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{"created":"2022-01-31T12:35:59.140251+00:00","id":"lit30427","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Heller, Theodor","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 149-152","fulltext":[{"file":"p0149.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturberich t.\nS. Hoffmann. Psychologisches Lesebuch, zus&mme&gestellt mit R\u00fccksicht auf fiiagoglsehe Terwerthvaf. Leipzig, Emst Wunderlich. 1896. 168 6.\nEin psychologisches Lesebuch f\u00fcr Lehrer ist in zweierlei Weise (lenkbar: einmal so, dafs die ausgew\u00e4hlten 8t\u00fccke einer bestimmten Richtung in der Psychologie angeh\u00f6ren, ein anderes Mal so, dafs von Schriftstellern verschiedener Richtung gewisse Fragen, die f\u00fcr die P\u00e4dagogik eine besondere Bedeutung haben, behandelt werden. Im erstgenannten 8inne ist das Lesebuch Hoffmann\u2019s gehalten, das fast v\u00f6llig der HERBART\u2019schen Schule angeh\u00f6rt. Demgem\u00e4fs kommt es der gegenw\u00e4rtigen P\u00e4dagogik entgegen, die von dem Geiste Hkkbabt\u2019s beherrscht wird, und es charakterisirt sich \u00dcberdies durch eine gewisse Einheitlichkeit in den Grundanschauungen, was f\u00fcr Anf\u00e4nger nicht ohne Bedeutung ist. Andererseits zeigt es freilich den Mangel, dafs die neueren Ergebnisse der Psychologie allzu wenig Vertretung gefunden haben. Da aber die Auswahl der Stoffe gut ist, so mag das B\u00fcchlein trotz des Mangels empfohlen werden.\nUfer (Altenburg).\n1.\tBrunner. Me methodischen H\u00fcrflbungen in der Taubstummenzchule. Wiener klinische Wochenschrift, 5. Jahrgang Nr. 35, 1897. 8. 779\u2014782.\n2.\tF. Bezold. Vachpr\u00fcfnng der im Jahre 1893 untersuchten Taubstummen.\nZeitschrift f\u00fcr Ohrenheilkunde. Bd. XXX, 1897. 8. 203\u2014223.\n3.\tKarl Braucxmann. Die im kindlichen Alter auftretende SchwerhQrigkelt und ihre p\u00e4dagogische W\u00fcrdigung. Leipzig, Hermann Haacke. 1896. 103 8.\n1. Die \u00dcRBANTSCHiTSCH\u2019schen H\u00f6r\u00fcbungen bieten abgesehen von ihrer hohen p\u00e4dagogischen Bedeutung nicht geringes psychologisches Interesse insbesondere in betreff der Frage nach dem Verhalten Taubstummer bei Erwerbung von Geh\u00f6rseindr\u00fccken. Nach Brunner\u2019s Beobachtungen ergeben sich hierbei wesentliche Unterschiede zwischen Taubgeborenen oder in fr\u00fcher Jugend Erlaubten und Personen mit sp\u00e4ter erworbener Taubheit. Die letzteren ordnen die neuen Geh\u00f6rseindr\u00fccke in das System von Geh\u00f6rs-v\u00f6rstellungen ein, die in der Form von Erinnerungsbildern bereits einen sicheren Besitz des Bewufstseins bilden. Bei den ersteren ist \u201edie den","page":149},{"file":"p0150.txt","language":"de","ocr_de":"150\nLiteraturberich t.\nacustischen Eindr\u00fccken ad\u00e4quate specifische Erregungsform den Nervenleitungen noch nicht eigent\u00fcmlich\u201c. Aehnlich wie bei den neugeborenen Kindern verursachen die ersten H\u00f6rversuche fast nur Schmerzempfindungen. Die- Unf\u00e4higkeit, Geh\u00f6rseindr\u00fccke in ihrer Bpecifischen Art zu percipiren, dr\u00fcckt sich auch darin aus, dafs die Taubstummen ihre Aufmerksamkeit zun\u00e4chst jenen tactilen Empfindungen zuwenden, welche durch die Schwingungen der Luft bei Verwendung st\u00e4rkerer Schallquellen erregt werden. Aber auch wenn die Geh\u00f6rseindr\u00fccke als solche zur Auffassung gelangen, so bleiben sie auf der Stufe undeutlicher, unzusammenh\u00e4ngender Wahrnehmungen stehen. Die eigentliche Bedeutung der Urbantschitsch-sehen H\u00f6r\u00fcbungen besteht in der Herstellung jener Centren und inter-centralen Verbindungen, die f\u00fcr das Geh\u00f6r im Allgemeinen, f\u00fcr das Wortgeh\u00f6r im Speciellen erforderlich sind. Ist die F\u00e4higkeit zur acustischen Auffassung \u00fcberhaupt vorhanden, so wird die Differenzirung der Kl\u00e4nge durch Uebungen in der Unterscheidung der Vocale angeregt, welche sp\u00e4terhin zur Erwerbung der \u00fcbrigen Sprachlaute durch das Geh\u00f6r f\u00fchren.