoE\u00df\u2019schen Streifen gebildete perspectivische Motiv ist.\nFig. 30 giebt in Gestalt der diesseits und jenseits des dargestellten Vorplatzes aufrecht stehenden schwarzen Kl\u00f6tze das Geforderte. Man sieht hinten d. h. oben \u2014 den ersten LoE\u00df\u2019schen Streifen beiderseits verwerthet ; wir wollen diesen den \u201eRichtungsstreifen\u201c nennen. Vom \u2014 d. h. in der Zeichnung unten \u2014 sieht man wieder beiderseits als geradlinige Verl\u00e4ngerung des Richtungsstreifens den zweiten LoEB\u2019schen Streifen, den wir den \u201epr\u00fcfenden\u201c nennen wollen. Wie man sieht, l\u00e4uft die die beiden genannten Streifen verbindende Linie auf dem Papiere beiderseits parallel zur Medianlinie. Den dritten Loeb\u2019sehen Streifen, der, sei es aufsen (rechte H\u00e4lfte) \u2014 d. i. hier : rechts \u2014 vom pr\u00fcfenden Streifen, sei es innen (linke H\u00e4lfte) \u2014 hier: rechts \u2014 vom zugeh\u00f6rigen pr\u00fcfenden Streifen \u2014 und parallel zu ihm (d. h. parallel sowohl auf dem Papiere als in der gedeuteten R\u00e4umlichkeit) zu placiren ist, wollen wir als \u201einducirenden\u201c bezeichnen. Der Leser wolle \u2014 das Auge in der Medianebene des Bildes haltend, bemerken, dafs hier, in der Zeichnung, es ihm bei Unterdr\u00fcckung der stereoskopischen Deutung des Bildes leicht","page":59},{"file":"p0060.txt","language":"de","ocr_de":"60\nWilh. Filehne.\ngelingt, die Richtungsstreifen und die pr\u00fcfenden als in je einer verticalen Linie liegend zu sehen, auch wenn er rechts oder links den inducirenden Streifen erblickt. Entwickelt man dann die r\u00e4umliche Betrachtungsweise des Bildes, so sieht man sofort folgendes :\nErster Fall (rechte H\u00e4lfte des Bildes): der inducirend\u00a9 Streifen befinde sich aufsen (hier: rechts) vom pr\u00fcfenden: Der vor dem Hause befindliche, hintere Klotz (Richtungsklotz) steht im Vergleich zu dem, von rechts aus gez\u00e4hlt, vierten (st\u00e4rker markirten) pr\u00fcfenden Klotze des Vordergrundes wesentlich nach aufsen, trotz der \u2014 wie wir ja aber wiederholt gesehen haben f\u00fcr r\u00e4umliches Sehen v\u00f6llig belanglosen \u2014 zeichnerischen Pia* cirung auf ein- und derselben (zur Medianlinie parallelen) geraden Linie. Das wirkliche vis-\u00e0-vis unseres (hinteren) Richtungsklotzes ist vielmehr jener dritte Klotz (von der Ecke aus gez\u00e4hlt) im Vordergr\u00fcnde, zu welchem vom Richtungsklotze her das mit Schwellen gamirte Brett hinl\u00e4uft, welches \u2014 zeichnerisch \u2014 ein ZoELLNEE scher Stab ist. Dieses Brett ist parallel zur Medianlinie und dieser ZoELLNEBsche Stab erscheint parallel zur Medianlinie, weil er mit ihr in der Zeichnung nach oben convergirt W\u00fcrden wir also unseren pr\u00fcfenden Streifen genau um so viel nach rechts verschieben als die zur Erzeugung des Eindruckes der Parallelit\u00e4t erforderliche Abdrehung des Zoellneb\u2019sehen Streifens betr\u00e4gt, d. h. w\u00fcrden wir den LoEB\u2019schen pr\u00fcfenden Streifen an das untere Ende des Zoellnee\u2019sehen Stabes setzen, so w\u00fcrden wir die Verbindungslinie zwischen pr\u00fcfendem und Richtungsklotz, welche dann durch den ZoELLNEs\u2019schen Stab re-pr\u00e4sentirt ist, als parallel zur Medianlinie sehen : es hat also die LoEB\u2019sche T\u00e4uschung genau dieselben Betr\u00e4ge wie die Zoell* NEB\u2019sche, \u2014 was in Uebereinstimmung mit dem oben (S. 56 u. 57) erw\u00e4hnten Postulate und Befunde G. Heymans\u2019s steht.