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{"created":"2022-01-31T12:40:00.050860+00:00","id":"lit30501","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pelman","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 319-320","fulltext":[{"file":"p0319.txt","language":"de","ocr_de":"Litera turbericht\n319\nB\u00fcre&u in Einemfort h\u00fcpfen und Bich vor ihm verbeugen! \u2014 Der Eine der Kranken hatte dabei das deutliche Gef\u00fchl, dafs seine Augen sich herumdrehten. Krause erinnert daran, dafs Bewegungs- und Tastempfindungen, die bei Bewegung des Auges, des Kopfes etc. entstehen, beziehungsweise die durch solche Bewegungen bedingten kin\u00e4sthetischen Vorstellungen ein sehr bedeutender Faktor sind f\u00fcr die Bildung der Raumvorstellung, Gewinnung der Tiefenvorstellung und das Sehen bewegter Objecte. Die geschilderten F\u00e4lle lassen keinen Zusammenhang mit den h\u00f6heren psychischen Functionen erkennen. \u201eWir k\u00f6nnen sie uns nur durch einen krankhaften Vorgang auf den Bahnen, welche uns zu Vorstellungen \u00fcber Augenbewegungen verhelfen, oder ihrem Centrum erkl\u00e4ren, jenen Bahnen, mittels deren wir das gegenseitige Lageverh\u00e4ltnifs der Objecte beurtheilen und die Bewegungen derselben wahrnehmen. Die eigentliche optische Bahn aber und ihr Centrum, die sich mit den oben genannten zu einer Gesichtsvorstellung verbinden, sind bei diesen Gesichtst\u00e4uschungen intact.\nUmpfenbach.\nHans Laehb. Die Darstellung krankhafter Geisteszust\u00e4nde in Shakespeare\u2019s Dramen. Stuttgart, Paul Heff. 1898. 200 S.\nEs giebt Dinge, die an sich eine derartige Anziehungskraft aus\u00fcben, dafs sie immer wieder zu neuen Versuchen reizen, so oft sie auch bereits behandelt und so gr\u00fcndlich sie nach allen Seiten hin einer Untersuchung tmterzogen worden sind.\nWas ist nicht alles \u00fcber die Darstellung krankhafter Geisteszust\u00e4nde in den Shakespeare\u2019schen Dramen geschrieben worden!\nNiemand weifs dies besser als Laehr, da er uns in einem Anh\u00e4nge seines Buches eine kurze Inhalts\u00fcbersicht \u00fcber nicht weniger als 34 Schriftsteller giebt, die sich vor ihm mit diesem Gegenst\u00e4nde befafst haben, Namen von meist gutem Klange, und wenn er sich trotzdem auf dieses \u201edurch Raubbau abgewirtschaftete Feld\u201c begeben hat, so m\u00fcssen es gewichtige Gr\u00fcnde gewesen sein, die ihn zu dieser m\u00fchevollen Arbeit bewogen haben. Denn er hat sich seine Arbeit nicht leicht gemacht.\nSchritt f\u00fcr Schritt ist er den Punkten nachgegangen, und er hat die Entstehung der Shakespeare\u2019schen Gebilde an den wissenschaftlichen Kenntnissen jener Zeit und an den dramatischen Darstellungen der Zeitgenossen des grofsen Britten verfolgt.\nEs ist daher keine lediglich geistreiche Causerie, sondern vielmehr das Ergebnifs eingehender Studien und m\u00fchevoller, emsiger Arbeit, das uns hier geboten wird, und wir d\u00fcrfen der Arbeit Laehr\u2019s ruhig das Zeugnifs ausstellen, dafs sie bei aller Anerkennung dessen, was vor ihr auf diesem Gebiete geleistet worden, dennoch eine wesentliche Erweiterung und viellach eine Feststellung unserer Kenntnisse bedeutet.