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{"created":"2022-01-31T12:28:58.646541+00:00","id":"lit30382","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Heymans, G.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 62-105","fulltext":[{"file":"p0062.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelismusfrage.\nVon\nG. Heymans in Groningen.\nDi\u00a9 Rede, womit Stumpf am 4. August 1896 den M\u00fcnchener Psychologencongrefs er\u00f6ffnet\u00a9, hat seitdem in ganz \u00fcberraschen* dem Mafse Anklang gefunden; von zahlreichen gelegentlichen Aeufserungen abgesehen, erschienen innerhalb des Zeitraums eines einzigen Jahres drei selbst\u00e4ndige Schriften, welche in mehr oder weniger entschiedener Weise gegen den Monismus Partei nehmen.1 Unwillk\u00fcrlich erinnert man sich des Kampfes uxn die pr\u00e4stabilirte Harmonie im vorigen Jahrhundert; wie damals gegen die Leibniz\u2019sehe Lehre, so ziehen jetzt die Vertreter des Influxus physicus in geschlossenen Reihen gegen die moderne Zwei-Seiten-Theorie ins Feld, und glauben sie mit ebenso leichter M\u00fche, wie fr\u00fcher jene, zur\u00fcckdr\u00e4ngen zu k\u00f6nnen. Wie damals entnehmen sie auch jetzt ihre Waffen vorzugsweise dem Arsenal des gesunden Menschenverstandes; sie f\u00fchren aus, wie einfach und nat\u00fcrlich, ich m\u00f6chte fast sagen, wie unschuldig ihre eigen\u00a9 Auffassung, und wie paradox diejenige der Gegner sei; sie betonen die Complication der Voraussetzungen und di\u00a9 Menge der H\u00fclfshypothesen, welche die Durchf\u00fchrung der letzteren erfordere ; und sie versuchen nachzuweisen, dafs die Gr\u00fcnde, denen zu Liebe man eine so bedenklich\u00a9 Theorie angenommen, blofs\u00a9 Himgespinnste sind ohne jede sachlich\u00a9 Bedeutung. Dafs in\n.\t1 Wentschbb, lieber physische und psychische Causalit\u00e4t und das\nPrincip des psycho physischen Parallelismus, Leipzig 1896; Ebhakdt, Die Wechselwirkung zwischen Leib und Seele, Leipzig 1897 ; H\u00f6fler, Di\u00a9 metaphysischen Theorien von den Beziehungen zwischen Leib und Seele, Wien und Prag, 1897.","page":62},{"file":"p0063.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelismusfrage.\n63\nder Thatsacbe einer Wechselbeziehung zwischen physischen und psychischen Processen \u00fcberhaupt ein eigenes R\u00e4thsel stecke, verm\u00f6gen sie kaum zuzugeben ; und nur das Eine scheint nachgerade r\u00e4thselhaft zu werden, wie man je etwas R\u00e4thsel* h&ftes darin hat finden k\u00f6nnen.\nMan mag nun \u00fcber die Streitfrage selbst urtheilen wie man will, dar\u00fcber jedenfalls soll man sich freuen, dafs die Sache wieder einmal in Flufs ger\u00e4th Denn dafs die bisherige allgemeine Parteinahme f\u00fcr den Parallelismus auf einer ebenso allgemein verbreiteten Einsicht in die strenge Durchf\u00fchrbarkeit desselben beruhen sollte, wird man kaum behaupten. In ihren Specialuntersuchungen vertieft, und in Bezug auf letzte Fragen vielfach einer gewissen Enthaltsamkeit pflegend, haben sich die experimentirenden Psychologen allm\u00e4hlich daran gew\u00f6hnt, die Thatsachen ihrer Wissenschaft im Sinne der Zwei-Seiten-Theorie zu deuten; zum Theil weil die Ergebnisse der Physiologie und der allgemeinen Naturwissenschaft nur zwischen ihr und dem jedenfalls undurchf\u00fchrbaren Materialismus die Wahl zu lassen schienen ; zum Theil wegen der unleugbaren Vortheile, welche sie als Arbeitshypothese bietet; zum Theil vielleicht auch, weil sie nun einmal die Autorit\u00e4t der angesehensten Fachm\u00e4nner hinter sich hatte. Aber auch unter den H\u00e4nden dieser angesehensten Fachm\u00e4nner selbst, welche sie begr\u00fcndet und ausgebildet haben, bleibt die Zwei-Seiten-Theorie vielfach, was Stumpf sie nannte: \u201egrofsartig, poetisch, verlockend \u2014 aber dunkel\u201c.1 Ihre Leistungsf\u00e4higkeit zur Erkl\u00e4rung des vorliegenden Thatbe-standes wird oft mehr per exclusionem postulirt, als auf directem Wege nachgewiesen; und die Klarheit, welche man \u00fcber sie verbreitet, ist meistentheils nur die tr\u00fcgerische Klarheit des Bildes, nicht die echte des Begriffs. So wird es denn begreiflich, was sonst doch einiges Aufsehen erregen m\u00fcfste, dafs eine Theorie, welche w\u00e4hrend eines Vierteljahrhunderts den selbstverst\u00e4ndlichen Hintergrund f\u00fcr fast alle psychologischen Untersuchungen hergab, auf einmal nicht nur von mehreren Seiten scharf angegriffen, sondern auch als \u201etheoretisch grundlos, thats\u00e4chlich undurchf\u00fchrbar, verkehrt und geradezu widersinnig\u201c dargestellt werden kann.2\n1\tBericht \u00fcber den III. internationalen CongrefB f\u00fcr Psychologie, M\u00fcnchen 1897, 8. 8.\n2\tErhabdt a. a. O. 8. 159.","page":63},{"file":"p0064.txt","language":"de","ocr_de":"64\n(?. Htymum.\nWas die Vertreter der Zwei-Seiten-Theorie unterlassen haben, haben die Gegner derselben in ihrer Weise gethan: sie haben sich bem\u00fcht, die Lehre, welche sie widerlegen wollten, zuerst in concreter, greifbarer Form sich gegen\u00fcberzustellen. Es ist sebr zu bedauern, dafs die Monisten es dazu haben kommen lassen. Denn die besten Ausleger einer Theorie sind doch immer diejenigen, denen dieselbe in Fleisch und Blut \u00fcbergegangen ist; zur vollen Erkenntnifs geh\u00f6rt eben Liebe. Und in Ermangelung dieser Liebe haben die Gegner, trotz redlichster Absichten, die Theorie vielfach in einer Form dargestellt und bek\u00e4mpft, in welcher sie schwer zu vertheidigen ist, und auch der eigentlichen Meinung ihrer Vertreter kaum entsprechen d\u00fcrfte.\nDiese Form ist diejenige der Spinozistischen Attributenlehre. Sie betrachtet Physisches und Psychisches als zwei coordinirte, gleich urspr\u00fcngliche und in gleichem Sinne reale, auch in gleicher Vollst\u00e4ndigkeit thats\u00e4chlich gegebene Erscheinungsreihen, welche beide unmittelbar aus der Natur des Absoluten entspringen, und nur in ihr mit einander Zusammenh\u00e4ngen. Jede dieser Reihen hat nicht nur ihre eigene Gesetzm\u00e4fsigkeit, sondern auch ihren eigenen, scharf ausgesprochenen, mit demjenigen der anderen Reihe unvergleichlichen inhaltlichen Charakter; nirgends und in keiner Weise greifen sie ineinander; und so wenig man aus ihnen etwas \u00fcber m\u00f6gliche weitere Attributen des Absoluten lernen kann, so wenig enth\u00e4lt eine derselben einen Hinweis auf das Wesen oder die Existenz der anderen. \u2014 Dem so aufgefafsten Monismus m\u00f6chte ich gewils nicht das Wort reden. In gewissem Sinne mit Recht erkl\u00e4rt Stumpf denselben f\u00fcr \u201eeinen Dualismus, wie er krasser noch niemals aufgetreten ist\u201c1: wenigstens darin stimmt er mit dem landl\u00e4ufigen Dualismus \u00fcberein, dafs er die Welt in zwei H\u00e4lften theilt, welche sich vollkommen fremd gegen\u00fcber stehen. Der Schnitt wird etwas anders gef\u00fchrt: nicht mehr zwischen sondern durch die Substanzen oder die Substanz hindurch; das ist der ganze Unterschied. Das R\u00e4thsel der Wechselwirkung heterogener Substanzen ist eliminirt, aber das R\u00e4thsel der Beziehung zwischen Wesen und Attributen ist an seine Stelle getreten ; und diese Beziehung erscheint nur deshalb leichter denkbar, weil man nicht, wie dort, einen Begriff fertig hat, unter\n1 a. a. O. S. 10.","page":64},{"file":"p0065.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelismusfrage.\n65\nwelchen man sie subsumiren will und doch nicht subsumiren kann. Ein wirkliches Verst\u00e4ndnifs des functioneilen Verh\u00e4ltnisses zwischen seelischen und leiblichen Vorg\u00e4ngen ist auf diesem Wege so wenig zu gewinnen wie auf jenem.\nDafs nun in der That die Gegner der Zwei-Seiten-Theorie fast ausnahmslos dieselbe in dieser Form sich vorgestellt und bek\u00e4mpft haben, wird sich sp\u00e4ter aus der Discussion ihrer Argumente ergeben. Die Meinung, dafs diese Form auch auf die moderne Zwei-Seiten-Theorie pafst, halte ich f\u00fcr einen fundamentalen Irrthum; zu welchem allerdings die Vertreter - dieser Theorie durch den schematischen Charakter ihrer Ausf\u00fchrungen und durch den Mifsbrauch des unseligen Bildes, dem die Theorie ihren Namen verdankt, Veranlassung gegeben haben. Dennoch w\u00e4re derselbe zu vermeiden gewesen. Wenigstens Erhardt sieht vollkommen deutlich ein, dafs die von ihm bek\u00e4mpfte Form des Monismus sich mit dem erkenntnifstheoretischen Idealismus in keiner Weise vereinigen l\u00e4fst1 ; schon daraus h\u00e4tte er folgern k\u00f6nnen, dafs dieser Monismus mit demjenigen von Fechner, Wundt, Paulsen u. A., welche sich s\u00e4mmtlich zu einer idealistischen Weltanschauung bekennen, schwerlich sich deckt. In kaum mifszuverstehender Weise tritt sodann der Gegensatz des neueren gegen den \u00e4lteren Monismus und der idealistische Charakter des ersteren hervor in den betreffenden Er\u00f6rterungen der E\u00dfBiNGHA\u00fcs\u2019schen Psychologie. \u201eUnsere Ansicht von den Beziehungen des Geistigen zu dem Materiellen behauptet, dafs allemal, wenn in einer Seele sich Gedanken, W\u00fcnsche u. dergL ereignen, und wenn gleichzeitig stattfindet, was wir in den inad\u00e4quaten Anschauungen und Ausdr\u00fccken unserer Seelen Gesehen- oder Getastetwerden nennen, dafs dann jene Gedanken und AV\u00fcnsche nicht einfach nur existiren, sondern zu gleicher Zeit als bestimmte materielle und speciell nerv\u00f6se Vorg\u00e4nge angeschaut werden oder angeschaut werden k\u00f6nnen. Diese Anschauungen existiren aber nicht f\u00fcr sich, als etwas absolut Objectives, sondern sie sind Erscheinung, d. h. sie bestehen wieder innerhalb solcher Realit\u00e4ten, die sich selbst als Seelen Vorkommen, innerhalb der die erste Seele betrachtenden n\u00e4mlich\u201c.2 Aber auch schon Fechner selbst hat, neben dem Bilde von den\n1\ta. a. O. S. 37, 107-110, 112, 125-126, 152.\n2\tEbbinghaus, Grundz\u00fcge der Psychologie I, Leipzig 1897, S. 46.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XVII.\t5","page":65},{"file":"p0066.txt","language":"de","ocr_de":"06\nkG. Hermans.\nzwei Seiten, das ungleich mehr aufkl\u00e4rende von der Ptolem&i-schen und Copemicanisehen Weltbetrachtung aufgestellt, welches in unzweideutiger Weise den Unterschied der \u201ebeiden Welten\u201c auf denjenigen zweier menschlicher Betrachtungsweisen eines identischen gegebenen Thatbestandes zur\u00fcckf\u00fchrt1 Wenn man dieses Bild scharf im Auge behalten h\u00e4tte, so w\u00e4re f\u00fcr weit-tragende Mifsverst\u00e4ndnisse die Th\u00fcr geschlossen geblieben.\nIch beabsichtige nun im Folgenden nicht viel mehr, als diese von Fechner und Ebbinghaus gegebenen Andeutungen etwas weiter auszuarbeiten. Die Lehre, welche sich dabei er-giebt, und auf welche mir die Thatsachen in unverkennbarer Weise hinzuweisen scheinen, ist Monismus, insofern sie die einheitliche Natur des Wirklichen anerkennt, Parallelismus, insofern sie die Nothwendigkeit begr\u00fcndet, dieses Wirkliche in zwei parallele, in sich geschlossene Reihen gesetzm\u00e4fsig geordnet zu denken. F\u00fcr die weiteren Bestandteile der \u00e4lteren monistischen Theorien kann sie allerdings die Verantwortlichkeit nicht auf sich nehmen. Sollte sich dagegen heraussteilen, dafs sie sich mit der angeblichen Wechselwirkungstheorie, welche Erhardt allem Monismus gegen\u00fcberstellt, am Ende ziemlich nahe ber\u00fchrt, so brauchte das nicht einmal sehr Wunder zu nehmen. Denn wie ganz verschiedene Zahlencombinationen m\u00f6glicher Weise schliefslich den n\u00e4mlichen Werth ergeben, so kann auch in Formeln, welche ein ganz verschiedenes Aussehen haben, die n\u00e4mliche Wahrheit sich verstecken. Und diese M\u00f6glichkeit wird zur Wahrscheinlichkeit, wenn sich die betreffende Wahrheit aus entgegengesetzten, jeder seinen eigenen Begriffsapparat mit sich f\u00fchrenden Irrth\u00fcmern durch allm\u00e4hliche Umbildung und Anpassung entwickelt hat.\nAls allgemein anerkannte Thatsache darf wohl vorausgesetzt werden, dafs das gesammte Material, aus welchem wir unsere Erkenntnifs aufbauen, uns nur als Bewufstseinsinhalt gegeben ist und gegeben sein kann. Alles Aufserbewufste ist erschlossen ; letzter Ausgangspunkt des Denkens ist \u00fcberall eine in stetigem Wechsel begriffene Vielheit von Empfindungen, Vorstellungen, Gef\u00fchlen, Urtheilen, Bestrebungen: s\u00e4mmtlich psychische, das Merkmal der Bewufstheit nothwendig in sich enthaltende Er-\n1 Fechner, Elemente der Peyeliophysik I, Leipzig 1860, S. 3.","page":66},{"file":"p0067.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Para\u00fc\u00e9litmutfragt.\n67\n\u00abcheinungen. In dem Wechsel dieser Erscheinungen entdecken wir nun zun\u00e4chst innere Gesetzm\u00e4fsigkeiten : bestimmte Inhalte treten nur auf, wenn bestimmte andere vorhergegangen sind, und zeigen sich in ihren specifischen Merkmalen von jenen ^durchaus abh\u00e4ngig. Fr\u00fchere Vorstellungen erneuern sich unter genau angebbaren Bedingungen ; Schlufsfolgerungen entstehen aus Pr\u00e4missen, mit denen sie nach festen Gesetzen Zusammenh\u00e4ngen; an Empfindungen oder Wahrnehmungen bestimmter Natur kn\u00fcpfen sich regelm\u00e4fsig Lust- oder Unlustgef\u00fchle; Bestrebungen setzen Motive voraus, welche ihre Richtung und ihre Intensit\u00e4t bestimmen. Aus solchen Erfahrungen, welche zu jeder Stunde unseres Lebens sich uns aufdr\u00e4ngen, abstrahiren wir die psychischen Gesetze, und bilden wir den Begriff einer psychischen Causalit\u00e4t. \u2014 Nun giebt es aber eine Klasse von Bewusstseinsinhalten, deren Auftreten sich einer solchen Ge-setzm\u00e4fsigkeit nicht unterordnet : die Empfindungen und die aus Empfindungen zusammengesetzten Wahrnehmungen kommen und gehen ohne die Spur einer regelm\u00e4fsigen Verbindung mit \u2022vorhergehenden Bewufstseinsinhalten. Das Causalprincip n\u00f6thigt uns jedoch, f\u00fcr jede neu auftretende Erscheinung eine Ursache vorauszusetzen ; und da diese Ursache innerhalb des Bewufstseins nicht zu finden ist, setzen wir sie folgerichtig aufserhalb desselben. So gelangen wir zum Begriff einer Welt aufserhalb des Bewufstseins, und wir finden bald Gr\u00fcnde anzunehmen, dafs auch in dieser Welt feste Gesetze herrschen. Unter bestimmten, willk\u00fcrlich herzustellenden Bedingungen (welche wir, lange nachdem wir sie zu beherrschen gelernt haben, unter den Begriff der Adaptation unserer Sinnesorgane im weitesten Sinne zusammenfassen) findet n\u00e4mlich der successive Eintritt verschiedener Empfindungscomplexe ins Bewufstsein nach bestimmten Regeln statt, welche uns gestatten, aus den vorhergehenden die nachfolgenden im Voraus zu bestimmen. Dafs wir es hier nicht mit einer psychischen, innerhalb unseres Bewufstseins sich abspielenden Gesetzm\u00e4fsigkeit zu thun haben, erkennen wir aus dem Umstande, dafs ihre Verwirklichung sich von dem that-s\u00e4chlichen Eintritt der durch sie verbundenen Empfindungscomplexe ins Bewufstsein vollkommen unabh\u00e4ngig erweist ; haben wir z. B. erfahren, dafs unter jenen g\u00fcnstigen Bedingungen die Wahrnehmungen ab c d e f regelm\u00e4fsig in dieser\nOrdnung ins Bewufstsein treten, so erscheinen e f auch dann\n6*","page":67},{"file":"p0068.txt","language":"de","ocr_de":"68\nG. Hey mans.