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{"created":"2022-01-31T16:07:44.101394+00:00","id":"lit30523","links":{},"metadata":{"alternative":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane","contributors":[{"name":"Heymans","role":"author"}],"detailsRefDisplay":"Zeitschrift f\u00fcr Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane 17: 460-462","fulltext":[{"file":"p0460.txt","language":"de","ocr_de":"460\nLiteraturbcricM.\nBis jetzt h\u00e4ngt Stumpf in seiner Tonpsychologie offenbar noch immer zu sehr nur am Elementaren und beschr\u00e4nkt sich auf Untersuchung von Einzelerscheinungen, w\u00e4hrend er in der Kritik der Systeme Helmholtz\u2019, \u00d6ttingen's etc. S\u00e4tze anficht, deren Aufstellung im Sinne der logischen Verkn\u00fcpfung von Tonvorsteilungen geschehen ist. Einen Grund aber, die Untersuchung von Folgen mehrerer Zusammenkl\u00e4nge auf ihre Consonanz- und Dissonanzwirkung im Zusammenh\u00e4nge von den psychologischen Untersuchungen auszuschliefsen, vermag ich nicht als berechtigt anzuerkennen.\tHugo Riemanh (Leipzig).\nCharles Koenio. Etude exp\u00e9rimentale des caianx s\u00e9mtcircnlaires. Paris, Jouve, 1897. 201 S.\nDie Arbeit zerf\u00e4llt in einen anatomischen, einen historischen, einen experimentellen und einen bibliographischen Theil. Die an Tauben ange-stellten Experimente bedienen sich einer neuen Methodik: der Cocaini-sirung. Nach Oeffnung der kn\u00f6chernen Kan\u00e4le wird Cocain in die Perilymphe eingef\u00fchrt, die h\u00e4utigen Bogeng\u00e4nge bleiben intact. Trotzdem zeigen die so behandelten Tauben genau dieselben Locomotionsst\u00f6rungen, Rollungen etc. wie Tauben, denen Verf. nach FLOURENs\u2019scher Methode die Bogeng\u00e4nge durchschnitt. Da Cocain an\u00e4sthetisch wirkt, so glaubt K. hiermit erwiesen zu haben,, dafs jene St\u00f6rungen nicht Reizungs-, sondern Ausfallserscheinungen sind. Er h\u00e4lt die Bogeng\u00e4nge mit Breuer, Delage u. A f\u00fcr ein Sinnesorgan, das die Drehungen des Kopfes zum Bewufstsein bringt. \u2014 Die letzten 60 Seiten des Buches bringen eine Uebersetzung und theilweise Erg\u00e4nzung der vom Referenten 1895 in der Zeitsehr. f. Ohren\u2022 heilk. ver\u00f6ffentlichten Bibliographie \u00fcber die Bogengangsliteratur.\nW. Stern (Breslau).\nW. Wundt. Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen. Abh. der math.-phys. CI. der K\u00f6nigl. Sachs. Ges. d. Wiss. XXIV, 2, S, 53\u2014178. Leipzig 1898.\nDrei methodologische Regeln werden dieser Untersuchung voraus-geschickt : wenn bei einer T\u00e4uschung mehrere Trugmotive zusammen wirken, sollen dieselben wom\u00f6glich isolirt werden; zwischen mehreren Erkl\u00e4rungshypothesen sei durch Variation der Umst\u00e4nde eine Entscheidung zu treffen; besondere Aufmerksamkeit solle den umkehrbaren T\u00e4uschungen und den subjectiven Bedingungen der Umkehrung derselben gewidmet werden. \u2014 Diese umkehrbaren T\u00e4uschungen, ^welche ausnahmslos perspectivische Vorstellungen erzeugen, wrerden an erster Stelle untersucht; es geh\u00f6ren dazu die perspectivische Auffassung gekreuzter oder schr\u00e4ger Linien, die optische Inversion, die ScHR\u00d6DER\u2019sche Treppenfigur, der NECKER\u2019sche W\u00fcrfel u dergl. In allen diesen F\u00e4llen h\u00e4ngt nach dem Verf. das Auftreten der einen oder der anderen Illusion weder vom Zufall noch von der Phantasieth\u00e4tigkeit ab ; sondern es w erde jedesmal derjenige Theil einer schr\u00e4gen geraden Linie als der dem Beschauer n\u00e4here gesehen, den das Auge von Anfang an fixirt, oder von dem aus es seine fixirende Verfolgung der Linie beginnt. Dieser Sachverhalt erkl\u00e4re sich aus der associativen Nachwirkung gel\u00e4ufiger Vorstellungen: die dem Beschauer","page":460},{"file":"p0461.txt","language":"de","ocr_de":"Literaturbericht.