\nDie Beurtheilung Laehr\u2019s ist im Ganzen eine n\u00fcchterne. Er kann nicht zugeben, dafs sich Shakespeare in Auffassung zu Kenntnissen auf dem Gebiete krankhafter Geisteszust\u00e4nde \u00fcber seine Zeitgenossen erhoben nd den Ertrag besserer Zeiten vorweg genommen habe. Vielmehr schliefst er 8\u00a9in Werk mit folgenden Worten : \u201eWir verm\u00f6gen dennoch zwar aus","page":319},{"file":"p0320.txt","language":"de","ocr_de":"320\nLi teraturberich i.\nShakespeare f\u00fcr die wissenschaftliche Erkenntnifs geistiger St\u00f6rungen nichts zu lernen; wohl aber k\u00f6nnen wir auch heute mit Lust\u00bb welche durch keine Verzeichnung gest\u00f6rt wird, uns in Shakespeare\u2019s Bilder krankhafter Geisteszust\u00e4nde versenken, die nur im Zusammenh\u00e4nge des Dramas, da aber auch die h\u00f6chste Bedeutung haben, und wir werden stets aufs Neue die dichterische Kraft bewundern, welche die hier so nahe liegende Gefahr der Uebertreibung und Maafslosigkeit mit sicherem Gef\u00fchl vermieden hat.\u201c\nZudem kam es dem K\u00fcnstler Sh. lediglich auf die Wirkung an, die er mit seiner Darstellung erzielen wollte.\nIhm war die Hauptsache die psychologische Ausarbeitung und Erkl\u00e4rung, die psychiatrische hat ihm sicherlich recht fern gelegen, und wo sollte er sich diese Kenntnisse damals erwerben? Der moderne K\u00fcnstler holt sich sein Wissen beim Irrenarzte, er macht Studien nach der Natur und ist stolz darauf, wenn er diese Natur in ihrer ganzen Gr\u00f6fse aber auch in ihrem ganzen Schrecken wiedergegeben hat. Wer f\u00fcr das entsets-liche Gem\u00e4lde ein Ged\u00e4chtnifs hat, das nur der Pinsel Hogabth\u2019s von einer Irrenanstalt aus weit sp\u00e4terer Zeit entworfen hat (Weg des Liederlichen. 8. Platte), der wird sich mit Schrecken abwenden und gern zugestehen, dafs Shakespeare von dorther kein brauchbares Material beziehen konnte.\nAber war es ihm \u00fcberhaupt darum zu thun?\nSicherlich hat er seine Figuren mit der ganzen Kraft seines Genies ausgestattet, aber dafs er keine psychiatrischen Krankheitsgeschichten geliefert hat, geht doch mit am klarsten daraus hervor, dafs sich die Sachverst\u00e4ndigen bis auf den heutigen Tag die K\u00f6pfe dar\u00fcber zerbrechen und den armen Hamlet sogar zu einem Neurastheniker machen wollen.\nMufs Shakespeare wirklich mit dem Maafsstabe eines Zola oder gar eines Ibsen gemessen werden ? Ich w\u00e4re eher der entgegengesetzten Ansicht, und ich meine, man k\u00f6nnte die volle Sch\u00f6nheit der Darstellung ruhig auf sich einwirken lassen, selbst wenn es uns nicht gelingen sollte, die gerade zur Zeit g\u00fcltige psychiatrische Formel daf\u00fcr zu finden. Es ist damit so unendlich wenig bewiesen.\nDafs sich Laxhb wesentlich zu den gleichen Anschauungen bewegt, kann den Werth des Buches nur erh\u00f6hen.\tPelmah.","page":320}],"identifier":"lit30501","issued":"1898","language":"de","pages":"319-320","startpages":"319","title":"Hans Laehr: Die Darstellung krankhafter Geisteszust\u00e4nde in Shakespeare's Dramen. Stuttgart, Paul Heff. 1898. 200 S.","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:40:00.050866+00:00"}