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{"created":"2022-01-31T15:14:11.133112+00:00","id":"lit30494","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Fraenkel","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 311-314","fulltext":[{"file":"p0311.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n311\n\u00abrates Auftreten zumeist der ihm innewohnenden N\u00fctzlichkeit, seltener dem Spiel der Einf\u00e4lle erfinderischer Denkgenies, seine weitere Entwickelung zun\u00e4chst dem Bed\u00fcrfnifs des t\u00e4glichen Lebens, dann dem der Speculation, zuletzt der theoretischen Wissenschaft verdankt.\nWrrASEK.\nA. F. Shand. Types Of Will. Mind. VI, Nr. 23, S. 289\u2014325. 1897.\nAm Schl\u00fcsse dieses vor der Aristotelian Society gehaltenen Vortrages behauptet Shand, dafs die bisherigen Willenstheorien s\u00e4mmtlich mangelhaft ausgefallen seien, weil man die nothwendigen Voruntersuchungen \u00fcber die verschiedenen Willenstypen mehr oder weniger vernachl\u00e4ssigt habe, und wir m\u00f6chten glauben, dafs es dem Verfasser gelungen sei, den Nachweis f\u00fcr diese Behauptung zu f\u00fchren. Die Arbeit ist eine wirkliche Musterleistung klares, \u00e4ufserst gedr\u00e4ngter Darstellungsweise, eignet sich aber aus diesem Grunde nicht zu einer ersch\u00f6pfenden und dennoch kurzen Inhaltsangabe. Wir m\u00fcssen uns daher damit begn\u00fcgen, die Ueberschriften der einzelnen Abschnitte mitzutheilen : I. Simple Volition. II. Will as Negation. III. Hypothetical and Disjuntive Will. IV. Fictitious Choice. V. Involuntary Action. VI. Will as Imperative. VII. Desire and Will. Besondere Sorgfalt verwendet der Verfasser darauf, psychologische und logische Betrachtungsweise streng auseinander zu halten.\nUfeb (Altenburg).\nGiulio Obici. Ricerche snlla Fislologia della Icrittir*. Riv. di Freniat. 23\n(3 u. 4), S. 625\u2014643 u. 870\u2014893. 1897.\nDer Verf. beabsichtigt die Kinderseele zu erforschen und beginnt an der Spitze seines Programms mit der Ver\u00f6ffentlichung von Untersuchungen \u00fcber die Physiologie der Schrift. Unterst\u00fctzt von dem intelligenten Director der musterhaft eingerichteten Volksschulen in und bei dem grofsen Dorfe Argenta bei Ferrara, untersucht er 25 in. und 25 w. Kinder nach allen Richtungen. Zun\u00e4chst handelt es sich aber um die Untersuchung ihrer in den Schulen seit mehreren Jahren aufbewahrten Schreibhefte. \u2014 Diese sind so eingerichtet, dafs zwischen zwei Horizontalen eine Diagonale behufs der H\u00f6he und Richtung der einzutragenden Schriftzeichen gelegt ist. Schon bei den ersten Anfangsgrtinden des Schreibunterrichts, beim Kopiren der Striche, welche die Elemente der k\u00fcnftigen Buchstaben und Ziffern bilden, zeigt sich die individuelle Auffassung der \u00bbSch\u00fcler \u2014 und auch der Lehrer \u2014 indem die Haltung der Feder zwischen Daumen und Zeigefinger und die Lage der \u00fcbrigen Finger und Hand von wesentlichem Einfl\u00fcsse auf das Erlernen des Schreibens sind. Die psychologische Analyse der dazu erforderlichen Muskelbewegungen und des sie erregenden Nerveneinflusses ist das Neue, das der Verf. zu der bekanntlich dem \u00e4hnlichen Zwecke, der Ergr\u00fcndung des individuellen Charakters des Schreibers, verfolgenden Graphologie hinzubringt. Der Schreibact beruht, nach ihm, auf drei Phasen: a) der psychologischen, wo das Individuum den Entschlufs fafst, zu schreiben, b) der neuromuskul\u00e4ren, in welcher die psychomotorische Entladung der Hirnrinde statt-","page":311},{"file":"p0312.txt","language":"de","ocr_de":"312\nLi ter a turberich t\nfindet, vielfache Nervenfasern durchlauft, andere niedere Centren erregt und sich beiordnet, wieder um Nervenfasern durchl\u00e4uft und auf die verschiedenen Muskeln des Vorderarmes und der Hand \u00fcbergeht; c) des Schriftzeichens als Product aller dieser psychischen Nerven- und Muskelerregungenf Danach geht Verf. an die Betrachtung der Phasen in umgekehrter Reihenfolge.