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{"created":"2022-01-31T14:50:34.238895+00:00","id":"lit30428","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 9: 144-145","fulltext":[{"file":"p0144.txt","language":"de","ocr_de":"144\nLitteraturbericht.\ndas Bewufstsein k\u00f6rperlicher Ver\u00e4nderung, sondern ein Gef\u00fchl (feeling), keine Lust noch Unlust, sondern eine Gef\u00fchisstellungnahme, -haltung (feeling attitude).\tM. Offner (Aschaffenburg).\nLucien Arr\u00e9at. M\u00e9moire et imagination (Peintres, musiciens, po\u00e8tes et orateurs). Paris, F. Alcan. 1895. 170 S.\n\u201e Ged\u00e4chtnis und Einbildungskraftnennt L. Arr\u00e9at sein Buch, das er ebenso gut \u201eDas Leben der Vorstellungen\u201c oder besser noch \u201eEin Beitrag zur Psychologie der K\u00fcnstler\u201c betiteln k\u00f6nnte, da der Inhalt des Buches dieser letzteren Bezeichnung am meisten entspricht.\nArr\u00e9at will n\u00e4mlich das gegenseitige Verh\u00e4ltnis von Ged\u00e4chtnis und Einbildungskraft einer Untersuchung unterziehen, und er greift aus den verschiedenen sozialen Klassen die Maler, Musiker, Schriftsteller und Redner heraus, weil bei ihnen die Einwirkung der Sinneseindr\u00fccke mit besonderer Lebhaftigkeit hervortritt, im Gegens\u00e4tze zu den Gelehrten, wo mehr das Symbol, die abstrakte Idee vorherrscht, oder wie bei den vorzugsweise praktischen Erwerbszweigen zugewandten Menschen, wo mehr die konkreten Vorstellungen zur Geltung kommen. Dabei ist es seine Absicht, zun\u00e4chst mehr anregend zu wirken und die Veranlassung zu weiteren und ausf\u00fchrlicheren Beobachtungen zu geben.\nDer erste Teil behandelt das Ged\u00e4chtnis, das als allgemeine Funktion der organisierten Materie in eine Reihe von Teilged\u00e4chtnissen zerf\u00e4llt.\nSo hat das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr die Bewegungen (Hand und Stimme) ganz besonderen Wert f\u00fcr die Maler und Musiker, aber auch Dichter und Redner werden durch das Ged\u00e4chtnis f\u00fcr Rhythmus und Periodenbau wesentlich unterst\u00fctzt und gef\u00f6rdert.\nDas Ged\u00e4chtnis f\u00fcr Gesichtseindr\u00fccke erreicht beim Maler eine .aufsergew\u00f6hnliche Sch\u00e4rfe. Er sieht seinen Gegenstand vor sich, und ganz dasselbe thut der Poet, der ihn in Verse kleidet, wie jener dies in Farben thut.\nBei dem Ged\u00e4chtnis von T\u00f6nen und Ger\u00e4uschen gilt als Mafsstab nicht die Sch\u00e4rfe des Geh\u00f6rs, sondern seine Feinheit, und der Musiker mufs seine Melodien auch ohne Piano h\u00f6ren.\nBei den Gem\u00fctsbewegungen kommen vor allem die Empfindungsbilder in Betracht, und die M\u00f6glichkeit der Erinnerung ist an sie gebunden. Insofern ist auch die Macht der Phantasie durch die Beschaffenheit des Ged\u00e4chtnisses bedingt. Zudem sind bei den K\u00fcnstlern die Assoziationen reicher entwickelt und klingen leichter an, ein Reiz schl\u00e4gt tausend F\u00e4den an und ruft mehr Bilder hervor, als bei den gew\u00f6hnlichen Menschen. Leider auch oft genug in abnormerWeise, und daher die Gefahr der k\u00fcnstlerischen Verirrung, der Decadence und anderer Verbildungen des guten Geschmackes.\nDie vorherrschende Gem\u00fctsbewegung macht den K\u00fcnstler, die vorherrschende Geistesth\u00e4tigkeit den Gelehrten, und daher ist das intellektuelle Ged\u00e4chtnis schwach bei dem ersten und um so st\u00e4rker bei dem letzteren. Vor allem geh\u00f6ren die Maler zu dem \u201ekonkreten Typus\u201c, wo das Bild allm\u00e4chtig und die Idee schwach ist. Das Gleiche gilt von dom Musiker und mufs sogar auf die Dichter \u00fcbertragen werden.","page":144},{"file":"p0145.txt","language":"de","ocr_de":"Littwaturbericht.