\nnach a 6, wenn wir, in Folge des zeitweiligen Fehlens jener Bedingungen, cd nicht wahrgenommen haben. Indem wir solche Erfahrungen verallgemeinern, lernen wir schliefslich die s\u00e4mmt-lichen w\u00e4hrend beliebiger Zeit in unser Bewufstsein eintretenden Wahrnehmungen als Bruchst\u00fccke eines umfassenden Zusammenhangs aufzufassen, den wir vollst\u00e4ndig im Bewufstsein haben w\u00fcrden, wenn es m\u00f6glich w\u00e4re, jene Bedingungen immer in denkbar h\u00f6chster Vollkommenheit zu verwirklichen, von welchem uns jedoch thats\u00e4chlich nur ein verschwindend geringer Theil gegeben ist. Diesen Zusammenhang m\u00fcssen wir demnach als einen in jener Welt aufserhalb unseres Bewufstseins begr\u00fcndeten, nur gelegentlich und st\u00fcckweise in unser Bewufstsein sich abspiegelnden, auffassen; auf ihn bezieht sich der Begriff der physischen Causalit\u00e4t; und die Erforschung der ihn con-stituirenden Gesetze bildet die Aufgabe der Naturwissenschaft.\nEs gilt mm zun\u00e4chst, eine einfache aber fundamentale, auf den Erkenntnifswerth dieser Naturwissenschaft sich beziehende Wahrheit, welche leicht zugegeben aber noch leichter vergessen zu werden pflegt, scharf ins Auge zu fassen, und bei den nachfolgenden Untersuchungen fortw\u00e4hrend sich gegenw\u00e4rtig zu behalten. So wie die Naturwissenschaft das Dasein eines Aufserbewufsten nur durch seine gegebenen Wirkungen ins Bewufstsein erkennt, so vermag sie auch das Wesen desselben in keiner anderen Weise als durch die Gesammtheit seiner m\u00f6glichen Wirkungen ins Bewufstsein zu bestimmen. In Bezug auf die \u201esecund\u00e4ren\u201c sinnlichen Qualit\u00e4ten, welche noch vom nat\u00fcrlichen Denken den Dingen selbst beigelegt werden, hat diese Wahrheit l\u00e4ngst allgemeine Anerkennung gefunden ; dafs sie auch f\u00fcr die \u201eprim\u00e4ren\u201c, geometrisch-mechanischen Qualit\u00e4ten gilt, lehrt eine einfache Analyse derselben. Was meinen wir z. B. damit, wenn wir einem Dinge einen bestimmten Ort zuschreiben? welche Thatsachen werden in diesen Worten beschrieben, welches Wissen gelangt darin zum Ausdruck? Doch wohl kein anderes als dieses: dafs im bewufsten Gesichtsfeld das von dem Dinge erzeugte Bild zwischen den von anderen Dingen erzeugten Bildern eine bestimmte Stelle einnimmt, oder dafs das Ding bestimmte, unmittelbar oder durch den optischen Eindruck bewufste Bewegungen hemmt oder erschwert1 Aus\n1 Die Frage nach dem Ursprung unserer Raum vorstell ungen braucht","page":68},{"file":"p0069.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Para\u00fcd\u00fcmusfrage.\n69\nsolchen bewufsten Erfahrungen entsteht nicht nur unsere Ortsvorstellung, sondern sie bilden auch den ganzen Inhalt derselben; wenn wir aufgefordert werden, an einen bestimmten Ort zu denken, so reproduciren wir eben diese Erfahrungen in bestimmter Modification, nur mit dem Nebengedanken, dafs das thats\u00e4chliche Vorkommen derselben Ursachen aufserhalb unseres Bewusstseins voraussetzen w\u00fcrde. Allerdings verschmilzt in unserem Denken der unbestimmte Begriff dieser Ursachen mit der bestimmten Vorstellung jener Erfahrungen, dem zu Folge wir uns leicht einbilden, in diesen das eigene Wesen jener schon miterfafst zu haben. In gleicher Weise glaubt jedoch auch der Ungebildete, in den Farben- und Tonvorstellungen das eigene Wesen der sie verursachenden \u00e4ufseren Processe zu erkennen; wie in diesem, so liegt auch in jenem Fall eine unschwer zu erkl\u00e4rende, aber in keiner Weise zu rechtfertigende Urtheilst\u00e4uschung vor. Nicht anders verh\u00e4lt es sich mit den weiteren naturwissenschaftlichen Grundbegriffen. Wenn wir einem Dinge eine bestimmte Gestalt und Gr\u00f6fse beilegen, so wird dadurch sein Verm\u00f6gen zur Hervorbringung jener Wirkungen, welche der Ortsbestimmung zu Grunde liegen, nur genauer pr\u00e4cisirt; schreiben wir ihm Bewegung zu, so will das nur sagen, dafs die Art seines betreffenden Wirkens eine con-tinuirliche Ver\u00e4nderung erleidet; und reden wir von den ihm zukommenden Kr\u00e4ften, so denken wir dabei entweder an den Widerstand, den es unseren bewufsten willk\u00fcrlichen Bewegungen entgegensetzt, oder an die bewufsten Wahrnehmungen, welche es in Verbindung mit anderen, gleichfalls nur in ihren Wirkungen gegebenen Dingen in uns erzeugt. Gehen wir schliefslich von dem zusammengesetzten Dinge auf seine einfachen Bestandteile, auf die Atome zur\u00fcck, so lassen sich auch diese nur wieder durch Wirkungen bestimmen, welche aus denen, die wir von den K\u00f6rpern erfahren, abstrahirt sind, und nur der Gr\u00f6fse nach davon verschieden gedacht werden. Kurz, alle naturwissenschaftliche Begriffsbestimmungen haben ausschliefslich relative Bedeutung; die Beziehung auf ein m\u00f6gliches Bewufstsein ist in denselben als eine notwendige Voraussetzung mitenthalten. Und so wenig wir aus der Curve auf\nhier nicht n\u00e4her er\u00f6rtert zu werden; vgl. dar\u00fcber meine Gesetze und Elemente des wissenschaftlichen Denkens, Leiden und Leipzig 1890\u201494.","page":69},{"file":"p0070.txt","language":"de","ocr_de":"70\nG. Hey mans.\ndem Registrirapparat ohne weitere Daten die Natur der Vorg\u00e4nge ableiten k\u00f6nnen, deren Verlauf sie bestimmt, so wenig k\u00f6nnte selbst die vollendete Naturwissenschaft, aus den Wirkungen ins Bewufstsein welche sie registrirt, von der eigenen Natur der aufserbewufsten wirkenden Agentien auch nur das Geringste erkennen.\nIn diesen S\u00e4tzen liegt, soweit ich sehe, nichts Hypothetisches ; sie enthalten nur die m\u00f6glichst exacte, durch den Inhalt der Erfahrung und die Principien des causalen Denkens vorgeschriebene Formuhrung des gegebenen Thatbestandes. Dennoch sind darin die Keime des Parallelismus schon mitenthalten. Wenn n\u00e4mlich die Gesammtheit der unter den Begriff der Natur zusammengefafsten Erscheinungen nichts weiter ist als das System der m\u00f6glichen Einwirkungen, welche wir unter bestimmten Bedingungen von den wirklichen, aufserhalb unseres Bewufstseins sich abspielenden Processen erleiden k\u00f6nnten ; und wenn ferner* wie das Causalprincip fordert, jedem wirklichen Processe unter diesen Bedingungen ein genau bestimmter Complex solcher m\u00f6glicher Einwirkungen entspricht, so mufs auch die abgeleitete* secund\u00e4re Reihe jener Naturerscheinungen der prim\u00e4ren Reihe der wirklichen Processe parallel verlaufen; d. h. zwischen der uns verborgenen Causalit\u00e4t des Wirklichen und der uns gegebenen Gesetzm\u00e4fsigkeit der Natur, als welche sich jene ins Bewufstsein projectirt, mufs eine durchgehende Correspondenz stattfinden. Diese Folgerungen, mit welchen wir noch immer das Gebiet des Hypothetischen nicht betreten haben, f\u00fchren uns bis an die Schwelle der monistischen Lehre; sie liefern das Schema, in welches jene Lehre die Gesammtheit der gegebenen Erscheinungen zu ordnen versucht Sobald Thatsachen entdeckt werden, welche uns zur Frage veranlassen, ob vielleicht in den psychischen Vorg\u00e4ngen Glieder jener bisher unbestimmt gelassenen prim\u00e4ren Reihe gegeben seien, wird di\u00a9 Schwelle \u00fcberschritten.\nSolche Thatsachen sind nun in der That entdeckt worden; ich will sie zun\u00e4chst in der Sprache des nat\u00fcrlichen Denkens kurz andeuten, sodann mit R\u00fccksicht auf die vorhergehenden Er\u00f6rterungen genauer zu formuliren versuchen. Die Physiologie stellt fest, dafs einige, und macht wahrscheinlich, dafs alle mein\u00a9 Bewufstseinsvorg\u00e4nge aufs Engste mit gewissen materiellen Processen innerhalb meines Gehirns Zusammenh\u00e4ngen. Vollkommen","page":70},{"file":"p0071.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Paralidismusfrage.\n71\nklar liegt dieses Verh\u00e4ltnifs am Tage bei denjenigen psychischen Erscheinungen, welche meinen Verkehr mit der Aufsenwelt im weiteren Sinne vermitteln, bei den Empfindungen und Bewegungsvorstellungen : jene sind mit sensorischen, normal durch \u00e4ufsere Reize verursachten, diese mit motorischen, normal k\u00f6rperliche Bewegungen nach sich ziehenden Gehimerregungen gesetzlich verbunden. Bafs von den sonstigen psychischen Erscheinungen (Erinnerungen, Urtheilen, Gef\u00fchlen u. s. w.) Analoges gilt, kann in indirecter Weise wenigstens sehr wahrscheinlich gemacht werden. Umfang und Intensit\u00e4t des psychischen Lebens scheinen im Grofsen und Ganzen der Gehimentwickelung proportional zu gehen; Gehimerkrankungen bedingen St\u00f6rungen auch in den h\u00f6heren psychischen Functionen; mit anatomischen Ver\u00e4nderungen im Gehirn gehen schwerere, in das ganze psychische Leben eingreifende Geisteskrankheiten einher. Soviel wenigstens darf aus alledem geschlossen werden, dafs innerhalb weiter Grenzen Himprocesse und Bewufstseinserscheinungen functionell mit einander Zusammenh\u00e4ngen ; die Art dieses functionellen Zusammenhanges, ob derselbe causal oder nicht causal, direct oder indirect zu \u2022 denken ist, bleibt dabei vorl\u00e4ufig v\u00f6llig dahingestellt Wie haben wir nun dieses Resultat, mit R\u00fccksicht auf die obigen, f\u00fcr einen Augenblick aufser Betracht gelassenen Er\u00f6rterungen genauer zu formuliren ? Von dem eigenen Wesen jenes aufserbewufsten Vorganges, den wir Himprocefs nennen, wissen wir ebensoviel wie von dem eigenen Wesen aller anderen aufserbe wufsten Vorg\u00e4nge, d. h. absolut nichts. Wir wissen nur (oder k\u00f6nnten im g\u00fcnstigsten Fall wissen), wTie er aussehen, sich anf\u00fchlen w\u00fcrde u. s. w., d. h. wie er, durch Vermittlung der Sinnesorgane, ins Bewufstsein wirkt; in der That meinen wir mit dem Worte Hirnprocefs nichts weiter als \u201edasjenige welches so und so wahrgenommen werden, also ins Bewufstsein wirken k\u00f6nnte\u201c. Wenn wir also sagen, dafs mit bestimmten Bewufstseins-processen regelm\u00e4fsig bestimmte Hirnprocesse einhergehen, so kann das nur heifsen: so oft jene Bewufstseinsproeesse Vorkommen, sind reale Vorg\u00e4nge gegeben, welche unter g\u00fcnstigen Adaptationsverh\u00e4ltnissen1 bestimmte\n1 Mit diesen Worten bezeichne ich hier und im Folgenden die Ge-saimntheit der positiven und negativen Bedingungen, welche gegeben sein m\u00fcfsten, um eine genaue und ersch\u00f6pfende Wahrnehmung des funktioniren-den Gehirns zu .erm\u00f6glichen. Dafs die Wissenschaft diese Bedingungen","page":71},{"file":"p0072.txt","language":"de","ocr_de":"72\nG. Hey mam.\nHirnprocefs Wahrnehmungen ins Bewufstsein er* zeugen w\u00fcrden. Weiter als bis zu dieser Einsicht f\u00fchren uns eben die vorliegenden Daten nicht.\nDer Grundgedanke des neueren Monismus ist nun einfach dieser: dafs jene realen, nicht wahr ge nommenen sondern vorausgesetzten, ihrem eigenen Wesen nach v\u00f6llig unbestimmt gelassenen Vorg\u00e4nge, welche unter g\u00fcnstigen Adaptations Verh\u00e4ltnissen Hirnprocefs Wahrnehmungen erzeugen, von den entsprechenden Bewufstseinsprocessen nicht verschieden, sondern damit identisch sind. Allerdings ist diese Auffassung des vorliegenden Thatbestandes nicht die einzig m\u00f6gliche: es k\u00f6nnte ja sein, dafs jene realen Vorg\u00e4nge nicht selbst psychischer Natur w\u00e4ren, sondern die psychischen Erscheinungen nur in einer hypothetischen Seelensubstanz, auf welchen sie einwirkten, hervorriefen. Dafs aber jene erste Auffassung di\u00a9 einfachere und n\u00e4herliegende ist, wird man ohne Schwierigkeit einsehen, wenn man sich den Fall in abstracter Formulirung vor Augen stellt. Wenn wir zwei Reihen von Erscheinungen at a% er g .... und bv b2 b^ .... kennen, und finden, dafs, so oft ein Glied der ersteren Reihe unter der Bedingung c gegeben ist, das entsprechende Glied der anderen Reihe ein-tritt, so geben wir in Ermangelung weiterer Daten zwar die M\u00f6glichkeit zu, dafs beide Reihen nur durch eine unbekannte dritte Zusammenh\u00e4ngen sollten, wir versuchen aber zuerst, ob wir mit der Annahme einer directen Causalbeziehung nicht aus-kommen k\u00f6nnen. Genau so liegt aber die Sache hier. Wir haben die Reihe der psychischen Erscheinungen a und die Reihe der Himprocefswahmehmungen b ; und wir halten es f\u00fcr wahrscheinlich, dafs, so oft ein a unter g\u00fcnstigen Adaptationsverh\u00e4ltnissen (c) gegeben w\u00e4re, das entsprechende b sofort auftreten w\u00fcrde ; f\u00fcr die Erkl\u00e4rung dieses Thatbestandes scheint die M\u00f6glichkeit, dafs die psychischen Erscheinungen in Verbindung mit den g\u00fcnstigen Adaptationsverh\u00e4ltnissen die Ursache der\nnoch nur ausnahmsweise und sehr unvollst\u00e4ndig zu verwirklichen vermag, braucht w\u2019ohl nicht bemerkt zu werden. Dagegen bitte ich zu beachten, dafs nach dem Vorhergehenden auch diese Bedingungen selbst wieder nicht in ihrem eigenen Wesen, sondern nur in ihren bewuf8ten Wirkungen erkannt werden; was im Folgenden nicht jedesmal wiederholt, aber fortw\u00e4hrend vorausgesetzt wird.","page":72},{"file":"p0073.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelism\u00bb*frage.\n73\nHirnprocefswahrnehmungen seien, an erster Stelle Ber\u00fccksichtigung zu verdienen.