\n1.\tDie zum Halten der Schreibfeder erforderliche Muskel-Coordination. Alle Finger sind dabei in halber Biegung, am meisten der Ohr-und Ringfinger; beim Senken der Federspitze auf das Papier macht der Zeigefinger gr\u00f6fsere Anstrengungen als der Daumen und Mittelfinger. Im Ganzen erh\u00e4lt sich ein mittlerer Muskeltonus. Beim Kinde dagegen, das zu schreiben anf\u00e4ngt, kehren Daumen und Zeigefinger nicht in die normale Lage zur\u00fcck, wenn die Spitze sich hebt, der Tonus der Fingerbeuger weicht von dem gew\u00f6hnlichen ab und das erschwert dem Kinde die zur Federhaltung erforderliche Coordination. Verf. ersieht das nicht blos aus den Schreibeheften, sondern auch aus den Bewegungen des mit drei Hebeln versehenen, von ihm erfundenen \u201eGraphograph\u201c benannten Instrumentes.\nAuf dem Unverm\u00f6gen, die erforderliche Coordination der Finger- und Handmuskeln einzuhalten, beruhen \u00fcberhaupt die mannigfaltigen Abweichungen und die Verunstaltung der Sch\u00f6nschrift bei den verschiedenen Individuen, ebenso auch bei ein und demselben Individuum je nach der Gem\u00fcthsverfassung des Schreibenden, speziell der \u201eSchreibstotterer (Mogograph)\u201c.\n2.\tDer Grundstrich (asta), der senkrecht oder schr\u00e4g zwischen den zwei Horizontallinien von oben nach unten durch Senken und Druck auf die Federspitze gef\u00fchrte Strich, ist der am wenigsten schwierige, wird aber dennoch erst, nach Ausweis der Schreibhefte in Schule A, im Durchschnitt von 3070, in Schule B nach 2500 Versuchen richtig gezeichnet.\nMit peinlichster Sorgfalt untersucht nun Verf. die Fehler, die das Kind am Anfang und Ende, vor Allem aber in der Mitte (decorsoi des Grundstriches bez\u00fcglich seiner Pr\u00e4cision und der Abweichung von der Diagonale nach rechts oder links macht. Das n\u00e4chste Ergebnifs ist, dafs die Pr\u00e4cisionsfehler (16,6%) weit seltener sind, als die Abweichungsfehler (84,4 %), die nach links h\u00e4ufiger (46,4 \u00b0/0) als die nach rechts (330 0). Unter dem Einflufs der Uebung macht sich eine Art von Auswahl berne rkl ich, die Pr\u00e4cisionsfehler werden reichlicher, die Fehler nach rechts nehmen rasch, die nach links langsam ab. In der Mehrheit der F\u00e4lle zeigt sich etwas wie Vorliebe f\u00fcr gewisse Z\u00fcge, wonach Verf. Wahlfeh 1er von pers\u00f6nlichen unterscheidet.\nAuf weiteren vier Druckseiten \u00fcber den Grundstrich giebt Verf. seine Untersuchung des neuromuskul\u00e4ren Einflusses auf denselben mittelst des Graphograph und des elektrischen Stromes, der dazu bestimmt ist, k\u00fcnstlich die oben bezeichneten Fehler herzustellen. Zur Erl\u00e4uterung dienen Abbildungen zun\u00e4chst von normalen Grundstrichen und Bewegungen des Zeige-, Mittelfingers und Daumens, dann solche von fehlerhaften Bewegungen der letzteren. Da gewisse Fehler bei allen Schreibenden sich regelm\u00e4fsig wiederholen, so ist anzunehmen, dais allgemeine, mechanische,","page":312},{"file":"p0313.