\nDer in der Taubstummenschule \u00fcbliche Articulationsunterricht l\u00c4\u00dc\u00e4st die Sch\u00fcler durch Verwendung des Gesichts- und Tastsinnes zur Hervorbringung und Unterscheidung der Sprachlaute gelangen. Das Sprach-centrum der Taubstummen ist demnach ein \u201eLaut-Seh-Tastcentrum\u201c. Mit diesem mufs aber das durch die H\u00f6r\u00fcbungen sich entwickelnde H\u00f6rcentrum in Verbindung gebracht werden, wenn die von Seiten des Geh\u00f6re aufgefafsten Laute Sinn und Bedeutung gewinnen sollen. \u201eDie Bildung der acustischen Lautvorstellungen, die acustische Differenzirung der Laute erfolgt unter Mith\u00fclfe jener durch den Unterricht gewonnenen Lautvorstellungen, die lediglich Complicationen von Gesichts-, Tast- und Bewegungsvorstellungen sind.\u201c In diesen Complex gehen die Geh\u00f6rsvorstellungen als neue Components ein; durch die einheitliche Beziehung auf ersteren wird das Lautgeh\u00f6r der Taubstummen zum Wortgeh\u00f6r.\nEin ansehnlicher Theil des Begriffsschatzes bleibt dem Taubstummen verschlossen. \u201eEs sind Begriffe aus dem acustischen Gebiet, die sich seiner Auffassung entziehen, und darum k\u00f6nnen auch die Worte, die diese Begriffe bezeichnen, ihm nicht gelehrt werden, oder sie bleiben, wenn sie gelehrt werden, f\u00fcr ihn inhaltslose Worte, Worte ohne begriffliche Bedeutung.\u201c Durch die H\u00f6r\u00fcbungen wird die sinnliche Grundlage f\u00fcr die Bildung der betreffenden Vorstellungen und Begriffe geschaffen.\nDie Sprache des Taubstummen ist eine stumme Geb\u00e4rdensprache. Sobald derselbe aber seine eigene und die Sprache seiner Umgebung au h\u00f6ren vermag, erlangt diese den Charakter acustischer Ausdrucks-bewegungen, ein Umstand, der nicht blofs f\u00fcr die Verstandes-, sondern auch f\u00fcr die Gem\u00fcthsbildung der Taubstummen von besonderer Wichtigkeit ist.\n2. Die von Bezold eingef\u00fchrten H\u00f6rpr\u00fcfungen mittelst der continuir-liehen Tonreihe stehen mit den UrbANTSCHiTscn\u2019schen H\u00f6r\u00fcbungen insofern in innigster Beziehung, als durch die ersteren eine genaue Feststellung des H\u00f6rverm\u00f6gens in jedem einzelnen Falle und die Entscheidung dar\u00fcber m\u00f6glich ist, ob und in welcher Art die H\u00f6r\u00fcbungen angewendet werden","page":150},{"file":"p0151.txt","language":"de","ocr_de":"Li ter a turberich t.\n151\nk\u00f6nnen. Bkzold hat die 1893 untersuchten Taubstummen nach 37s Jahren einer Nachpr\u00fcfung unterzogen, wobei die von Edelmann in Bezug auf Gleichm\u00e4fsigkeit und Intensit\u00e4t verbesserte continuirliche Tonreihe zur Anwendung gelangte. Hierbei zeigte sich, dafs von den 50 Geh\u00f6rorganen, welche bei der ersten H\u00f6rpr\u00fcfung als total taub erschienen, zwei Geh\u00f6rorgane (zwei Individuen geh\u00f6rig) eine Insel und zwei Geh\u00f6rorgane (einem Individuum geh\u00f6rig) eine gr\u00f6fsere Geh\u00f6rstrecke aufwiesen. Diese Unterschiede lassen sich auf die gr\u00f6fsere Intensit\u00e4t