\n145\nWenn Arr\u00e9at zum Beweise hierf\u00fcr den Heros der Franzosen, Victor Hugo, herausgreift, so wird er sich daf\u00fcr mit seinen Landsleuten abzufinden haben, wir Deutsche werden ihm schon eher Hecht gehen. Im \u00fcbrigen aber scheint er mir wirklich die Sch\u00f6pfungen der Poesie zu untersch\u00e4tzen.\nWie im ersten Teile das Ged\u00e4chtnis, so behandelt er im zweiten die Einbildungskraft. Sie hat zu ihrer Grundlage das Ged\u00e4chtnis, oder vielmehr das Zusammenwirken der verschiedenen Teilged\u00e4chtnisse, zu ihrer Bedingung Temperament und Erblichkeit.\nAuf dem Zusammenwirken mehrerer Teilged\u00e4chtnisse beruht das Wesen des professionellen Ged\u00e4chtnisses, und jedes professionelle Ged\u00e4chtnis stellt eine vorherrschende Konstitution dar, ohne deshalb die anderen Arten von Ged\u00e4chtnis auszuschliefsen. Sicherlich bestehen Gegens\u00e4tze und Verwandtschaften zwischen den verschiedenen Formen des Ged\u00e4chtnisses, und unsere geistige Begabung ist an diese Besonderheiten des Ged\u00e4chtnisses gebunden.\nSo besteht auch zwischen Einbildungskraft und Wahnsinn eine gewisse Verwandtschaft, aber sie ist sehr entfernt und die \u00c4hnlichkeit eine mehr scheinbare und oberfl\u00e4chliche. Der geistesgesunde Dichter und Maler schafft seine Bilder, aber sie beherrschen ihn nicht, und wenn die Absonderlichkeiten, das rast- und ruhelose Abspringen f\u00fcr einen Augenblick die entfernte \u00c4hnlichkeit eines Kunstwerkes hervorrufen k\u00f6nnen, so ist dies nicht von langer Dauer, und sie zeigen bald, dafs es Nacht ist.\nWas der Maler, Poet, Musiker und Bedner erzeugt und erdenkt, kann er nur mit H\u00fclfe von Bildern zu st\u00e4nde bringen, und diese Bilder stehen ihm nur in dem Mafse zu Gebote, wie sie durch die Sinneseindr\u00fccke in der Erinnerung haften gehlieben sind. Daher sind Einbildungskraft und Ged\u00e4chtnis voneinander abh\u00e4ngig, vieles davon ist angeborenes Talent, vieles andere anerzogen. Dazu tritt noch jenes unbekannte Etwas hinzu, das die Genies macht. Talent und Genie sind nicht der Form, sondern dem Grade nach verschiedene Stufen der geistigen Entwickelung.\nDas Buch ist klar geschrieben. Arr\u00e9at beherrscht seinen Gegenstand, und er belegt seine Ansichten mit zahlreichen Anf\u00fchrungen aus der Kunst und Litteratur, wobei die deutsche Litteratur mehr zu Geltung kommt, als wir dies bei den Franzosen sonst wohl gewohnt sind.\nPelman.\nWilhelm Enoch. Zur Systematik des Gef\u00fchls. Zeits\u00f6hr. f. Philos. u. philos. Krit. 105. 1. S. 1-28. (1894.)\nVerfasser will zur L\u00f6sung der Frage nach der Einteilung der Gef\u00fchle einen Beitrag liefern. Da sich sein Unternehmen nach Methode und Prinzip von fr\u00fcheren, den gleichen Zweck verfolgenden Versuchen durchaus unterscheidet, so sollen diese letzteren in der vorliegenden Schrift nicht ber\u00fccksichtigt und kritische Auseinandersetzungen jeder Art daher vermieden werden. Unter Zugrundelegung eines teleologischen Prinzips glaubt Verfasser, statt des bisher verfolgten analytisch\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie IX.","page":145}],"identifier":"lit30428","issued":"1896","language":"de","pages":"144-145","startpages":"144","title":"Lucien Arr\u00e9at: M\u00e9moire et imagination (Peintres, musiciens, po\u00e8tes et orateurs). Paris, F. Alcan. 1895. 170 S.","type":"Journal Article","volume":"9"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T14:50:34.238901+00:00"}