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{"created":"2022-01-31T12:52:57.563614+00:00","id":"lit30514","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Andreae, C.","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 449-450","fulltext":[{"file":"p0449.txt","language":"de","ocr_de":"Literatur bericht.\n449\nErdmann Langner. I. H. Pestalonl\u2019s anthropologische \u00c4nschinnngen. Inaug.-\nDissertation. Breslau 1897. 129 S.\nDie Aufgabe, die sich der Verfasser gestellt, \u201eaus dem gesammten uns yon Pestalozzi hinterlassenen Schriftenmaterial all diejenigen Gedanken in geordneter Darstellung zusammenzustellen, welche die Natur des menschlichen Wesens betreffen\u201c, ist eine sehr dankenswerthe ; denn wenn die \u00fcber die Gedankenkreise unserer grofsen P\u00e4dagogen in Umlauf gesetzten Anschauungen \u00dcberhaupt sich bei dem Mangel an eindringenden Analysen vielfach mehr auf Herkommen als auf quellenm\u00e4fsige Untersuchung st\u00fctzen, so gilt dies in besonderem Maafse f\u00fcr Pestalozzi, welcher durch die Gewohnheit, allerhand Gedankenans\u00e4tze ruck- und st\u00fcckweise in weit ausgesponnenen Reflexionen zu verfolgen, und durch eine breite, bald sich wiederholende, bald nach allen Seiten ausschweifende Ausdrucksweise das Verst\u00e4ndnifs und die Auffassung des Zusammenhanges erschwert und eine streng begriffliche Fassung fast unm\u00f6glich macht. Daher hat denn auch der Verf. mit Recht eine gewaltth\u00e4tige Systematising zu vermeiden gesucht und insbesondere \u201evon jedem Versuche Abstand genommen, durch eine harmonisirende Darstellung zeitlich auseinanderliegende, inhaltlich differirende Anschauungen \u00fcber dieselbe Frage zu einer einzigen zu vereinen\u201c. Das ist in der That bei einem so \u201esystemlosen und einer scharfen principiellen Fassung psychologischer Fragen entbehrenden Manne\" (8.42), wie Pestalozzi, eine unabweisbare Pflicht.\nDie Schrift zerf\u00e4llt in zwei Haupttheile. Der erste giebt eine gut disponirte Darstellung der anthropologischen Anschauungen Pestalozzi's, w\u00e4hrend im zweiten, bedeutend k\u00fcrzeren (S. 93\u2014111) die Quellen derselben eine Besprechung erfahren. Der Stoff des ersten wird unter den Ueber-schriften : \u201eDie Natur des Menschen\" (S. 6\u201447) und \u201eDie Entwickelung des Menschen\" (S. 47\u201492) dargeboten. Jene setzt sich aus drei Grundkr\u00e4ften, solchen des K\u00f6rpers, des Geistes und des Herzens, und zwei untergeordneten Kr\u00e4ften, der Sprechkraft und der Kunstkraft, zusammen, als deren gemeinsame Merkmale Selbstst\u00e4ndigkeit und Entwickelungsf\u00e4higkeit angegeben werden, letztere bedingt durch einen in ihnen liegenden Trieb. Im An-schlufs und unter dem Einflufs der Bibel erscheint die Natur des Menschen aber auch als Leib und Seele und als Fleisch und Geist, jenes richtig und verg\u00e4nglich, dieser unzerst\u00f6rbar und ewig, jenes, als Repr\u00e4sentant der \u201esinnlich-thierischen\" Seite des Menschen, die \u201eGrundlage der Unsittlichkeit\", dieser des Menschen \u201ebesseres Selbst\", \u201edas Heilige\u201c und \u201edas Reine\u201c, Quelle der Sittlichkeit und Religiosit\u00e4t. Da beide Principien im Kampfe mit einanderliegen, so ist es Aufgabe der Erziehung, zu Gunsten des Geistes einzugreifen, damit an die Stelle des \u201ethierischen\u201c Menschen der \u201ewahre\" Mensch tritt, welcher, \u201eein Freund der Wahrheit, das Unrecht hast, Alles liebt, was recht ist und an Menscheng\u00fcte glaubt\".\nDafs diese beiden Grundanschauungen, die dualistische und die von den drei Grundkr\u00e4ften (Denken, F\u00fchlen, Handeln) ohne rechte Vermittelung neben einander hergehen (S. 41\u201445), wird auch nach der p\u00e4dagogischen Seite f\u00fcr ihn verh\u00e4ngnifsvoll (S. 70\u201473).