der neuen Tonreihe zur\u00fcckf\u00fchren. Hingegen waren bei zwei anderen Taubstummen Verluste fr\u00fcher bestandener H\u00f6rreste zu constatiren, was auf eine sp\u00e4terhin eingetretene Fortsetzung des Zerst\u00f6rungsprocesses im CoBTi\u2019schen Organ schliefsen l\u00e4fst. Bei allen anderen Geh\u00f6rorganen zeigten sich trotz der bedeutend gr\u00f6fseren Tonst\u00e4rke .des neuen Apparates entweder nahezu die gleichen H\u00f6rstrecken wie das erste Mal oder eine Vergr\u00f6fserung derselben in m\u00e4fsigen Grenzen. W\u00e4hrend der erstere Befund auf eine scharfe Abgrenzung des Zerst\u00f6rungsherdes in der Schnecke hinweist, l\u00e4fst der letztere Befund eine ann\u00e4hernde Vorstellung davon gewinnen, wie weit die Untersuchungsresultate beeinflufst werden durch Ungleichheiten der Intensit\u00e4t bei Verwendung verschiedener Tonreihen. Dieser Einflufs ist jedoch ein geringerer, als im Anfang zu erwarten war.\nWie wichtig die H\u00f6rpr\u00fcfungen mit der continuirlichen Tonreihe f\u00fcr die URBANT8CHiTSCH\u2019schen H\u00f6r\u00fcbungen sind, geht daraus hervor, dafs die von \u00dcBBANT8CHIT8CH erwartete Besserung des H\u00f6rverm\u00f6gens f\u00fcr verschiedene fr\u00fcher nicht percipirte Schallquellen durch die ausschliefslich mit der Sprache vorgenommenen H\u00f6r\u00fcbungen thats\u00e4chlich nicht nachgewiesen werden konnte, und auch H\u00f6r\u00fcbungen mit reinen T\u00f6nen keinen bemerkens-werthen Erfolg ergaben. Von den nochmals zur Untersuchung gelangten Z\u00f6glingen der M\u00fcnchener Taubstummenanstalt wurden diejenigen, welche auf Grund der Ausdehnung ihrer H\u00f6rstrecken in der Tonskala ein H\u00f6rverm\u00f6gen f\u00fcr die Sprache erwarten liefsen, methodischen Sprach\u00fcbungen vom Ohre aus zugef\u00fchrt. Diese ergaben das sehr befriedigende Resultat, dafs der vierte Theil der Z\u00f6glinge ein mehr oder weniger umfassendes Sprachverst\u00e4ndnifs erlangte. Da hierin auch jene F\u00e4lle inbegriffen sind, in welchen das Sprachverst\u00e4ndnifs trotz des wenig beeintr\u00e4chtigten H\u00f6rverm\u00f6gens f\u00fcr die Tonskala ein auff\u00e4llig mangelhaftes war, so kann der Satz als bewiesen angesehen werden, \u201edafs \u00fcberall dort, wo \u00fcberhaupt gen\u00fcgende Reste von Tongeh\u00f6r vorhanden sind, auch eine entsprechende Verwerthung dieser Reste f\u00fcr das Sprachverst\u00e4ndnifs durch einen ziel-bewufsten, auf diesen Resten fufsenden Unterricht gewonnen werden kann, m\u00f6gen die den H\u00f6rdefecten zu Grunde liegenden pathologischen Ver\u00e4nderungen in der Schnecke oder m\u00f6gen sie an irgend einer Stelle jenseits derselben ihren Sitz haben\u201c.\nDer praktische Werth der BEzou/schen H\u00f6rpr\u00fcfungen kann keinem Zweifel unterliegen und die obligatorische Einf\u00fchrung derselben in den baieri8chen Taubstummenanstalten ist daher als wesentlicher Fortschritt begr\u00fcfsen.\n3. Die Arbeiten von Ubbantschitsch und Bezold, welche sich in erfreulicher Weise erg\u00e4nzen, mufsten eine Aenderung der Methodik des","page":151},{"file":"p0152.txt","language":"de","ocr_de":"152\nLitcraturbcrich t\nTaubstummenunterrichts insofern bewirken, als nunmehr auch die verschiedenen Grade der Schwerh\u00f6rigkeit Gegenstand aufmerksamer Beobachtung und Behandlung geworden sind. Bbauckmann\u2019s Arbeit ist als ein wichtiger Beitrag zur Psychologie der Schwerh\u00f6rigkeit zu betrachten. Verfasser erbringt den Nachweis, dafs bleibende Defecte des Geh\u00f6rs Aende-rungen