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{"created":"2022-01-31T12:54:26.162367+00:00","id":"lit30512","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Pappenheim, K.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 445-446","fulltext":[{"file":"p0445.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n445\nlichen Geistes Gesetze abzuleiten versucht. Nur mufs man sich der grofsen Schwierigkeiten hierbei bewufst bleiben. Auch Verf. scheint mir von einer zu geringen Anzahl von Thatsachen und einer allzu summarischen Betrachtung der Geschichte der Psychologie und Philosophie auszugehen. Daher kommt es wohl auch, dafs er nur so wenige \u201eorganische\u201c Gesetze fand und auch deren Entstehungsgr\u00fcnde und Wirkungsweise nicht gen\u00fcgend aufdeckte. Im Besonderen sind die Schwankungen innerhalb der modernen Psychologie nicht beachtet; auch die angedeutete Stellung der gegenw\u00e4rtigen Psychologie zu Kant d\u00fcrfte mancherlei Bedenken erregen. Verf. fafst doch den Begriff \u201ePsychologie\u201c etwas zu weit ; er deckt sich durchaus nicht mit dem des \u201eSubjectivismus\u201c.\nArthub Wreschner (Giefsen).\nJamrs Sully. Untersuchungen Aber die Kindheit. Psychologische Abhandlungen f\u00fcr Lehrer und gebildete Eltern. Mit Erlaubnifs des Verfassers aus dem Englischen \u00fcbertragen und mit Anmerkungen versehen von Dr. J. Stimpfl. Leipzig, Wunderlich. 1897. 373 S.\nVerf. hat seine z. T. schon vor Jahren in Zeitschriften erschienenen Untersuchungen als \u201eStudies of Childhood\u201c ver\u00f6ffentlicht. Nach einer historischen Einleitung \u00fcber die Entwickelung dieser Wissenschaft bringt er eine F\u00fclle von Beobachtungen und Bemerkungen \u00fcber die verschiedenen Seiten der Kindesnatur, die dem Zweck des Buches entsprechend streng wissenschaftliche Terminologie und Systematik vermeiden. Das Material ist in folgende Gruppen geordnet: Die Phantasie der Kinder und ihre Erzeugnisse, die Entwickelung des kindlichen Denkens, die Gedanken \u00fcber Natur und Gott, die Entwickelung der Sprache, die Furcht, Rohstoff der Sittlichkeit, die Stellung zum Gebot und das Kind als K\u00fcnstler. Im letzten (10.) Capitel, das sich schon \u00e4ufserlich durch reiche Ulustrirung vom ganzen Werk unterscheidet, giebt der Verf. eine geistvolle Verarbeitung der reichhaltigen englisch-amerikanischen Literatur \u00fcber die ersten Kinderzeichnungen. Besonders mit R\u00fccksicht auf nachstehende Besprechung des Werkes von L. Brown, das die SuLLY\u2019schen Untersuchungen trefflich erg\u00e4nzt, sei diesem Capitel besondere Beachtung geschenkt.\nDie z. T. sehr von einander abweichenden Kinderzeichnungen weisen bei genauerer Analyse viele gemeinsame Merkmale auf, die wiederum manche Beziehungen zu Zeichnungen der \u201emodernen Wilden\u201c oder zu solchen aus fr\u00fcheren Kunstperioden haben. Sowohl an den ganzen Figuren (des Menschen oder Pferdes) wie auch an den einzelnen Theilen (Auge, Arm und Hand, Bein und Zehen, Nase und Ohr) l\u00e4fst sich eine allm\u00e4hliche k\u00fcnstlerische Entwickelung, ein Procefs der Specialisirung nachweisen. Besonders auffallend in der Entwickelung des Bildes der menschlichen Gestalt sind die Zeichnungen, in denen die fr\u00fch auftretende mondartige Darstellung des menschlichen Gesichtes der Seitenansicht Platz macht, bei der h\u00e4ufig Verdoppelung der Nase eintritt und die beiden Augen noch beibehalten werden. Bei den Thierzeichnungen ist in erster Linie das Pferd ber\u00fccksichtigt; es ist zweifellos besser geeignet als die besonders von A. Heim (\u201eSehen und Zeichnen\u201c, Basel 1894) f\u00fcr solche Zwecke empfohlene Katze. Bei der Zusammenfassung der Thatsachen weist","page":445},{"file":"p0446.txt","language":"de","ocr_de":"446\nLiterahirbericht\nVerf. auf