\nIch mache hier einen Augenblick Halt, und bitte den Leser, sorgf\u00e4ltig zu \u00fcberlegen, ob es mit dieser letzten Folgerung seine Richtigkeit hat. Es str\u00e4ubt sich in uns etwas dagegen, und wir werden sogleich sehen, was sich dagegen str\u00e4ubt. Zun\u00e4chst gilt es aber, deutlich einzusehen, dafs die in der vorigen Alinea gegebene Vorstellung wirklich der Sachlage entspricht. Es verh\u00e4lt sich buchst\u00e4blich so : von demjenigen, welches wir als Hirn-procefs wahrnehmen oder vorstellen , wissen wir nichts weiter, als dafs es eben diese Wahrnehmung erzeugt, und unter anderen Bedingungen andere, gleichfalls bestimmte Wahrnehmungen erzeugen w\u00fcrde. Man wird freilich meinen, wir w\u00fcfsten mehr davon; n\u00e4mlich es liege der Himprocefswahrnehmung eben der reale Hirnprocefs zum Grunde. Wenn aber richtig ist, was ich oben ausf\u00fchrlich nachzuweisen versucht habe, dafs das Aufser-bewufste sich nur durch seine directen oder indirecten Wirkungen ins Bewusstsein bestimmen l\u00e4sst, so kommen wir damij um keinen Schritt weiter; \u201eder reale Hirnprocefs\u201c bedeutet dann eben nichts weiter als \u201edie reale Ursache der gegebenen Hirnprocefs-wahraehmung\u201c. Aber, wird man einwenden, wenn ich hypothetisch mir einen realen Procefs denke, der dem vorgestellten Processe- in allen wesentlichen St\u00fccken gleicht, so kann ich daraus doch manche gegebene Wirkungen erkl\u00e4ren, und also auf indirectem Wege die Richtigkeit meiner Hypothese nachweisen. Jedoch auch mit dieser Argumentation dreht man sich im Kreise herum. Jene dem vorgestellten Procefs entnommenen Merkmale, welche dem realen Processe zuerkannt werden, bezeichnen eben nichts weiter als das Verm\u00f6gen des letzteren, bestimmte Wirkungen auszu\u00fcben; und es versteht sich, dafs man, nachdem man dem realen Processe dieses Verm\u00f6gen beigelegt hat, daraus die betreffenden Wirkungen ableiten kann. Das eigene Wesen des realen Processes, welcher unter geeigneten Umst\u00e4nden eine Himprocefswahrnehmung hervorbringt, l\u00e4fst sich demnach auf diesem Weg\u00a9 nicht bestimmen; und die Identification desselben mit dem zugeordneten psychischen Vorgang bleibt, unter dem Vorbehalte n\u00e4herer Untersuchung, eine methodisch gerechtfertigte Annahme.\nTrotz alledem hat diese Annahme einen paradoxen Anstrich; wie oben bemerkt wurde, es str\u00e4ubt sich in uns etwas dagegen.","page":73},{"file":"p0074.txt","language":"de","ocr_de":"74\nGr. Heywans.\nWir wollen nachsehen, was dieses Etwas ist, und ob es Beachtung verdient. Die Paradoxie entsteht, wie ich glaube, haupts\u00e4chlich daraus, dafs wir mehr oder weniger bewufst folgenderweise argumentiren : \u201eDer psychische Vorgang soll also das reale Substrat etwa der optischen Himprocefswahmehmung sein?\u2018Aber wir wissen doch, dafs diese Wahrnehmung durch Vermittlung reflectirter Lichtstrahlen zu Stande kommt; nun ist aber die Reflection des Lichts ein physischer Vorgang, der immer von physischen K\u00f6rpern ausgeht, und auch nothwendig solche voraussetzt. Wie dagegen ein psychischer Vorgang Licht reflectiren sollte, l\u00e4fst sich gar nicht denken!\u201c \u2014 In dieser Argumentation, so einleuchtend sie scheint, liegt aber wieder das alte Mifsver-st\u00e4ndnifs. Allerdings erfordert die Lichtreflection physische K\u00f6rper; das heifst aber nach dem Vorhergehenden blofs: si\u00a9 erfordert ein Wirkliches, welches als physischer K\u00f6rper wahrgenommen wird. Nach der vorliegenden Hypothese ist aber der psychische Vorgang auch ein solches Wirkliche; eben dieses, dafs der psychische Vorgang als functionirendes Gehirn wahrgenommen wird, hatte sie ja behauptet Dadurch\u00bb dafs etwas sinnlich als physischer K\u00f6rper wahrgenommen wird, ist aber seine eigene Natur noch keineswegs bestimmt; und nichts hindert, wenn die Thatsachen darauf hinweisen sollten, sich diese eigene Natur als eine psychische zu denken.\nDamit w\u00e4ren also hoffentlich einige vorl\u00e4ufige Hindernisse, welche das Verst\u00e4ndnis der monistischen Hypothese erschweren k\u00f6nnten, beseitigt Da nun nach dem Vorhergehenden diese Hypothese die einfachste und zun\u00e4chstliegende ist, verdient si\u00a9 an erster Stelle untersucht zu werden. Wir versuchen zun\u00e4chst, sie in einige ihrer wichtigsten Consequenzen zu entwickeln, und speciell die Frage zu beantworten, in welchem Sinne nach ihr von einem Parallelismus zwischen psychischen und physischen Erscheinungen die Rede sein kann. Dabei beschr\u00e4nken wir uns vorl\u00e4ufig auf das Verh\u00e4ltnifs zwischen psychischen Vorg\u00e4ngen und Himprocefswahmehmungen, um sp\u00e4ter nachzusehen, inwiefern das hier zu Findende eine weitergehende Anwendung er-fordern oder erlauben sollte.\nDa ist denn vor Allem zu bemerken, dafs nach der aufgestellten Hypothese zwar jedem psychischen Vorgang eine bestimmte Himprocefswahmehmung als seine m\u00f6gliche indirecte","page":74},{"file":"p0075.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelism u$fragt.\n75\nWirkung entspricht oder zugeordnet ist, dafs aber keineswegs, so oft ein psychischer Vorgang sich abspielt, die entsprechende Himprocefswahmehmung auch thats\u00e4chlich gegeben sein mufs. Vielmehr geh\u00f6ren dazu ganz bestimmte Bedingungen: eben diejenigen, welche wir unter dem Begriff der g\u00fcnstigen Adaptationsverh\u00e4ltnisse zusammengefafst haben, also beispielsweise eine \u00e4ufsere Lichtquelle, ein Beobachter mit normal functionirenden und richtig adaptirten Sinnesorganen, Entfernung undurchsichtiger bedeckender Theile u. s. w. Factisch sind diese Bedingungen so gut wie niemals vollst\u00e4ndig realisirt (und zwar ebensowenig f\u00fcr einen fremden Beobachter wie f\u00fcr das Subject der psychischen Vorg\u00e4nge selbst); aber wir wissen, dafs solches an \u00e4ufseren, relativ zuf\u00e4lligen Umst\u00e4nden liegt und mit diesen sich \u00e4ndern w\u00fcrde; und wir sind demzufolge vollkommen dazu berechtigt, neben der realen Reihe der psychischen Vorg\u00e4nge eine ideale Reihe von HimprocefsWahrnehmungen uns vorzustellen oder zu denken, denen an und f\u00fcr sich blofs M\u00f6glichkeit im physikalischen Sinne, d. h also bedingungsweise Wirklichkeit zukommt. \u2014 Des Weiteren sind nun die Glieder dieser beiden Reihen, sofern sie verwirklicht werden, sainmt und sondersBewufstseinserscheinungen; und es kann selbst eine identische Bewufstseinserscheinung sowohl als der einen wie als der anderen Reihe zugeh\u00f6rig betrachtet werden. Gesetzt es w\u00e4re ein Instrument erfunden, welches uns gestattete in den Sch\u00e4del eines Anderen hineinzuschauen, so w\u00fcrde, wenn A die Himprocesse von R, und B gleichzeitig diejenigen von C beobachtet, die bewufste Wahrnehmung von B sich zu derjenigen von A wie ein Glied der ersten zu einem Gliede der zweiten Reihe, zu derjenigen von C dagegen wie ein Glied der zweiten zu einem Gliede der ersten Reihe verhalten. Es besteht deim nach zwischen den Gliedern der beiden Reihen keineswegs eine inhaltliche Heterogeneit\u00e4t ; sondern die specifische Natur der einen l\u00e4fst sich nicht anders als durch ihre Beziehung zu den anderen bestimmen. Und zwar so: jedem beliebigen (sagen wir kurz prim\u00e4ren) psychischen Vorg\u00e4nge in einem bestimmten Bewufstsein entspricht ein m\u00f6glicher secund\u00e4rer psychischer Vorgang in einem anderen oder auch dem n\u00e4mlichen Bewufst-sein1, welcher sich zu jenem wie die durch die Wirksamkeit der\n1 Mit Unrecht, wie ich glaube, wird oft der wesentliche Unterschied der beiden Reihen auf denjenigen der Erscheinungsweisen fttr das eigene","page":75},{"file":"p0076.txt","language":"de","ocr_de":"76\nG. Reymans,\nSinnesorgane vermittelte Wirkung zur Ursache verh\u00e4lt Es hindert nun offenbar nichts, dafs solch ein secund\u00e4rer psychischer Vorgang selbst wieder als Hirnprocefs wahrgenommen w\u00fcrde, und also in dieser Beziehung gleichzeitig ein prim\u00e4rer psychischer Vorgang w\u00e4re, und so fort ins Unendliche. \u2014 Schliefslich ist, nach dem Vorhergehenden, jeder secund\u00e4re Vorgang durch den entsprechenden prim\u00e4ren, als durch seine unter constanten Bedingungen wirkende Ursache, vollkommen bestimmt; sofern demnach die prim\u00e4ren Vorg\u00e4nge nach festen Gesetzen verlaufen, mufs das Gleiche von den secund\u00e4ren Vorg\u00e4ngen gelten. Indem aber die Gesetze der prim\u00e4ren Reihe den Zusammenhang der betreffenden Vorg\u00e4nge selbst, diejenigen der secund\u00e4ren Reihe den Zusammenhang bestimmter indirecter Wirkungen derselben zum Ausdruck bringen, m\u00fcssen f\u00fcr beide Gebiete zwar parallel verlauf ende, jedoch inhaltlich verschiedene Gesetze herrschen. Parallel m\u00fcssen die Gesetze verlaufen, weil die gesetzm\u00e4fsige Verbindung der prim\u00e4ren Vorg\u00e4nge a und b auch eine gesetzm\u00e4fsige Verbindung der von ihnen unter constanten Bedingungen hervorgebrachten Wirkungen, welche wir etwa durch F(a) und F(b) vorstellen k\u00f6nnen, mit sich f\u00fchrt ; inhaltlich m\u00fcssen sie verschieden sein, weil eben die Ursachen etwas anderes sind als die Wirkungen. Dafs es sich so verh\u00e4lt, wird auch durch die Erfahrung best\u00e4tigt: in der secund\u00e4ren Reihe folgt auf die Wahrnehmung eines bestimmten Himprocesses nach physisch-physiologischen Gesetzen die Wahrnehmung eines anderen Himprocesses; in der prim\u00e4ren Reihe folgt auf die n\u00e4mliche Wahrnehmung nach psychologischen Gesetzen etwa eine associirte Vorstellung oder ein Urtheil. In dieser Verschiedenheit der herrschenden Gesetze, und nicht\nund f\u00fcr ein fremdes Bewufstsein zur\u00fcckgef\u00fchrt. Factisch kann ein Fremder so wenig in mein Gehirn hineinschauen wie ich selbst, und in beiden F\u00e4llen sind die Hindernisse blofs praktischer Natur; es ist sehr denkbar, dafs die Wissenschaft, sowie jetzt schon Wahrnehmung der eigenen Herz-th\u00e4tigkeit, einmal auch Wahrnehmung der eigenen Gehimth\u00e4tigkeit in\u00f6g lieh macht. Der wesentliche Unterschied ist derjenige zwischen directem Bewufstsein des psychischen Vorgangs, und Bewufstsein einer durch die Sinnesorgane vermittelten Wirkung desselben. K\u00f6nnte ich die eigene Ge* hirath\u00e4tigkeit sinnlich wahmehmen, so h\u00e4tte ich doch immer noch eine physische, weil durch Lichtstrahlen und Sinnesfunction vermittelte, also direct durch ein Aufserbewufstes, und blofs indirect durch eigene Bewufst-SeinsVorg\u00e4nge verursachte Wahrnehmung.","page":76},{"file":"p0077.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelhmu*frage.\n77\nin einer angeblichen Verschiedenheit der einzelnen Elemente, liegt die vielbehauptete Heterogeneit\u00e4t der beiden Reihen; auf sie beruht auch der abgeschlossene Charakter jeder Reihe gegen\u00fcber der anderen. Zwischen den sich entsprechenden Gliedern beider Reihen besteht eben ein complicirtes, durch die Natur des sinnlichen Wahmehmungs-processes bestimmtes functionelles Verh\u00e4ltnifs; wollte man ein Glied der einen Reihe zwischen die unmittelbar vorhergehenden und nachfolgenden Glieder der anderen Reihe hineinf\u00fcgen, so h\u00e4tte man f\u00fcr den dahingeh\u00f6rigen Werth eine complicirte Function desselben gesetzt, und die Gesetzm\u00e4fsigkeit der Reihe w\u00e4re zerst\u00f6rt. \u2014 Man kann sich diese Verh\u00e4ltnisse ungemein durchsichtig machen mit H\u00fclfe einer mathematischen Analogie. Man denke sich eine lange Reihe unter einander geschriebener Zahlen, deren jede folgende aus der vorhergehenden nach einem festen Gesetze gewonnen ist, also etwa die Reihe der nat\u00fcrlichen Zahlen; sodann neben jeder Zahl eine andere, welche aus derselben durch Multiplication mit einem constanten Factor p sich ergiebig Man hat dann zwei Reihen; jede besteht aus Zahlen; jedes Glied der einen Reihe ist eine bestimmte Function des entsprechenden Gliedes der anderen Reihe. Aber eben deshalb gilt f\u00fcr beide Reihen ein verschiedenes Entwickelungsgesetz : in der einen entsteht jede Zahl aus der vorhergehenden nach der Formel Zn +1 = Zn -f- 1, in den anderen nach der Formel Z% 4-1 = Zn -f- p. Eine Zahl der einen Reihe kann demnach ganz wohl auch in der anderen Reihe Vorkommen, aber nur an einer verschiedenen Stelle; wollte man dagegen eine Zahl der einen Reihe durch die entsprechende Zahl der anderen Reihe ersetzen, so w\u00e4re damit die in jener herrschende Gesetzm\u00e4fsigkeit aufgehoben. \u2014 Auch physikalische Analogien lassen sich ohne M\u00fche finden. Man denke sich etwa den Fall, dafs irgend eine Reihe von Vorg\u00e4ngen einmal mit unbewaffnetem Auge, sodami mittels eines complicirten (vergr\u00f6fsernden oder verkleinernden, f\u00e4rbenden, meinetwegen beliebig verzerrenden) optischen Apparates wahrgenommen wird. Es bieten sich dann dem Beobachter zwei Reihen von Erscheinungen dar, welche beide ausschliefslich aus Gesicht8wahmehmungen bestehen, also inhaltlich homogen sind; jedem Gliede der einen Reihe ist ein bestimmtes Glied der anderen Reihe zugeordnet, dergestalt, dafs Einer, der die Einrichtung des Apparates und die optischen Gesetze genau","page":77},{"file":"p0078.txt","language":"de","ocr_de":"78\nG. Hey mam.\nkannte, a priori die eine Reihe ans der anderen vollst\u00e4ndig w\u00fcrde construiren k\u00f6nnen, w\u00e4hrend in Ermangelung solcher Kenntnifs doch wenigstens a posteriori ans einer gen\u00fcgenden Anzahl von Beobachtungen die Regelm\u00e4fsigkeit der Verbindung festgestellt werden ktonte. Wenn ferner die direct wahrgenommenen Erscheinungen gesetzm\u00e4fsig verlaufen, so werden auch die indirect wahrgenommenen eine entsprechende Gesetzm\u00e4fsigkeit erkennen lassen ; dem Inhalte nach aber werden diese Gesetze noth wendig von jenen verschieden sein. Sofern der Beobachter es f\u00fcr gut finden sollte, w\u00e4hrend beliebiger Zeit seine Aufmerksamkeit aus-schliefslich einer der beiden Reihen zuzuwenden, w\u00fcrde er in dem gesetzlichen Ablauf der betreffenden Erscheinungen nirgends eine L\u00fccke entdecken; vorausgesetzt, dafs die Totalit\u00e4t der vorliegenden Processe auf jede der beiden Arten der Beobachtung zug\u00e4nglich w\u00e4re. Verhielte es sich aber anders; w\u00e4re etwa der Apparat so eingerichtet und aufgestellt, dafs mittels desselben nur ein beschr\u00e4nktes St\u00fcck Raum untersucht werden k\u00f6nnte, und verdeckte es andererseits dem unbewaffneten Auge einen Theil des Gesichtsfeldes, so w\u00e4re damit allerdings der continuirliche Zusammenhang innerhalb jeder Reihe an gewissen Punkten durchbrochen, und es bliebe nur \u00fcbrig, das Fehlende aus dem Gegebenen in irgendwelcher Weise zu erg\u00e4nzen. Auf keinen Fall aber k\u00f6nnte diese Erg\u00e4nzung so stattfinden, dafs ein fehlendes Glied der einen einfach durch das entsprechende Glied der anderen Reihe ersetzt w\u00fcrde; es pafst eben dieses Glied an Ort und Stelle nicht in die betreffende Reihe hinein, h\u00e4ngt mit den vorhergehenden und nachfolgenden Gliedern derselben nicht continuirlich zusammen, ordnet sich der Gesetzm\u00e4fsigkeit der Reihe nicht unter. Die geforderte Erg\u00e4nzung k\u00f6nnte demnach nur auf hypothetischem Wege stattfinden; und zwar entweder aus den vorhergehenden und nachfolgenden Gliedern der l\u00fcckenhaften Reihe selbst, kraft der Gesetze ihres inneren Zusammenhanges, oder aus den gleichzeitigen Gliedern der anderen Reihe, nach den Regeln der zwischen beiden geltenden Correspondent Das zuletzt verwendete Bild f\u00fchrt uns, indem wir jetzt zur Hauptfrage zur\u00fcckkehren, sogleich einen Schritt weiter. Was dort als m\u00f6glich angedeutet wurde, trifft n\u00e4mlich hier thats\u00e4chlich zu: die beiden Reihen der psychischen und der physischen Erscheinungen sind uns in l\u00fcckenhaftem Zustande gegeben, und bed\u00fcrfen demnach vielfacher Erg\u00e4nzung. Ueber die hierzu vor-","page":78},{"file":"p0079.