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{"created":"2022-01-31T12:54:22.611091+00:00","id":"lit30492","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Witasek","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 309-311","fulltext":[{"file":"p0309.txt","language":"de","ocr_de":"Li fera turbericht.\n309\nW. M. Urban. The Psychology of Sufficient Reason. Psychol. Review IV, Nr. 4,\nS. 361-373. (Juli 1897.)\nDie Anpassung des psychischen Organismus an die Umgebung geschieht entweder durch directe Willensreaction auf den \u00e4ufseren Reiz oder durch Urtheilsreaction auf Grund fr\u00fcherer Erlebnisse. Urtheil und Wille verhalten sich nicht etwa wie Ursache und Wirkung, sondern beide haben ihren Grund in eine elementareren Function, n\u00e4mlich in der affectiven Seite der Vorstellungsprocesse.\tW. Stern (Breslau).\nTh. Ribot. L\u2019\u00e9volution des Id\u00e9es g\u00e9n\u00e9rales. Paris, Felix Alcan. 1897. 260 S.\nDas Buch zerf\u00e4llt in einen allgemeinen und einen besonderen Theil. Der erstere sucht die allm\u00e4hliche Entwickelung der allgemeinen Vorstellungen von ihrer einfachsten bis zur h\u00f6chsten Form durch alle Stufen zu verfolgen und darzulegen; und zwar meint der Verfasser solcher Stufen\ndrei erkennen zu k\u00f6nnen.\n\u25a0\nDie allgemeinen Vorstellungen der niedersten Stufe bilden sich vor der Sprache und unabh\u00e4ngig von ihr. W\u00e4hrend die h\u00f6heren durch die zum ersten Typus intellectuel 1er Th\u00e4tigkeit (unterscheiden \u201edissocier\") geh\u00f6rige Abstraction gewonnen werden, beruhen sie auf dem zweiten Typus, dem Verbinden (\u201eassocier\"). Sie entstehen durch ein spontanes Zusammen-fliefsen der concreten Bilder, durch einen beinahe passiven Vorgang von Assimilation, der durch wiederholtes Auftreten von Aehnlichem hervorgerufen wird, und lassen sich deshalb treffend mit dem Bilde vergleichen, das man auf einer photographischen Platte bei rasch aufeinander folgender Exposition \u00e4hnlicher Objecte erh\u00e4lt (Huxley). Daher nennt Verf. diese niederste Form von allgemeinen Vorstellungen die der \u201eGattungsbilder\" (images g\u00e9n\u00e9riques). Sie findet sich im ganzen Bereich psychischen Lebens, macht aber bei den Thieren, bei Kindern der ersten Lebensjahre und bei Taubstummen den ganzen Besitz an allgemeinen Vorstellungen aus. \u2014 Die auf der mittleren Stufe stehende Form der allgemeinen Vorstellungen \u2014 oder besser Formen, weil sie sich in zwei Unterstufen theilen \u2014 erwachsen schon auf dem Boden der Abstraction, d. h. jener Aufmerksam-keitsbeth\u00e4tigung, die das \u201erenforcement psychique\" bewirkt. Beide sind bereits an das Wort gebunden, aber ihr Unterschied besteht eben in dem Grade dieser Abh\u00e4ngigkeit. In der an die images g\u00e9n\u00e9riques angrenzenden Unterstufe (bei den niederen Begriffen) spielt das Wort noch nicht die Rolle des unbedingt Unentbehrlichen, wohl aber in der Oberstufe (bei den\nh\u00f6heren Begriffen), wo es zwar immer noch von sinnlichen Vorstellungs-\n\u00ab\nqualit\u00e4ten begleitet ist, aber bereits zum Stellvertreter (instrument de substitution) f\u00fcr die Vorstellung werden kann. Die niederen Begriffe unterscheiden sich ferner von den images g\u00e9n\u00e9riques dadurch, dafs sie 1. weniger einfach sind, 2. zu ihrer Bildung einer geringeren Anzahl von Wiederholungen und 3. nicht so augenf\u00e4lliger Aehnlichkeiten bed\u00fcrfen. Es besteht demnach zwischen ihnen und den images g\u00e9n\u00e9riques nach der Seite der intellectuellen Grundlagen kein Art- sondern nur ein Grad-Unterschied, so dafs auch die Frage vom Verh\u00e4ltnifs der menschlichen Intelligenz zur thierischen im Sinne des allm\u00e4hlichen Ueberganges beantwortet werden mufs. Beispiele aus der Sprache niederer Menschenrassen,","page":309},{"file":"p0310.txt","language":"de","ocr_de":"310\nLiteraturbericht.