in der Art und im Ablauf der Vorstellungen, vor allem aber eine eigenth\u00fcmliche Gestaltung des Gem\u00fcthslebens bedingen, welche nicht selten eine ungerechte Beurtheilung der Schwerh\u00f6rigen zur Folge hat. Aus der Schwerh\u00f6rigkeit ergeben sich tiefgreifende Befecte der Sprache und es kommt nicht selten vor, dafs diese irrth\u00fcmlich auf Intelligenzdefecte bezogen werden, so dafs die Schwerh\u00f6rigen in die Schulen der Schwachsinnigen gelangen, wohin sie ebensowenig geh\u00f6ren als in die eigentlichen Taubstummenanstalten. Verfasser erhebt die berechtigte Forderung nach eigenen Schulen f\u00fcr Schwerh\u00f6rige und entwirft auf Grund psychologischer Beobachtungen einen hierf\u00fcr geeigneten Lehrgang.\nIn Bezug auf die ertaubten Kinder macht Verfasser darauf aufmerksam, dafs dieselben die Sprache g\u00e4nzlich einb\u00fcfsen, wenn die Ertaubung bis zum 7. Lebensjahre erfolgte und nicht zeitgerecht geeignete Mafsregeln getroffen werden, um die Sprache zu erhalten. Die Taubstummenschulen haben demnach bei den ertaubten Kindern zun\u00e4chst die Aufgabe der Spracherhaltung zu erf\u00fcllen und auf diese allen weiteren Unterricht zu begr\u00fcnden.\tTheodor Heller (Wien).\nTreitel. Ueber du Yibratioasgefflhl der H&\u00fct Archiv f\u00fcr Psychiatrie, Bd. 29,\n(2), 638-640. 1897.\nm\nUnter \u201eVibrationsgef\u00fchl** versteht Verfasser die durch das Aufsetzen schwingender Stimmgabeln auf die Haut ausgel\u00f6sten Tastempfindungen. Die Versuche wurden mit einer aus Stahl verfertigten Stimmgabel von 128 Schwingungen angestellt. In Bezug auf die Dauer des Vibrationsgef\u00fchles theilt Verfasser die bei acht Versuchspersonen im Durchschnitt erhaltenen Resultate mit, aus welchen zu entnehmen ist, dafs die Finger-spitzen das Vibrationsgef\u00fchl am l\u00e4ngsten wahrnehmen. \u201eDie Intensit\u00e4t des Vibrationsgef\u00fchles, das im Uebrigen einen irradiirenden Charakter hat, nimmt im Allgemeinen nach dem Rumpf zu etwas ab, doch ist die Differenz keine bedeutende\u201c. Bei allen Versuchen war eine deutliche Nachempfindung zu constatiren, die sich besonders an Lippen und Zunge bemerkbar machte. Vergleichende Messungen an Tabetikern und Patienten mit Polyneuritis alcoholica ergaben mehr oder minder grofse Abweichungen von der normalen Dauer des Vibrationsgef\u00fchles. Verfasser bemerkt, dafs durch die Pr\u00fcfung des Vibrationsgeftihles ein neues Moment in die Untersuchung der Hautempfindungen eingef\u00fchrt wurde, n\u00e4mlich die Dauer der Empfindung.\nDie vorliegende Arbeit macht den Eindruck einer fl\u00fcchtigen Skizze und l\u00e4fst genauere Untersuchungen \u00fcber das Vibrationsgef\u00fchl w\u00fcnschenswert erscheinen. Nicht recht verst\u00e4ndlich ist es, wTarum Verfasser das Vibrationsgef\u00fchl in Gegensatz zum Tastsinn stellt und die Verwandtschaft\n","page":152}],"identifier":"lit30427","issued":"1898","language":"de","pages":"149-152","startpages":"149","title":"1. Brunner: Die methodischen H\u00f6r\u00fcbungen in der Taubstummenschule. Wiener klinische Wochenschrift, 5. Jahrgang Nr. 35, 1897. S. 779-782 / 2. F. Bezold: Nachpr\u00fcfung der im Jahre 1893 untersuchten Taubstummen. Zeitschrift f\u00fcr Ohrenheilkunde. Bd. XXX, 1897. S. 203-223 / 3. Karl Brauckmann: Die im kindlichen Alter auftretende Schwerh\u00f6rigkeit und ihre p\u00e4dagogische W\u00fcrdigung. Leipzig, Hermann Haacke. 1896. 103 S.","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:35:59.140256+00:00"}