die Aehnlichkeit des Entwickelungsprocesses der Kinderzeichnungen mit dem der Organismen hin, da die Kinder beim Zeichnen von \u201eeif\u00f6rmigen und embryoartigen\u201c Gestalten ausgehen (?). Drei Stufen glaubt Verf. in den Zeichnungen jedes Kindes unterscheiden zu k\u00f6nnen, die des unbestimmten, formlosen Gekritzels, die des primitiven Entwurfes und die der erk\u00fcnstelteren Behandlung. Zur allgemeinen Charakterisirung der Kindeszeichnung weist Verf. auf die wahrhaft k\u00fcnstlerischen Skizzen hin, deren Linien richtig sind, soweit sie sich erstrecken. Das Kind dagegen stellt weder die Form des Ganzen noch die einzelnen Theile richtig dar, es vernachl\u00e4ssigt in auffallender Weise Gr\u00f6fsenverh\u00e4ltnifis, Ebenmaafs des K\u00f6rpers und die Zahl seiner Extremit\u00e4ten und deren Anh\u00e4nge. Unsichtbare Dinge werden als sichtbar gezeichnet* Z\u00fcge der Menschen auf das Thier \u00fcbertragen und umgekehrt \u2014 gew\u00f6hnlich absichtslos, wie ja \u00fcberhaupt jedes Kind das Zeichnen und seine Ergebnisse durchaus ernst nimmt.\nZur Erkl\u00e4rung der Thatsachen untersucht Verf. zun\u00e4chst das Zeichnen aus dem Ged\u00e4chtnifs. Jeder Mensch geht dabei von einer Idee aus und mufs das Gesichtsbild der Gestalt irgendwie in eine Reihe von Handbewegungen umsetzen. Je vollst\u00e4ndiger die Gestalt ist, desto zusammengesetzter ist der Zeichenvorgang, da jeder Schritt der Operation mit den vorangegangenen Schritten in Beziehung zu setzen ist. Erforderlich ist dazu ein hohes Maafs von Willensbeherrschung und Sicherheit der Hand-bewegung. Beides ist beim Kinde unvollkommen entwickelt. An Stelle der F\u00e4higkeit n\u00fcchtern kritischer Beobachtung offenbart das zeichnende Kind eine phantasiereiche Stimmung, in welcher wenigbestimmte Striche als vollg\u00fcltige Abbilder des Darzustellenden erscheinen. Es ist mehr Sym-boliker, als Naturalist; es fordert in seinen Zeichnungen nicht Aehnlichkeit, sondern begn\u00fcgt sich mit kaum hinreichender Andeutung. Ein sorgf\u00e4ltig methodisches Erforschen der Gegenst\u00e4nde liegt ihm fern. Ebenso unvollkommen, wie die Kenntnifs der Objecte, die es t\u00e4glich vor Augen hat, sind auch seine Darstellungen; es sind nichts weiter als mit dem Zeichenstift erfolgende Aufz\u00e4hlungen dessen, was es von den Dingen weife. Die kindliche Logik macht den kleinen K\u00fcnstler geradezu blind gegen das wirkliche Aussehen der Bilder, seine Sinneswahrnehmungen sind f\u00fcr die k\u00fcnstlerischen Zwecke durch eine zu grofse \u201eBeimischung von Intelligenz\u201c verf\u00e4lscht. In einigen Zeichnungen erblickt Verf. Rudimente eines Kunstgeftthles, da die Gesichter oder Stellungen den \u201eAusdruck von Leichtlebigkeit, Schelmerei, Prahlerei, Fr\u00f6hlichkeit, Einf\u00e4ltigkeit u. s. w.\u201c verrathen ; \u201edie Kinder theilen gleich den w ahren K\u00fcnstlern einen pers\u00f6nlichen Eindruck mit\u201c. Haben das wirklich die kleinen K\u00fcnstler beabsichtigt? Verf. geht hierin, wie in manchen anderen Verallgemeinerungen zu weit. Trotzdem ist gerade das letzte Capitel meisterhaft. Besonders die P\u00e4dagogik des Anschauungs- und Zeichenunterrichtes kann reichen Gewinn daraus ziehen und dem Verf. sowie dem Uebersetzer Herrn Dr. Stimpfl sehr dankbar sein.\nK. Pappekhkuk (Berlin).","page":446}],"identifier":"lit30512","issued":"1898","language":"de","pages":"445-446","startpages":"445","title":"James Sully: Untersuchungen \u00fcber die Kindheit. Psychologische Abhandlungen f\u00fcr Lehrer und gebildete Eltern. Mit Erlaubni\u00df des Verfassers aus dem Englischen \u00fcbertragen und mit Anmerkungen versehen von Dr. J. Stimpfl. Leipzig, Wunderlich. 1897. 373 S.","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T12:54:26.162372+00:00"}