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelismusfrage.\n79\nzunehmenden Interpolationen und Extrapolationen habe ich zun\u00e4chst noch einiges zu bemerken.\nWas erstens die Reihe der physischen, durch Vermitt-lung der Sinnesorgane wahrgenommenen Erscheinungen be-trifft, so h\u00e4ngt in der Naturwissenschaft fast Alles nur durch solche Interpolationen und Extrapolationen mit einander zusammen. Zu Grofses und zu Kleines, zu Schnelles und zu Langsames, Entferntes und Verstecktes entziehen sich gleich-m\u00e4fsig unserer Wahrnehmung; und von demjenigen, welches wir wahmekmen k\u00f6nnten, wird doch thats\u00e4chlich nur ein verschwindend geringer Theil wahrgenommen. Alles Nichtwahrgenommene nun, welches wir dennoch als Bestandtheil der Natur vorstellen oder denken, ist Product einer das Gegebene im Sinne der darin herrschenden Gesetzm\u00e4fsigkeit erg\u00e4nzenden Interpolation. So verh\u00e4lt es sich insbesondere auch mit unseren Vorstellungen von den Himprocessen : gegeben ist davon nahezu nichts, der Physiolog versucht aber das Nichtgegebene sich in einer Weise vorzustellen, welche die Gesammtheit des Geschehens vom Eintritt ins Gehirn bis zum Austritt aus demselben als eine l\u00fcckenlose Kette zu \u00fcberschauen gestattet. Im Princip sind alle diese Erg\u00e4nzungen der physischen Reihe vollkommen gerecht-fertigt Die in der Wahrnehmung sich kundgebenden realen Vorg\u00e4nge m\u00f6gen an sich sein was sie wollen, die Naturwissenschaft untersucht nicht wie sie an sich, sondern nur wie ihre m\u00f6glichen, durch den sinnlichen Wahrnehmungsprocefs vermittelten Wirkungen ins Bewufstsein mit einander Zusammenh\u00e4ngen. Dieser Zusammenhang wird aber von Gesetzen beherrscht, vrelche durch die Gesetze des urspr\u00fcnglichen Zusammenhanges in Verbindung mit der Natur der Sinnlichkeit bestimmt werden; und es versteht sich, dafs auch die einzuschiebenden Erg\u00e4nzungsglieder sich dieser Bestimmung f\u00fcgen m\u00fcssen. Wo also einzelne Glieder der physischen Erscheinungsreihe sich der Beobachtung entziehen, hat die Naturwissenschaft nicht zu fragen: welche reale Processe haben dort stattgefunden? \u2014 sondern: wie w\u00fcrden die Wahrnehmungen beschaffen sein, welche diesen Processen als ihre m\u00f6glichen sinnlichen Wirkungen entsprechen? Indem wir jedoch im Allgemeinen so w^enig die realen Processe selbst wie ihr functionelles Verh\u00e4ltnis zu den Wahrnehmungen kennen, lassen sich diese nicht aus jenen con-struiren, und kann die Interpolation nur aus den begrenzenden","page":79},{"file":"p0080.txt","language":"de","ocr_de":"80\nG. Hey mans.\nphysischen Gliedern nach physischen Gesetzen stattfinden. Mit richtigem Instinct haben daher auch stets die Physiologen sich dagegen gestr\u00e4ubt, psychische Vorg\u00e4nge wie Vorstellung und Wille in den Mechanismus der Himfunctionen mithineinspielen zu lassen; diese psychischen Vorg\u00e4nge sind auf keinem Fall sinnlich vermittelte Wirkungen, also etwa Gesichts- oder Tastwahrnehmungen realer Processe, und geh\u00f6ren also auch nicht in die Reihe derselben hinein.\ni\nAus \u00e4hnlichen Gr\u00fcnden wie die secund\u00e4re Reihe der Wahr-nehmungen mufs auch die prim\u00e4re Reihe der wirklichen Processe als eine in sich abgeschlossene betrachtet werden;\n1\nund zwar wiegen diese Gr\u00fcnde hier noch etwas schwerer als j dort. Denn eine L\u00fccke in der prim\u00e4ren Reihe w\u00fcrde ein reales Geschehen ohne Ursache, eine L\u00fccke in der secund\u00e4ren Reihe dagegen nur ein reales Geschehen ohne m\u00f6gliche Wirkung ins j BewTufstsein bedeuten; jenes schliefst das Causalit\u00e4tsgesetz unbedingt aus, dieses nicht. Nach der monistischen Hypothese ist uns nun von der prim\u00e4ren Reihe wenigstens etwas, n\u00e4mlich die psychischen Vorg\u00e4nge, gegeben; der Zusammenhang der- j selben ist demnach als ein Theil des allgemeinen Zusammenhanges der wTirklichen Processe zu denken; sofern sich also die Ursachen f\u00fcr psychische Vorg\u00e4nge nicht in vorhergehenden psychischen Vorg\u00e4ngen nachweisen lassen, m\u00fcssen sie in anderen, uns nicht als psychisch gegebenen wirklichen Processen gesucht worden. Die N\u00f6thigung, sich die prim\u00e4re Reihe auch aufserhalb des von uns als bewufst erkannten Gebietes fortgesetzt zu denken, ist demnach eine einfache Consequenz der monistischen Hypothese; es fragt sich nur, ob wir \u00fcber die Natur der zu erg\u00e4nzenden Glieder etwas N\u00e4heres wrissen oder vermuthen k\u00f6nnen. Ueber diese Frage pr\u00e4judicirt die monistische Hypothese nicht; sie braucht nur anzunehmen, dafs einige wirkliche Processe psychischer Natur seien, und kann das Wesen der \u00fcbrigen unbestimmt lassen. F\u00fcr die Beantwortung jener Frage giebt jedoch die Erfahrung einige Andeutungen, welche, indem sie der Hypothese gr\u00f6fsere Bestimmtheit und zugleich eine neue St\u00fctze gew\u00e4hren, hier nicht unerw\u00e4hnt bleiben sollen. Indem dieselben verschiedenen Inhalt und verschiedenes Gewicht haben, je nachdem es sich um eine Erg\u00e4nzung der prim\u00e4ren Reihe nach innen oder nach aufsen handelt, fasse ich diese beiden F\u00e4lle gesondert ins Auge.","page":80},{"file":"p0081.txt","language":"de","ocr_de":"Zur ParaUdwmmfrage.\n81\nDie Erg\u00e4nzung nach innen oder Interpolation ist \u00fcberall da am Platze, wo psychische Vorg\u00e4nge sich als Wirkungen anderer psychischer Vorg\u00e4nge erkennen lassen, ohne dafs es m\u00f6glich w\u00e4re, das Verh\u00e4ltnis zwischen beiden den die betreffenden Erscheinungen beherrschenden psychischen Gesetzen unterzuordnen ; also beispielsweise, wo eine Vorstellung eine andere ins Bewufstsein ruft, ohne mit derselben durch Aehnlichkeit oder Contiguit\u00e4t associirt zu sein, oder wo aus gegebenen Urtheilen ein neues entsteht, ohne damit nach logischen Gesetzen zusammen-zuh\u00e4ngen. Dafs in solchen F\u00e4llen hypothetisch Verbindungsglieder eingeschaltet werden m\u00fcssen, wird allgemein zugegeben; dagegen oft geglaubt, dafs man mit \u201eblofs physiologischen\u201c Verbindungsgliedern auskommen k\u00f6nne. Das ist jedoch nach dem Vorhergehenden ein Irrthum. Die physiologischen Verbindungsglieder sind sinnliche Wahrnehmungen, also indirecte Wirkungen der mitspielenden wirklichen Processe, nicht diese selbst; sie k\u00f6nnen die Stelle derselben nur vertreten, nicht ausf\u00fcllen. Es w\u00e4re auch unrichtig zu glauben, dafs die Annahme wirklicher Processe hinter den physiologischen Zwischengliedern die Sache unn\u00f6thig complicire; denn diese Annahme liegt ja in derjenigen der physiologischen Zwischenglieder selbst, welche sich doch nur als sinnliche Wirkungen eines unbekannten Realen denken lassen, bereits miteingeschlossen. Die \u201ewirklichen Prooesse\u201c sind also jedenfalls da, und als die eigentlichen Verbindungsglieder anzuerkennen ; es fragt sich nur, ob und wie das Wesen derselben n\u00e4her zu bestimmen sei In Bezug auf diese Frage liegen die Verh\u00e4ltnisse hier ungef\u00e4hr so, wie bei der physikalischen Interpolation. Nicht aus der physiologischen Begleiterscheinung und ihrer functionellen Beziehung zum wirklichen Processe>-^relche beide unbekannt sind, sondern nur aus gegebenen Gliedern und bekannten Gesetzen der durchl\u00f6cherten Reihe selbst kann die Erg\u00e4nzung derselben versucht werden. Hierbei stellt sich nun im Allgemeinen heraus, dafs eine Erg\u00e4nzung der psychischen Reihe durch psychische Zwischenglieder nicht nur m\u00f6glich ist, sondern dafs auch die Thatsachen in unverkennbarer Weise darauf hindeuten. Ueberall wo ein Hiatus in der psychischen Causalkette vorliegt, lassen sich n\u00e4mlich erstens psychi-*8che Zwischenglieder denken, welche, wenn sie thats\u00e4chlich gegeben w\u00e4ren, die Unterordnung des Processes unter bekannten psychischen Gesetzen erm\u00f6glichen w\u00fcrden ; und l\u00e4fst sich zweitens\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XVII.\t6","page":81},{"file":"p0082.txt","language":"de","ocr_de":"82\nG, Hey mam.\ndas Vorhandensein von Bedingungen feststellen, welche unter g\u00fcnstigen Umst\u00e4nden eben jene Zwischenglieder ins Bewufstsein hervorrufen m\u00fcfsten. Wenn also beispielsweise eine Vorstellung eine andere ihr fremde Vorstellung reproducirt, so f\u00fchrt die nachfolgende Selbstbesinnung stets auf Zwischenglieder, welche mit beiden associativ verbunden sind, und also bei gr\u00f6fserer Wirksamkeit oder geringerem Widerstand den Uebergang be-wufst h\u00e4tten vermitteln k\u00f6nnen; und wenn eine Folgerung aus inad\u00e4quaten Gr\u00fcnden zu entstehen scheint, so sind in der Erfahrung oder im Denken des betreffenden Individuums wenigstens die Bedingungen nachweisbar, aus denen bei gen\u00fcgender Auf-merksamkeitsspannung die zur logischen Vollst\u00e4ndigkeit der Be-gr\u00fcndung fehlenden Pr\u00e4missen sich h\u00e4tten ergeben m\u00fcssen. Durch solche Erfahrungen sind die Psychologen stets wieder, oft gegen ihren Willen, zur Annahme unbewufster Vorstellungen* unbewufster Urtheile u. dergl. gef\u00fchrt worden; und in der That scheinen diese Ausdr\u00fccke sehr genau dasjenige zu bezeichnen* was wir von den betreffenden realen Processen wissen : dafs n\u00e4mlich diese Processe, obgleich sie unbewufst, wenigstens uns nicht als bewufst gegeben sind, dennoch sich vollst\u00e4ndig der psychischen, aus bewufsten Processen abstrahirten Gesetzm\u00e4fsigkeit unterordnen, und demzufolge mit diesen bewufsten Processen als wesensgleich betrachtet werden m\u00fcssen. Soweit aber diese Erkl\u00e4rungsweise reicht, so weit reicht auch das Gebiet der psychischen Causalit\u00e4t ; und wir haben wenigstens keine Gr\u00fcnde um anzunehmen, dafs sie f\u00fcr Beziehungen innerhalb des individuellen Bewusstseins irgendwo ihre Dienste versagen sollte.\nViel weniger entschieden l\u00e4fst sich, zwar nicht \u00fcber di\u00a9 Nothwendigkeit einer Erg\u00e4nzung der prim\u00e4ren Reihe nach aufsen \u00fcberhaupt, wohl aber \u00fcber die Art dieser Erg\u00e4nzung reden. Eine Kette von psychischen Vorg\u00e4ngen, welche mit einer Wahrnehmung anf\u00e4ngt oder mit einem Willens-entschlufs endet, l\u00e4fst sich nach vorn oder hinten nicht weiter verfolgen; und es werden f\u00fcr gew\u00f6hnlich physikalische und physiologische Reize als die Ursachen jener, k\u00f6rperliche Bewegungen als die Wirkungen dieses Vorganges angegeben. Auch hier ist diese Ausdrucksweise offenbar ungenau. Nicht dasjenige, welches wir als den Reiz wahrnehmen, sondern der unbekannte reale Procefs, welcher durch Vermittlung der Sinnesorgane diese Wahrnehmung bewirkt, ist die Ursache der Em-","page":82},{"file":"p0083.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelismusfrage.\n83\npfindung; dieses reale Verh\u00e4ltnifs stellt sich aber der sinnlichen Wahrnehmung als ein solches zwischen Reiz und Hirnprocefs dar. Und ebenso ist die an einen Willensentschlufs sich ankn\u00fcpfende , wahrnehmbare oder als wahrnehmbar gedachte Nerven- und Muskelbewegung nicht die directe Wirkung desselben; sondern diese directe Wirkung ist in einem unbekannten realen Vorgang zu suchen, und das Verh\u00e4ltnifs zwischem dem Willensentschlufs und diesem Vorgang wird wieder als dasjenige zwischen Hirnprocefs und Nervenerregung wahrgenommen. Die Forderung einer extrapolirenden Erg\u00e4nzung der prim\u00e4ren Reihe ist damit als berechtigt anerkannt; \u00fcber die Natur der vorauszusetzenden Extrapolationsglieder gestatten aber die vorhegenden Daten nur ganz a\u00fcgemeine Vermuthungen. Bei der Interpolation waren sowohl bewufste Processe, aus welchen die unbewufsten entstehen, als andere, in welche sie \u00fcbergehen, gegeben ; bei der Extrapolation dagegen kennen wir nur entweder die einen oder die anderen, und es fehlt demnach die M\u00f6glichkeit, durch Vergleichung beider die Art der zwischenhegenden Causalverh\u00e4ltnisse zu bestimmen. Dennoch lassen sich Betrachtungen anstellen, welche eine der dort gegebenen analoge L\u00f6sung auch hier als die wahrscheinlichste erkennen lassen.1 Zun\u00e4chst ist alles Gegebene ohne Ausnahme psychischer Natur; es ist kaum anzunehmen, dafs das Nichtgegebene, nur in seinen Wirkungen sich Offenbarende, welches mit jenem in ein unentwirrbares System von Wechselbeziehungen verwoben erscheint, in seinem eigenen Wesen ganz verschiedener Art sein sollte. Des n\u00e4heren sind diejenigen mir gegebenen psychischen Erscheinungen, welche eine Ursache aufserhalb meines Bewufstseins voraussetzen, zum Theil solche, welche mit den Wirkungen meines eigenen Bewufstseins eine \u00fcberraschende Aehnlichkeit erkennen lassen, und mir demnach die Annahme fremder Bewufstseine geradezu aufzwingen; zum anderen Theil sind sie von jenen nur graduell verschieden, und diese Gradation ist eine so allm\u00e4hliche, dafs ich den Punkt nicht bestimmen kann, wo ich mit der Annahme fremden Bewufstseins Halt machen sollte. Andererseits ist mir aus meinem eigenen Bewufstseinsleben bekannt, dafs es psychische Erscheinungen giebt, welche sich kaum oder gar nicht in\n1 Vgl. Fechner, Ueber die Seelenfrage, Leipzig 1861; Die Tageeansicht gegen\u00fcber der ^Nachtansicht, Leipzig 1879#\n6*","page":83},{"file":"p0084.txt","language":"de","ocr_de":"84\nGr. Heymans.