\nihrem Z\u00e4hlen etc., sollen das Wesen dieser niederen Begriffe beleuchten, das der h\u00f6heren, ihre Entstehung aus jenen und ihre Weiterentwickelung zu den reinen Begriffen der dritten und h\u00f6chsten Stufe ein kurzer Ueber-blick \u00fcber die Geschichte der naturwissenschaftlichen Eintheilung des Thierreiches. \u2014 Die Betrachtung der allgemeinen Vorstellungen der h\u00f6chsten Form, der reinen Begriffe, f\u00fchrt auf eine wichtige Frage: Was hat man im Bewufstsein (unmittelbar und ohne Reflexion), wenn man einen allgemeinen Ausdruck (resp. Begriff) denkt, liest oder h\u00f6rt? Die Position des extremen Nominalismus l\u00e4fst sich, ebenso wie die des extremen Realismus, von vornherein als unhaltbar abweisen. Die Frage ist eine empirische und soll auf empirischem Wege gel\u00f6st werden\u00bb Verfasser suchte dies durch in grofsem Maafsstab, unter Anwendung verschiedener Vorsichten abgehaltene Umfragen zu erreichen. Es ergaben sich dabei mehrere Typen des Denkens von reinen Begriffen, und zwar ein \u201etype concret\u201c, der den Begriff mit Hilfe eines anschaulichen Bildes zur Vorstellung bringt, z. B. \u201eUnendlichkeit\u201c: ein schwarzes Loch, \u201eKraft\u201c, ein Ringkampf etc.; ferner ein \u201etype visuel typographique\u201c, der an Stelle solcher Bilder das Bild des entsprechenden Wortes in Druckschrift setzt, und ein \u201etype auditif*, der die Begriffe durch den Klang des Wortes vorf\u00fchrt. Die bei weitem h\u00e4ufigste Antwort auf die Frage lautete jedoch: \u201eIch stelle dabei \u00fcberhaupt nichts vor\u201c. Da aber das Wort als solches unm\u00f6glich die Function des Begriffes im Denken aus\u00fcben kann, so sucht R. nach der psychisch relevanten Erg\u00e4nzung und findet sie im Unbewufsten, Dispositioneilen. Wir denken nicht mit Worten im strengen Sinn (flatus vocis), sondern mit Zeichen, Symbolen; das symbolische Denken, ein dem Anschein nach rein verbaler Vorgang, ist getragen, belebt von einem mit ihm verbundenen potentiellen Wissen, einer unbewufsten Arbeit; es ist anzunehmen, dafs dieser unbe wufste Vorgang auch dem Denken nach den drei vorhin genannten Typen zu Grunde liegt.\nEin Capitel \u00fcber die Sprache, \u201ela psychologie p\u00e9trifi\u00e9e\u201c giebt, ziemlich aufser Zusammenhang mit den \u00fcbrigen Theilen des Buches, ein fl\u00fcchtiges Referat \u00fcber einige die Entstehung und Entwickelung der Sprache behandelnde Arbeiten.\nDer zweite, besondere Theil des Buches behandelt in gr\u00f6fseren Abschnitten sechs hervorragend wichtige Begriffe, n\u00e4mlich Zahl, Raum, Zeit, Ursache, Gesetz und Art. Von jedem wird zu zeigen versucht, wie er sich aus dem Concreten heraus \u00fcber die images g\u00e9n\u00e9riques weiter entwickelt hat, bis er endlich, unter dem Einflufs der \u00fcberlegten Begriffsbildung der Wissenschaft die h\u00f6chste H\u00f6he der Abstraction erlangte. Im Uebrigen ist \u00fcber diese Abschnitte schwer eingehender zu berichten, da sie, vielleicht in Folge des Bestrebens, die mangelnde Intensit\u00e4t der Beweismittel durch extensiven Ueberflufs zu ersetzen, so aufserordentlich Slannigfaltiges und Uuzu-sammenh\u00e4ngendes zur Sprache bringen, dafs ein kurzer Ueberblick nicht m\u00f6glich ist.