\nZweiter Fall (linke H\u00e4lfte der Zeichnung): Der in-ducirende Klotz steht nach innen (hier : rechts) vom pr\u00fcfenden: Man sieht sofort, dafs, wenn das in der Medianlinie befindlich\u00a9 Auge nach dem Richtungsklotze hinblickt, die Blicklinie den pr\u00fcfenden Klotz weit links liegen hat: wir erblicken den Richtungsklotz zwischen dem inducirenden und dem pr\u00fcfen* den Klotze: LoEB\u2019sche T\u00e4uschung. So sehen wir nun einmal im Raume, in der Wirklichkeit.","page":60},{"file":"p0061.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelismusfrage.\n63\nder Thatsache einer Wechselbeziehung zwischen physischen und psychischen Processen \u00fcberhaupt ein eigenes R\u00e4thsel stecke, verm\u00f6gen sie kaum zuzugeben ; und nur das Eine scheint nachgerade r\u00e4thselhaft zu werden, wie man je etwas R\u00e4thsel-\nhaftes darin hat finden k\u00f6nnen.\nMan mag nun \u00fcber die Streitfrage selbst urtheilen wie man\nwill, dar\u00fcber jedenfalls soll man sich freuen, dafs die Sache wieder einmal in Flufs ger\u00e4th. Denn dafs die bisherige allgemeine Parteinahme f\u00fcr den Parallelismus auf einer ebenso allgemein verbreiteten Einsicht in die strenge Durchf\u00fchrbarkeit desselben beruhen sollte, wird man kaum behaupten. In ihren Specialuntersuchungen vertieft, und in Bezug auf letzte Fragen vielfach einer gewissen Enthaltsamkeit pflegend, haben sich die experimentirenden Psychologen allm\u00e4hlich daran gew\u00f6hnt, die Thatsachen ihrer Wissenschaft im Sinne der Zwei-Seiten-Theorie zu deuten; zum Theil weil die Ergebnisse der Physiologie und der allgemeinen Naturwissenschaft nur zwischen ihr und dem jedenfalls undurchf\u00fchrbaren Materialismus die Wahl zu lassen schienen; zum Theil wegen der unleugbaren Vortheile, welche sie als Arbeitshypothese bietet; zum Theil vielleicht auch, weil sie nun einmal die Autorit\u00e4t der angesehensten Fachm\u00e4nner hinter sich hatte. Aber auch unter den H\u00e4nden dieser angesehensten Fachm\u00e4nner selbst, welche sie begr\u00fcndet und ausgebildet haben, bleibt die Zwei-Seiten-Theorie vielfach, was Stumpf sie nannte : ,,grofsartig, poetisch, verlockend \u2014 aber dunkel\u201c.1 Ihre Leistungsf\u00e4higkeit zur Erkl\u00e4rung des vorliegenden Thatbe-standes wird oft mehr per exclusionem postulirt, als auf directem Wege nachgewiesen; und die Klarheit, welche man \u00fcber sie verbreitet, ist meistentheils nur die tr\u00fcgerische Klarheit des Bildes, nicht die echte des Begriffs. So wird es denn begreiflich, was sonst doch einiges Aufsehen erregen m\u00fcfste, dafs eine Theorie, welche w\u00e4hrend eines Vierteljahrhunderts den selbstverst\u00e4ndlichen Hintergrund f\u00fcr fast alle psychologischen Untersuchungen hergab, auf einmal nicht nur von mehreren Seiten scharf angegriffen, sondern auch als \u201etheoretisch grundlos, thats\u00e4chlich undurchf\u00fchrbar, verkehrt und geradezu widersinnig\u201c dargestellt werden kann.2\n1\tBericht \u00fcber den III. internationalen Congrefs f\u00fcr Psychologie, M\u00fcnchen 1897, S. 8.\n2\tErhabdt a. a. O. S. 159.\t;","page":61}],"identifier":"lit30381","issued":"1898","language":"de","pages":"15-61","startpages":"15","title":"Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen als Nachwirkungen der im k\u00f6rperlichen Sehen erworbenen Erfahrung","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:27:21.090792+00:00"}