\nsinnlich wahrnehmbare Wirkungen offenbaren; es scheint demnach unerlaubt, aus dem Fehlen solcher Offenbarung mit Sicherheit auf v\u00f6lligen Bewufstseinsmangel zu schliefsen. Ferner bezeugen mir die Thatsachen des Stoffwechsels und der Fortpflanzung, das fortw\u00e4hrend das als bewufst Erkannte und das nicht als bewufst Erkannte aus einander entsteht und in einander \u00fcbergeht ; dieser Procefs m\u00fcfste aber f\u00fcr alle Ewigkeit unbegreiflich bleiben, wenn nicht in der Natur des letzteren das Bewufstsein mindestens in irgendwelcher Weise angelegt w\u00e4re. Oder in etwas allgemeinerer Wendung : das Entstehen des thierischen Bewufstseins auf der Erde \u00fcberhaupt setzt in der anorganischen Natur Bedingungen voraus, welche wenigstens die Elemente f\u00fcr den Aufbau des Bewufstseins in sich enthalten, deren Wesen also auch von demjenigen des Psychischen nicht durchaus verschieden gedacht werden kann. \u2014 Ueber Intensit\u00e4t und speeifischen Inhalt der aus solchen Gr\u00fcnden als wesensverwandt mit den psychischen Vorg\u00e4ngen gedachten Welt-processe l\u00e4fst sich zur Zeit noch nichts behaupten ; und auch die Yermuthung ihrer psychischen Natur \u00fcberhaupt h\u00e4ngt, wie oben bemerkt wurde, mit der monistischen Hypothese keineswegs solidarisch zusammen. Ihr gen\u00fcgt es, wenn als Grundlage der sinnlichen Wahrnehmungen irgendwelche reale Processe, von diesen aber wenigstens ein Theil als bewufste Processe anerkannt werden.\nIch fasse den wesentlichen Inhalt der vorhergehenden Er\u00f6rterungen in wenige Worte zusammen.\nDie monistische Hypothese giebt, keineswegs als absolute, sondern als h\u00f6chste zur Zeit erreichbare, der Gesammtheit des Gegebenen am engsten sich anschliefsende Wahrheit, folgende Vorstellung des Wirklichen. Inhalt und Zusammenhang des Geschehens im Universum sind nach Analogie des Inhaltes und des Zusammenhanges des Geschehens im individuellen Bewufstr sein zu denken; jenes umfafst, wie dieses, eine Vielheit eoexistirender und succedirender, in mannigfacher Wechselwirkung stehender, dem Wesen oder der Anlage nach psychischer Processe. So wie es aber im .. individuellen Bewufstsein Vorstellungscomplexe giebt, welche so fest unter einander und so schwach mit anderen Vorstellungen verbunden sind, dafs sie niemals oder fast niemals rtiit diesen in Einen Bewufstseinsakt","page":84},{"file":"p0085.txt","language":"de","ocr_de":"Zur ParaUdismu\u00eafrage.\n86\nzusammengefafst werden, so enth\u00e4lt auch das universelle Bes wufsteein in sich die abgesonderten, f\u00fcr sich ein relativ selb-st\u00e4ndiges Dasein f\u00fchrenden psychischen Individuen. Die ge-sammten Inhalte des universellen Bewusstseins sind nach festen Gesetzen, welche auch den Zusammenhang der individuellen Bewu\u00dftseinsinhalte bestimmen, mit einander verbunden; kraft solcher Gesetze findet auch die Wechselwirkung zwischen Individuum und Aufsenwelt statt, und vermag jenes auf die Einwirkung dieser nur in ganz bestimmten, den Sinnesqualit\u00e4ten entsprechenden Formen zureagiren. Dem individuellen Bewufstsein ist also seine innere Ordnung vollst\u00e4ndig und direct, die \u00e4ufsere dagegen nur bruchst\u00fccksweise und in ihren Wirkungen gegeben; indem diese Wirkungen den \u00e4ufseren Ursachen nicht gleichen, sondern blos entsprechen, m\u00fcssen f\u00fcr die Ordnung derselben Gesetze gelten, welche denjenigen der eigenen Inhalte zwar parallel verlaufen, keineswegs aber damit identisch sind. Der Naturwissenschaft f\u00e4llt die Erforschung dieser secund\u00e4ren, der Psychologie diejenige der prim\u00e4ren Gesetze zu.\nEine schematische Darstellung mag zum Schlufs diese Verh\u00e4ltnisse noch einmal erl\u00e4utern.\nDie Buchstaben bedeuten reale Processe; und zwar die von Klammern eingeschlossenen solche, welche in einem bestimmten individuellen Bewufstsein Vorgehen (JK = Wahrnehmungen, P = sonstige psychische Procesee), die aufserhalb der Klammern stehenden andere, welche diesem Bewufstsein nicht angeh\u00f6ren d\u00ab die als Sinnesfunctionen des betreffenden Individuums wahrzunehmenden, alle sonstigen Processe der Aufsenwelt). Die Pfeile bedeuten Causalverh\u00e4ltnisse zwischen diesen verschiedenen realen Processen, und weisen von der Ursache auf die Wirkung hin. Die Ordnung der Buchstaben entspricht der monistischen Deutung desjenigen, was die Erfahrung lehrt. Wir sehen zun\u00e4chst, dafs dem Bewufstsein nur Wahrnehmungen und sonstige psychische Processe gegeben sind; dafs die letzteren aus","page":85},{"file":"p0086.txt","language":"de","ocr_de":"86\n(r. Heymann.\nden Wahrnehmungen oder aus einander entstehen; dafs aber die ersteren Ursachen aufserhalb des Bewufstseins voraussetzen, deren eigenes Wesen wir nicht kennen, von denen wir jedoch wissen, dafs sie nur mittels der als Sinnesfunctionen wahrzunehmenden Processe auf das Bewufstsein wirken. Das Ver-h\u00e4ltnifs zwischen den Processen F, Ft Xx X2 \u00ceF, \\Vt erl\u00e4utert die Art und Weise, wie uns die Naturcausalit\u00e4t gegeben ist; ist Yt die Ursache von F2, bringen aber beide durch Vermittlung von V, und A's eindeutig bestimmte Wahrnehmungen TT, und Hr2 zu Stande, so vertritt uns die allein gegebene regelm\u00e4fsige Verbindung zwischen 11\u201d, und 1F8 das urs\u00e4chliche Verh\u00e4ltnifs zwischen den zugrundeliegenden aufserbewufsten Processen. Die Causalkette Pn Yn Xn Wu bringt den Fall zur Darstellung, dafs ein psychischer Vorgang (Willensentschlufs, Gef\u00fchl) einen aufser-bewufsten Procefs erzeugt, der seinerseits wieder durch Vermittlung der Sinne bestimmte Wahrnehmungen (der k\u00f6rperlichen oder Ausdrucksbewegungen) hervorruft ; die Kette IF* Xz FT, endlich schematisirt die wenigstens nicht f\u00fcr alle Zukunft aus* zuschliefsenden M\u00f6glichkeit, dafs die einen Wahmehmungsakt begleitende Himprocesse f\u00fcr das Subject der Wahrnehmung selbst sinnlich wahrnehmbar gemacht w\u00fcrden.\nDenken wir uns nun dieses Schema ins Unendliche erweitert, so w\u00e4re damit die \u201eWeltformel14 nach den Principien des hier vertretenen Monismus gegeben. Man sieht leicht, dafs in dieser Formel von irgendwelcher \u201eZweiheit44 keine Rede w\u00e4re; die in derselben vertretenen Processe sind s\u00e4mmtlich psychischer Natur, und h\u00e4ngen alle mit einander urs\u00e4chlich zusammen. F\u00fcr ein alle Wirklichkeit umfassendes Bewufstsein m\u00fcfste es auch bei diesem Einen, unserer prim\u00e4ren Reihe entsprechenden Zusammenhang nothwendig bleiben; in seiner Welt- oder Selbstanschauung f\u00e4nde der Parallelismusbegriff keine Verwendung. Dafs f\u00fcr uns die Sache sich anders verh\u00e4lt, liegt einfach daran, dafs wir beschr\u00e4nkte, nur einen Theil des Wirklichen umfassende Bewufst-seine sind; demzufolge die \u00fcberwiegende Mehrzahl der realen Processe uns nur durch ihre Wirkungen ins Bewufstsein, also durch die entsprechenden Wahrnehmungen, gegeben ist An sich betrachtet, sind diese Wahrnehmungen nur zerstreute, keineswegs irgendwie ausgezeichnete, auch nur gelegentlich mit einander gesetzlich verbundene Elemente des Weltprocesses; f\u00fcr das individuelle Bewufstsein gewinnen sie Bedeutung als Merk-","page":86},{"file":"p0087.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelismusfrage.\n87\nZeichen \u00e4ufserer auf ihn einwirkender Processeund Zusammenhang, indem es sie durch weitere, den nicht auf ihn einwirkenden \u00e4ufseren Processen entsprechende Merkzeichen erg\u00e4nzt. So construirt es seine, der prim\u00e4ren parallel verlaufende, und dennoch nur innerhalb derselben theilweise verwirklichte secun-d\u00e4re Reihe. Die Bedeutung derselben ist eine durchaus relative ; jedes in anderen Formen als wir auf Einwirkungen von aufsen reagirende Bewufstsein m\u00fcfste sich auch eine andere secund\u00e4re Reihe construiren; und wenn unser Bewufstsein sich zum Welt-bewufstsein erweitern k\u00f6nnte, w\u00e4re jede solche Construction nur noch eine sinn- und zwecklose Spielerei. Als individuell beschr\u00e4nkten Wesen ist uns jedoch die secund\u00e4re Reihe theoretisch und praktisch gleich unentbehrlich; erst die Erkenntnifs ihrer Gesetze macht das Handeln m\u00f6glich, und bildet zugleich, wenn auch nicht das noth wendige Ende, so doch den nothwendigen Anfang alles unseres Wissens von der Aufsen weit.\nDem idealistischen Monismus stehen zur Zeit haupts\u00e4chlich zwei andere Hypothesen, diejenigen des Materialismus und des Dualismus, gegen\u00fcber. Ich stell\u00a9 kurz die Gr\u00fcnde zusammen, welche mir f\u00fcr die Sch\u00e4tzung der den drei Weltauffassungen zuzuerkennenden Wahrscheinlichkeiten am meisten in Betracht zu kommen scheinen.\nUeber den Materialismus werden wenige Worte ge-u\u00fcgen ; es liegt demselben eben ein Mifsverst\u00e4ndnifs zu Grunde, nach dessen Beseitigung er dem idealistischen Monismus kaum mehr feindlich gegen\u00fcbersteht. Dieses Mifsverst\u00e4ndnifs besteht, kurz gesagt, darin, dafs die Materialisten beim Worte \u201eMaterie\u201c einen Begriffs umfang sich denken, w\u00e4hrend es f\u00fcr die Construction einer Weltauffassung auf einen Begriffsinhalt ankommt. Wenn jene behaupten, die Materie sei das einzig Wirkliche, so wollen sie damit im Grunde nur sagen : wenn wir alles, was sich uns als Materie bemerklich machen kann, zusammenfassen, so haben wir alles Wirkliche zusammengefafst So viel kann ihnen aber auch der idealistische Monismus ohne Schwierigkeit zugeben; es bleibt nur die Frage, wie wir uns jenes Wirkliche an sich zu denken, welche Merkmale wir ihm selbst, abgesehen von seinem Wirken, beizulegen haben. Antwortet nun der Materialist: das Wirkliche hat keine anderen Merkmale als die, welche wir an ihm wahmehmen, es ist nur als raum-","page":87},{"file":"p0088.txt","language":"de","ocr_de":"88\nG. Heymans.\nerf\u00fcllend, anziehend und abstoftend zu denken, so liegt der Widerspruch am Tage; denn die Erfahrung lehrt eben, dafe wenigstens ein Theil des Wirklichen auch Bewufstsein hat Sagt er dagegen, wie die meisten thun werden : ich lasse die weiteren Merkmale des Wirklichen unbestimmt, spreche mich \u00fcber sein inneres Wesen nicht aus, sondern registrire bloe die Art und Weise seines Wirkens, \u2014 so verzichtet er eben auf eine Weltanschauung, stellt keine Hypothese auf, und gerftth also mit anderen Hypothesen auch nicht in Conflict\nEtwas l\u00e4nger wird uns der Dualismus besch\u00e4ftigen; denn dieser giebt eine Hypothese, und diese Hypothese l\u00e4fst sich keineswegs von vornherein als aussichtslos zur\u00fcck weisen. Nach der dualistischen Hypothese ist der reale Vorgang, welcher als Hirnproeefs wahrgenommen wird, nicht selbst ein psychischer Vorgang, sondern beide finden in verschiedenartigen Wesen statt, und diese wirken wechselseitig auf einander ein. Ich vergleiche kurz diese dualistische mit der monistischen Hypothese aus den Gesichtspunkten der Einfachheit\u00ab der inneren Conse-quenz, der Leistungsf\u00e4higkeit f\u00fcr die Erkl\u00e4rung des Gegebenen, und der Brauchbarkeit als Arbeitshypothese.\nDie Grundannahme des Monismus wurde schon fr\u00fcher als die denkbar einfachste bezeichnet; und es ist kaum zu verstehen, dafs der Dualismus geglaubt hat, sie in dieser Hinsicht zu \u00fcbertreffen. Setzt sie doch nichts weiter voraus als einen umfassenden gesetzlichen Zusammenhang eben solcher Processe, wie sie uns in der unmittelbarsten Selbstwahmehmung gegeben sind; w\u00e4hrend jener aufserdem noch eine \u00fcberwiegende Anzahl ganz andersartiger Processe statuirt, deren eigenes Wesen er vollst\u00e4ndig unbestimmt l\u00e4fst, und welche in einer ad hoc erfundenen, ebenso unbestimmbaren Seelensubstanz den psychischen Vorgang ausl\u00fcsen sollen. Alles was der Monismus einfach hat, hat demnach der Dualismus doppelt: die Eigenart der den Weltlauf bildenden Processe, das Wesen der zu Grunde liegenden Substanzen, die Anzahl der zur Erkl\u00e4rung psychophysischer Thatsaehen erforderten urs\u00e4chlichen Verbindungen. Auch die monadologische Auffassung vermag nicht, wie man geglaubt hat, diese Zweiheit zur Einheit zur\u00fcckzubringen ; ist dieselbe aus den Beziehungen zwischen den Monaden eliminirt, so lebt aie in jeder einzelnen Monade wieder auf. So lange es wahr bleibt, daft nur Psychisches gegeben ist, kann eben nur durch voll-","page":88},{"file":"p0089.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Pamlltli\u00eam us fr age.\n89\nst\u00e4ndige und restlose Zur\u00fcckf\u00fchrung des Physischen auf das Psychische die Zweiheit wirklich \u00fcberwunden werden.\nDafs der Monismus sich in vollkommen consequent\u00a9r Weise durchf\u00fchren l\u00e4fst, hatten die s\u00e4mmtlichen vorhergehenden Er\u00f6rterungen zu beweisen ; es fragt sieh, ob von dem Dualismus das Gleiche behauptet werden kann. Einer zustimmenden Beantwortung dieser Frage m\u00f6chte ich folgende, bereits von Wundt angedeutete, aber von Ehhardt kaum richtig verstandene Argumentation5 entgegenhalten. Der Dualismus kann sich, wie mir scheint, den psychischen Vorgang nicht als sinnlich wahrnehmbar denken; denn wenn derselbe sinnlich wahrnehmbar w\u00e4re, wie sollte er wohl anders denn als Himprocefs wahrgenommen Verden ? Nun bedeutet aber \u201esinnlich unwahmehm-baru soviel wie unsichtbar und untastbar, also nicht-lichtreflectirend und nicht-widerstandleistend, also physisch unwirksam. Andererseits soll jedoch die Seele in Wechselwirkung mit dem Leibe stehen; der psychische Vorgang soll Wirkung und Ursache von Hirnprocessen, Tr\u00e4ger eines bestimmten Quantums physischer Energie, kurz er soll physisch wirksam sein. Ich sehe nicht ein, wie hier der Widerspruch zu vermeiden w\u00e4re.