\nBei der Entwickelung des Menschen kommt in Betracht 1. das Indi-\n29\nZeitschrift f\u00fcr Psychologie XVII.","page":449},{"file":"p0450.txt","language":"de","ocr_de":"450\nLiteraturbericht.\nviduum, 2. das Menschengeschlecht. Die Entwickelungsbedingungen f\u00fcr das erstere sind 1. das Wachsthum der Kr\u00e4fte einzeln und in ihrer Ge-sammtheit, 2. die Bildung und 3. die Erziehung. Das Ergebnils der Entfaltung zeigt sich entweder als Gleichgewicht der Kr\u00e4fte oder als lieber gewicht Einzelner, wobei freilich festzuhalten, dals unter jenem Gleichgewicht und der Harmonie der Kr\u00e4fte nur \u201eein sich ihnen n\u00e4hernder Zustand derselben zu verstehen ist\u201c.\nIn der Entwickelungsgeschichte der Menschheit unterscheidet Pestalozzi 1. den Naturstand und 2. den gesellschaftlichen Zustand. Unter jenem begreift er den unverdorbenen und den verdorbenen Naturmensch\u00ab\u00bb ; in diesem betrachtet er den Menschen als thierisches, als rein gesellschaftliches und als sittliches Wesen. Wesentlich verschieden von dieser Ge dankenreihe, welche sich auf die Schrift st\u00fctzt: \u201eMeine Nachforschungen \u00fcber den Gang der Natur in der Entwickelung des Menschengeschlechts\u201c sind seine Ausf\u00fchrungen in den unvollendet gebliebenen \u201eEpochen\u201c.\nDer zweite Haupttheil, die Untersuchung der Quellen, ist, wie schon bemerkt, knapper gehalten. An die Spitze stellt der Verf. als besonders maafsgebend Pestalozzi\u2019s Verh\u00e4ltnis zu Rousseau. Indem er dann das bekannte PssTALOzzi\u2019sche Bekenntnis vom Jahre 1801, \u201eer habe seit dreifsig Jahren kein Buch mehr gelesen\u201c, auf seine genaue G\u00fcltigkeit pr\u00fcft, findet er, dafs sich allerdings der besondere Einflufs eines einzelnen Autors nicht nachweisen lasse. Dies gelte insbesondere auch von Fichte und Kart. Gleichwohl \u201eerscheine er ganz als das Kind der Philosophie seiner Zeit\u201c, wenn auch manche Beziehungen nur \u201edurchschimmera\u201c, unbeschadet seiner mit einem gewissen Stolz behaupteten Selbstst\u00e4ndigkeit. \u201eVon h\u00f6chster Bedeutung f\u00fcr sein Denken war die Bibel.\u201c\nDie Darstellung ist klar und die Urtheile sind besonnen. Auf Einzelnes n\u00e4her einzugehen, verbietet sich hier von selbst. Gern erkennen wir an, dafs die Schrift eine L\u00fccke auszuf\u00fcllen bestrebt ist. In dem Literaturverzeichnis vermissen wir Niederer, \u201ePest. Erziehungsunternehmung im Zusammenhang mit der Zeitkultur\u201c. Der Autor der zuletzt citirten Abhandlung heifst nicht Wigel, sondern Wigkt.\nC. Andreas (M\u00fcnchen).\nA. Binet et N. Vaschide. Influence dl travail iitellectuel, des \u00e9mfiois ft di travail physique sir la pressioa di sang. Ann\u00e9e psychol, m, S. 127\u2014183. 1897.\nA. Binet and N. Vaschide. The IlflieiCf of intellectual Wirk 01 the ilwd pressure il Han. Psychol. Sw. IV (1), S. 54\u201466. 1897.\nMehrere Umst\u00e4nde sprechen daf\u00fcr, dafs die Anwendung hoher Gegendr\u00fccke beim Sphygmomanometer von Mosso nicht nur die \u00e4ufserlich bessere f\u00fcr psychologische Zwecke, sondern auch die sachlich nothwendige ist. Zun\u00e4chst die Thatsache, dafs bei Anwendung h\u00f6herer Gegendr\u00fccke (am besten 120 mm) die Curve der eigentlichen Reizung gegen\u00fcber der Curve der Reizlosigkeit fast nie versagende Aenderungen aufweist. Die Pulsation wird ferner unter dem Einfl\u00fcsse von Reizen bei st\u00e4rkeren Gegendr\u00fccken dann noch nicht unterdr\u00fcckt, wenn sie ohne gleichzeitige Reizung bereits","page":450}],"identifier":"lit30514","issued":"1898","language":"de","pages":"449-450","startpages":"449","title":"Erdmann Langner: I. H. Pestalozzi's anthropologische Anschauungen. Inaug.-Dissertation. 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