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n313\nanatomische und physiologische Ursachen vorhanden sind, welche die Muskelcoordination bei gewissen Zeichen, anderen gegen\u00fcber erschweren. Nach Eblenmeyer (die Schrift 1867) besteht ein gewisser Antagonismus zwischen Baumen, Zeige- und Mittelfinger, nach Obici ist das nicht der Fall; permanent ist ein Gegensatz zwischen Daumen und Mittelfinger nur beim Halten der Feder, zwischen Baumen und Zeigefinger bei Ausf\u00fchrung der Striche. Die dabei th\u00e4tigen Muskeln sind der Flexor commun, profund, und Flex, pollic. long., die Beuger des letzten Fingergliedes, ausnahmsweise auch der Flex, digit, superficial., und sogar Flexor carpi radialis. Die Schwierigkeit der Coordination besteht darin, dafs die beiden Muskeln sich nicht gleich intensiv zusammenziehen, da die motorische Entladung f\u00fcr jeden Finger verschieden stark und schnell geschieht. 80% der Kinder machen beim Grundstrich Fehler nach links infolge zu grofser Energie des Zeigefingers ; bei den Abweichungen nach rechts ist der Grund im Ueberwiegen des langen Daumenbeugers zu suchen. Bei den ersteren ist auch zu beachten, dafs der Flexor communis die letzte Phalanx des 2.-5. Fingers beugt, und es f\u00fcr das schreibende Kind schwierig ist blos die 2. und 3. Sehne wirken zu lassen und die 4. und 5. aufser Th\u00e4tigkeit zu setzen. Der Nerv, der die zur F\u00fchrung des Grundstriches th\u00e4tigen Muskeln versieht, ist der N. medianus ; an den 3. bis 5. Finger geht \u00fcberdies ein Zweig des N. ulnaris. Da die Nervenstr\u00e4nge nur die Leitungsbahnen der auf verschiedene, im Centrum befindliche, Zellengruppen vertheilten motorischen Entladung sind, so erkl\u00e4rt sich aus dem Zusammenhang jener Gruppen die analoge Wirkung der Muskelfasern, z. B. bei der Contraction des Flex, commun, prof. Die Schwierigkeit der Coordination liegt aber darin, dafs sich die Zellengruppen der f\u00fcr die Contraction des Zeige- und Mittelfingers bestimmten Muskelb\u00fcndel von einander unabh\u00e4ngig machen m\u00fcssen und zwar so, dafs bei der Flexion des Zeigefingers der motorische Impuls der Form und der Zeit nach ein anderer ist, als der bei den Bewegungen des Mittelfingers.\nNach derselben Methode tr\u00e4gt der Yerf. die Vorg\u00e4nge bei Bildung des Haarstrichs, der dem Grundstrich voransteht, der Schleife, in Verbindung mit Grund- und Haarstrich u. s. w. in besonderen (v) Abschnitten vor.\nDer Haarstrich wird durch Extension und zwar vorzugsweise des Daumens gebildet. Die Kinder erlernen die richtige Herstellung desselben weniger leicht, als die des Grundstriches.\nDie Schleife (curva) ist entweder eine obere (7) oder eine untere (^); erstere im lateinischen m in Anfang und Mitte, letztere am Schlufs. Die obere wird gebildet durch st\u00e4rkere Extension des Zeigefingers mit schliefslicher geringer Flexion; die untere durch anf\u00e4ngliche schwache Flexion mit st\u00e4rkerer Extension am Schlufs.\nDie Z\u00fcge am Schlufs sind f\u00fcr das Kind leichter als die am Anfang. Obgleich Verf. die Sache noch nicht in ihrem ganzen Umfange erwogen zu haben gesteht, ist daraus doch die Erkenntnifs zu entnehmen, dafs die von der Physiologie zu wenig beachtete neuromuskul\u00e4re Analyse der Schrift f\u00fcr eine wissenschaftliche Gestaltung der Graphologie erst die Grundlage gebe. Am f\u00fcglichsten studire man dieselbe in ihrer Ent-","page":313},{"file":"p0314.txt","language":"de","ocr_de":"314\nLiteraturberich t,\nWickelung beim Kinde, wo man eine Anschauung von dem Gesetz gewinnen k\u00f6nne, nach welchem sich das Individuum eine eigenth\u00fcmliche Handschrift aneignet. Die Mahnung ist um so zeitgem\u00e4fser, da die sog. Sachverst\u00e4ndigen in Beurtheilung von Handschriften in foro eine wichtige Rolle spielen.