\nDafs die Leistungsf\u00e4higkeit des Dualismus zur Erkl\u00e4rung des gegebenen Thatbestandes eine sehr beschr\u00e4nkte ist, wurde sehon \u00f6fters nachgewiesen- Die functionelle Beziehung zwischen Gehirn- und Bewufstseinserscheinungen l\u00e4fst sich ge-wifs im Princip ebensowohl durch Wechselwirkung zwischen einer physischen und einer psychischen Substanz, als durch rein psychische Causalit\u00e4t erkl\u00e4ren; die Zul\u00e4ssigkeit der ersteren Erkl\u00e4rung setzt jedoch gewisse Bedingungen voraus, deren Gegebensein die Erfahrung eher auszuschliefsen als zu best\u00e4tigen scheint. H\u00e4tte der Dualismus Recht, so w\u00e4re erstens zu erwarten, dafs s\u00e4mmt-Kche sensorische und motorische Leitungsbahnen im Gehirn sich an Einem Punkte begegneten; zweitens, sofern man nicht der Seele alle eigene Activit\u00e4t absprechen wollte, dafs wenigstens einige h\u00f6here psychische Th\u00e4tigkeiten von der functioneilen Beziehung zu den Hirnprocessen losgebunden w\u00e4ren. Weder das eine neeh das andere scheint aber nach den bisherigen Ergebnissen der Anatomie, der Physiologie und der Pathologie ein-\n1 Wundt, Ueber psychische Causalit\u00e4t u. s^ w. (Ph\u00fc. Stud. X, S. 35) ; Errabdt, r. a. O. S. 44.","page":89},{"file":"p0090.txt","language":"de","ocr_de":"90\nO. Hey mam.\nzutreffen. Die monistische Hypothese, f\u00fcr welche das functio-nirende Gehirn nichts weiter ist als die sinnliche Erscheinung des gesammten psychischen Lebens eines Individuums, stimmt mit diesen Ergebnissen vollst\u00e4ndig zusammen. \u2014 Nicht geringere Schwierigkeiten bereitet dem Dualismus der Satz von der Erhaltung der Energie : ein oft wiederholter Einwand, dessen Bedeutung auch die \u00e4lteren Dualisten dadurch, anerkannten, dafs sie die Geltung jenes Satzes f\u00fcr das Gebiet der psychophysischen Erscheinungen einstimmig leugneten. In der letzten Zeit ist allerdings mehrfach versucht werden, die Wechselwirkung mit der Erhaltung der Energie zu vereinbaren; doch haben diese Versuche noch zu wenig feste Gestalt gewonnen, um eine fruchtbringende Discussion zu erm\u00f6glichen. \u2014 Der Monismus ist auch in diesem Punkte in Einklang mit den Resultaten der Wissen Schaft Indem er die prim\u00e4re psychische Causalit\u00e4t als einen l\u00fcckenlosen, streng in sich geschlossenen Zusammenhang auf-fafst, mufs er nothwendig f\u00fcr die ideale Reihe der Wirkungen, welche die Elemente jenes Zusammenhangs unter den Be* dingungen der Sinnlichkeit hervorbringen w\u00fcrden {also f\u00fcr die Reihe der m\u00f6glichen Wahrnehmungen) einen zwar abgeleiteten, von jenem abh\u00e4ngigen, aber ebenso geschlossenen Zusammenhang in Anspruch nehmen. Eben dieser geschlossene Zusammenhang kommt in der Erhaltung der physischen Energie zum Ausdruck Wir fragen zuletzt, welche Bedeutung den beiden concurriren-den Auffassungen als Arbeitshypothese zukommt. Dem Dualismus kann, wie ich glaube, eine solche Bedeutung nur in sehr beschr\u00e4nktem Maafse beigelegt werden. Wenn Leib und Seele zwei verschiedene, nach eigenen Gesetzen functionirende Dinge sind, so kann auch dasjenige, was wir von dem einen wissen, in keiner Weise dazu beitragen, f\u00fcr die Untersuchung des anderen neue Perspective zu \u00f6ffnen. Psychologie und Physiologie schliefsen sich nach dieser Auffassung vollst\u00e4ndig aus; und wenn auch die Grenze nicht immer scharf gezogen werden kann, so bedeutet doch jede Eroberung, welche die eine macht, eine Einschr\u00e4nkung des Gebietes, welches f\u00fcr die andere offen steht Dem dualistisch gesinnten Forscher, der, sei es von der physiologischen oder von der psychologischen Seite her, bis zum Grenzgebiete vordringt, wird der l\u00e4hmende Gedanke, dafs eine gesuchte Erkl\u00e4rung vielleicht nur mit den technischen und begrifflichen H\u00fclfsmitteln einer frem-","page":90},{"file":"p0091.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Paralleli$musfrage.\n91\nden, nicht mit denjenigen seiner eigenen Wissenschaft zu erreichen sei, sich immer hemmend in den Weg ste\u00fcen. \u2014 Ganz anders sieht die Sache vom entgegengesetzten Standpunkte aus. Der Monismus setzt keiner Wissenschaft eine Grenze ; sondern er fordert jede auf, von der Forschungsarbeit nicht abzulassen, solange auf ihrem Gebiete noch etwas zu erkl\u00e4ren \u00fcbrig bleibt, d. h. also, solange sie die Gesammtheit der ihr vorliegenden Erscheinungen nicht in einem geschlossenen Zusammenhang zu \u00fcbersehen gelernt hat. Indem ferner der Monismus den beiden Schwesterwissenschaften streng geschiedene, aber \u00fcber ihren ganzen Verlauf parallele Wege weist, begr\u00fcndet er f\u00fcr jede der-selben die M\u00f6glichkeit, wo ihr eigener Weg streckenweise unsicher wird, sich f\u00fcr die einzuschlagende Richtung an der anderen zu orientiren. Und indem er die Welt f\u00fcr wesensgleich mit dem Menschen erkl\u00e4rt, l\u00e4fst er es wenigstens als denkbar erscheinen, dafs in ferner Zukunft, wenn einmal die Gesetze, nach welchen Bewufstseins- und Gehirnprocesse Zusammenh\u00e4ngen, erkannt sein werden, auch das innere Wesen der kosmischen Processe sich der exacten Forschung nicht mehr ganz ver-schliefsen wird.\nDie Melirzahl der Gr\u00fcnde, welche in den oben angef\u00fchrten Schriften gegen den Monismus erhoben werden, haben im Vorhergehenden bereits implicite ihre Erledigung gefunden; auch k\u00f6nnte es etwas sonderbar erscheinen, vom Standpunkte der eben jetzt in neuer Gestaltung durchgef\u00fchrten Theorie Einw\u00e4nde zu bek\u00e4mpfen, welche gr\u00f6fstentheils gegen \u00e4ltere Formen derselben sich richteten. Mit R\u00fccksicht auf die Schwierigkeit des Gegenstandes und auf die stets wieder drohende Gefahr der Vermischung \u00e4lterer und neuerer Auffassungen, scheint es mir jedoch nicht \u00fcberfl\u00fcssig, diese Einw\u00e4nde der Reihe nach vorzuf\u00fchren, und zu untersuchen inwiefern sie dem hier entwickelten Monismus etwas anhaben k\u00f6nnen. Allzu ungerecht d\u00fcrfte auch den Gegnern dieses Verfahren nicht erscheinen; haben sie doch fast Alle geglaubt, den Monismus nicht nur in einer besonderen, sondern in jeder \u00fcberhaupt denkbaren Form widerlegt zu haben.\nErstens haben Einige gemeint, schon im Begriff eines \u201eparallelistischen Monismus\u201c \u00fcberhaupt einen inneren Widerspruch nachweisen zu k\u00f6nnen : die im Merkmal des Parallelismus","page":91},{"file":"p0092.txt","language":"de","ocr_de":"92\n<?.. Hey man*.\nvorausgesetzte Zweiheit lasse sich auch nachtr\u00e4glich in keiner Weise auf eine wirkliche Einheit zur\u00fcckf\u00fchren. \u201eWenn die Annahme eines gemeinsamen Subjectes schon richtig w\u00e4re\u201c, sagt Erhabdt \\ \u201eso w\u00fcrde doch deshalb die Verschiedenheit gar nicht vermindert, welche erfahrungsm\u00e4fsig zwischen der geistigen und der k\u00f6rperlichen Welt besteht\u201c; der Versuch, diese Verschiedenheit als unerheblich darzustellen, sei \u201eein Verfahren, welches mit der Begr\u00fcndung der parallelistischen Theorie in so offenbarem Widerspruche steht, dafs jede weitere Kritik \u00fcberfl\u00fcssig sein d\u00fcrfte\u201c. Und ebenso glaubt H\u00f6flee *, der Monismus k\u00f6nne die Zweiheit \u201eauch nicht nachtr\u00e4glich los werden, da sie ja eben die metaphysische Durchleuchtung des ph\u00e4nomenalen Parallelismus bieten will, und dieser schliefst irgend welche Zweiheit wiederum schon im Namen ein, da eben zum \u201eParallel\u201c-sein mindestens immer zwei (seien es nun buchst\u00e4blich Gerade oder Ebenen, seien es Reihen von Dingen an sich oder Erscheinungen u. s. f.) geh\u00f6ren.\u201c \u2014 Dieser Einwand hat aber offenbar nur Berechtigung, wenn der Parallelismus als ein solcher zwischen zwei inhaltlich verschiedenen Erscheinungsreihen aufgefafet wird; nicht aber gegen die hier vertretene Theorie, nach welcher in den beiden Reihen gleichartige und zum Theil selbst identische, ausnahmslos psychische Erscheinungen in zweifacher Weise, n\u00e4mlich einmal als einfach gegeben, sodann als Zeichen eines anderen, betrachtet werden. \u2014 Allerdings behauptet E\u00e4habdt, durch die Zur\u00fcckf\u00fchrung alles Gegebenen auf Psychisches werde \u201eeinmal die Materie v\u00f6llig subjectivirt und dadurch der parallelistischen Theorie das Fundament entzogen, ohne welches sie gar keinen Sinn mehr hat; zweitens aber (komme) auch so die gew\u00fcnschte Identit\u00e4t nicht zu Stande, da doch das Product nicht mit dem Producens, die Empfindung nicht mit dem empfindenden Subjects identisch ist\u201c Was aber das Erste betrifft, so k\u00f6nnen nach dem Vorhergehenden auch rein subjective Daten durch die Ordnung ihres Auftretens uns zu einer doppelten Deutung und zur Annahme einer doppelten Gesetzm\u00e4fsigkeit veranlassen ; und in Bezug auf das Zweite mufs ich gestehen, nicht einzusehen, was die erkenntnifotheoretische Unterscheidung von Subject und Object mit der vorliegenden Frage zu schaffen hat Es handelt\n1 Erhardt, a. a. O. S. 126\u2014127. \u2022 H\u00f6flrb, a. a. O. 8* 17.","page":92},{"file":"p0093.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelitmu\u00bbfragt.\n93\nsich doch emgestandenermaafsen nur um die Verschiedenheit, \u201ewelche erfahrungsmftfsig zwischen der geistigen und der k\u00f6rperlichen Welt besteht\u201c; nun ist aber das logische Subject auf keinem Fall ein Gegenstand der Erfahrung, und kann also auch in die Erfahrungswelt keine Verschiedenheit hineinbrmgen.\nZweitens hat man versucht, die Wechselwirkung im dualistischen Sinne als etwas unmittelbar Evidentes, in der nacktesten Erfahrung Gegebenes, unm\u00f6glich zu Bezweifelndes darzustellen. \u201eSicherlich wird jeder unbefangen denkende Mensch mit uns der Meinung sein, dafs es geradezu unm\u00f6glich ist, irgend jemandem die feste Ueberzeugung beizubringen, dafs der Schmerz, den ihm ein Messerschnitt verursacht, nicht von der \u00e4ufseren Einwirkung auf seinen K\u00f6rper, sondern von einer imagin\u00e4ren Gef\u00fchls\u00fcbertragung herr\u00fchre411. \u201eAls Watt seine Dampfmaschine construirte, oder als Newton seine \u201ePrincipia44 schrieb, sollte ... ihr Geist also nicht im Geringsten ihre Hand gelenkt haben, und wenn A oder B die \u201ePrincipia44 liest und pl\u00f6tzlich von denselben unsterblichen Gedanken erf\u00fcllt wird, so w\u00e4re dies nicht dem Lesen zu verdanken, sondern nur eine Folge ihres fr\u00fcheren Seelenlebens!44 2 \u2014 Das sieht, auch wenn wir uns vorl\u00e4ufig an die negative H\u00e4lfte der angeblich monistischen Lehre halten, in der That ziemlich paradox aus. Zum Gl\u00fcck liegt aber die Sache f\u00fcr den Monismus \u00e4hnlich wie etwa f\u00fcr die Copemicanische Weltentheorie und f\u00fcr die KANT\u2019sche Raum- und Zeitlehre : ihre Paradoxie beruht nur auf Mifsverst\u00e4ndnissen, welche verschwinden, sobald die Begriffe mit geh\u00f6riger Pr\u00e4cision bestimmt werden. Es stellt sich dann heraus, dafs die \u201enat\u00fcrlichen44 Auffassungen, welche man ihnen gegen\u00fcberstellt, nur in einem gewissen -Sinne genommen nat\u00fcrlich sind, eben in diesem Sinne genommen aber auch den betreffenden Theorien keineswegs mehr widersprechen. Es kann nicht bezweifelt werden, dafs die Sonne sich bewegt, n\u00e4mlich relativ zu uns; das giebt jedoch auch Copebnicus zu. Es ist evident, dafs der unendliche Raum uns, d. h. unsere K\u00f6rper, umfafst; dagegen hat aber auch Kant nichts zu sagen. Und ebenso : es ist ganz sicher, dafs Psychisches und Physisches, n\u00e4mlich dasjenige aufserbewrufste Wirkliche,\n1 Ebhabdt, a. a. O. S. 121.\n* Kromak, Kurzgefafste Logik u. Psychologie, Kopenhagen und Leipzig\n1890, 8. 121.","page":93},{"file":"p0094.txt","language":"de","ocr_de":"94\nG. Hey mans.\nwelches uns als Physisches erscheint, in Wechselwirkung stehen; aber damit ist auch der Monismus einverstanden. Derjenige aufserbewufste wirkliche Procefs, den wir als Messerschnitt oder Schreibbewegung wahmehmen, ist auch ihm zufolge mit den entsprechenden psychischen Vorg\u00e4ngen urs\u00e4chlich verbunden; und die gew\u00f6hnliche Ausdrucksweise geht nur darin fehl, dafs sie f\u00fcr die aufserbewufsten wirklichen Processe unsere sinnlichen Reactionen auf dieselben an die Stelle setzt Von den beiden Gliedern eines Causalverh\u00e4ltnisses bestimmt sie das eine durch dasjenige, was es an und f\u00fcr sich ist, das andere durch seine m\u00f6glichen indirecten Wirkungen ins Bewufstsein; genau so, wie sie etwa sagt, nicht dafs die Entziehung molecularer Energie, sondern dafs \u201edie K\u00e4lte\u201c das Wasser gefrieren macht Es w\u00e4re reiner Pedantismus, sich solchen Ausdrucksweisen widersetzen oder derselben enthalten zu wollen; wohl aber darf gefordert werden, dafs man sich von der Ungenauigkeit derselben Rechenschaft giebt So wenig wie in den Ursachen des Wassergefrierens das K\u00e4ltegef\u00fchl, sind in den realen Processen, welche uns als Sinnesreize oder K\u00f6rperbewegungen erscheinen, die physischen Qualit\u00e4ten, durch welche wir sie bestimmen, gegenw\u00e4rtig zu denken; woollen wir aber die Wirkungen jener Reize und die Ursachen jener Bewegungen im n\u00e4mlichen Sinne bestimmen, wie \u00fcberall in der Naturwissenschaft Ursachen und Wirkungen bestimmt werden, so haben wir jene sinnlichen Erscheinungen] mit anderen sinnlichen Erscheinungen, also mit den entsprechenden Himprocessen, in Beziehung zu setzen.\nNicht viel anders verh\u00e4lt es sich mit der Behauptung Erhabdt\u2019s *, nach welcher zu den nothwendigen, jedoch durchaus unannehmbaren, und darum auch die Verwerfung der sie fordernden Theorie begr\u00fcndenden Bestandst\u00fccken der monistischen Lehre auch die \u201eWirkungsunf\u00e4higkeit des Willens\u201c geh\u00f6ren sollte. In gleichem Sinne glaubt Wextscher*, \u201edie Analyse der Willenshandlung (Zwinge uns) zu einer Auffassung des Naturlaufes, die auch f\u00fcr ein Hereingreifen aufserphysikalischer Vorg\u00e4nge noch Raum gew\u00e4hrt\u201c; und selbst H\u00f6fler1 * 3 ist der Ansicht, dafs die monistische Forderung der geschlossenen Naturcausalit\u00e4t den\n1 Erhardt, a. a. O. S. 147.\n* Westscheb, a. a. O. S. 114.\n3 H\u00f6fler, a. a. O. S. 22.","page":94},{"file":"p0095.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Paralklistnusfrage.