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{"created":"2022-01-31T12:54:38.168367+00:00","id":"lit30485","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Martinak","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 304-305","fulltext":[{"file":"p0304.txt","language":"de","ocr_de":"304\nLiteraturbcrieh t.\neigentlich lebendige Interesse des Verf. durchaus nicht auf psychologische Thatsachen gerichtet ist; Sprachreform vielmehr ist es, die \u201eNormalsprache\u201c, in deren Dienst alles, was der Verf. bringt, gestellt wird. Dies allein macht eine eingehendere Besprechung dieses Buches in der vorliegenden Zeitschrift unthunlich. Aber auch die Sprachwissenschaft d\u00fcrfte sich vorerst dem Buche gegen\u00fcber recht ablehnend verhalten, da zwischen der jetzt herrschenden Methode sprachwissenschaftlicher Forschung und einer gesetzgebenden \u201eBegr\u00fcndung der Normalsprache\u201c ein wohl kaum \u00fcberbr\u00fcckbarer Gegensatz besteht. Aufserdem hat der Verf. Unarten, die als durchaus unstatthaft vom Leser einfach zur\u00fcckgewiesen zu werden verdienen: Reformvorschl\u00e4ge, betreffend Accentsetzung im Drucke, Wortstellung, Differenzierung durch Wahl und Stellung der Lettern u. dgL werden in dem Buche zugleich mit, ja schon vor der theoretischen Begr\u00fcndung und Besprechung praktisch durchgef\u00fchrt. Der Autor wartet also nicht ab, wie sich die Kritik, wie sich die Gesammtheit der Sprachgenossen seinen Vorschl\u00e4gen gegen\u00fcber verhalten werde. Zu dieser R\u00fccksichtslosigkeit stimmt auch sonst der etwas burschikose Ton der Darstellung. Und trotz alledem kann Ref. \u00fcber das Buch nicht einfach zur Tagesordnung \u00fcbergehen; in einer Beziehung ist es werthvoll, ja kaum zu umgehen. Der Verf. hat n\u00e4mlich mit vollster Strenge die Forderung auf gestellt und auch durchgef\u00fchrt, das Material f\u00fcr seine Untersuchungen ehrlich und rein der Wirklichkeit zu entnehmen, Augenblicksbilder zu bieten und nicht k\u00fcnstlich geschaffene Schemen. Er kn\u00fcpft also die Er\u00f6rterung \u00fcber irgend eine Spracheigent\u00fcmlichkeit nicht an gemachte Beispiele, wie etwa \u201eder Baum bl\u00fcht\u201c, sondern er bringt aus seinem reichen Skizzenbuche S\u00e4tze, die er frisch aus dem vollen Leben gesch\u00f6pft und sogleich schriftlich fixirt haben mufs.\nF\u00fcr das Studium der lebendigen Sprache bietet daher Reichel eine F\u00fclle von werthvollstem Materiale. Auch vom Sprachpsychologen werden seine reich gesammelten Beispiele mit Erfolg benutzt werden k\u00f6nnen. Der Verf. ist bei aller Sonderbarkeit ein scharf analysirender Sprachkritiker und hat vielleicht gerade Dank seiner oben erw\u00e4hnten steten Ber\u00fchrung mit dem wirklichen Leben der Sprache sich eine Freiheit und Unmittel- \u25a0 barkeit der Auffassung sowie eine Feinheit der Beobachtung gewahrt, von der nur gelernt werden kann. Wer insbesondere \u00fcber Bedeutungsentwickelung, Namengebung und die psychologischen Motive zu diesen Vorg\u00e4ngen, ferner \u00fcber das Problem der Ad\u00e4quatheit von Sprechen und Denken zu arbeiten gedenkt, dem sei Reichel\u2019s Buch warm empfohlen.\nMabtinak (Graz).\nde la Grasserie. De Tlnvolution et de Tordre respectif des id\u00e9es r\u00e9v\u00e9l\u00e9s per le langage. Rev. Philos. Bd. 41, S. 602\u2014620. Juni 1896.\nDer Verf. erhebt die Frage, inwieweit die so auffallenden Verschiedenheiten der Wortfolge in den einzelnen Sprachen auf Unterschiede des Denkens und des psychischen Lebens \u00fcberhaupt zur\u00fcckgef\u00fchrt werden k\u00f6nnen. Indem er seine Untersuchung absichtlich auf concret-anschauliches Denken einschr\u00e4nkt, gelangt er vorerst zu dem Ergebnisse, dafs unser Gesichtsbild nie der Wirklichkeit voll gerecht werde, sondern dafs letztere","page":304},{"file":"p0305.