\nFrxenkel (Dessau).\nJ. Dewey. The Psychology of Effort. Philos* Rev. VI (1), S. 43\u201456. 1897.\nEmpfindung und Gef\u00fchl der Anstrengung entstehen bekanntlich schon bei ungew\u00f6hnlicher Beanspruchung willk\u00fcrlicher Muskeln oder aber Muskelgruppen, sei es durch Belastung, oder ein lediglich durch die Umst\u00e4nde veranlafstes Heben von Gewichten, oder bei entsprechender Innervation, z. B. sogenannter \u201eRollung\u201c des Arms, etwa bei Anwendung eines Bohrers. Ferner bei lediglich reflexm\u00e4fisiger Fixation sehr naher z. B. leuchtender Objecte im Accommodationsmuskel, ebenso unter geeigneten Umst\u00e4nden in den Augenmuskeln als einfache Perception ungew\u00f6hnlicher Beanspruchung und nicht nothwendig mit gleichzeitiger Vorstellung des betreffenden Zieles oder auch der betreffenden Bewegung selbst. Die Vorstellung der Anstrengung entsteht zweitens durch Widerstreit von Vorstellung und Ausf\u00fchrung unter geeigneten Umst\u00e4nden: So z. B. schon bei herabgesetzter Innervationsf\u00e4higkeit, schlechter Coordination u. s. w. und verst\u00e4rkt sich hier augenscheinlich durch den Contrast. Nach Dewey entsteht sie indessen immer auf letztere Art und diese Auffassung wird von ihm ausnahmslos auch auf Anstrengung bei geistiger Th\u00e4tigkeit und bei Erm\u00fcdung ausgedehnt. Diese Auffassung soll nach Verf. zun\u00e4chst vollkommen empirisch sein, doch hat man hierbei die eigenth\u00fcmliche Stellung desselben hinsichtlich der Unterscheidung von sensoriell und muskul\u00e4r zu ber\u00fccksichtigen. F\u00fcr die Empirie kann nach Obigem aber der oben angef\u00fchrte Widerstreit nur als hinzukommende Begleiterscheinung bezw. als besonderer Fall der Anstrengung gelten, da diese schon bei reflexartiger oder sonst einfacher Innervation auftritt, ohne dafs zugleich ein solcher Widerstreit der Vorstellungen vorhanden zu sein braucht Anders ist es freilich, wenn man deductiv den Fall behandelt. Man hat dann insbesondere den Begriff der \u201eVorstellung\u201c der Anstrengung gegen\u00fcber ihren Elementen Empfindung und Gef\u00fchl vor sich. Bei Scheidung dieser beiden wird man die Darstellung Dewey\u2019s lediglich auf die com-plexere Vorstellung der Anstrengung beziehen und in dieser Hinsicht best\u00e4tigen k\u00f6nnen.\tP. Mentz (Leipzig).\nAnton Delbr\u00fcck. Gerichtliche Psychopathologie. Eit ktrxes Lehrbach ft Studierende, lente and Juristen. Leipzig, Joh. Ambr. Barth. 1897. 2243. Dieses j\u00fcngste Lehrbuch der gerichtlichen Psychiatrie, dessen Verfasser wir die bekannte und interessante Studie \u00fcber \u201eDie pathologische\nL\u00fcge und die psychisch abnorme Schwindelei\u201c verdanken, ist wohl daa\n\u2022 _____________________________ m\nerste, welches ganz auf dem Boden der neuen Strafrechtslehre steht, wie\nsie sich insbesondere in Ferri\u2019s Werk (Sociologia criminale. refer, in dicstr\nZeitschrifr Bd. VIII, S. 315\u2014320) w'iederfindet.\nDementsprechend ist Verf.' bestrebt, den Begriff der Willensfreiheit\nm\u00f6glichst auszuschalten, um so metaphysische Controverse und Wider-","page":314}],"identifier":"lit30494","issued":"1898","language":"de","pages":"311-314","startpages":"311","title":"Giulio Obici: Ricerche sulla Fisiologia della Scrittura. Riv. di Freniat. 23 (3 u. 4), S. 625-643 u. 870-893. 1897","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T15:14:11.133118+00:00"}