\n95\nWillen \u201eaus der Reihe der nothwendigen Theilbedingungen f\u00fcr das Zustandekommen des Werkes\u201c unbedingt ausschalten m\u00fcsse. Das ist nun wieder richtig oder nicht richtig, je nachdem man es nimmt. Den obigen Ausf\u00fchrungen zufolge mufs es allerdings m\u00f6glich sein, von einer gegebenen Willk\u00fcrbewegung aus die Kette der physikalischen Erscheinungen regressiv beliebig weit zu verfolgen, ohne jemele auf eine 'nicht nach phy8ik.U.ehe\u201e Gesetzen zu erg\u00e4nzende L\u00fccke zu stofsen ; die s\u00e4mmtlichen Glieder dieser Kette sind aber nur relativ zuf\u00e4llige Zeichen f\u00fcr die Wechselwirkung ganz andersartiger realer Processe, und z\u00f9 diesen realen Processen geh\u00f6rt auch das Wollen mit dem ganzen Apparate der dasselbe hervorbringenden Empfindungen, Vorstellungen und Gef\u00fchle. Da ferner jene Zeichen mit dem durch sie Bezeichneten auch wieder in causalem Verh\u00e4ltnisse stehen, ist nach dieser Auffassung das Wollen schliefslich doch die indirecte Ursache der Bewegungswahrnehmung ; und zwar hat es auf diesen Namen ein gr\u00f6sseres Recht als die physikalischen Antecedentien (m\u00f6gliche Him- und Nervenprocefswakrnehmungen), welche mit jener zwar gesetzm\u00e4fsig, nicht aber im eigentlichen* Sinne causal verbunden sind. Ich glaube nicht, dafs die Anspr\u00fcche der Willenscausalit\u00e4t auf geh\u00f6rige Ber\u00fccksichtigung durch diese Auffassung irgendwie verk\u00fcrzt werden.\nDas gleiche Mifsverst\u00e4ndnifs tritt uns in etwas verallgemeinerter Form entgegen, wenn man drittens annimmt, dafs mit der monistischen Leugnung der Wechselwirkung zwischen Leib und Seele eine vollst\u00e4ndige Abschliefsung des individuellen Bewufstseins von allem aufserhalb desselben Existirenden gemeint sei. Das ist nun zw7ar die Ansicht des monadologischen Dualismus, nicht aber diejenige des hier vertretenen Monismus; vielmehr wird von diesem die innige Verwebung des Bewufstseins-inhaltes mit dem gesammten Weltgeschehen nicht nur r\u00fcckhaltslos anerkannt, sondern geradezu als ein integrirender Be-standtheil seines Syst\u00e8mes gefordert. Ich stelle kurz die Einwendungen zusammen, welche sich diesem Gesichtspunkte unterordnen lassen.\nNach Wentscher1 \u201ekann Wundt als eigentlicher Vertreter des Parallelismusprincips nicht gelten\u201c, weil ihm zufolg\u00a9 \u201edie Causalit\u00e4t des individuellen Bewufstseins keine in sich abge*\n1 Wentscher, a. a. O. S. 12\u201413.","page":95},{"file":"p0096.txt","language":"de","ocr_de":"96\nG. Hermans,\nschlossene ist, wie sie es dem consequenten Parallelisraus doch sein m\u00fcfste, wenn er die physische f\u00fcr in sich geschlossen erkl\u00e4rt.\u201c Hier ist offenbar vergessen, d&fs die physischen Prooesse im Gehirn gewifs keine in sich geschlossene Kette bilden, sondern mit anderen physischen Processen in fortw\u00e4hrender Wechselwirkung stehen, woraus nach parallelistischen Prin-cipien ein gleiches f\u00fcr die entsprechenden psychischen Processe abzuleiten ist.\nDie Annahme einer Wechselwirkung h\u00e4lt Eehabdt1 auch deshalb f\u00fcr geboten, weil ohne dieselbe die teleologische Bedeutung der Gef\u00fchle, sinnlichen Wahrnehmungen und h\u00f6heren psychischen Functionen unerkl\u00e4rlich bliebe. Die Gef\u00fchle dienen der Erhaltung des Lebens; \u201edamit dieser Zweck aber erreicht werden kann, mufs das Gef\u00fchl zum mindesten den psychischen Ausdruck und Reflex des k\u00f6rperlichen Zustandes bilden; das wird nur dann ganz nat\u00fcrlicherweise der Fall sein, wenn das Gef\u00fchl durch den Zustand des K\u00f6rpers causal hervorgerufen wird.\u201c Aehnlich bei den Empfindungen : wenn diese \u201eihren Ursprung nicht in den Reizen, sondern in psychischen Einwirkungen haben, so wird die so \u00fcberaus k\u00fcnstliche Beschaffenheit einzelner Sinnesorgane und die complicirte Einrichtung des sensibeln Nervensystems vollkommen unverst\u00e4ndlich.\u201c Und .schliefslich in Bezug auf andere psychische Vorg\u00e4nge : \u201edie M\u00f6glichkeit \u00e4ufserer Wirkungen geh\u00f6rt so sehr zur Natur dieser Vorg\u00e4nge hinzu, dafs sie ohne dieselben ihren ganzen Sinn verlieren w\u00fcrden. Was h\u00e4tten z. B. alle h\u00f6heren geistigen Procease f\u00fcr einen Zweck, wenn keine M\u00f6glichkeit best\u00e4nde, von ihrem Inhalt auch anderen irgend welche Kunde zu geben?\u201c \u2014 Ich bemerke zu alledem, dafs der Monismus das Dasein \u201e\u00e4ufserer\u201c Ursachen und Wirkungen der psychischen Vorg\u00e4nge nicht ausschliefst sondern fordert; nur denkt er sich die betreffenden realen Processe eben nicht als physischer, d. h. in letzter Instanz sinnlicher Natur. Warum aber die hervorgehobenen Einrichtungen ihre Zweckm\u00e4fsigkeit einb\u00fcfsen sollten, wenn den sinnlichen Wahrnehmungen k\u00f6rperlicher Zust\u00e4nde und Procease etwas v\u00f6llig Andersartiges, jedoch durchaus parallel Verlaufendes* zum Grunde liegt, ist nicht einzusehen. Der k\u00fcnstliche Bau, -den wir am Auge wahmehmen, weist z. B. darauf hin, dafs zur\n1 Erhardt, a. a. O. S. 122, 145.","page":96},{"file":"p0097.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelismusfrage.\n97\nErzeugung von Wahrnehmungen, in welchen alle Unterschiede im Aufserbewufsten zum Ausdruck gelangen, complicirte Einrichtungen und Processe erfordert sind; dafs aber diese Einrichtungen und Processe im Wesen anderer Natur sein m\u00fcfsten als diejenigen, welche sich in unserem Bewufstseinsleben offenbaren, ist damit in keiner Weise bewiesen.\n\u201eUnser Wissen von einer k\u00f6rperlichen Welt ist . . . ein hinl\u00e4nglicher Beweis, dafs zwischen dem K\u00f6rperlichen und dem Psychischen ein Wechselwirken stattfindet\u201c1. \u201eV\u00f6llig unm\u00f6glich gemacht wird der Standpunkt des Parallelismus . . . durch die einfache Thatsache . . . dafs es \u00fcberhaupt ein Wissen vom Physischen giebt Denn offenbar ist doch dieses Wissen etwas rein Psychisches, trotzdem das Physische sein Gegenstand ist... Wo aber zwei Welten gegeben sind, die wirklich in voller Unabh\u00e4ngigkeit von einander zu denken wr\u00e4ren, da kann es auch nicht in der einen ein Wissen von Gegenst\u00e4nden der anderen geben; sie k\u00f6nnten von einander niemals etwas erfahren, w\u00fcrden nicht einmal etwas von einander gewahr werden.\u201c* \u2014 Offenbar wird hier wieder vorausgesetzt, dafs nach dem Monismus die physischen Processe irgendwie in eigener Wirklichkeit, nur von den psychischen vollst\u00e4ndig getrennt, vorliegen. F\u00fcr die oben entwickelte Theorie gilt aber genau das Umgekehrte: wras von physischen Processen wirklich ist, hat nur psychische Wirklichkeit innerhalb eines Bewufstseins, und wirkt auf die weiteren Inhalte dieses Bewufstseins unabl\u00e4ssig ein; es bildet aber gleichsam ein \u201eimperium in imperio\u201c, indem es sich einer eigenen, auf aufserbewufste Causalverh\u00e4ltnisse hinweisenden Gesetzm\u00e4fsigkeit unterordnet. Unser Wissen von der Aufsenwelt entsteht demnach ganz sicher durch die Einwirkung derselben auf unser Bewufstsein; diese Einwirkung erzeugt Farben-, Ton-, Widerstands- und andere Empfindungen, deren geordnete Mannigfaltigkeit f\u00fcr uns die Aufsenwelt vertritt, aber nicht mit derselben zu verwechseln ist. Dafs aber, wrie Kroman glaubt, diese Aufsenwrelt, wenn sie an sich psychischer Natur w\u00e4re, \u201euns nur zur Annahme einer Geisteswelt veranlafst, und uns nicht einmal die leiseste Ahnung von einer k\u00f6rperlichen Welt gegeben haben w\u00fcrde\u201c, ist eine durchaus grundlose Behauptung. F\u00fcr die Art\n1 Kroman, a. a. O. 8. 121.\n* Wentscher, a. a. O. 8. 104.\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XVII.\n7","page":97},{"file":"p0098.txt","language":"de","ocr_de":"98\nG, Hey mans.\nund Weise, wie wir diese Welt vorstellen, kommt \u00a9s eben nicht darauf an, was sie an sich ist, sondern welche Empfindungen sie in uns hervorruft; sind dies aber solche, aus denen sich unsere Vorstellungen physischer Dinge zusammensetzen, so ist damit auch die Entstehung unserer physischen Weltvorstellung erkl\u00e4rt.\nViertens steht der Monismus unter dem, wenigstens den neueren Vertretern desselben gegen\u00fcber durchaus grandiosen Verdacht, das Physische auf Kosten des Psychischen zu bevorzugen. Ebhahdt 1 tadelt \u201edie Einseitigkeit der ganzen Hypothecs welch\u00a9 das Gewicht durchaus auf die materiellen Vorg\u00e4nge legen mufsu, und Wentscheb* f\u00fcgt hinzu, durch sie sei \u201ein Wahrheit doch nur das Recht des Physischen gewahrt, und sein Schema sozusagen als das allein g\u00fctige anerkannt\u201c ; der erstere1 glaubt den Monismus zu bek\u00e4mpfen, wenn er nachweist, dafs schwerlich die einzelnen Atome als \u201eselbst\u00e4ndige Tr\u00e4ger von Empfindungszust\u00e4nden\u201c aufgefafst, und ebensowenig die logischen Processe als \u201eblos passiven Ausdruck irgendwelcher Gehirnbewegungen\u201c gedacht werden k\u00f6nnen. Der nachdr\u00fccklichste Widerspruch von Seiten der angesehensten Vertreter der Theorie vermag an der Sicherheit dieser Urthe\u00fce nichts zu \u00e4ndern. \u201eFreilich\u201c, sagt Erhabdt4, \u201elassen es sich manche Vertreter des Parallelismus (Paulsen, Wundt) angelegen sein, die feierliche Versicherung abzugeben, dafs nicht die k\u00f6rperliche, sondern die geistige Welt di\u00a9 gr\u00f6fsere Realit\u00e4t besitze. Die paraUelistische Theorie hat jedoch nur dann einen Sinn, wenn man die Realit\u00e4t der K\u00f6rperwelt unangetastet l\u00e4fst ; folglich beruht diese Auskunft auf einer Inconsequenz, welche f\u00fcr die ganze Hypothese von zerst\u00f6render Wirkung ist.\u201c \u2014 Wer es weifs, soll es sagen; ich bin aber wirklich neugierig zu erfahren, wo in der oben entwickelten Theorie die Inconsequenz steckt. In Erwartung dessen sei hier nur kurz angedeutet, wie sich diese Theorie zur Rangfrage stellt. Zun\u00e4chst kann sie die Begriffe der \u201egr\u00f6sseren oder geringeren Realit\u00e4t\u201c nicht als berechtigte anerkennen ; die Realit\u00e4t ist kein Begriffsmerkmal, welches in verschiedener Intensit\u00e4t anwesend gedacht werden kann. Sodann h\u00e4lt sie es aus fr\u00fcher\n1 Ebhahdt, a. a. O. S. 152.\n*\tWentscheb, a. a. O. S. 101.\n*\tEbhahdt, a. a. O. S. 120, 129\n4 Ebhahdt, a. a. 0. S. 152.","page":98},{"file":"p0099.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parattel\u00fcmu\u00eafrage.\n99\ner\u00f6rterten Gr\u00fcnden f\u00fcr wahrscheinlich, dafs alles Wirkliche psychischer Natur ist. Versteht man ferner unter physischen Erscheinungen die sinnlichen Wahrnehmungen, unter psychischen Erscheinungen die sonstigen Bewufstseinsinhalte, so findet sie keinen theoretischen Grund, zwischen beiden irgendwelchen Rangunterschied zu behaupten. Der physischen Reihe als einem Ganzen mufs sie allerdings geringere Bedeutung als der psychischen Reihe beimessen, insofern jene nur f\u00fcr einen verschwindend geringen Theil, n\u00e4mlich in den sinnlichen Wahrnehmungen menschen\u00e4hnlicher Bewufstseine, in der Wirklichkeit gegeben, diese dagegen mit der Gesammtheit des Wirklichen identisch ist. Was insbesondere das Verh\u00e4ltnifs zwischen menschlichen Bewufstseins-und Gehimerscheinungen anbelangt, kann sie, so lange sinnliche Wahrnehmung des functionirenden Gehirns nahezu ausgeschlossen bleibt, nur die psychische Seite des Processes als die ganze Wirklichkeit desselben anerkennen. Und zwischen psychischer und physischer Causalit\u00e4t hat sie in der Weise zu unterscheiden, dafs ausschliefslich die erstere als wirkliche Causalit\u00e4t, die zweite aber nur als eine von Causalverh\u00e4ltnissen abh\u00e4ngige Gesetz-m\u00e4fsigkeit, also vielleicht am besten als Pseudocausalit\u00e4t, zu bezeichnen w\u00e4re.\nGanz besonders undenkbar haben f\u00fcnftens Viele die monistische Vermuthung gefunden, dafs dasjenige, welches wir als physische Ursachen oder Wirkungen psychischer Vorg\u00e4nge wahmehmen, an sich psychischer Natur sein sollte. So rechnet Wentscher 1 zu den \u201eSchwierigkeiten, deren L\u00f6sung (dem Parallelismus) nur durch Hinzunahme ganz willk\u00fcrlicher Hypothesen \u00fcberhaupt m\u00f6glich sein d\u00fcrfte\u201c, besonders auch diese, \u201edafs f\u00fcr ihn eine directe Mittheilung psychischer Inhalte von Subject zu Subject irgendwie m\u00f6glich sein mufs\u201c. Auch Erharbt 1 2 findet \u201eeine grofse Schwierigkeit f\u00fcr die Theorie des universellen Parallelismus .... in dem Begriffe der Empfindlings- und Gef\u00fchls\u00fcbertragung\u201c, und nennt sogar \u201edie Annahme einer im Sinne des Parallelismus gedachten Uebertragung psychischer Zust\u00e4nde von einem Subject auf das andere v\u00f6llig grundlos und phantastisch.\u201c Und H\u00f6fler0 wirft, wrenn er sich in die mo-\n1 Wektschee, a. a. O. S. 85.\n- Er Hardt, a. a. 0. S. 123.\n* H\u00f6flek, a. a. 0. S. 16.\n7*","page":99},{"file":"p0100.txt","language":"de","ocr_de":"100\nG. Hey mam.\nnistische Auffassung des Verh\u00e4ltnisses zwischen einer Schall-Wahrnehmung in meinem Bewufstsein und der entsprechenden Gesichtswahmehmung im Bewufstsein eines mein Gehirn beobachtenden Physiologen zu versetzen versucht, die verwunderte Frage auf: \u201ealso sieht eigentlich der Physiolog mein H\u00f6ren?!\u201c \u2014 Solchen Bedenken gegen\u00fcber ist nun zun\u00e4chst darauf hinzuweisen, dafs der Monismus nicht eine interindividuelle Ueber-t r ag u n g, sondern nur eine interindividuelle Wechselwirkung psychischer Vorg\u00e4nge anzunehmen braucht; dafs aber diese nur so lange paradox erscheint, als man sich die individuellen \u00dfe-wufstseine dualistisch oder monadologisch als substanzielle Einheiten denken zu m\u00fcssen glaubt. Sollte dagegen, wie im Vorhergehenden angedeutet wurde, das Verh\u00e4ltnifs zwischen individuellem und universellem Bewufstsein nach der Analogie desjenigen zwischen \u201eApperceptionsmassen\u201c und individuellem Bewufstsein zu denken sein, so w\u00e4re nicht einzusehen, inwiefern die interindividuelle Causalit\u00e4t gr\u00f6fsere Schwierigkeiten bieten m\u00fcfste als die psychische Causalit\u00e4t \u00fcberhaupt Auch im individuellen Bewufstsein wirken ja psychische Vorg\u00e4nge, welche in der secund\u00e4ren Reihe durch Wahrnehmungen verschieden loca-lisirter Hirn processe vertreten sind, unabl\u00e4ssig auf einander ein ; so wenig wie hier, darf auch im anderen Fall aus der Uner-kl\u00e4rtheit dieser Einwirkung auf ihre Unm\u00f6glichkeit geschlossen werden. Was insbesondere die Frage H\u00f6fler\u2019s anbelangt, d\u00fcrfte schon die Erinnerung an die bekannten Thatsachen der audition color\u00e9e gen\u00fcgen, um wenn auch nicht das Fragezeichen, so doch das hinzugef\u00fcgte Ausrufszeichen als gegenstandslos er-scheinen zu lassen. Nat\u00fcrlich liegt es mir fern zu behaupten, dafs in den beiden F\u00e4llen gleich\u00a9 oder auch nur \u00e4hnliche Causal-Verh\u00e4ltnisse anzunehmen seien ; ich habe nur nachweisen wollen, dafs, in dieser Hinsicht wenigstens, dem universellen keine gr\u00f6fseren Schwierigkeiten als dem particularen Parallelismus im Wege stehen. Uebrigens sei noch einmal daran erinnert, dafs die Allbeseelung keineswegs zu den unentbehrlichen Bestandst\u00fccken des paralleli\u00dftischen Monismus gerechnet werden darf.