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht\n305\nnur mit gewissen Verlusten ins Gesichtsbild \u00fcbergehen k\u00f6nne; mit vielleicht noch gr\u00f6fseren Verlusten vollziehe sich dann das Uebertragen in die Sprache ; letztere sei vor Allem streng successiv, w\u00e4hrend unsere Gesichtsbilder die reichste Mannigfaltigkeit gleichzeitig gegebener Daten bieten.\nDaran schliefst sich nun eine \u00fcbersichtliche Betrachtung der in den verschiedenen Sprachen vorliegenden L\u00f6sungsversuche dieses an sich nie restlos zu beseitigenden Problems. Er gelangt hierbei schliefslich zur Aufstellung mehrerer Haupttypen von Wortfolge: I. die logische (Vordre dt* volutif), II. die umgekehrte, inverse (Vordre involutif) und III. die einschiebende (Vordre enclavant). Nicht nur f\u00fcr die Sprachwissenschaft, sondern auch f\u00fcr die Psychologie von Interesse erscheint hierbei der Versuch, die so paradoxe Thatsache der umgekehrten Wortfolge aus psychischen Gr\u00fcnden zu erkl\u00e4ren. Der Gedanke des Verf. ist der, dafs die umgekehrte Wortfolge vor Allem das Verst\u00e4ndnifs eines Satzes oder einer Wortgruppe erst dann erm\u00f6gliche, wenn das letzte Wort ausgesprochen ist, w\u00e4hrend die logisch - \u201edevolutive\u201c Reihenfolge ein wenigstens ann\u00e4herndes Verstehen des Gesprochenen auch schon fr\u00fcher gestatte. Hierbei erreiche aber die umgekehrte Wortfolge eine \u00e4ufserst werthvolle Wirkung: das Verst\u00e4ndnifs sei ebendeswegen nicht so sehr ein in der Zeit sich nach und nach aufbauender, sondern ein mit einem Schlage sich vollziehender Act, und dadurch sei eine gewisse Ad\u00e4quatheit des Sprachverst\u00e4ndnisses und des ja auch in einzelnen Momenten, nicht in langsamem Flusse der Zeitlichkeit, sich bewegenden anschaulichen Denkens erzielt.\nRef. schliefst sich diesem gewifs zutreffenden Gedanken an, glaubt aber die Frage erheben zu m\u00fcssen, ob nicht auch bei der \u201elogischen\u201c Wortfolge, zumal bei einigermaafsen rascherem Sprechen, der H\u00f6rende meist erst, wenn der ganze Satz zu Ende gef\u00fchrt ist, den ganzen Gedanken \u2022erfasse, statt, wie es der Verf. zu vermuthen scheint, wirklich successive, sowie die einzelnen Worte geh\u00f6rt werden, seinen Gedanken aufzubauen.\nMartin ak (Graz).\nns la Grasserie. Des eaisos efficientes et t\u00e9l\u00e9ologiques dans les faits linguistiques et juridiques. Rev. Philos. Bd. 44, S. 251\u2014282. Septbr. 1897.\nDer Verf. beginnt mit einer Betrachtung \u00fcber die grofsen Umw\u00e4lzungen in der gesammten Weltanschauung, die, fr\u00fcher streng teleologisch, sich in neuerer Zeit ausschliefslich auf Causalerkl\u00e4rung der Thatsachen geworfen habe. Er glaubt nun, an der Hand von Thatsachen der Linguistik und der Rechtsentwickelung zeigen zu k\u00f6nnen, dafs wir zwar urspr\u00fcnglich nur strenge Causirung, sp\u00e4ter aber in allm\u00e4hlicher Entwickelung instinctives, also schon psychisch mitbedingtes, und zuletzt bewufst zwecksetzendes Handeln als mitwirkenden Factor der Entwickelung ansehen m\u00fcssen.\nF\u00fcr uns ist nur der die Linguistik ber\u00fchrende Theil von Interesse. Aber auch hier scheint mir der Verf. nicht wesentlich Neues zu bieten. Denn dafs es nebst den rein physischen physiologischen Gesetzm\u00e4fsig-keiten in der Sprachentwickelung auch Erscheinungen giebt, die das Mitwirken psychischer Factoren voraussetzen (z. B. das grofse Gebiet der in-stinctiv wirkenden Analogie), und dafs schliefslich daraus sich auch zweck-Zeitachrift f\u00fcr Psychologie XVII.\t20","page":305}],"identifier":"lit30485","issued":"1898","language":"de","pages":"304-305","startpages":"304","title":"De la Grasserie: De l'Involution et de l'ordre respectif des id\u00e9es r\u00e9v\u00e9l\u00e9s par le langage. Rev. Philos. Bd. 41, S. 602-620. Juni 1896","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:54:38.168372+00:00"}