\n461\nn\u00e4chetliegenden Theil\u00a9 eines k\u00f6rperlichen Gegenstandes seien in der weitaus \u00fcberwiegenden Zahl der F\u00e4lle diejenigen, die zuerst vom Auge fixirt werden, und von denen dann die den Contouren entlang laufenden Augenbewegungen ausgehen. \u2014 Es werden sodann Streckent\u00e4uschungen und Richtung\u00dft\u00e4uschungen unterschieden, und beide, je nachdem sie sich durch Variation der Bedingungen beeinflussen oder nicht beeinflussen lassen, in variable und constante eingetheilt. In Bezug auf die ersteren (Uebersch\u00e4tzung getheilter Figuren, M\u00dcLLEB-LYER\u2019sche T\u00e4uschung ; \u2014 Uebersch\u00e4tzung spitzer Winkel und alles damit Verwandte) wird bemerkt, dafs sie vielfach auch perspectivische Auffassungen mit sich f\u00fchren ; indem aber diese perspectivischen Auffassungen nicht umkehrbar sind, auch niemals ohne die Strecken- oder Richtungst\u00e4uschung auftreten, w\u00e4hrend das Umgekehrte wohl vorkommt (getheiltes Quadrat, leere Strecke zwischen zwei getheilten Linien ; \u2014 Abplattung der Kreislinie an den Eckpunkten eines eingeschriebenen Quadrates), so sei die Strecken- oder Richtungst\u00e4uschung als die prim\u00e4re Erscheinung, die perspectivische Auffassung dagegen als eine H\u00fclfsvorstellung anzusehen, durch welche die T\u00e4uschung mit der Beschaffenheit des von ihr unber\u00fchrt gebliebenen Netzhautbildes in Einklang gebracht wird. Was aber die Ursache jener prim\u00e4ren Erscheinungen betrifft, so wird, nach einer Kritik der Erkl\u00e4rungsversuche Helmholtz, Mcller-Lyer\u2019s und des Referenten (wozu Letzterer seine \u201eBerichtigung\u201c, Phil. Stud. XIII, S. 613\u2014615 nachzuschlagen bittet), aus der Aufhebung bezw. Schw\u00e4chung, welche diese T\u00e4uschungen durch starre Fixation, und der Verst\u00e4rkung, welche sie durch Augenbewegungen erfahren, geschlossen, dafs die in der Beschaffenheit der Objecte liegenden Motive der Blickbewegung als das entscheidende Moment zu betrachten seien. Und zwar habe man sich die Sache so zu denken, dafs die durch Fixationslinien oder Eintheilung bedingte Vermehrung oder Verminderung der auf eine Blickbewegung verwendeten Muskelenergie die Sch\u00e4tzung des durchmessenen Raumes im gleichen Sinne*beeinflufst. \u2014 Etwas anders verh\u00e4lt es sich nach dem Verf. mit den constanten Strecken- und Richtungst\u00e4uschungen (Uebersch\u00e4tzung verticaler oder h\u00f6herliegender Distanzen; \u2014 scheinbare Abweichung einer monocular betrachteten Verti-calen), indem hier die Noth Wendigkeit der T\u00e4uschung unmittelbar in der anatomischen Einrichtung des Sehapparates begr\u00fcndet sei (Asymmetrien im Muskelsystem des Auges ; \u2014 unwillk\u00fcrliche Convergenz der Blicklinien bei Senkung der Visirebene). \u2014 Von den bisher besprochenen, prim\u00e4r physiologisch bedingten T\u00e4uschungen werden schliefslich noch die psychologisch bedingten Associationst\u00e4uschungen unterschieden, wozu einerseits die T\u00e4uschungen durch Angleichung bei w'enig verschiedenen, andererseits die T\u00e4uschungen durch Contrast bei bedeutend verschiedenen Gegenst\u00e4nden gerechnet werden; beide werden auf das Princip zur\u00fcckgef\u00fchrt, dafs wir die Sinneseindr\u00fccke im Allgemeinen nicht isolirt, sondern in ihren Verh\u00e4ltnissen zu einander auf fassen. \u2014 Es folgt eine Er\u00f6rterung mehrerer F\u00e4lle, in welchen verschiedene T\u00e4uschungsmotive sich mit einander com-pliciren, und eine zusammenfassende Kritik der vorliegenden Theorieen (der perspectivischen Theorie von Hering, Guye und Thi\u00e9ry, der Contrast-theorie von Helmholtz, Loeb und dem Referenten, der Confluxionstheorie","page":461},{"file":"p0462.txt","language":"de","ocr_de":"462\nLiteraturba'icht.