\nDen Schlufs des Buches bildet ein Capitel \u00fcber die Wurzeln derjenigen intellectuellen Th\u00e4tigkeit, aus der die h\u00f6heren allgemeinen Vorstellungen entspringen, der Abstraction. Sie ist im Vergleich zum Empfinden, F\u00fchlen, Wollen etc. ein secund\u00e4rer Frocefs, der seine Entstehung, sein","page":310},{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n311\n\u00abrates Auftreten zumeist der ihm innewohnenden N\u00fctzlichkeit, seltener dem Spiel der Einf\u00e4lle erfinderischer Denkgenies, seine weitere Entwickelung zun\u00e4chst dem Bed\u00fcrfnifs des t\u00e4glichen Lebens, dann dem der Speculation, zuletzt der theoretischen Wissenschaft verdankt.\nWrrASEK.\nA. F. Shand. Types Of Will. Mind. VI, Nr. 23, S. 289\u2014325. 1897.\nAm Schl\u00fcsse dieses vor der Aristotelian Society gehaltenen Vortrages behauptet Shand, dafs die bisherigen Willenstheorien s\u00e4mmtlich mangelhaft ausgefallen seien, weil man die nothwendigen Voruntersuchungen \u00fcber die verschiedenen Willenstypen mehr oder weniger vernachl\u00e4ssigt habe, und wir m\u00f6chten glauben, dafs es dem Verfasser gelungen sei, den Nachweis f\u00fcr diese Behauptung zu f\u00fchren. Die Arbeit ist eine wirkliche Musterleistung klares, \u00e4ufserst gedr\u00e4ngter Darstellungsweise, eignet sich aber aus diesem Grunde nicht zu einer ersch\u00f6pfenden und dennoch kurzen Inhaltsangabe. Wir m\u00fcssen uns daher damit begn\u00fcgen, die Ueberschriften der einzelnen Abschnitte mitzutheilen : I. Simple Volition. II. Will as Negation. III. Hypothetical and Disjuntive Will. IV. Fictitious Choice. V. Involuntary Action. VI. Will as Imperative. VII. Desire and Will. Besondere Sorgfalt verwendet der Verfasser darauf, psychologische und logische Betrachtungsweise streng auseinander zu halten.\nUfeb (Altenburg).\nGiulio Obici. Ricerche snlla Fislologia della Icrittir*. Riv. di Freniat. 23\n(3 u. 4), S. 625\u2014643 u. 870\u2014893. 1897.\nDer Verf. beabsichtigt die Kinderseele zu erforschen und beginnt an der Spitze seines Programms mit der Ver\u00f6ffentlichung von Untersuchungen \u00fcber die Physiologie der Schrift. Unterst\u00fctzt von dem intelligenten Director der musterhaft eingerichteten Volksschulen in und bei dem grofsen Dorfe Argenta bei Ferrara, untersucht er 25 in. und 25 w. Kinder nach allen Richtungen. Zun\u00e4chst handelt es sich aber um die Untersuchung ihrer in den Schulen seit mehreren Jahren aufbewahrten Schreibhefte. \u2014 Diese sind so eingerichtet, dafs zwischen zwei Horizontalen eine Diagonale behufs der H\u00f6he und Richtung der einzutragenden Schriftzeichen gelegt ist. Schon bei den ersten Anfangsgrtinden des Schreibunterrichts, beim Kopiren der Striche, welche die Elemente der k\u00fcnftigen Buchstaben und Ziffern bilden, zeigt sich die individuelle Auffassung der \u00bbSch\u00fcler \u2014 und auch der Lehrer \u2014 indem die Haltung der Feder zwischen Daumen und Zeigefinger und die Lage der \u00fcbrigen Finger und Hand von wesentlichem Einfl\u00fcsse auf das Erlernen des Schreibens sind. Die psychologische Analyse der dazu erforderlichen Muskelbewegungen und des sie erregenden Nerveneinflusses ist das Neue, das der Verf. zu der bekanntlich dem \u00e4hnlichen Zwecke, der Ergr\u00fcndung des individuellen Charakters des Schreibers, verfolgenden Graphologie hinzubringt. Der Schreibact beruht, nach ihm, auf drei Phasen: a) der psychologischen, wo das Individuum den Entschlufs fafst, zu schreiben, b) der neuromuskul\u00e4ren, in welcher die psychomotorische Entladung der Hirnrinde statt-","page":311}],"identifier":"lit30492","issued":"1898","language":"de","pages":"309-311","startpages":"309","title":"Th. Ribot: L'\u00e9volution des id\u00e9es g\u00e9n\u00e9rales. Paris, Felix Alcan. 1897. 260 S.","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:54:22.611096+00:00"}