\nWeitere Bedenken sind sechstens aus der Verkennung des idealen oder hypothetischen Charakters, welcher nach den obigen Ausf\u00fchrungen der secund\u00e4ren Reihe zukommt, hervorgegangen. Von der Ansicht ausgehend, dafs nach der monistischen Hypothese s\u00e4mmtliche Glieder der beiden Reihen in","page":100},{"file":"p0101.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Paralidismusfrage.\n101\ngleicher Vollst\u00e4ndigkeit irgendwo in der Wirklichkeit gegeben sein m\u00fcssen, fragt H\u00f6flek1 im Anschlufs an das oben besprochene Beispiel: \u201ewie, wenn nun das Functioniren meiner H\u00f6rzelle f\u00fcr Niemand Erscheinung wird \u2014 wo bleibt dann \u00fcberhaupt zu meinem H\u00f6ren das gesuchte Parallelglied?14 Und etwas weiter h\u00e4lt er es f\u00fcr wahrscheinlich, \u201edafs bei erneuerter Stellung der Frage, f\u00fcr wen nun das Fungiren der Sehzellen des Physiologen Ph\u00e4nomen wird44, sich die Anwendung der Identit\u00e4tstheorie \u201eunendlich complicirt, n\u00e4mlich als zu einem regressus in infinitum f\u00fchrend, gestalten m\u00fcsse44. Ich setze noch eine dritte, meines Wissens nicht erhobene, aber f\u00fcr die betreffende Auffassung leicht sich darbietende Frage hinzu: wie, wenn das Functioniren meiner H\u00f6rzelle durch mehrere Physiologen gleichzeitig wahrgenommen wird, sind dann die betreffenden Glieder der secund\u00e4ren Reihe zwei- oder dreifach gegeben? \u2014 Alle diese Fragen finden nun leicht ihre Erledigung, wenn man sich erinnert, dafs nach dem Vorhergehenden nur den Gliedern der prim\u00e4ren Reihe kategorisch, denjenigen der secund\u00e4ren Reihe aber blos hypothetisch Wirklichkeit zukommt. Jene umfafst die Gesammtheit der wirklichen Processe, diese die Gesammtheit der m\u00f6glichen Wirkungen, welche jene wirklichen Processe unter ganz bestimmten, als Adaptation der Sinnesorgane wahrzunehmenden Bedingungen hervorbringen k\u00f6nnten. Indem nun diese Bedingungen f\u00fcr die \u00fcberwiegende Mehrzahl der wirklichen Processe nicht, f\u00fcr einige aber auch mehrfach verwirklicht sind, sind auch die entsprechenden Glieder der secund\u00e4ren Reihe zum Theil nicht, zum Theil mehrfach in der Wirklichkeit gegeben. Dadurch wird aber der Inhalt der secund\u00e4ren Reihe, ein reines Gedankending, ebensowenig tangirt, als der Inhalt der Zahlenreihe oder des Farbendreiecks durch die Thatsache, dafs einige Zahlen in der Rechnung \u00f6fter verwendet werden, oder dafs einige Farben in der Natur mehr Vorkommen, als die anderen. Auch der von H\u00f6fler bef\u00fcrchtete imendliche Regrefs droht demnach nur im Schein. Indem jedem wirklichen Procefs eine m\u00f6gliche Wahrnehmung entspricht, ist die Zahl der Glieder der secund\u00e4ren Reihe derjenigen der wirklichen Processe gleich; nur die verwirklichten, nicht die blos m\u00f6glichen Wahrnehmungen fordern selbst wieder Parallelglieder\n1 H\u00f6fler, a. a. O. S. 10\u201418.","page":101},{"file":"p0102.txt","language":"de","ocr_de":"102\nG. Htymans.\nh\u00f6herer Potenz. Was wir Natur nennen (unsere secund\u00e4re Reihe) ist ja dem Begriffe nach nichts weiter als eine vollst\u00e4ndige sinnliche Vertretung des wirklichen Geschehens; werden also die Hirnfunctionen des einen Wahrnehmers durch einen zweiten, des zweiten durch einen dritten beobachtet u. s. w., so ist doch jedenfalls nur eine endliche Reihe wirklicher Processe gegeben, denen eine gleiche Anzahl m\u00f6glicher (hier freilich bis auf die letzte in der Reihe selbst verwirklichter) secund\u00e4rer Vorg\u00e4nge entspricht.\nZum Siebenten ist gegen den Monismus angef\u00fchrt worden, dafs er nicht im Stande sei, eine der Einheit des Denkens entsprechende physische Parallelerscheinung ausfindig zu machen. \u201eF\u00fcr das Moment der Einheitlichkeit, wie es die psychischen Akte enthalten, l\u00e4fst sich\u201c nach Wentscher 1 \u201eauf physischem Gebiete in Folge der objectiven Natur der Vorg\u00e4nge kein Correlat namhaft machen, dem man hier die analoge Bedeutung zuschreiben k\u00f6nnte, wie sie diesem Momente dort zukommt\u201c; und auch Kroman 2 findet einen Widerspruch in der Thatsache, \u201edafs die Atombewegungen (des Gehirns) Bewegungen der vielen Atome sind, w\u00e4hrend s\u00e4mmtliche Vorstellungsbewegungen einem und demselben Subject oder Ich angeh\u00f6ren\u201c. \u2014 Diese Aeufserungen scheinen wieder der vorgefafsten Meinung zu entstammen, dafs der Monismus eine idealistische Weltauffassung ausschliefse und die unbedingte Realit\u00e4t des Physischen voraussetze. Allerdings ist es, wie Kroman bemerkt, unm\u00f6glich zu glauben, \u201eeine Erinnerung, ein Gedanke oder ein Entschlufs lasse sich auf eine Mehrheit wechselwirkender, sonst aber gegenseitig selbst\u00e4ndiger Tr\u00e4ger vertheilen, ohne seine Einheit einzu-b\u00fcfsen und somit g\u00e4nzlich zu Grunde zu gehen\u201c. Aber es ist keineswegs ebenso unm\u00f6glich anzunehmen, dafs eine Erinnerung, ein Gedanke oder ein Entschlufs auf indirectem Wege die Wahrnehmung oder Vorstellung einer Vielheit sinnlicher Erscheinungen erzeuge; und nur diese, nicht aber jene M\u00f6glichkeit wird vom Monismus vorausgesetzt F\u00fcr ihn ist die Vielheit der Atom-bewegungen nur Erscheinung innerhalb des Bewusstseins, und hat sie als solche Theil an der Einheitlichkeit des bewufsten Lebens. \u2014 In Bezug auf das Bed\u00fcrfnifs eines physischen Corre-\n\u2018 Wentscher, a. a. O. S. 93\u201494. 9 Kroman, a. a. O. S. 124.","page":102},{"file":"p0103.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Parallelismusfrage.\n103\nlates der psychischen Einheit setzt Wentscher noch hinzu: \u201enicht einmal der diesem Bed\u00fcrfnifs wenigstens \u00e4ufserliehe Befriedigung verheifsende, lange Zeit so lebhaft gesuchte Centralpunkt des Gehirns, welcher zu der Einheit der psychischen Vorg\u00e4nge im Subject ein Analogon bieten k\u00f6nnte, hat sich bisher wollen auffinden lassen\u201c; ich m\u00f6chte dazu nur bemerken, dafs nicht die Monisten, sondern die Dualisten aller Zeiten jenen Centralpunkt so lebhaft gesucht haben, wohl weniger dem Monismus zu Liebe als im richtigen Gef\u00fchl, dafs nur die Feststellung eines solchen zwischen ihrer Theorie und den physiologischen und pathologischen Thatsachen eine Vers\u00f6hnung zu Stande bringen k\u00f6nnte.\nSchliefslich haben noch die Dualisten ihr eigenes Dasein dem Monismus zum Problem gemacht: \u201ewenn unsere Vorstellungen, Affecte, Willensakte nicht mehr in causaler Beziehung zu den k\u00f6rperlichen Vorg\u00e4ngen stehen, die wir nat\u00fcrlicherweise als ihre Wirkungen ansehen, so ist es vollkommen unbegreiflich, woher auch nur der Schein entspringen soll, welcher die Ursache unserer gewohnten Auffassung bildet\u201c\u2014 Ich halte es nicht f\u00fcr schwer, diesen Schein zu erkl\u00e4ren ; er beruht einfach auf dem Umstande, dafs die in der Erfahrung gegebenen Bruchst\u00fccke der beiden Reihen sich nirgends decken. Von der prim\u00e4ren Reihe sind uns nur die eigenen psychischen Vorg\u00e4nge gegeben; die entsprechenden Glieder der secund\u00e4ren Reihe (die eigenen Himfunctionen) bleiben unserer Wahrnehmung entzogen. Und umgekehrt liegen uns in der secund\u00e4ren Reihe nur Wahrnehmungen vor, welche sich auf die Aufsenwelt beziehen; das eigene Wesen dieser Aufsenwelt aber liegt wieder jenseits unserer Erfahrung. Kurz, die Sache verh\u00e4lt sich so, dafs eben an dem Punkte, wo die eine Kette sich nicht weiter verfolgen l\u00e4fst, die andere anf\u00e4ngt sich bemerklich zu machen und umgekehrt. Unter solchen Umst\u00e4nden mufste der Dualismus zur Weltanschauung des nat\u00fcrlichen Denkens werden; empirisch sieht es ja genau so aus, wie es nach jener Theorie aussehen mufs. Erst eine vorgeschrittenere Physiologie und allgemeine Naturwissenschaft konnte die Hindernisse aufdecken, welche jener Auffassung im Wege stehen; bis dahin erregte nur die unklare Einsicht, dafs Physisches und Psychisches nicht in einander\n1 Erhabdt, a. a. O. 6. 143.","page":103},{"file":"p0104.txt","language":"de","ocr_de":"104\nG. Ueymans,\npassen, einer verschiedenen Ordnung angeh\u00f6ren, stets wieder sich erneuernde Bedenken. Dafe diese Bedenken kr\u00e4ftig genug waren, um von Descartes bis Leibniz eine Reihe von Systemen hervorzurufen, welche, nur um die Wechselwirkung loszuwerden, auch die unwahrscheinlichsten Annahmen nicht scheuten, dar\u00fcber werden sich die Dualisten, mehr als die Mouisten \u00fcber die Verbreitung der Lehre von der Wechselwirkung, zu wundem haben.\nAm Ende dieser Polemik angelangt, m\u00f6chte ich noch kurz auf eine schon fr\u00fcher ge\u00e4ufserte Vermuthung in Bezug auf den positiven Standpunkt Erhardt\u2019s zur\u00fcckkommen. Indem mir von diesem Forscher nur einige kleinere Schriften vorliegen, kann ich mit Sicherheit nicht mehr behaupten, als dafs sich sein Dualismus von demjenigen eines Descartes mindestens ebensosehr unterscheidet, wie der hier vorgetragene Monismus von dem spinozistischen ; ich wage es aber die Vermuthung auszusprechen, dafs durch diese gegenseitige Verschiebung der Standpunkte die beiden feindlichen Anschauungen einander nicht nur n\u00e4her, sondern selbst so nahe gekommen sind, dafs nur noch eine d\u00fcnne terminologische Scheidewand entfernt zu werden braucht, um sie ganz zusammenfallen zu lassen. Zur Begr\u00fcndung dieser Vermuthung sei auf Folgendes hingewiesen. Erhardt nimmt an, \u201edafs \u00fcberhaupt alle in der Natur wirkenden Ursachen ihrem Wesen nach immateriell sind\u201c 1 ; zu diesen wirkenden Ursachen rechnet er sowohl psychische, wie mechanische, physische und chemische Kr\u00e4ftes, und behauptet ihre wesentliche Gleichartigkeit'1 3; er ist auch davon \u00fcberzeugt, \u201edafs sich die Wirkung der Seele auf den K\u00f6rper im Princip gar nicht von den Wirkungen sonstiger Kr\u00e4fte auf die Materie unterscheidet\u201c4. Des weiteren giebt er zu, \u201edafs erfahrungsm\u00e4fsig alle Naturkr\u00e4fte ihren Sitz und ihren Ausgangspunkt in der Materie haben\u201c, und dafs diese \u201eharmlose Art der Materialit\u00e4t ohne Zweifel auch der menschlichen Seele zukomme\u201c5; demzufolge auch \u201enaturwissenschaftlich (die im Gehirn stattfindenden Bewegungen) doch aus den Eigenschaften der Gehimtheile, d. h. aus den Kr\u00e4ften erkl\u00e4rt werden m\u00fcssen, die im Gehirn ihren Sitz haben\u201c6; da-\n1\tErhardt, a. a. O. S. 45.\n2\tErhardt, a. a. O. S. 41.\n3\tErhardt, a. a. 0. S. 36.\n1 Erhardt, a. a. O. 8. 45.\n6 Erhardt, a. a. O. S. 59.\n6 Erhardt, a. a. 0. 8. 79.","page":104},{"file":"p0105.txt","language":"de","ocr_de":"Zur Pa valid ism us fr age.\n105\ngegen sei es gewifs nicht seine Absicht, \u201edie Seele einfach in einem bestimmten \u201eAtom11 des Gehirns zu fixir\u00ean\u201c \\ Und schliefslich sei die Materie zu einer blofsen Erscheinung der allein wirklichen Naturkr\u00e4fte herabzusetzen : \u201edafs uns die von... Kr\u00e4ften gebildeten einzelnen Systeme dennoch empirisch als K\u00f6rper erscheinen, ist einfach auf Rechnung der sinnlichen Wahrnehmung zu setzen, welche uns nicht erlaubt, die Dinge so zu erkennen, wie sie in Wirklichkeit sind112; damit \u201everschwindet mit einem Schlage die ganze materielle Welt; was \u00fcbrig bleibt, ist eine unbegrenzte Vielheit immaterieller Elemente, die untereinander nur noch in unr\u00e4umlichen Beziehungen stehen, deren Ver\u00e4nderungen uns zum Theil als Bewegungen erscheinen ; in Wirklichkeit liegen jedoch den Bewegungen ganz andere Vorg\u00e4nge zu Grunde11 *. \u2014 Also: keine Monaden und keine vom K\u00f6rper getrennte Seelensubstanzen ; sondern eine Wechselwirkung immaterieller, unr\u00e4umlicher, theil wreise bewufster Kr\u00e4fte, welche als materielle Welt erscheinen. Das sind aber genau die Grundlinien der oben entwickelten Theorie, nur mit ein bifschen anderen Worten. Die Wesenseinheit alles Wirklichen wird ausdr\u00fccklich anerkannt, und alles Psychische diesem Wirklichen zugerechnet; die Vielheit immaterieller Elemente entspricht unserer prim\u00e4ren, die Vielheit der k\u00f6rperlichen Erscheinungen unserer secund\u00e4ren Reihe; die letzteren m\u00fcssen aber als psychische Vorg\u00e4nge auch den ersteren beigerechnet werden, und als unter bestimmten Bedingungen eintretende Wirkungen den wirkenden Ursachen eindeutig entsprechen, demnach in idealer Vollst\u00e4ndigkeit als eine geschlossene Parallelreihe zu denselben gedacht werden. Ich sehe nicht ein, was hieran zum parallelistischen Monismus fehlt. \u2014 Es w\u00e4re mir sehr interessant, einmal zu erfahren, wie sich Erhakdt zu dieser Deutung seiner Ansichten stellt. Sollte dieselbe richtig sein, so w\u00e4re damit wieder einmal bewiesen, dafs die vielgescholtene Kreisbewegung in der Entwickelung der Philosophie doch eher der Bewegung in einer Spirale vergleichbar ist, welche zwar abwechselnd nach verschiedenen Richtungen, jedoch in stets geringerem Maafse, vom festen Mittelpunkte sich entfernt, und in welcher schliefslich die Gegens\u00e4tze bis zur Unmerklichkeit verschwunden.\n1\tErhardt, a. a. O. S. 79.\n2\tErhardt, a. a. O. S. 103.\n* Erhardt. a. a. O. S. 105\u2014100.","page":105}],"identifier":"lit30382","issued":"1898","language":"de","pages":"62-105","startpages":"62","title":"Zur Parallelismusfrage","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:28:58.646547+00:00"}