\nvon M\u00fcller-Lyer, und der mechanisch-\u00e4sthetischen Theorie von Lipps). Als allgemeiner Fehler derselben wird ihre psychologische Natur, die Auffassung der optischen T\u00e4uschungen als Urtheils- statt Wahrnehmungst\u00e4uschungen, die Zur\u00fcckffthrung derselben auf die Macht der Einbildungskraft bezeichnet ; diese intellectualistische Betrachtungsweise sei durch die Einsicht zu ersetzen, dafs die optische T\u00e4uschung zum Wahmehmungs-inhalte selbst geh\u00f6rt, und demnach aus den Bedingungen der Wahrnehmung zu erkl\u00e4ren ist. Von diesen Bedingungen seien nach dem Vorhergehenden besonders die Blickbewegungen und Blickrichtungen als entscheidende Momente f\u00fcr das Auftreten der T\u00e4uschungen anzuerkennen. Die Vorstellung dieser Blickbewegungen und Blickrichtungen beruhe auf Druck-und Spannungsempfindungen im- Auge, und die Intensit\u00e4t jener werde an die Intensit\u00e4t dieser gemessen ; daher sei es begreiflich, dafs die durch die verschiedenen T\u00e4uschungsmotive bedingte relative Zunahme jener Empfindungen auch den Schein einer Zunahme der bei der Blickbewegung durchmessenen Raumgr\u00f6fse erzeugt.\tHeymans (Groningen).\nSophie Bryant. Variety of Extent, Degree, and Unity in Self-Gonsclonaness.\nMini. Bd. VI, S. 71-89. 1897.\nAls Factoren des Selbstbewufstseins werden vor Allem angegeben: die Elemente des Willens und der Willk\u00fcrlichkeit mit dem entsprechenden Gef\u00fchlscomplex, und das Bewufstsein der \u00fcbrigen Gef\u00fchle des gegenw\u00e4rtigen bezw. vorgestellten Zustandes, und so auch der auf Grund partieller Gleichheit reproducirten bezw. neu producirten Gef\u00fchle. Auf diese Zusammenh\u00e4nge wird nicht weiter eingegangen, dagegen eine Reihe von vorz\u00fcglich beobachteten Thatsachen gegeben: \u00fcber die allm\u00e4hliche Entwickelung des Selbstbewufstseins und seine verschiedene H\u00f6he, \u00fcber die individuellen Verschiedenheiten in dem Verh\u00e4ltnifs der Ueberlegung zu den Trieben (over-deliberate persons, over-practical persons), das Verh\u00e4ltnifs zu \u00e4hnlichen und entgegengesetzten Anlagen (Ausleben und Hinderung desselben), das Verh\u00e4ltnifs zum vorhandenen Energievorrath, den Einflufs der Willk\u00fcr und Ein\u00fcbung in ethischer Hinsicht, das psychologisch so wichtige momentane Auftauchen, Abschw\u00e4chung und Verschwinden, und das Ausfallen des Selbstbewufstseins, abgesehen von pathologischen F\u00e4llen. Im Ganzen steht die Untersuchung auf dem Standpunkte des ethischen Ideals der \u00e4lteren und mittleren Stoa und implicite also auch desjenigen vielfach der h\u00f6heren Culturen mit der Vielseitigkeit ihrer Anspr\u00fcche gegen\u00fcber der sozusagen zuf\u00e4lligen, constellatorischen Einseitigkeit von Reizung und Einwirkung, Herausbildung der betreffenden Z\u00fcge und der Ein\u00fcbungsverh\u00e4ltnisse dieser Z\u00fcge im Hinblick vor Allem auf ihre Frequenz. Wenn auch das Normative aufserhalb der Abhandlung liegt, so ist doch dieselbe gerade f\u00fcr den P\u00e4dagogen und Ethiker sehr anregend, wobei dann die vorhandenen L\u00fccken allerdings zu erg\u00e4nzen sind.\nP. Mentz (Leipzig).","page":462}],"identifier":"lit30523","issued":"1898","language":"de","pages":"460-462","startpages":"460","title":"W. Wundt: Die geometrisch-optischen T\u00e4uschungen. Abh. der math.-phys. Cl. der K\u00f6nigl. S\u00e4chs. Ges. d. Wiss. XXIV, 2, S. 53-178. Leipzig 1898","type":"Journal Article","volume":"17"},"revision":0,"updated":"2022-01-31T16:07:44.101399+00:00"}